08.2019 reader's digest 149Deutliche Anzeichen: Sie grub schon
eine Höhle für sich und die Kinder –
und war doch noch einmal zu uns
gekommen.
Dann, am späten Nachmittag, er
hob sich Purzelchen, ging die Trep
pen hinab und dann über den Wie
senhang. Am Bach blieb sie stehen,
wartete auf die Kinder, blickte noch
einmal zu uns herauf. Dann wateten
die drei Bären durch den Bach und
gingen in die Wälder. Ein paar Sekun
den lang hörten wir sie noch im Un
terholz. Dann war Stille.
Der Winter, der nun kam, war der
kälteste und schneereichste seit Men
schengedenken. Ende Januar lag auf
unserer Einfahrt der Schnee manns
hoch. Fünf Morgen hintereinander
zeigte das Thermometer auf unserer
Veranda minus zehn Grad an. Noch
Mitte Mai lag in den Wäldern der
Schnee einen halben Meter hoch. Erst
gegen Monatsende taute er ab.
Das Wild kam zurück, bald auch die
Enten im Bach. Doch keine Bären. Zu
erst lasteten wir es dem verspäteten
Frühling an. Aber dann Mitte Juni –
immer noch kein Purzelchen.
„Diesmal habe ich ein ungutes Ge
fühl“, sagte Patti traurig.
Ich nickte, denn ich empfand ähn
lich, wollte es aber nicht zugeben. Am
Abend des 18. Juni kam ich ins Wohn
zimmer und sah Patti an, wie sie trist
im Schaukelstuhl saß. Sie sagte leise:
„Sie kommt nicht wieder, nicht wahr?“
„Ich glaube nicht“, gab ich schließ
lich zu. Wir hielten uns lange in den
Armen – stumm, denn ich fand keine
Worte. Nach sechs Sommern war Pur
zelchen von uns gegangen.
In der ersten Zeit legten wir noch
für andere Bären Futter aus. Aber die
Funken der Freude, die Purzelchen in
unseren Herzen entzündet hatte, wa
ren erloschen. Wir gaben es auf, Futter
auszulegen.
Patti und mir blieb die Erinnerung
an die vielen sorglosen Tage, die wir
mit Purzelchen verbringen durften.
Sie hatte als ein freundliches Bären
kind zu uns gefunden und ihr Leben
mit uns geteilt.Guter Freund
Ich finde und habe immer gefunden, dass sich ein Buch gerade
vorzugsweise zu einem freundschaftlichen Geschenk eignet. Man
liest es oft, man kehrt oft dazu zurück, man naht sich ihm aber
nur in ausgewählten Momenten, braucht es nicht wie eine Tasse,
ein Glas, einen Hausrat, so in jedem gleichgültigen Augenblick
des Lebens, und erinnert sich so immer des Freundes im
Augenblick eines würdigen Genusses.
Wilhelm von humboldt, dt. gelehrter u. staatsmann (1767–1835)