08.2019 reader's digest 59Mit arbeiter zu diskriminieren, und es
fördere höhere Löhne und reduziere
die Kluft zwischen Arm und Reich.
Roman Schatz, ein in Deutschland
geborener Autor, der heute in Finn-
land lebt, sieht das Ganze jedoch eher
skeptisch. „Es erzeugt die Illusion von
Transparenz, damit wir uns alle gut
fühlen: ‚Das könnten die Amerikaner
nie. Und die Deutschen auch nicht.
Wir sind die Ehrlichen, wir sind die
Guten.‘ Das ist so eine Art lutherani-
sches Fegefeuer.“
In Frankreich sind die Steuern be-
sonders hoch: Das Steueraufkommen
entspricht 46,2 Prozent der gesamten
Wirtschaftsleistung. Kein Wunder: Ne-
ben den üblichen Einkommen-, Kör-
perschaft- und Umsatzsteuern wer-
den in Frankreich Gartenhäuschen,
Fotokopierer, Skilifte, Mineral-
wasser, Anwälte, die ihre Man-
danten vor Gericht vertreten,
Varietéshows, Konzerttourneen
und Pornofilme besteuert.Je genauer man hinschaut,
desto klarer wird: Das Finanzamt
hält gern bei allem die Hand auf,
was Spaß macht. In Brüssel bei-
spielsweise müssen Nachtklubs
und Tanzlokale pro Abend und
Person 40 Cent für jeden zahlen,
der sich auf der Tanzfläche bewegt.
Als diese Abgabe erstmals erho-
ben wurde, kam das für manche
überraschend. Nicolas Boochie,
künstlerischer Leiter der Bar Bonne-
fooi, konnte es kaum glauben, als ein
Inspektor vom Finanzamt das Lokal
betrat, um die tanzenden Kunden zu
zählen. „Ich dachte, er macht Witze“,
berichtete er. „Doch es stellte sich
heraus, dass er es ernst meinte.“
Also, schwingen Sie Ihr Tanzbein
lieber nicht in Brüssel! Und überlegen
Sie sich gut, ob Sie in Spanien Bingo
spielen wollen. In der spanischen Re-
gion Asturien müssen Bingospieler
nämlich 10 Prozent ihrer Gewinne als
Steuern abführen. In Murcia sind es
6 Prozent, auf den Balearen 0 Prozent.
Die Steuer steht zwar noch so im Ge-
setz, die Regierung hat aber entschie-
den, sie nicht zu erheben.
Ein zweiter, eng verwandter Grund-
satz ist offenbar, dass wir für solche
Vergnügungen, die unserem körperli-
chen oder moralischen Wohlergehen