Geo Epoche - 08.2019

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morgens vor dem versammelten Hofstaat ankleiden ließ
und zu dem fast jeder Untertan kommen durfte, wenn er
denn nur ordentliche Kleider trug, leben die habsburgi­
schen Herrscher in Wien äußerst zurückgezogen.
Zusammenkünfte bei Hofe sind durch die Vielzahl
der Gebote anstrengende, oft konfliktreiche Angelegen­
heiten, Rangstreitigkeiten an der Tagesordnung.
Auch um diesen aus dem Weg zu gehen, bleibt bei­
nahe die gesamte Iothringische Bräutigamfamilie der
Ve rmählung in Wien fe rn. Nur Franz Stephans Bruder
ist zu den Feierlichkeiten angereist. Doch die Hofordnung
untersagt seine Te ilnahme am Hochzeitszug, die allein
dem hiesigen Adel gestattet ist. Während der Trauung
sitzt er wohl auf einer Tr ibüne, das abendliche Festmahl
beobachtet er von einem Balkon aus; fürs Protokoll gilt
er damit als abwesend.
Maria Theresia, die begehrteste Erbtochter Europas,
hat mit Franz Stephan von Lothringen einen dynastischen
Zwerg zum Mann erhalten. Es ist - selten genug in diesen
Zeiten arrangierter Ehen - eine Liebesheirat.
Die beiden kennen sich von Kindesbeinen an: Franz
Stephan hat in Wien seine höfische Ausbildung genossen.
Von inniger Zuneigung zeugen die Briefe, die Boten kurz
vor der Hochzeit, während der vom Protokoll verlangten
Tre nnungszeit, zwischen beiden hin- und hertragen.
"W ie ein armes Hündchen" sehne sie sich nach einer
Nachricht, schreibt Maria Theresia ihrem Verlobten. Und
verabschiedet sich von ihm mit: "Adieu Mäuse! - Eure
Euch über alles liebende Braut:' Die beiden werden als
Eheleute sogar häufig in einem Bett schlafen, "wie die
Bauern", lästert ein Höfling bald. (Unter Adeligen ist es
üblich, dass der Mann die Frau des Nachts nur besucht.)

ag die kaiserliche Familie auch zu­
rückgezogen leben, ihr Wiener Hof
ist kein Ort der Einsamkeit. Nicht
nur an Tagen großer Zeremonien
gleicht die Hofburg einem riesen­
haften Bienenstock. Ein gewaltiges, mit den Jahren stetig
gewachsenes Gefolge umschwirrt die Majestäten: mehr
als 2000 Männerund Frauen unterschiedlichsten Ranges,
die in Haushalt, Ställen, We rkstätten und Kanzlei für die
Kaiserfamilie Dienst tun. Bedeutende Ämter wie das des
Obersthofmeisters bekleiden erwählte Hochadelige, die
wiederum über ein Heer kleinadeliger und einfacher
Dienstleute gebieten.
Nun, in den Wintermonaten, eilen die Kammer­
heizer schon vor Tau und Tag herbei, um ihre Arbeit
aufzunehmen. Bald knistern auch die Feuer in der Küche,
und Mundköche, Zuckerbäcker, Kesselputzer fangen

mit der Vo rbereitung der Mahlzeiten an. Scharen von
Dienern, Edelknaben tmd Kammerfräulein beginnen mit
ihrer meist 15 Stunden währenden Schicht. So wie all
die Sesselträger, Kutscher, Stall-und Futterknechte, die
Edelsteinbohrer, Gold-und Perlensticker, die Kompass-,
Barometer-und Uhrmacher.
Um Maria Theresias Wo hlbefinden bemühen sich
nach der Hochzeit etwa 30 Bedienstete- deren Aufgaben
bis ins Feinste ausdifferenziert sind. In ihrem Gefolge gibt
es etwa eine We ißwäscherin, die sich um nichts anderes
als ihre Leibwäsche kümmert. Denn wie alle hohen Ade­
ligen wechselt sie die gleich mehrmals am Tage, um sau­
ber zu bleiben. Sich mit Wa sser zu reinigen, ist verpönt;
das Nass dringe durch die poröse Haut in den Körper ein
und bringe die Säfte durcheinander, lehren Mediziner.
Leibkröserinnen bügeln die Spitzenwäsche der jungen
Frau, Kammerzofen helfen ihr in die Kleider.
Die Kaisertochter hat sogar eine Haubenhefterin,
die morgens für das Anlegen ihres Haarschmucks zustän­
dig ist. Solche Dienerinnen kommen ihr nah wie kaum
jemand sonst- und bleiben ihr doch fe rn. Nie spricht sie
wohl auch nur ein persönliches Wo rt mit ihnen; noch
ihren Kindern wird sie einschärfen, ja keinen vertraulichen
Umgang mit dem einfachen Personal zu pflegen. Sie fürch­
tet dessen Indiskretion: Wiederholt haben Bedienstete
Intimitäten aus den kaiserlichen Gemächern ausgeplau­
dert, von tatsächlichen oder erfundenen Aff<iren erzählt.
Die To chter einer Zofe wird nach Maria Theresias
To d in einem Buch über die Empfindlichkeiten der eitlen,
ungeduldigen Habsburgerin schreiben, die ihre mühevoll
gesteckte Frisur zerrupfte, wenn sie ihr nicht gefiel.
Die meisten Gäste, oft Adelige aus dem habsburgi­
schen Imperium und dem römisch-deutschen Reich, aber
auch Gesandtschaften auswärtiger Potentaten, die dem
Kaiser ihre Aufwartung machen, sind tief beeindruckt
von der schieren Größe des Gefolges. Noch mehr aber
staunen sie über die Anzahl bedeutender Adeliger am
WienerHof
Etliche Noble aus dem Habsburgerreich haben mitt­
lerweile eines der Bürgerhäuser im Schatten der kaiser­
lichen Residenz erworben und prachtvoll ausgebaut, sich
sogar eine Grabstätte in den umliegenden Kirchen gesi­
chert -um im Leben wie im Tod die Nähe des Kaisers zu
suchen. Vo r allem aber, um dabei zu sein, wenn er einen
der hochrangigen Posten im Hof- oder Staatsdienst, den
Ministerien oder Kanzleien verteilt.
Es gibt dabei keine klaren Anforderungen, keine
Karriereleitern; der Monarch vergibt Ämter allein nach
Gunst, Stand und Gutdünken. Und so strömen sie alle
herbei und buhlen um Anerkennung.

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