von den pferdegezogenen Fiakern, die in der hell erleuch
teten Stadt fe ste Standplätze haben. Seit 1688 schon ste
hen dort Straßenlaternen mit Talglichtern, um Räubern
und anderen Ve rbrechern die Deckung zu nehmen.
Etliche zieht es aus der Stadt hinaus zum Spittelberg,
einer finsteren, verruchten Gegend mit zahlreichen Gast
stuben, in denen Kupplerinnen und leichte Mädchen ihre
illegalen Dienste anbieten.
Wien gilt - wie so manche europäische Metro
pole - als Hochburg des Ehebruchs. Doch die katho
lische Moral macht es nötig, zumindest den Anschein
von Keuschheit vor und Tr eue nach der Ve rmählung
zu wahren, in den Vo rstädten wie bei Hofe. Zwar haben
auch hier Fürsten häufig Geliebte, jedoch gilt es als Tabu,
Affären offen auszuleben. Bei fe stlichen Anlässen
treten die Adeligen daher mit ihren Ehefrauen auf.
Auch Maria Theresias Mann Franz Stephan
wird sich nach der Hochzeit manchen Seitensprung
erlauben. Seine Gemahlin kränkt dies ungemein.
Die
Sie bändigt ihre Eifersucht, wird ihren Ärger
aber Jahre später mit unnachgiebiger Härte an ihren
Untertanen auslassen - und einen Feldzug gegen
die weitverbreitete Unkeuschheit starten.
JUnge
Fürstin
Mehr als 300 höfische Spitzel werden aus
schwärmen, um auf den Straßen nach dem Rechten
zu sehen. Besonders hart trifft es Prostituierte: Ge
hilfen der Sittenwächter schneiden ihnen die Haare
muss
ab, übergießen die Glatzen mit Pech und sperren
die Frauen dann in ein Zuchthaus.
Bei mehrmaligem Ve rgehen deportiert man sie
per "Wasserschub" über die Donau bis an die Gren
zen des Habsburgerreiches.
Maria Theresia lässt sie für all das büßen, was
ihr Mann und seine Geliebten ihr bei Hofe antun. Indes
verklärt sie Franz Stephan in Briefen an Ve rwandte und
Ve rtraute als "besten Ehemann der We lt" und "anbetungs
würdigen Gemahl". Nichts soll das Bild des innigen
Paares schmälern, das sie seit ihrer prunkvollen Ve rmäh
lung in der Wiener Hofburg abgeben.
A
ls der zweite Tag der Feierlichkeiten an
bricht, haben die Damen in der Nacht
womöglich nicht geschlafen: Das Aus
und Ankleiden ist wegen ihrer großen
Roben so aufwendig, dass sie es morgens
kaum pünktlich zur Festmesse schaffen würden. Am
Abend dieses 13. Februar 1736 erwartet die Hofgesell
schaft ein Höhepunkt des Programms.
Ln Hoftheater wird die Oper "Achille in Sciro" zum
ersten Mal aufgeführt. Verfasst hat sie der Hofdichter
ÄMP·
EN
Pietro Metastasio, vertont der Komponist Antonio Cal
dara (italienische Opernkünstler gelten als die besten
Europas und sind daher bei den Fürsten begehrt).
Der Vo rhang hebt sich, und es fo lgt ein stunden
langes Spektakel um den mythischen Helden Achill, des
sen Geliebte Deidamia und den Trojanischen Krieg. In
kostbare Kostüme gewandete Sänger künden in Arien
von Eifersucht, Ve rrat und Leidenschaft.
Die Aufführung dient nicht allein der Zerstreuung
des Publikums - sondern vor allem der Machtdemons
tration. Vo r den Augen des versammelten Hochadels
fe iert der Hof seine Pracht und Größe.
Schon Maria Theresias Ahnen haben darum begon-
nen, die talentiertesten Künstler nach Wien zu holen,
warben sie gar anderen Höfen ab. Die Unterhaltung
der Opernbühne mit all ihren We rkstätten und Mu
sikern ist einer der größten Posten im Hofetat. Noch
wagt niemand, daran zu rütteln - weil nichts der
habsburgischen Selbstverherrlichung dienlicher ist.
So steigen denn auch im Schlussbild der Hoch
zeitsaper der personifizierte Ruhm, die Liebe und
die Zeit vom Himmel herab, singen das hohe Lied
auf das glückliche Paar auf der Bühne- und huldi
gen damit zugleich Maria Theresia und Franz Joseph.
Und dann, beim Maskenball am fo lgenden
Abend, scheinen die sonst so streng getrennten We l
ten Wiens plötzlich zu verschmelzen.
Einfache Untertanen fe iern im kaiserlichen
BallsaaL wie sich anhand ähnlicher Hofveranstal
tungen vermuten lässt: Ein Wirt und eine Wirtin
empfangen die Gäste, Köche, Dienstboten, Bauern
wandeln durch die prunkvolle Halle.
Doch tatsächlich sind all dies Edelleute - und
sie mimen nur das niedere Vo lk. Der Kaiser und seine
Frau geben das Wirtspaar. Solch ausgelassene Kostüm
fe ste sind wohl die einzigen offiziellen Anlässe, bei denen
die Hofgesellschaft dem Korsett des Zeremoniells fü r ein
paar Stunden zu entfliehen vermag.
Die Adeligen können sich diese Ve rgnügen gönnen,
weil sie sich ihres eigenen Status absolut sicher sind.
Mit dem Mummenschanz endet in den späten Stun
den des 14. Februar 1736 das Hochzeitsfest - und in Wien
nimmt der Alltag weiter seinen Lauf Am nächsten Tag
werden sich die Märkte der Stadt wieder mit Händlern
füllen, die Straßen der Vo rstädte wieder mit Brotverkäu
fe rn und Bradbratern, die Wirtshäuser mit Spielern, die
Nähstuben mit Schneidern, die bereits an den prächtigen
Roben für das nächste Fest arbeiten.
Und auch bei Hofe geht das durch das Protokoll
genormte Leben weiter, in unmittelbarer Nähe und doch