sehen Monarchen, sie mit Gewalt wieder
zum katholischen Glauben zu bekehren.
Frankfurt gehörte zu den Orten,
die den Fremden dauerhaftes Bleibe
recht gewährten -auch weil die Rats
regierung auf einen wirtschaftlichen
Aufschwung hoffte. Oie Niederländer
brachten Handelsbeziehungen in alle
We lt mit, die Franzosen gründeten Ma
nufakturen. Und auch italienische Kauf
leute ließen sich in der Stadt nieder.
Oie weitreichenden Verbindungen
der Einwanderer machten aus der klei
nen Messestadt binnen weniger Jahr
zehnte eine vermögende Metropole.
Z
ugezogene, die sich zu den
Lehren Luthers bekennen, die
Geld mitbringen, Wissen, Fä
higkeiten (und womöglich
die Witwe oder To chter eines Frankfur
ter Bürgers heiraten), dürfen wenige
Monate nach Ankunft einen Antrag auf
Aufnahme in die Bürgerschaft stellen.
Eingewanderte Katholiken, Juden
und Calvinisten (zu denen die meisten
Glaubensflüchtlinge aus Frankreich und
den Niederlanden zählen) können hin
gegen nicht vollwertige Bürger werden.
Oie Stadtregierung erkennt sie bloß als
schlechter gestellte "Beisassen" an, gegen
Gebühr - und auch nur, wenn sie ein
entsprechendes Vermögen nachweisen.
Sie sind von politischen Entschei
dungen ausgeschlossen, dürfen keine
offenen Läden betreiben, allein im Groß
handel aktiv sein. Überdies wird ihnen
der Status einzig auf Lebenszeit verlie
hen; so bleiben ihre Familien abhängig
von der Gnade des Stadtrats.
Zu den lutherischen Einwanderern,
denen die Aufnahme in die Bürgerschaft
gelingt, gehören Männer wie der aus
Friedberg stammende Stadtarzt Johann
Hartmann Senckenberg und der verwit
wete Schneidermeister Friedrich Georg
Göthe: geboren in einer thüringischen
Kleinstadt als Sohn eines Hufschmieds,
nach langen Wa nderjahren als Geselle
nach Frankfurt gezogen. Kurz nach sei-
Städte wie Frankfurt bieten viele
Ve rdienstmöglichkeiten - und
fördern das Spezialistentum
Die städtischen Bediensteten
überwachen den Handel, die
Betriebe - und die strenge
Kleiderordnung
Die Rechtsberater
des Frankfurter Stadtrats
zählen zum innersten
Zirkel der Macht
Diese Bürger befassen
sich vor allem mit
der Beurkundung von
Rechtsgeschäften
ner Ankunft 1686 hat der Rat seinem
Antrag auf Aufnahme in die Bürger
schaft stattgegeben.
Inzwischen zählt er zu den wohl
habenderen Bürgern der Stadt; doch als
Göthe vor einigen Jahren gegen die Fa
milie eines prominenten Rechtsberaters
der Stadtregierung wegen unbezahlter
Rechnungen vor Gericht zog, erlebte er,
wie eng Frankfurts Elite zusammenhält:
Oie Stadtregierungweigerte sich, gegen
den Schuldner aus den eigenen Reihen
vorzugehen, und entschied, den Fall von
auswärtigen Juristen klären zu lassen.
Oie Klage wurde abgewiesen, ein späte
res Verfahren schließlich eingestellt. Der
Schneider ging leer aus.
Als Handwerker kann Meister
Göthe ohnehin nicht in die Oberschicht
aufsteigen, allem Erfolgzum Trotz. Erst
seinen Söhnen wird es gelingen, in diese
Kreise vorzustoßen.
IN FÜNF STÄNDE teilt sich die Stadt
bevölkerung auf. Ganz unten stehen die
Kutscher, Fuhrleute, Tagelöhner und
Dienstboten; dann kommen die Hand
werker und kleineren Krämer. Oie dritte
Gruppe bilden die Soldaten des städti
schen Militärs sowie Künstler und grö
ßere Händler. Darüber stehen Groß
kaufleute und vornehmere Bürger- und
ganz oben schließlich die Akademiker,
höchste Amtsträger sowie der Adel.
Eine Gruppe aber bewegt sich au
ßerhalb dieser Ordnung: DenJuden hat
der Stadtrat einen Platz am Rand der
Gesellschaft zugewiesen. Sie wohnen in
einer schmalen Gasse, die vom östlichen
Ende der Zeil, Frankfurts breitester
Straße, zum Main verläuft, mit hohen
Mauern abgegrenzt, 330 Meter lang.
Als der Rat im Jahr 1462 die damals
kaum 200 Juden zwang, in diesen Bezirk
umzuziehen, entstand hier das erste
Ghetto Europas. Inzwischen lebt in den
214 Häusern des Viertels die größte jü
dische Gemeinde des römisch-deutschen
Reichs: mehr als 2400 Menschen, die
sich nirgendwo anders in der Stadt an-