Geo Epoche - 08.2019

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Bericht hieß. Noch am selben Tag be­
gannen seine Männer mit dem Bau pro­
visorischer Unterkünfte und ließen sich
von Einheimischen Holz für Palisaden
heranschleppen.
Am 5. Januar 1683 erneuerte von
der Groeben die Handelsvereinbarung
mit 14 Dorfoberhäuptern aus der Ge­
gend. Unklar ist, was der Deutsche den
Afrikanern überhaupt übersetzen ließ.
Gemäß dem überlieferten Paragrafen­
werk sollten die Einheimischen die noch
zu erbauende Festung mit "ihrem Blut
beschützen helfen". Sie verpflichteten
sich, deren Kommandanten "in aller
Untertänigkeit alle Dienste zu leisten
und an die Hand zu gehen". Und sie
durften künftig nur noch mit der Bran­
denburger Kompanie Handel treiben.
Am Ende der Zeremonie ließ von
der Groeben den mächtigsten seiner
Partner einen Treueschwur leisten: "Bre­
che ich meinen Eid, so lasse mich der
große Monarch augenblicklich sterben�'
Er stationierte eine Garnison in
Großfriedrichsburg und war Anfang
1684 wieder zurück in der Heimat.


IN BRANDENBURG ließ Benjamin Rau!e
nun große Fregatten für den Übersee­
handel auf Kiel legen. Und er sicherte
sich in Ostfriesland Nutzungsrechteam
Hafen von Emden - das sparte den
Schiffen den Umweg durch die Ostsee.
In der Stadt erwarb er ein Kontor­
haus, machte es zum Sitz und Umschlag­
platz der Gesellschaft und stationierte
dort eine erste "Marine-Kompanie" mit
zunächst 110 Soldaten, um die Segler des
Unternehmens sowie die Festung Groß­
friedrichsburg zu bemannen.
Schiff um Schiff segelte bald darauf
von Emden nach Westafrika, um Bau­
material für die Festung ans Kap der drei
Spitzen zu bringen.
In einer Bedarfsliste hatte Friedrich
Wilhelm fe sthalten lassen, was nötig sein
würde: 40 Zelte, 50 Schubkarren, 300
Schippen, SO Äxte, 100 Beile, 200 Hieb­
messer und 30 Sensen; Kalk, Lehm, Blei,


1683 -1717 J Preußischer Kolonialismus


Leim und Wachs; 2S Fackeln, zehn La­
ternen und Lampenöl für 1S Monate.
Zudem Fenster, Eichen bohlen, Zie­
gelsteine, Zehntausende Nägel, Vo rhän­
geschlösser sowie eine komplette Feld­
schmiede nebst Blasebalg; Beschläge
und Riegel für ein Festungstor; schließ­
lich Musketen und Pistolen, Haubitzen
und Geschütze, 1600 Kanonenkugeln
und 1SOO Handgranaten.
We rber hatten fü r den Einsatz in
den Tropen einen Bäcker, Balbiere,
Schneider, Schuster, Handwerksgesellen,
Tamboure und einen Prediger rekrutiert.
In Großfriedrichsburg ließ ein Fes­
tungsingenieur derweil ein Fundament
legen, Gewölbe mauern, die Magazin­
und Wo hngebäude sowie die Außen­
werke ausführen. Allmählich wuchs die
Festung in die Höhe.
Drei weitere Stützpunkte erwarb
die Kompanie in der Nähe und ließ sie
befestigen; damit kontrollierte sie einen
rund SO Kilometer langen Küstenstrei­
fe n. (Überdies gründeten die Branden­
burger 168S noch eine Niederlassung auf
der gut 2000 Kilometer nordwestlich
gelegenen Insel Arguin, die heute zu
Mauretanien gehört. Sie erlangte jedoch
nie eine ähnliche Bedeutung wie die
Kolonie in Ghana.)
Um Großfriedrichsburg siedelten
sich Einheimische in kleinen Dorf­
gemeinschaften an, in Lehmhütten mit
Grasdächern. Sie verkauften den Frem­
den Hühner sowie Maniok, Bananen
undJams, die sie anbauten.
Auch aus dem ferneren Umland
kamen nun Händler, brachten Gold und
Elfenbein vor die Festung, tauschten
die kostbaren Rohstoffe gegen Tuch,
Branntwein, Eisengeräte, Spiegel sowie
Perlen aus Rubinglas, die der Kurfürst
eigens von einem Alchemisten auf der
Berliner Pfaueninsel fabrizieren ließ.
Doch schon bald wollten die Bran­
denburger das Geschäft mit der Sklave­
rei zum wirtschaftlichen Fundament der
Kompanie machen. "Ein jeder weiß, dass
der Sklavenhandel die �elle des Reich-

68 I GEO EPOCHE Deutschland um 1700


tums ist, den die Spanier aus ihrem ln­
dien [=Amerika] holen", schrieb Raule
168S an Friedrich Wilhelm. Und der
Kurfürst hatte bereits seiner Bedarfsliste
8000 Fußangeln hinzugefügt.

We lt getragen,
Leben die
denKonq
um ging, ihre Besitzungen auszubeuten.
Zugleich ließ der wachsende Im­
port die Preise für Zucker, Kaffee und
Tabak, Kakao, Baumwolle und den
Farbstoffindigo in Europa sinken. Mehr
Käufer konnten sich daher die begehrten
Wa ren aus der Karibik und Südamerika
leisten. We gen der zunehmenden Nach­
frage wurden immer größere Plantagen
betrieben, die eine stetig steigende Zahl
an Arbeitskräften benötigten.
Und gab es nicht jenseits des Atlan­
tiks, in Afrika, genügend Menschen, die
der Zwangsarbeit in Hitze und hoher
Luftfeuchtigkeit gewachsen sein wür­
den? Skrupel, sie in großer Zahl über den
Ozean zu verschleppen, hatte niemand.
Vo r allem Portugiesen übernahmen
den Transport über den Atlantik, aber
auch Engländer, Niederländer und Fran­
zosen stiegen in das unbarmherzige Ge­
schäft ein. Sie waren auf die Kooperation
der lokalen Eliten im Küstengebiet an­
gewiesen - denn ins Hinterland trauten
sie sich auch weiterhin nicht vor.
Viele afrikanische Stammesführer
im Inneren des Kontinents sahen in dem
Menschenraub eine Gelegenheit, Riva­
len zu schwächen. Sie unternahmen
gezielte Vorstöße, um Gefangene zu
machen und an Sklavenhändler zu ver­
kaufen, die sie an die Küste trieben.
Oie meisten Tr ansaktionen der
Brandenburger Kompanie lassen sich
heute nicht mehr genau rekonstruieren,
da sämtliche Schiffstagebücher verloren
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