Neue Zürcher Zeitung - 05.08.2019

(Dana P.) #1

22 GELD & FINANZEN Montag, 5. August 2019


Sockelrente in der beruflichen Vorsorge statt Umverteilung


Die Zurich Schweiz lanciert mit Vita Invest eine innovative Vorsorgelös ung


WERNER ENZ


«Wir wollen zurück zudenWurzeln
gehen und in der beruflichenVorsorge
wieder die Eigenverantwortung stär-
ken.» Sandro Meyer, der beiderZurich
Schweiz für Lebensversicherungen und
die beruflicheVorsorge (BVG)verant-
wortlich ist, hat ein neuesVorsorge-
modell entwickelt, das sich an Unterneh-
men richtet, diekeine eigenePensions-
kasse führen können oder wollen. Die
Grundüberlegung besteht darin, für eine
BVG-Sockelrente neu mit einem (zur-
zeit ungefähr marktkonformen) techni-
schen Zins von 0% zurechnen und die
damit gewonnenenFreiheitsgrade für
eine langfristig nach Möglichkeit höher
ausfallende Anlagerendite einzusetzen.
Hergeleitet aus der Lebenserwartung
wird noch ein Umwandlungssatz von
3,7% garantiert, in Ergänzung dazu sol-
len Altersrentner eine vom Anlageerfolg
abhängige Zusatzrente erhalten. Mit der
bewusstenAufgabe von Zinsgarantien,
so lautet die Devise, soll Flexibilität für
den Sparprozess gewonnen werden.


OhneGarantie auskommen


Die Zurich Schweiz verfolgt die mutige
Absicht, sich bei den Leistungsvorgaben
aus der altenBVG-Welt, die vor allem
durch einen viel zu hohen gesetzlichen
Rentenumwandlungssatz (von 6,8%)
charakterisiert ist, zu verabschieden.
Spielraum ergibt sich dadurch, dass das
BVG-Obligatorium einenJahreslohn bis
85 320Fr. erfasst; für darüberliegende
Lohnbestandteile (das Überobligato-
rium) gibt eskeineRestriktionen. So
dürfte es auch in Zukunftkein Problem
sein, gesetzliche Mindestauflagen zu er-
füllen, selbst mit einer Sockelrente, die
sich auf einen Umwandlungssatz von
3,7% stützt. Und vor allem sollte es so
möglich werden, Aktive undRentner


gleich zu behandeln und nicht einfach
ohneAussicht aufRemedur fortlaufend
Pensionierungsverluste hinzunehmen.
Die Zurich Schweiz wird ab An-
fang 2020 zunächst die Sammelstiftung
Vita Invest auf das neueSystem um-
stellen, womit 30 angeschlosseneVor-
sorgewerke mit 4185Versicherten und
einemVorsorgevermögen von 614 Mio.
Fr. (per Ende 2018) ein Angebot erhal-
ten. Der Kreis soll bei Interesse aber ge-
öffnet werden. ZurAusgangslage gehört,
dass der Deckungsgrad sich mit 113,5%
per Ende 20 18 komfortabel präsentiert
und die Altersstruktur sehr gut ist;ange-
schlosseneRentner sind von der Zurich-
Versicherung übernommen worden.
Was den bestehendenKundenkreis an-
geht, handelt es sich laut Sandro Meyer
um Unternehmen mit einer Mitarbeiter-
zahl zwischen 2 und1500.
KundenvonVita Investsind oft-
malsTochtergesellschaften internatio-
nalerKonzerne. Das Zielpublikum sind
Unternehmen,die ein stärkeres Gewicht
auf die Anlagestrategie und den Spar-
prozess legen möchten und eine ent-
sprechende Risikoakzeptanz mitbrin-
gen. ErsteRückfragen zum vorgeschla-
genen hybridenRentenmodellseien bei
denKunden wie auch den Brokernposi-
tivausgefallen.
DieAufhebung von Garantien soll
beiVia Invest in erster Linie mehr Be-
wegungsfreiheit beimFestlegen der An-
lagestrategie geben. Letztlich entschei-
det die Höhe des Altersguthabens über
die Höhe derRente. Überhaupt besteht
der Grundgedanke des Ansatzes darin,
abgestimmt auf den Risikoappetit eines
Unternehmens mit besserenAussichten
auf Erfolg zu investieren. Bekanntlich
sind Schweizer Lebensversicherungen,
die imBVG eineVollversicherung mit
der Übernahme des Anlagerisikos an-
bieten, zu einer defensiven Anlagestra-
tegie gezwungen; es ist teuer,Risiko-

kapital bereitzustellen.Dainzwischen
Obligationen vielfachkeinen Zins mehr
abwerfen, ist guterRat teuer.

Es braucht etwas Risikofreude


Wenn nun auf derBasis eines techni-
schenZinses von 0%Vita Invest eine fixe
Rente mit einem Umwandlungssatz von
3,7% garantiert, stellt sich dieFrage, wo-
mit einRentner in Zukunft denn noch
zusätzlichrechnenkönnte. Realistisch
erscheine aus heutigerPerspektive mit
einem Erwartungswert über 25Jahre
einePerformance-Beteiligung, die einem
Umwandlungssatz von 1,3% entspreche,
so Meyer. Insgesamt gehe man bei einem
Satz von 1,3% von einer umKosten für
Administration undVermögensverwal-
tung bereinigten Anlagerendite v0n jähr-
lich knapp unter 2,5% aus. EinRentner
käme in der Summe also auf eineRente,

die jährlich 5% seines bis Ende des Be-
rufslebens aufgebauten Altersguthabens
aufzehren würde.
Muss derRentner aber mit einem
Totalausfall der variablen Renten-
komponenterechnen, wennes an der
Aktienbörse einmal bergab geht?Vita
Invest stellt inAussicht, denvariablen
Rentenanteil geglättet über fünfJahre
festzulegen.
Ein zentrales Element der Vita-
Invest-Lösung ist die Anlagestrategie, die
mit den dreiBausteinen «ausgewogen»,
«progressiv» und «dynamisch» (vgl. Gra-
fik) arbeitet.Aus diesenBausteinenkön-
nenKunden eineihnen passende Alloka-
tion zusammensetzen. Die Aktienquote
kann somit zwischen minimal 24,5 und
50% festgelegt werden.Auch dieVa -
riante «ausgewogen» bedingt eine ge-
wisse Risikofähigkeit. Abgestimmt auf
die Anlagestrategie wird eine stetigstei-

gendeWertschwankungsreserve als Ziel-
grösse definiert, um einen Puffer für un-
wirtliche Zeiten zu haben.Jeder einzelne
Anschluss kann, aber muss nicht selber
bestimmen, welche der drei Anlagestra-
tegien verfolgt werden soll. Die Zurich
kann auf firmeninternes Know-how zu-
greifen, um die Umsetzung der Anlage-
strategie kundenfreundlich undkosten-
effizient zu gestalten.
Wem der Übergang zu einer tiefen
BVG-Sockelrente inKombination mit
einervariablen Zusatzrente zu weit geht,
der hat mitVita Classiceine Alternative.
DieseVorsorgelösung ist mit 21 828 an-
geschlossenen Arbeitgebern und einem
Kapital von 11 Mrd.Fr. umeinVielfaches
grösser alsVita Invest und wird der Stan-
dard bleiben. Allerdings liegt auchVita
Classic mit einerAktienquotevon 28%
auf einem Niveau, wie es bei Schweizer
Pensionskassen oft anzutreffen ist.

BÖRSEN-RADAR


Am Devisenmarkt gehen die Anleger in Deckung


Zollkapriolen und geldpolitischer Opportunismus stärken Dollar, Franken und Yen – Währungen von Schwellen ländernunter Druck


CHRISTOF LEISINGER


Die handelspolitischen Kapriolen
DonaldTr umps und die ähnlich oppor-
tunistische Geldpolitik der US-Noten-
bank stärken am Devisenmarkt derzeit
die Nachfrage nach scheinbar sicheren
Währungen. So ist derFranken imVer-
hältnis zum Euro so stark wie zuletzt
vor dreiJahren: Gerade nochFr.1.0915
waren Ende letzterWoche nötig, um
eine Einheit der europäischen Einheits-
währung zu kaufen.ZumDollar legte er
nur phasenweise zu, weil sich die ame-
rikanischeWährung selbst vergleichs-
weiserobust entwickelt.


Der Dollar trotztden Umständen


Tr otz den enormen Staatsdefiziten, trotz
den schnell steigenden Unternehmens-
schulden und trotz allen nur denkbaren
Pressionen auf die amerikanische Zen-
tralbank, geldpolitisch «lockerer» zu
werden, ist der Dollar imVerhältnis
zum Euro so stark wie seit demFrüh-
jahr 20 17 nicht mehr. Der mittelfristige
Tr end lässt auf Anhiebkeine Indizien
für dessen Änderung erkennen.
Die beiden Phänomene lassen sich
auf unterschiedliche, aber auch auf ge-
meinsame Ursachen zurückführen. Die
relative Stärke desFrankens leitetsich
aus den stetigen Überschüssen ab, die
die Schweiz als kleinesLand mit vielen
starken, flexiblen Unternehmen im inter-
nationalenWirtschaftsgeschehen erzielt.
Solange das so bleibt und solange die In-
flation im Inland niedriger als imAus-
land ist, wird derFranken in derTen-
denz immer stärker. In derVergangen-
heit hat sich das immer nur dann für eine
gewisse Zeit geändert, wenn Schwei-
zer Investoren glaubten, dieWiesen im


Ausland seien grüner und dieRenditen
höher als im Inland, so dass es zu kräf-
tigen Kapitalströmen insAusland kam.
Seit derFinanzkrise sehen sie das nicht
mehr so, und aus diesem Grund muss die
Nationalbank dafür sorgen,denFranken
nicht zu stark werden zu lassen.
Dierelative Stärke des Dollars lei-
tet sich aus seiner Stellung alsWeltwäh-

rung ab. Diese führt dazu, dass in guten
Zeiten viel amerikanisches Kapital in
die internationalen Märkte fliesst.Wol-
len die Investoren bei aufkommender
Verunsicherung aber ihre Risiken ein-
schränken, steigt meistens die Dollar-
nachfrage – wie derzeit auch.
DieKursentwicklung beiderWäh-
rungen wird zudem von der extremen

Strategie der Europäischen Zentral-
bank (EZB) beeinflusst. Dort hat Mario
Draghi, der bald abtretende Präsident,
in den vergangenenJahren nicht ein-
mal imTr aum daran gedacht,denFuss
vom geldpolitischen Gaspedal zu neh-
men, sondern in jüngster Zeit hat er so-
gar neuerliche Stimulierungsmassnah-
men angedeutet. Er scheint davon aus-

zugehen, dass ein durch billiges Geld
wirtschaftlich schon kräftig aufgeblase-
ner und verzerrterKontinent sich noch
zu einem weiteren Höhepunkt treiben
lässt, ohne dass auf politischer Seite die
richtigen Strukturen geschaffen wer-
den. Er kann sicher sein, dass ihn per-
sönlich dieKonsequenzen seinesTuns
nicht mehr treffen werden, sondern
seine Nachfolger. Sicher ist aber auch,
dass dasVerhalten der EZB die Zen-
tralbanken der Schweiz und der USA
beeinflusst, weil die extrem tiefen Zin-
sen undRenditen sowie dieWertpapier-
käufe in Europa ihren Handlungsspiel-
raum einschränken.

Schönwetter-Investments


In den Schwellenländern dagegen gehen
die Investoren in unsicheren Zeiten in
Deckung. IhreWährungen mögen in
guten Zeiten gefragt sein, weil viele
höhere Zinsen als in den USA, Europa
oderJapan bieten und weil sich Inves-
toren gerne einreden lassen, mit Invest-
ments in rasch wachsenden Staaten
seien überdurchschnittlicheRenditen zu
erzielen. BeimWechselkurskommt es
aber immer wieder zu massiven Gegen-
bewegungen.So hat der chinesische
Yuan seit Mitte April 6,7% seinesWer-
tes imVerhältnis zumFranken verloren.
DieWährungenKolumbiens,Argenti-
niens, Russlands, Südafrikas und Bra-
siliens sind vor allem in jüngerer Zeit
unter dieRäder gekommen und haben
allein in der vergangenenWoche zwi-
schen 3,7 und 4,8% zumFranken nach-
gegeben.Nur derYenund die türkische
Lira waren in dieser Zeit etwas stärker.
BeideWährungen profitieren von Son-
derfaktoren. Die Lira wohl nur kurzfris-
tig, denn langfristig ist sie schwach.

Die Nachfrage nachscheinbar sicherenWährungen ist derzeit gross. ALEX KRAUS / BLOOMBERG

NZZ Visuals/cke.

Aktien Obligationen und Geldmarkt Immobilien Alternative Anlagen

QUELLE: ZURICH SCHWEIZ

DiedreiAnlagestrategien vonVita Invest


ProfilAusgewogen Profil ProgressivProfil Dynamisch
Ziel
Wertschwan-
kungsreserve

10% 12,5% 15%


24,5

50,0

12,0

23,0

15,0

41,0

22,0

12,5

%


33,5

12,5

22,5

31,5

% %

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