Die Welt Kompakt - 08.08.2019

(Michael S) #1
Es ist aber nichts normal bei
Kims Waffentests. Erstens hat
Nordkorea mit dem neuen
schweren Raketenwerfer bewie-
sen, dass es die wichtigsten Mili-
täranlagen in Südkorea auch
dann zerstören kann, wenn es
keine ballistischen Raketen ein-
setzt. Zweitens hat Kim mit den
KN-23-Tests der Welt gezeigt,
dass es tiefflugfähige, und dazu
noch im Flug lenkbare Raketen

besitzt – eine Technik, die bisher
nur Russland beherrscht.
Der neue Raketenwerfer mit
40 Zentimeter Kaliber hat eine
Reichweite von 250 Kilometern.
An der Grenze zu Südkorea sta-
tioniert, fliegen Geschosse weit
genug, um das neue amerikani-
sche Hauptquartier in Pyeongta-
ek ins Fadenkreuz nehmen zu
können. Es liegt 70 Kilometer

mit den USA und Südkorea. Es
werde ein Überraschungsangriff
auf Nordkorea simuliert – daher
bleibe dem Land gar nichts ande-
res übrig, als Waffen zur eigenen
Verteidigung zu entwickeln und
zu testen.
Trump tut so, als seien die
Tests nichts Besonderes. „Sehr
normal“ seien die Probeschüsse,
sagte er am Montag und wieder-
holte, was er schon mehrmals

seit Beginn der Testserie gesagt
hat: Zwischen Kim und ihm gebe
es nur eine „Verabredung, keine
Interkontinentalraketen zu tes-
ten“. Es störte ihn nicht, dass
Kims Außenministerium in der
vergangenen Woche zornig fest-
gestellt hatte, Nordkorea habe
nirgendwo einen Vertrag unter-
schrieben, der die Reichweite sei-
ner Raketen begrenze.

K


im Jong-uns Palastgar-
de hatte in den vergan-
genen zwölf Tagen
reichlich zu tun. Sie
musste für ihren Chef 800 Kilo-
meter Straßen sperren. So lang
war die Gesamtdistanz, die Kim
seit dem 25. Juli für vier Kurz-
streckenraketen-Tests zurück-
legte, der vorerst letzte in der
Nacht zum Dienstag. Zwei Mal
hastete er von Pjöngjang in die
150 Kilometer entfernte Hafen-
stadt Wonsan an der Ostküste,
um dort die Probeschüsse von
KN-23-Raketen und eines neuen
schweren Raketenwerfers zu be-
obachten.

VON TORSTEN KRAUEL

Zwischendurch besuchte er in
der Hauptstadt ein Konzert, mit
dem die Führung den Jahrestag
des Waffenstillstands im Korea-
Krieg 1953 beging. Dann fuhr der
Oberste Befehlshaber zu einem
100 Kilometer entfernten Flug-
platz an der Westküste, um noch
einmal zwei KN-23-Geschosse zu
bewundern. Bei diesem Test war
erstmals in Nordkoreas Raketen-
geschichte das halbe Politbüro
anwesend.
Der Test erfolgte bloß einen
Tag, nachdem Kims Außenminis-
terium Donald Trump und Süd-
koreas Präsidenten Moon Jae-in
gedroht hatte, in der Atomfrage
einen „neuen Kurs“ einzuschla-
gen, falls Washington und Seoul
nicht endlich ihre „feindliche Po-
litik“ änderten und vor allem die
gemeinsamen Manöver auf süd-
koreanischem Boden endlich
ganz stoppten. Die Manöver sei-
en ein Bruch der Verabredungen
auf den bisherigen Gipfeln Kims

südlich von Seoul und wurde
dorthin verlegt, um aus der
Reichweite von Kims bisheriger
schwerer Artillerie zu kommen.
Durch die neuen Raketenwerfer
gerät auch das amerikanische Ra-
ketenabwehrsystem Thaad in
Kims Visier. Es ist in Geongju
aufgebaut, 110 Kilometer südlich
von Seoul. Mit dem Raketenwer-
fer hat Nordkorea nun eine Mög-
lichkeit, das Thaad-System zu
zerstören, ohne dafür ballistische
Raketen einsetzen zu müssen.
Militärpolitisch betrachtet be-
deutet das eine wichtige Eskala-
tionskontrolle, denn Kim kann
einen etwaigen Angriff führen,
ohne potenziell nuklearfähige
Waffen zu verwenden. Kurzstre-
ckenraketen wie die KN-23 wür-
den einen Angriff auf eine höhe-
re Eskalationsstufe heben und
eine ganz andere amerikanische
Reaktion nach sich ziehen, als
wenn ein Angriff nur mit einem
konventionellen Raketenwerfer
durchgeführt würde. In der Mit-
teilung zum erfolgreichen Test
dieser Waffe ließ Kim zweimal
unterstreichen, es handele sich
um ein „Artilleriesystem“ für
„Bodenoperationen“ im Rahmen

6 POLITIK DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT DONNERSTAG,8.AUGUST


USA

Trump ruft zu Einheit
und Versöhnung auf

US-Präsident Donald Trump
hat Vorwürfe zurückgewiesen,
er habe mit hetzerischen Aus-
sagen zum offenbar rassistisch
motivierten Schusswaffenmas-
saker in El Paso in Texas bei-
getragen. Vielmehr bringe
seine Rhetorik die Leute zu-
sammen, sagte Trump, bevor
er nach Dayton in Ohio reiste.
Dort hatte ein Mann in der
Nacht zum Sonntag neun Men-
schen erschossen, tags zuvor
tötete ein Schütze in einem
Wal-Mart in El Paso 22 Men-
schen, viele von ihnen mit
Migrationshintergrund. In
beiden Städten wollte Trump
am Mittwoch Trost spenden
und die Nation zu Einigkeit
und Versöhnung aufrufen, wie
das Weiße Haus mitteilte. Al-
lerdings schlug ihm bereits vor
seiner Abreise wegen seiner
eigenen fremdenfeindlichen
und mehr auf Spaltung als
Versöhnung ausgerichteten
Rhetorik Feindseligkeit ent-
gegen. Die Bürgermeister bei-
der Städte riefen ihn auf, die
Art und Weise, wie er über
Ausländer redet, zu ändern.
Mehrere Proteste gegen Trump
waren geplant. Die demokrati-
schen Präsidentschaftsbewer-
ber verurteilten Trumps Rhe-
torik nahezu geschlossen als
hetzerisch.

OSTUKRAINE

Vier Tote: Selenskyj
telefoniert mit Putin

Nach dem Tod von vier Re-
gierungssoldaten in der Ost-
ukraine hat der ukrainische
Präsident Wolodymyr Selen-
skyj mit Kreml-Chef Wladimir
Putin telefoniert. „Ich bitte
Sie, auf die andere Seite ein-
zuwirken, damit die Ermor-
dung unserer Menschen be-
endet wird“, habe er Putin
gesagt. Das Telefonat dauerte
nach Angaben Selenskyjs sehr
lange. Es war erst das zweite
Mal, dass beide Staatschefs
direkt miteinander gesprochen
haben. Die Regierungssoldaten
waren am Vortag trotz einer
erneuten unbefristeten Waf-
fenruhe bei Kämpfen mit pro-
russischen Separatisten im
Gebiet Donezk getötet worden.

KOMPAKT


Kims neue Raketen


fliegen um die Ecke


Nordkorea kann jetzt auch ohne ballistische Geschosse die wichtigsten


Militäranlagen in Südkorea erreichen – samt amerikanischer Ziele


,,


Sehr normal


Donald Trump, US-Präsident über Kims Probeschüsse

Der Gouverneur von Ohio, Mike
DeWine (l.) empfängt Trump

DPA

/ EVAN VUCCI

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