Handelsblatt - 08.08.2019

(Ann) #1

„Das ist eine Frage, die zurzeit


viele Menschen bewegt.


Ich werde mich dazu zu


gegebener Zeit dann ganz


klar äußern.“


Franziska Giffey, Familienministerin, lässt eine
mögliche Kandidatur für den SPD-Vorsitz offen.

„Der Multilateralismus


steht unter Druck. Aber


die Lösung besteht darin,


ihn besser zu machen, nicht


darin, ihn aufzugeben.“


Lee Hsien Loong, Regierungschef von
Singapur, begrüßt das neue UN-Abkommen
zur Schlichtung von Handelskonflikten.

Stimmen weltweit


Die liberale dänische Tageszeitung „Politiken“
kommentiert den Handelskonflikt zwischen den
USA und China:

M


an vergisst das leicht, aber wenn Do-
nald Trump etwas sagt, ist das tatsäch-
lich nicht immer eine Lüge. Manchmal
hat der US-Präsident einen korrekten Punkt, und
das gilt auch für seine Kritik an Chinas Handels-
politik. Hinter Trumps grobkörniger Rhetorik
versteckt sich die richtige Analyse, dass China
das internationale Freihandelssystem zu seinem
eigenen Vorteil missbraucht und manipuliert hat.
Sowohl die USA als auch die EU haben allzu lan-
ge dabei weggesehen. China muss dazu gedrängt
werden, die internationalen Handelsregeln zu
respektieren, durch die es selbst so starke Vortei-
le gehabt hat. Aber gerade, weil Trump in der
Substanz recht hat, ist es umso trauriger, dass
die Mittel, die er im Handelskrieg gegen China
dpa, dpa, REUTERSeinsetzt, kurzfristig und gefährlich sind.

Die Londoner „Times“ warnt am Mittwoch vor
den Risiken des Handelskonflikts zwischen den
USA und China:

N


atürlich könnten die USA und China noch
immer einen Deal erreichen (...). Doch
das wird immer unwahrscheinlicher. Das
deutet darauf hin, dass der Handelskrieg selbst
ohne eine zusätzliche Eskalation das globale
Wachstum weiter bremsen wird. Und ohne einen
Deal ist keine Überwindung der verfahrenen La-
ge zwischen den USA und China in Sicht. Da-
durch wird die Welthandelsorganisation ge-
lähmt, was Großbritannien angesichts der Vorbe-
reitungen auf den Brexit zutiefst beunruhigt. Un-
heil verheißend ist die Zinsstrukturkurve in den
USA, mit der die Spanne zwischen den Gewin-
nen auf kurzfristige und langfristige US-Anleihen
gemessen wird. Sie ist die negativste seit 2007.
Wann immer sie in den vergangenen 50 Jahren
ins Negative drehte, folgte eine Rezession.

V


iele Abgeordnete können sich gar nicht mehr an
die Zeiten erinnern, so lange sind sie inzwischen
her. An die Zeiten, in denen der Bund und die

Länder Haushaltsdefizite einfuhren. An die Zeiten, in


denen ein Finanzminister jeden Groschen zweimal um-


drehen musste. An die Zeiten, in denen fast jede neue


Ausgabe abgebügelt wurde.


Fast zehn Jahre ist das alles nun her. Seitdem


herrscht in Deutschland eine wirtschaftlich goldene De-


kade, in der Ausgabenwünsche immer einfach mithilfe


neuer Mehreinnahmen gestemmt wurden. In der Aus-


gabenwünsche auf keine Haushaltsgrenzen stießen.


Und in der jede noch so dumme Idee wie das Bau -


kindergeld oder die Mütterrente umgesetzt wurde.


Kurzum: in der das große „Wünsch dir was“ den Kitt für


die jeweilige Regierung bildete.


Doch die goldene Dekade neigt sich dem Ende entge-


gen. Der Bund hat im ersten Halbjahr weniger Steuern


eingenommen, dabei hat der drohende Abschwung bis-


lang nur sachte an die Tür geklopft und wird seine volle


Wirkung erst noch entfalten. Die Bundesländer merken


die Konjunkturdelle auch schon, im ersten Halbjahr ha-
ben gleich fünf wieder Schulden gemacht und würden
damit die im nächsten Jahr in Kraft tretende Schulden-
bremse reißen, wenn der Bund sie nicht mal wieder ge-
nerös mit neuen Zuweisungen päppeln würde. Aber
auch das frische Geld aus Berlin wird die Länder im Ab-
schwung nicht ewig über Wasser halten können.
Die Haushalte von Bund und Ländern geraten damit
gleich von zwei Seiten unter Druck: Einmal durch den
immer wahrscheinlicher werdenden Abschwung, und
einmal durch die Jahrhundertherausforderung Klima-
wandel, die den Staat mehr Geld kosten wird, als sich
viele Menschen das heute vorstellen können.
Bund und Länder müssen daher schnell wieder jene
Tugend entdecken, die in den vergangenen Jahren ver-
loren gegangen ist: die Kunst des Sparens. In Zeiten
knapper werdender Einnahmen und deutlich höherer
Klimaausgaben gehören zuerst alle geplanten Ausgaben
auf den Prüfstand. Als Zweites sollten Bund und Länder
ihre Haushalte nach Ausgaben durchforsten, die sich
streichen lassen. Da sollte nach der Ausgabenparty der
vergangenen Jahre einiges zu finden sein.
Was der Staat aber nicht machen darf: in alte Verhal-
tensmuster zurückfallen. Neue Schulden für ein Kon-
junkturprogramm sind in Ordnung, dafür hat sich der
Staat Spielraum erarbeitet. Aber jeder Ausgabe jetzt das
„Klima“-Etikett umzuhängen, für das Schuldenmachen
schon okay ist, wäre die Fortsetzung einer Ausgaben -
politik, die sich Deutschland angesichts der Herausfor-
derungen in der Infrastruktur, der Demografie, der Di-
gitalisierung und des Klimawandels nicht leisten kann.

Verschuldung


Die Kunst des Sparens


In Zeiten des Abschwungs und
des sich verschärfenden
Klimawandels muss der Staat
schnell wieder Enthaltsamkeit
erlernen, fordert Martin Greive.

Der Autor ist Korrespondent im Hauptstadtbüro.
Sie erreichen ihn unter:
[email protected]

Die „Neue Zürcher Zeitung“ kommentiert am
Mittwoch Indiens Entscheidung, der
Kaschmirregion den Sonderstatus zu entziehen:

W


eite Teile der muslimischen Bevölke-
rung Kaschmirs werden das Ende der
Teilautonomie nicht nur als Demüti-
gung empfinden, sondern als Bedrohung. Die in-
dische Verfassung verbot bisher, dass Leute aus
anderen Teilstaaten in Kaschmir Land erwerben
und Staatsämter ausüben. (...)
Dabei hätte die Regierung in Delhi durchaus gute
Argumente, den Status von Jammu und Kasch-
mir zu überdenken. Manche Gesetze des Teil-
staats sind anachronistisch, etwa jenes, das ver-
hindert, dass Frauen, die auswärtige Männer hei-
raten, lokalen Besitz erben können. Doch die Re-
gierung entschied sich statt für gezielte Eingriffe
für den größtmöglichen Knalleffekt. Dessen sym-
bolische Bedeutung kann schwerlich überschätzt
werden. Für viele Bewohner Kaschmirs, die
schon jetzt faktisch unter militärischer Besat-
zung leben, war die Teilautonomie ein letztes
verbliebenes Zugeständnis. Die Aufhebung des
Sonderstatus hat die unruhigste Region eines un-
ruhigen Landes noch volatiler gemacht.

Wirtschaft & Politik


DONNERSTAG, 8. AUGUST 2019, NR. 151


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