Handelsblatt - 08.08.2019

(Ann) #1

Gunnar Herrmann


Den Wandel vorantreiben


Der Vorsitzende der


Geschäftsführung der


Ford-Werke besuchte Schüler


des Berufskollegs des Rhein-


Sieg-Kreises in Siegburg.


Welche Führungsqualitäten brau-
chen Chefs von morgen?
Mut, Offenheit und ein gewisses Un-
ternehmertum: Wir wünschen uns
Unternehmer im Unternehmen, die
bereit sind, neue Wege zu gehen, In-
novationen voranzutreiben und ih-
re Mitarbeiter darin zu unterstüt-
zen, kreative Lösungen zu entwi-
ckeln. Denn das Wichtigste in Zeiten
wie diesen sind gute Ideen – und de-
ren möglichst effektive Umsetzung.

Was tun Sie angesichts des Fachkräf-
temangels, um Mitarbeiter zu gewin-
nen?
Die zielgruppengerechte und direk-
te Ansprache über soziale Medien
wird beim Rekrutieren von Fach-
kräften immer wichtiger. Mit unse-
ren dualen Studienprogrammen
„do2business“, „do2informatik“
und „do2technik“ bilden wir künfti-
ge Fach- und Führungskräfte auch
direkt bei uns im Unternehmen aus.

Wo sehen Sie Ford in zehn Jahren?
Die Automobilbranche wird sich bis
2030 mehr verändern als in den
100 Jahren zuvor. Bei Ford treiben

wir den Wandel vom reinen Auto-
mobilhersteller zum Auto- und Mo-
bilitätsanbieter bereits mit aller
Kraft voran. Der neue Ford Focus ist
beispielsweise dank integriertem
Modem ein fahrender Computer,
der dem Fahrer das nächste freie
Parkhaus oder die günstigste Tank-
stelle anzeigt. Auch ohne Auto ist
man mit der Ford-Pass-App mobil
und kann über sein Handy Ford-
Car- oder Bikesharing nutzen. Und
das ist alles erst der Anfang!

Wie verbinden Sie Ihren Beruf mit Ih-
rem Privatleben? Und was sagt Ihre
Frau dazu?
Ich lebe Ford – und zwar sieben Ta-
ge die Woche. Schon auf der Fahrt
zu Ford, morgens vor acht Uhr,
fange ich an zu arbeiten, telefonie-
re oder nehme an Videokonferen-
zen teil. Meine Termine sind dann
nahtlos getaktet. Abends reserviere
ich mir in der Regel noch mal zwei
Stunden nur für E-Mails. Dazu
kommen noch Abendtermine und
Dienstreisen. Natürlich bedeutet so
ein Pensum, dass auch meine Fa-
milie und vor allem meine Frau
mitziehen müssen. Sie ist so was
wie eine verdeckte Ford-Angestell-
te, denn bei vielen Veranstaltungen
begleitet sie mich. Wichtig ist:
Wenn ich Urlaub mache, verab-
schiede ich mich ganz. Da gibt es
nur eine Notfallnummer.

Herbert Schein


„Für Ideen begeistern“


Der Vorstandsvorsitzende der


Varta AG stellte sich am


Theodor-Heuss-Gymnasium


in Nördlingen Fragen der


Elftklässler.


Welche Führungsqualitäten brau-
chen Chefs von morgen?
In der Batteriebranche ist das Ta-
lent gefragt, Sachverhalte schnell zu
analysieren und rasch zu reagieren.
Das Arbeiten in Projektteams wird
zunehmen, und dabei werden so-
ziale Kompetenzen an Bedeutung
gewinnen. Ein guter Manager zeich-
net sich dadurch aus, dass er seine
Mitarbeiter für Ideen begeistert,
motiviert und zu Höchstleistungen
anspornt.

Was tun Sie angesichts des Fachkräf-
temangels, um Mitarbeiter zu gewin-
nen?

Unsere firmeninterne Ausbildung
wird auch in Zukunft das A und O
bleiben. Dabei arbeiten wir eng mit
den Hochschulen zusammen. In
der Batteriebranche ist zudem viel
spezielles Fachwissen nötig, das
man am besten in der Praxis bei
uns im Unternehmen lernt. Des-
halb sind uns die duale Ausbildung
und das duale Studium sehr wich-
tig. Künftig werden wir 70 bis 80
Prozent der Fach- und Führungs-
kräfte selbst ausbilden. Wir haben
eine sehr geringe Fluktuation, und
viele unserer Mitarbeiter sind
schon seit Jahrzehnten für die Var-
ta-AG-Gruppe tätig.

Wie stark wird die Digitalisierung un-
sere Arbeitswelt verändern?
Die Digitalisierung wird die Arbeits-
welt in der Zukunft maßgeblich ver-
ändern. Bei der Digitalisierung in
der Batterieindustrie geht es um
selbstregelnde Prozesse, das heißt,
die Maschinen passen sich auf Mate-
rialabweichungen oder andere Ab-
weichungen automatisch an. Wir
betrachten die Digitalisierung ganz-
heitlich, sprich angefangen von der
Generierung des Auftrags beim
Kunden bis das Produkt am Haken
im Geschäft abverkauft wird. Somit
ist die Digitalisierung die große
Chance für Produktionsunterneh-
men in Deutschland, weltweit noch
wettbewerbsfähiger zu werden.

Klaus Meier-Kortwig


Transformation gestalten, Tradition bewahren


Der Vorsitzende der


Geschäftsführung der


Wanzl Metallwarenfabrik


traf an der Montessori


Fachoberschule München


Zwölftklässler.


Welche Führungsqualitäten brau-
chen Chefs von morgen?
Moderne Chefs müssen in der Lage
sein, alle Arten von Teams zu füh-
ren. Sie müssen beurteilen kön-
nen, wo die Stärken jedes einzel-
nen Teammitglieds liegen und wie
jedes einzelne zu motivieren ist.
Sie müssen Freiheiten lassen kön-
nen. Gleichzeitig müssen sie ihre
Teams anleiten und, wo erforder-
lich, anschieben. Denn, wenn sie
der Gruppe zu viel selbst überlas-
sen, schleicht sich der Schlendrian
ein, auch bei guten Mitarbeitern.
Das ist menschlich – aber trotzdem
nicht gut. Sie müssen also Verant-
wortung delegieren, dazu Freihei-
ten gewähren und die notwendigen
Stellhebel zur Verfügung stellen.
Basis dafür ist, dass sie ihren Mitar-
beitern vertrauen, auch wenn mal
etwas schiefläuft. Trotzdem müs-
sen sie regelmäßig nach dem Rech-
ten sehen. Das motiviert und baut
Schlendrian vor. Das sind aus mei-
ner Sicht wesentliche Aspekte der
Führung.
Freiheit und Flexibilität sind für
den Nachwuchs ein großes Thema.
Und es ist tatsächlich so: Die Men-
schen sind in ihrer Arbeit dann
gut, wenn sie ihrem eigenen Rhyth-
mus folgen. Ich versuche deshalb,
meinen Mitarbeitern entgegenzu-
kommen. Sie bestimmen selbst,
wann sie eine Aufgabe erledigen.

Abends um zehn Uhr, morgens um
sechs oder eben zur normalen Ar-
beitszeit – Hauptsache pünktlich er-
ledigt. Das geht natürlich nicht in
allen Bereichen eines Unterneh-
mens, wie etwa in Produktionsbe-
reichen mit festen sequenziellen
Abläufen. Wo es aber möglich ist,
sollte man diese Freiheit im Sinne
des Mitarbeiters und seiner Motiva-
tion nutzen.

Was tun Sie angesichts von Fach-
und Führungskräftemangel, um
Mitarbeiter zu gewinnen und zu
halten?
Das Thema beschäftigt uns tatsäch-
lich. Als „Metallwarenfabrik“ ist es
nicht ganz leicht, Softwareentwick-
ler auf uns aufmerksam zu machen.
Deshalb haben wir unser Employ-
er-Branding intensiviert. Wir arbei-
ten zunehmend über soziale Me-
dien oder über Veranstaltungen.
Besonders bei Führungspositionen
setzen wir stark auf bestehende
Kontakte oder Empfehlungen aus
unserem Netzwerk.
Bei uns geht es familiär zu. Karrie-
ren sind flexibler, und wir haben
attraktive Auslandsstandorte zu
bieten. Damit lässt sich bei Bewer-
bern punkten und damit, dass man
sich in unserer Gegend als junge
Familie noch ein Haus leisten
kann.
Im Grunde müssen wir mit unserer
Unternehmenskultur überzeugen.
Schon im Bewerbungsgespräch soll
der Kandidat spüren: „Bei Wanzl
decken sich meine Erwartungen
und Ansprüche mit den Anforde-
rungen. Hier kann ich mich entwi-
ckeln und mich mit der Philosophie
des Unternehmens identifizieren.“

kann der Kunde den Markt betre-
ten. In Ballungsgebieten könnte
man dagegen bald auf individuelle
Kühlschränke verzichten und den
Tagesbedarf zentral in kleinen Lä-
den mit digitaler Zugangsberechti-
gung und automatischer Abrech-
nung auf dem Smartphone des Kun-
den bereitstellen.
Vor allem der barrierefreie Einkauf
ist ein großes Thema für uns. In der
Kassenzone scannen Sie Ihre Ein-
käufe selbst, ein Scanntunnel erfasst
Ihre Einkäufe automatisch oder die
Ware kann am Einkaufswagen di-
rekt gescannt werden und rechnet
vollelektronisch ab. Kein Anstehen
mehr, kein Warten an der Kasse.
Der Traum jedes Discounters. An
solchen Lösungen tüfteln wir.

Wenn der Bedarf an einfachen Beru-
fen künftig deutlich nachlässt, was
passiert dann mit den Mitarbeitern?
Schulen Sie die alle zu Softwareexper-
ten um?
Zwei von drei Arbeitsplätzen in un-
serer Fertigung sind zurzeit mit
Nichtfacharbeitern besetzt. Natür-
lich können wir nicht alle zu Pro-
grammierern umschulen. Aber die
Mitarbeiter können sehr wohl in
neue Aufgabengebiete eingearbeitet
werden: Wer bislang Einkaufswagen
geschweißt hat, kann mit entspre-
chender Anleitung beispielsweise
Automaten zusammenbauen.
Wie viele andere Unternehmen be-
finden wir uns in einer Transforma-
tion. Wir müssen uns weiterentwi-
ckeln – und dabei die alten Werte
beibehalten. Führungskräfte stehen
vor der Aufgabe, altgediente Mitar-
beiter mitzunehmen und sie für
neue Tätigkeiten zu begeistern.

Sonderveröffentlichung
DONNERSTAG, 8. AUGUST 2019, NR. 151

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Klaus Meier-Kortwig:
Vorsitzender der Ge-
schäftsführung Wanzl
Metallwarenfabrik.

Thomas Einberger


Wenn sich Einkaufsgewohnheiten
und -orte ändern, wie reagieren Sie
darauf?
Statt auf rein produktgetriebene An-
sätze wie Einkaufswagen setzen wir
mehr auf lösungsorientierte, digita-
le Konzepte. Beispiel ländlicher
Raum: Dort wird es immer schwieri-
ger, Läden kostendeckend zu betrei-
ben. Eine Lösung könnten zum Bei-
spiel kleine, leicht versetzbare Lä-
den sein, die nur zeitweise Personal
zu Bestückung mit Waren benöti-
gen. Mittels einer Authentifizierung
über die jeweilige Kundenkarte
oder App auf dem Smartphone

Herbert Schein: Vorstandsvorsit-
zender Varta AG.

Jürgen Altmann Photographer

Gunnar Herrmann:
Vorsitzender der
Geschäftsführung
Ford-Werke GmbH.

Uta Wagner,
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