Süddeutsche Zeitung - 31.07.2019

(Darren Dugan) #1
Hamburg– Esist noch nicht lange her, da
stand Joachim Wundrak immer mal wie-
der in Uniform bei Ursula von der Leyen,
damals Bundesverteidigungsministerin.
Bis September 2018 war Wundrak General-
leutnant bei der Luftwaffe, einer der rang-
höchsten Soldaten des Landes. Mit einem
Großen Zapfenstreich samt Nationalhym-
ne ging er in Pension, jetzt ist er 64 Jahre
alt. Seit nun bekannt wurde, dass sich der
vormalige Drei-Sterne-General für die
AfD um den Posten des Oberbürgermeis-
ters in Hannover bewirbt, stellen sich Fra-
gen. Die Fragen gehen weit über Hannover
hinaus.
Wie kann es sein, dass ein bis vor Kur-
zem führender Mann der deutschen Streit-
kräfte zum Beispiel dies sagte, als er bei
Hannovers AfD im Dezember 2018 seinen
ersten Auftritt hatte: Es müsse, so Wun-
drak bei einem Exkurs über Patrioten, „vie-
les falsch gelaufen sein, wenn sich inzwi-
schen ein Großteil des linken Spektrums in-
klusive der Kanzlerin einer ehemals eher
konservativen Partei als antideutsch positi-
oniert“. Antideutsch, die Bundeskanzlerin
Angela Merkel? Das Video steht noch im
Netz. Wie groß sind die Sympathien in der
Bundeswehr für eine Partei, die immer wei-
ter nach rechts rückt, wenn sich einer ihrer
vormals führenden Vertreter so äußert?
Von der Leyen warf der Truppe vor eini-
ger Zeit „ein Haltungsproblem“ vor. Fried-
rich Merz äußerte die auf seine Union ge-
münzte Befürchtung, man verliere „Teile
der Bundeswehr und der Bundespolizei an
die AfD“. Jörg Radek, stellvertretender
Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei,
erkennt Sympathien in der Bundespolizei
für rechtspopulistische Parteien. Joachim
Wundrak sagt zum Thema AfD und Bun-

deswehr und Polizei am Telefon, er kenne
da nur Einzelmeinungen. Aber es sei doch
„fast normal“, dass die AfD dort besondere
Resonanz finde.
Joachim Wundrak war für die Luftwaffe
in Afghanistan, in Bosnien, bei der Flutka-
tastrophe in Mosambik. Er leitete zuletzt
das Zentrum Luftoperationen in Kalkar
und das Combined Air Operations Centre
in Uedem, er trägt das Bundesverdienst-
kreuz. Früher habe er Helmut Schmidt ge-
schätzt und die SPD gewählt, erzählt er,
später schloss er sich der CDU an, 2014 ha-
be es ihm gereicht. Schon vor der Flücht-

lingskrise 2015, die er auch durch seine en-
gen Kontakt zur Bundespolizei habe kom-
men sehen. „Die AfD“, so sieht er das, „ist
die einzige Partei, die auf die Souveränität
Deutschlands überhaupt noch Wert legt.“
Solche Sätze sagt er außer Dienst. Durch
„die Ausgrenzung der AfD“ könnten es
„Leute, die noch abhängig beschäftigt
sind“, kaum vertragen, für die AfD zu kan-
didieren, meint Wundrak. Nach seinem
Ausscheiden trat er 2018 in die AfD ein. Bis-
her sei er „eher stilles Mitglied“ gewesen,
erläuterte er bei einem Vortrag im Dezem-
ber. Der General als stilles AfD-Mitglied.

Das Rathaus von Hannover dürfte Joa-
chim Wundrak am 27. Oktober kaum er-
obern, 2016 bekam die AfD nur 8,6 Prozent
der Stimmen. Niedersachsens Hauptstadt
wird seit mehr als sieben Jahrzehnten von
der SPD regiert, allerdings wurde diese
vorgezogene Neuwahl deshalb nötig, weil
Stefan Schostok wegen des Vorwurfs der
Untreue zurücktrat. Wundrak spricht von
Filz und Abhängigkeit in Hannover, von
verschmutztem öffentlichen Raum, von
Schulproblemen und Kriminalität. Doch er
verlässt die Region auch schnell, wenn
man ihn zu seinen Ansichten befragt.

Er zählt auf, AfD-Klassiker: „Krawalle
in Freibädern, bundesweit“, „Belästigung
von Frauen“, „Zusammenrottung von jun-
gen Männern“. Für den EU-Apparat hat er
Begriffe wie „undemokratischer Haufen“
und „Pseudoparlament“, Nationalstaaten
würden abgedrängt. In Brüssel wird seine
frühere Chefin Präsidentin der EU-Kom-
mission. Er sei aber „nicht grundsätzlich
gegen die EU“. Alexander Gauland oder
Bernd Höcke kenne er noch nicht persön-
lich, Gaulands Hinweis, die NS-Zeit sei
„ein Fliegenschiss“ gewesen, hält er für
nicht schlimm, da werde viel hineininter-
pretiert. Er sei selbst stolz „auf die langjäh-
rige deutsche Kultur und Geschichte“.
Er wettert gegen „die Medien“ und klagt
über „die Nazi-Keule“, es schlage einem
Hass entgegen, kennt man von der AfD.
„Ich bin kein Ideologe“, sagt Wundrak. Er
verurteile, „was in Nazideutschland von

den Nazis angerichtet wurde, aufs Schärfs-
te“. Und: „Ich habe 44 Jahre lang gedient.“
Was den völkischen AfD-Flügel betrifft, so
glaubt er, die AfD werde Volkspartei und
„breite Klammern setzen“.
Wundrak zeichnet von sich das Bild des
Soldaten im Ruhestand, der als Politiker
Freiheit und Wohlstand vor dem Verfall ret-
ten will und auf der Basis von Grundgesetz
und Strafgesetzen steht. Wobei er diese
Verfassung auch für problembeladen hält
und Deutschland für eingeschränkt souve-
rän. Bei seinem Referat vor der Hannover-
AfD packte er, der die Landesverteidigung
mitgestaltet hatte, Rechtsextreme und den
Bundestagspräsidenten in einen Satz: „Es
gibt derzeit viele Stimmen von den soge-
nannten Reichsbürgern bis zu Wolfgang
Schäuble, die die Souveränität der Bundes-
republik Deutschland und damit des deut-
schen Volkes infrage stellen.“ Untergangs-
szenarien sind Routine bei der AfD, nur bis-
her noch nicht von einem vor zehn Mona-
ten verabschiedeten, international vernetz-
ten Generalleutnant a.D.
Es gibt mehrere ehemalige Offiziere bei
der AfD, manche mit hohen Dienstgraden
wie den Oberst a.D. Georg Pazderski und
den Oberstleutnant a.D. Uwe Junge. Aber
Joachim Wundrak ist höher dekoriert.
„3-Sterne-General der Luftwaffe tritt für
AfD an!“, twitterte die AfD mit dem unter-
legten Foto eines Armeehubschraubers.
„Aufstand der Generäle?!“, twitterte Belit
Onay, der für die Grünen OB werden will.
Er nennt Wundraks Bewerbung „ein bitte-
res Zeichen für die Bundeswehr“, für die
Hannoversche Allgemeine Zeitungist sie
dies: „Das Alarmsignal von Hannover.“ Am


  1. August will Hannovers AfD Wundrak of-
    fiziell nominieren. peter burghardt


von mike szymanski

Berlin– SPD-Generalsekretär Lars Kling-
beilwollte diese Woche eigentlich weitge-
hend abschalten. Wandern gehen. Nicht
viel hören, nicht viel sagen – zumindest
was die große Politik angeht. Pause ma-
chen. Der Herbst wird anstrengend – seine
Partei sucht nach dem Rückzug von An-
drea Nahles eine neue Spitze. Und dieses
Mal sollte die Nachfolge, so hat es Klingbeil
oft in den vergangenen Wochen formu-
liert, nicht in Hinterzimmern geregelt wer-
den. Es sollten auch keine „alten Rituale“
der Machtpolitik zum Tragen kommen. Er,
als Generalsekretär, machte sich beson-
ders stark dafür, dass die Mitglieder mit-
entscheiden sollen. Dass jetzt Offenheit

und Transparenz herrscht. Und dann kam
der Montagabend in seinem Urlaub und
der Eindruck, dass in der SPD doch noch
vieles einfach so läuft wie immer.

Die Zeitungen des Redaktionsnetzwer-
kes Deutschland meldeten, der niedersäch-
sische Ministerpräsident Stephan Weil ha-
be bei einer Telefonschalte mit den kom-
missarischen Parteichefs erklärt, nicht
kandidieren zu wollen. Stattdessen werde
er Lars Klingbeil bei seiner Bewerbung un-
terstützen. Beide, Klingbeil und er, kom-

men aus Niedersachsen, einem mächtigen
wie mitgliederstarken Landesverband. In
der Parteizentrale in Berlin, aber auch in
Hannover herrschte daraufhin Verwunde-
rung. Am Dienstag hieß es dann: „Diese
Nachricht können wir nicht bestätigen“,
bei dem Bericht handle es sich um „reine
Spekulation“.
Das heißt aber noch lange nicht, dass es
nicht auch so kommt. Plausibel wäre ein
solches Szenario. Und doch, der Vorgang
bringt die Niedersachsen-SPD in gewisse
Nöte. Denn es wird offenkundig, dass es
hinter den Kulissen weit weniger harmo-
nisch zugeht als die Partei nach außen den
Anschein zu machen versucht: Von Weil ist
bekannt, dass er eigentlich gerne in Nieder-
sachsen bleiben will. Andererseits gehört

er zur Führungsreserve. Wenn bei der Su-
che nach einer neuen Spitze – es soll gerne
ein Doppel sein – sich niemand von politi-
schem Gewicht meldet, dürfte er sich gefor-
dert fühlen, doch anzutreten. Weil taktiert,
und das seit Wochen. Und weil der 60-Jähri-
ge nach diesem Bericht immer noch nicht
Klarheit darüber schafft, was er will, ver-
stärkt sich dieser Eindruck noch weiter.
Weil hat das erste Zugriffsrecht. Daher
können auch nicht die anderen aus der Nie-
dersachsen-SPD in die Offensive gehen,
die entschlossener sind. Klingbeil, 41, hat
erkennen lassen, dass er Interesse hat.
Aber auch Boris Pistorius, 59 Jahre alt und
Innenminister in Niedersachsen, werden
Ambitionen nachgesagt. Sollte Weil tat-
sächlich intern erklärt haben, zugunsten

von Klingbeil zu verzichten, wäre das für
Pistorius bitter. Als Innenpolitiker hat er
sich profiliert. Pistorius hat durchaus sei-
ne Anhänger in der Partei, in Niedersach-
sen und über das Land hinaus. Dass er sich
ein zupackenderes Verhalten als Weil zur
Rettung der SPD wünscht, ist kein Geheim-
nis. In dieser Frage sind beide schon anein-
andergeraten. Läuft die Kandidatur tat-
sächlich auf Klingbeil hinaus, müssten
Weil und er aber auch nach dieser unschö-
nen Episode in Niedersachsen weiter zu-
sammenarbeiten.

Für Klingbeil wird nach dieser Woche
auch nichts wirklich einfacher: Plötzlich so
prominent als möglicher Kandidat gehan-
delt zu werden, setzt ihn unter Druck.
Klingbeil ist Verfechter der Doppelspitze.
Der Parteivorstand hat ausdrücklich Team-
Kandidaturen befürwortet. Klingbeil wird


  • sofern er antritt und die Gespräche nicht
    schon geführt hat – rasch eine Partnerin su-
    chen und präsentieren müssen. Das Verfah-
    ren, für das er sich so eingesetzt hat, über-
    rumpelt ihn quasi gerade selbst. Als Gene-
    ralsekretär hat er eine gemischte Bilanz
    vorzuweisen. Er trägt Mitverantwortung
    für die jüngsten Wahlniederlagen. Aber er
    hat den Draht zu den Jüngeren in der Par-
    tei und beherrscht deren Themen.
    Während die Niedersachsen-SPD sich
    munter mit sich beschäftigt, legen sich an-
    dere mächtig ins Zeug, Unterstützer zu
    sammeln. Zwei Bewerberteams gibt es
    schon: Europa-Staatsminister Michael
    Roth und die ehemalige nordrhein-westfä-
    lische Familienministerin Christina Kamp-
    mann sowie die Bundestagsabgeordneten
    Karl Lauterbach und Nina Scheer. Lauter-
    bach und Scheer fehlt noch die nötige Min-
    destunterstützung aus der Partei, sie müs-
    sen entweder fünf Unterbezirke, einen Be-
    zirk oder einen Landesverband hinter sich
    vereinen. Das Team Roth/Kampmann ist
    schon fleißig im Land unterwegs.
    Der bayerische Landtagsabgeordnete
    Markus Rinderspacher hatte die beiden Be-
    werber am Montag in ein Münchner Wirts-
    haus eingeladen, um mit ihnen über ihre
    Pläne für die SPD zu diskutieren. Mehr als
    hundert Gäste seien gekommen. „Das Pu-
    blikum war restlos begeistert“, erzählt er.
    Die beiden Politiker hätten sich hervorra-
    gend präsentiert. „Mir gefällt, wie sie die
    Kandidatur mit Mumm angehen und ohne
    taktische Überlegungen, während andere
    noch abwarten.“ Das Treffen hatte er in Ei-
    genregie organisiert.
    Die SPD will nach Ablauf der Bewer-
    bungsfrist den Kandidaten in mehr als 20
    Regionalkonferenzen die Möglichkeit ge-
    ben, sich zu präsentieren. Im Oktober sol-
    len die Mitglieder zu ihren Favoriten be-
    fragt werden, der Parteitag soll dann im De-
    zember die neue Spitze wählen. Der Wett-
    bewerb hat längst begonnen.


Berlin– Fehler? Nein, von Fehlern will Ber-
lins Polizeipräsidentin Barbara Slowik
zweieinhalb Jahre nach dem Anschlag auf
den Weihnachtsmarkt am Berliner Breit-
scheidplatz nicht sprechen. Es hätten sich
aber in der Nachbereitung „Defizite“ offen-
bart, sagte sie am Dienstag in Berlin.
Slowik stellte gemeinsam mit Siegfried-
Peter Wulff, Leiter der Direktion Einsatz,
den Bericht einer von Wulff geleiteten Ar-
beitsgruppe vor, welche die Ereignisse des


  1. Dezember 2016 aufarbeiten sollte.
    227 Handlungsempfehlungen sprach die
    Arbeitsgruppe aus, Grundlage war ein
    2017 veröffentlichter Bericht des Sonderbe-
    auftragten Bruno Jost, der Versäumnisse
    der Berliner Behörden aufgelistet hatte.


Auch ein Untersuchungsausschuss im Bun-
destag und einer im Berliner Abgeordne-
tenhaus beschäftigen sich mit der Rolle
der deutschen Sicherheitsbehörden.
Polizei und Geheimdienste hatten den
Attentäter Anis Amri in den Monaten vor
dem Anschlag bereits auf dem Schirm, er
handelte mit Drogen und der Verfassungs-
schutz stufte ihn als islamistischen Ge-
fährder ein. Trotzdem konnte der Tunesier
den Anschlag vom 19. Dezember verüben.
Nachdem Amri mit einem gestohlenen
Lastwagen zwölf Besucher des Weihnachts-
marktes getötet und zahlreiche weitere ver-
letzt hatte, gab es weitere Pannen. Kritiker
beklagten eine schlechte Koordination des
Polizeieinsatzes.

Die Polizei nahm etwa zunächst einen
Unschuldigen fest und verpasste es an-
schließend, alle bekannten islamistischen
Gefährder in Berlin aufzusuchen – wie es
eigentlich bei islamistischen Terroran-
schlägen vorgesehen ist. Anis Amri konnte
ins Ausland fliehen. Erst am Abend des
21.Dezember wurde er zur öffentlichen
Fahndung ausgeschrieben und am 23. De-
zember auf der Flucht von italienischen Po-
lizisten erschossen.
Auch Angehörige der Opfer kritisierten
die Sicherheitsbehörden. Das Bundeskri-
minalamt hatte nach dem Attentat eine In-
formationssperre verhängt, einige Angehö-
rige waren tagelang auf der Suche nach ver-
missten Freunden und Verwandten durch

die Krankenhäuser geirrt, andere von Poli-
zisten mit der Bitte um aussagekräftiges
DNA-Material überrumpelt worden, ohne
etwas über das Warum zu erfahren. „Alle
staatlichen Stellen waren nicht ausrei-
chend vorbereitet“, sagte Arbeitsgruppen-
leiter Wulff über den Umgang mit den Op-
fern.
Die „AG Anschlag“ beschäftigte sich
nun mit der Frage, wie die Berliner Polizei
ähnliche Ereignisse in der Zukunft besser
bewältigen kann. Die meisten ihrer insge-
samt 227 Handlungsempfehlungen, so sa-
gen es Slowik und Wulff, seien bereits um-
gesetzt. Es sei unter anderem eine Koordi-
nierungsstelle für die psychosoziale Not-
fallversorgung von Opfern und Angehöri-

gen eingerichtet worden. Außerdem gebe
es bei der Berliner Polizei seit Februar 2018
eine sogenannte Führungsgruppe für So-
fortlagen, die den Polizeifunk abhöre und
bei möglichen Großlagen die Führung
übernehme, zum Beispiel, wenn aus einer
Straße in der Stadt Schüsse gemeldet wür-
den. Dabei sei ein einheitliches taktisches
Konzept wichtig, sagte Wulff.
Die Gruppe bestehe aus sechs Beamten.
Sie habe bereits 176 besondere Einsatzla-
gen eingeschätzt und vorbereitet, von de-
nen 34 tatsächlich ausgelöst wurden. Das
bislang letzte Mal bereitete die Polizei bei
der Notlandung einer Bundeswehrmaschi-
ne in Tegel im April eine besondere Lage
Leipzig –Wegendes Verdachtes auf Bil- vor. hannah beitzer
dung einer kriminellen, rechtsextremen
Vereinigung hat die Bundesanwaltschaft
am Dienstag Wohnungen in Sachsen-An-
halt, Hessen, Niedersachsen und Nord-
rhein-Westfalen durchsuchen lassen. Wie
die oberste deutsche Anklagebehörde in
Karlsruhe mitteilte, sollen sechs Beschul-
digte 2018 innerhalb der Gruppierung
„Wolfsbrigade“ einen bewaffneten Arm
namens „Sturmbrigade“ gebildet haben.
Ziel der Gruppe sei das „Wiedererstar-
ken eines freien Vaterlandes“ nach dem
„germanischen Sittengesetz“, hieß es in
der Mitteilung der Bundesanwaltschaft. Es
bestehe der Verdacht, dass diese Ziele auch
mittels Gewalt durchgesetzt werden sol-
len. Mit den weiteren Ermittlungen ist das
Landeskriminalamt (LKA) Sachsen-An-
halt beauftragt.
Dort ist die Gruppierung vor allem mit
wechselnden Facebookprofilen und am
Rande von Demonstrationen in Erschei-
nung getreten. So im September 2018 in
Köthen, als Rechtsextreme den Tod von
Markus B. zu instrumentalisieren versuch-
ten, der nach einer körperlichen Auseinan-
dersetzung mit zwei afghanischen Asylsu-
chenden verstorben war. Mitglieder der
„Wolfsbrigade 44“ fielen durch einheitli-
che Kleidung auf. Das Logo – ein Toten-
kopf mit gekreuzten Messern – erinnert an
SS-Symbolik. Auch Hakenkreuz-Schmiere-
reien in der Stadt werden der Vereinigung
zugeschrieben. In Rostock soll die überregi-
onal organisierte „Wolfsbrigade 44“ 2018
ebenfalls eine örtliche Struktur gebildet
haben. Das geht aus kleinen Anfragen der
Linken und der AfD in Sachsen-Anhalt und
Mecklenburg-Vorpommern hervor.
Laut einem Sprecher des LKA wurden in
Sachsen-Anhalt fünf Objekte in Gardele-
gen und Köthen durchsucht, dazu drei in
Hessen und jeweils eine Wohnung in Nord-
rhein-Westfalen und Niedersachsen. Im
Mittelpunkt hätten dabei Laptops, Handys
und andere Datenträger gestanden, aber
auch die Suche nach möglichen Waffen.
Festnahmen gab es zunächst keine. uz


Berlin– Die Bundesregierung will die
Wiedereinbürgerung von bestimmten
NS-Verfolgten und ihren Nachfahren
schon im August erleichtern. Geplant
sei eine „großzügige Erlassregelung“
für diejenigen, denen die deutsche
Staatsangehörigkeit nicht von den Nati-
onalsozialisten entzogen worden sei,
sagte der Parlamentarische Staatssekre-
tär des Innenministeriums, Günter
Krings, am Dienstag. Dabei geht es
etwa um Verfolgte, denen vor einer
Ausbürgerung die Flucht gelang und
die später eine andere Staatsangehörig-
keit annahmen. Die Debatte angesto-
ßen hatten die Grünen, die diese Lücke
im Staatsangehörigkeitsrecht schließen
wollen. Der Zentralrat der Juden be-
grüßt solche Vorstöße. In der Nazi-Zeit
seien Tausende Deutsche in die Flucht
getrieben oder ausgebürgert worden,
sagte Präsident Josef Schuster bereits
am Montag. kna


Geh du voran


Spekulationenüber Kandidaten für die neue SPD-Parteispitze setzen Generalsekretär Klingbeil
unter Handlungsdruck – und lassen Niedersachsens Ministerpräsidenten Weil als Taktierer dastehen

Ohne Fehler, aber mit Defiziten


Berlins Polizei hat die Versäumnisse nach dem Anschlag am Breitscheidplatz analysiert – und ist auf 227 Handlungsempfehlungen gekommen


Rechtsextreme bilden


„Sturmbrigade“


Generalverdacht


Joachim Wundrak war bis vor Kurzem einer der ranghöchsten Soldaten des Landes. Jetzt kandidiert er bei der OB-Wahl in Hannover – für die AfD


Berlin– Fast 9000 Angehörige von
Flüchtlingen mit eingeschränktem
Schutzstatus haben seit der Neurege-
lung des Familiennachzugs vor einem
Jahr Visa für Deutschland bekommen.
Von August 2018 bis Ende Juni wurden
8758 Einreiseerlaubnisse erteilt, wie
das Auswärtige Amt mitteilte. Zu der
von manchen Kritikern erwarteten
Klagewelle kam es nicht. Im August
2018 trat eine Neuregelung in Kraft,
wonach auch „subsidiär Schutzberech-
tigte“ – in der Regel Bürgerkriegsflücht-
linge – wieder Angehörige zu sich nach
Deutschland holen dürfen. Darauf hat-
ten sich die Regierungsparteien CDU,
CSU und SPD sich nach langen Verhand-
lungen geeinigt. Es gilt jedoch eine
monatliche Obergrenze von 1000 Nach-
zugsberechtigten im Monat.dpa


Berlin– Etwa 650 000 Menschen ha-
ben laut Schätzungen der Bundesar-
beitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe
in Deutschland keine eigenen vier Wän-
de. Die meisten von ihnen leben dem-
nach in Notunterkünften, etwa 48 000
sind gänzlich obdachlos und leben auf
der Straße, wie die Arbeitsgemeinschaft
am Dienstag in Berlin mitteilte. Die
Schätzung beziehe sich auf das Jahr


2017 und basiere auf einem genaueren
und verbesserten Schätzmodell, sagte
Geschäftsführerin Werena Rosenke.
Demnach sind unter den Wohnungslo-
sen allein 375 000 anerkannte Asylsu-
chende, die in Flüchtlingsunterkünften
und Erstaufnahmeeinrichtungen leben
(FOTO: DPA). Nimmt man die Geflüchteten
aus der Zählung, seien 2017 mehr als
275 000 Menschen in Deutschland ohne
Wohnung gewesen. epd


DEFGH Nr. 175, Mittwoch, 31. Juli 2019 (^) POLITIK HF3 5
Offiziell hat Lars Klingbeil noch nicht erklärt, ob er SPD-Chef werden möchte. Intern hat der Generalsekretär Interesse erkennen lassen. FOTO: PHILIPP SCHULZE/DPA
Erst „stilles“, nun aktives Mitglied: der ehemalige Generalleutnant Joachim Wun-
drak (links) kandidiert in Hannover für die AfD. FOTO: IMAGO
Innenminister Pistorius ist
mit seinem Chef in Hannover
schon aneinandergeraten
Für die Kandidatur müsste
Klingbeil rasch
eine Partnerin präsentieren
Der General a. D. wettert
gegen „die Medien“ und
klagt über „die Nazi-Keule“
Visa für 9000 Angehörige
Einbürgerung für Verfolgte
650 000 ohne Wohnung
INLAND

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