Handelsblatt - 31.07.2019

(Steven Felgate) #1

Huawei


Der Faktor Trump


Der Umsatz des Konzerns ist


im Jahresvergleich fast um ein


Viertel gestiegen. Doch der


Streit mit der US-Regierung


lastet weiter auf Huawei.


Sha Hua Peking


L


iang Hua bemüht bei der Prä-
sentation der Halbjahreszah-
len von Huawei ein Bild. Hin-
ter dem Verwaltungsratschef in der
Konzernzentrale im südchinesischen
Shenzhen hängt es: Abgebildet ist ein
durchlöcherter Kampfflieger, der
sich trotzdem in der Luft hält. „Wir
sind wie dieses Flugzeug: Auch mit
Löchern fliegen wir weiter“, kom-
mentierte Liang an diesem Dienstag
die Vorlage der Konzernzahlen. Der
Manager wiederholt damit eine
Metapher von Huawei-Gründer Ren
Zhengfei.
Die Löcher in der Maschine stehen
sinnbildlich wohl für die US-Sanktio-
nen. Denn der Mobilfunkausrüster
und Smartphoneanbieter wurde von
US-Präsident Donald Trump Mitte
Mai unter Hinweis auf Sicherheitsbe-
denken auf eine schwarze Liste ge-
setzt. Damit ist Huawei der Zugang
zur Technologie von US-Unterneh-
men und zum US-Markt seitdem
weitgehend gesperrt. Bis zu diesem
Zeitpunkt ist Huawei laut Liang je-
doch rapide gewachsen, sodass sich
die US-Sanktionen kaum auf die Zwi-
schenergebnisse ausgewirkt hätten.
Huawei hat den Umsatz in den ers-
ten sechs Monaten 2019 im Vergleich
zum Vorjahreszeitraum um 23,2 Pro-
zent auf 401,3 Milliarden Yuan gestei-
gert, das sind umgerechnet 52 Milliar-
den Euro. Die Nettoumsatzrendite
betrug 8,7 Prozent. Mit 220 Milliar-
den Yuan kam mehr als die Hälfte
der Erlöse aus dem Geschäft mit dem
Endverbraucher. Das Geschäft mit
den Netzbetreibern hingegen machte
mit 146,5 Milliarden Yuan rund ein
Drittel der Einnahmen aus.
Huawei ist zwar nicht börsenno-
tiert, veröffentlicht aber trotzdem re-
gelmäßig Finanzergebnisse. Das hat
vor allem einen Grund: Der Konzern
will so Behauptungen entgegenwir-
ken, Huawei sei undurchsichtig.
Der Konzern setzte im ersten Halb-
jahr nach eigenen Angaben 118 Millio-
nen Smartphones ab, das sind 24
Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Be-
sonders der Heimatmarkt dürfte das
Wachstum getragen haben. Nach Be-

rechnungen der Analysefirma Cana-
lys erreichte Huawei im zweiten
Quartal in China einen Rekord-Markt-
anteil von 38 Prozent. Dort sei der
Smartphoneabsatz der Firma in die-
ser Zeit um 31 Prozent auf 37,3 Millio-
nen Geräte gestiegen.

Milliarden für Forschung
Weder die Produktion noch die Liefe-
rungen seien durch die Sanktionen
gestoppt oder gestört worden, sagte
Liang. „Wir sind weiterhin voller Ver-
trauen in die zukünftige Entwicklung
des Unternehmens, gleichgültig, wie
vielen Schwierigkeiten wir gegen-
überstehen.“ Deshalb plane Huawei,
dieses Jahr insgesamt 120 Milliarden
Yuan, umgerechnet 16 Milliarden Eu-
ro, in Forschung und Entwicklung zu
investieren.

Erst am Rande des G20-Gipfels En-
de Juni im japanischen Osaka hat
Trump das Verkaufsverbot teilweise
aufgehoben, nachdem er sich mit
dem chinesischen Staatschef Xi Jin-
ping getroffen und sich auf die Wie-
deraufnahme der Verhandlungen im
Handelsstreit geeinigt hatte.
Für wen und wann genau die Sank-
tionen außer Kraft gesetzt werden, ist
bisher unklar. „Das weiß nur Wa-
shington“, sagte Liang an diesem
Dienstag. Seit dem G20-Gipfel könne
Huawei wieder einige nichtessenziel-
le Komponenten bei US-Firmen kau-
fen, das Verkaufsverbot gelte jedoch
noch für Schlüsselkomponenten.
Liang nennt mehrere Gründe, wa-
rum Huaweis Ergebnisse trotz der
Sanktionen solide sind: Die Verbrau-
cher hätten weiter Vertrauen in Hua-
wei, der Konzern selbst plane sehr
umsichtig und horte zudem Chip-

Vorräte. Huawei hat einem Bericht
zufolge sogar Mitarbeiter ausgezeich-
net, die dem Konzern wesentlich ge-
holfen hätten, eine Krise abzuwen-
den. Diese Mitarbeiter haben der
Nachrichtenagentur Bloomberg zu-
folge Komponenten gehortet oder al-
ternative Zulieferer für die entspre-
chenden US-Unternehmen organi-
siert.
Auf das Geschäft mit Technik für
den kommenden superschnellen
5G-Datenfunk hatten die US-Sanktio-
nen nach Darstellung Huaweis keine
erheblichen Auswirkungen. So habe
das Unternehmen seit Mitte Mai elf
neue Aufträge für die Ausrüstung von
5G-Netzen bekommen. Huawei gilt
als ein führender Anbieter von Tech-
nologie für 5G-Mobilfunknetze, die in
den kommenden Jahren weltweit
entstehen werden.

US-Verbot hat negative
Auswirkungen

Eine genaue Prognose für das Wachs-
tum im laufenden Jahr gibt Verwal-
tungsratschef Liang zwar nicht ab,
doch allzu überbordenden Optimis-
mus bremst er: Man rechne mit nega-
tiven Auswirkungen des Verbots auf
das Gesamtjahr. Huawei-Gründer
Ren hatte bereits im Juni prognosti-
ziert, dass der Umsatz in diesem Jahr
rund 30 Milliarden US-Dollar unter
dem bisher vorausgesagten Wert lie-
gen werde.
Die Aussicht, dass Huawei-
Smartphones keine Updates des An-
droid-Betriebssystems von Google
mehr bekommen, erschwert auch
die Verkäufe, unter anderem in Euro-
pa. Bereits jetzt beobachte man ei-
nen Rückgang im Smartphone -
geschäft außerhalb Chinas, so Liang.
„Wir ziehen es vor, weiterhin mit
Google zusammenzuarbeiten und
Android zu benutzen.“ Sollte das
künftig nicht mehr möglich sein, wer-
de Huawei sein eigenes Betriebssys-
tem auf den Markt bringen. Bloom-
berg berichtet, dass bis zu 10 000
Entwickler in drei Schichten pro Tag
an Huaweis Android-Alternative ar-
beiten.
Eine mit der Sache vertraute Per-
son sagte dem Handelsblatt, dass das
System frühestens diesen Herbst be-
triebsfähig sein werde. Dann könne
Huawei es auf dem chinesischen
Markt testen. „Das wäre für Google
nicht gut“, sagte der Insider. „Denn
dann werden sie Stück für Stück den
chinesischen Handymarkt verlieren.“

Technologieriese


401,


MILLIARDEN


Yuan, umgerechnet 52 Milliarden
Euro, hat Huawei im ersten
Halbjahr umgesetzt.

Quelle: Unternehmen


Gäste auf dem
Huawei–Gelände:
Der Konzern erreichte
in China einen
REUTERS Rekord-Marktanteil.

ben nach den Erfolgen vor Gericht
Oberwasser und wollen ein mög-
lichst großes Bedrohungspotenzial
gegenüber Bayer aufbauen. Ihr Ziel
ist ein außergerichtlicher Vergleich in
Milliardenhöhe. Je mehr Klagen, des-
to höher wird die Summe eines sol-
chen Vergleichs. Profitieren würden
davon alle Kläger, unabhängig von
Schwere und Umständen ihrer Er-
krankung. Die Klägeranwälte wiede -
rum streichen bis zu ein Drittel der
Summe als Honorar ein.
Beobachter erwarten, dass ein Ver-
gleich kommen wird. „Für uns ist
dies das wahrscheinlichste Szenario“,
sagt Bernstein-Analyst Gunther Zech-
mann. Die Frage ist: wann und wie
viel? Bayer-Chef Baumann sagte in ei-
ner Telefonkonferenz am Dienstag,
er ziehe einen Vergleich nur unter
zwei Bedingungen in Betracht: wenn
dieser finanziell angemessen sei und
damit der gesamte Rechtsstreit end-
gültig beigelegt werden könne.
Derzeit bereitet Bayer die Verteidi-
gung im vierten Prozess vor, der am


  1. August in St. Louis/Missouri star-
    tet, dem früheren Sitz von Monsanto.
    Das Verfahren ist wichtig, weil erst-
    mals eine Laienjury außerhalb Kali-
    forniens urteilen wird. Bayers Anwäl-
    te führen die dortigen Niederlagen
    auch darauf zurück, dass Monsanto
    in dem Sonnenstaat ebenso wie die
    grüne Gentechnik insgesamt einen
    äußerst schlechten Ruf hat.
    Noch wichtiger ist die laufende Be-
    rufung im ersten Verfahren. Gewinnt
    Bayer hier, hätte der Konzern wieder
    gute Karten gegenüber den Klägeran-
    wälten. Verliert Bayer die Berufung,
    dürfte es hingegen richtig teuer wer-
    den. Die Schätzungen für einen au-
    ßergerichtlichen Vergleich reichen
    von fünf bis 15 Milliarden Dollar.
    Dafür, dass Bayer auf einen Ver-
    gleich zusteuert, spricht auch eine
    Personalie: Ken Feinberg, einer der
    erfahrensten Mediatoren in der US-
    Wirtschaft, soll zwischen den strei-
    tenden Parteien schlichten. Bayer er-
    neuerte am Dienstag die Zusage, sich
    konstruktiv in diesen Mediationspro-
    zess einbringen zu wollen.
    Eine frühherbstliche Prognose -
    senkung könnte Bayer in dieser Ge-
    mengelage gar nicht gebrauchen.
    Doch könnte es dazu kommen, wenn
    Crop Science weiter an Fahrt verliert.
    Im zweiten Quartal verfehlte die Agrar-
    division die Erwartungen deutlich. Auf
    einer Pro-forma-Basis ging der Umsatz
    um zehn Prozent auf 4,8 Milliarden
    Euro zurück. Dabei wird rechnerisch
    so getan, als hätte Bayer schon im Vor-
    jahresquartal die Monsanto-Ergebnisse
    komplett einbezogen.
    Bisher konnten die Medizin -
    geschäfte von Bayer diese Schwäche
    auffangen.



Kommentar Seite 28



*Vor Sondereinflüssen • Quellen: Unternehmen. Bloomberg
















%


%


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Bayer
Aktienkurs in Euro

56,80 €


30.7.’18 30 .7.’


100

80

60



Für uns


ist ein


Vergleich


das


wahrschein -


lichste


Szenario.


Gunther Zechmann
Analyst Bernstein

Unternehmen & Märkte


1


MITTWOCH, 31. JULI 2019, NR. 145


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