Handelsblatt - 30.07.2019

(Nandana) #1

cle etwa, das mit dem Zukauf von Netsuite die Mit-


telständler gewinnen will, oder Workday, das mit


einem Programmpaket aus der Cloud schnell


wächst. Er muss auch die Vorstände und CIOs da-


von überzeugen, dass sie in ihren Budgets neben


der Einführung einer Salesforce-Software oder der


Vernetzung der Fabriken mit Amazon Web Ser-


vices auch S/4 Hana berücksichtigen.


Eine Einheit für den Kundenerfolg


Diese Aufgabe obliegt SAP-Vorstand Christian


Klein, der Anfang des Jahres die Verantwortung für


S/4 Hana und weitere Anwendungen von Bernd


Leukert übernommen hat. Es sei zentral, sich an


die Marktumgebung anzupassen und wettbewerbs-


fähig zu bleiben, erklärte er in einer E-Mail an die


Mitarbeiter, die dem Handelsblatt vorliegt. Ziel sei


es, „vollintegrierte Geschäftsprozesse“ abzubilden,


etwa vom Kundenkontakt bis zur Lieferkette. Die


Organisation müsse mit dieser Vision in Einklang


stehen, betonte der 39-jährige Manager.


Zwischen den Zeilen lässt sich lesen: SAP hat in


den vergangenen Jahren zu wenig getan, um dieses


Versprechen wahr zu machen. Klein plant nun
nach einigen Monaten im Amt eine Umstrukturie-
rung, die einem Neustart für S/4 Hana gleich-
kommt. Umfangreiche Änderungen am Organi-
gramm sollen dafür sorgen, dass die 3 000 Mitar-
beiter die Kunden mehr in den Blick nehmen.
Ein neues Team wird zum Beispiel mit Unterneh-
men und Partnern zusammenarbeiten. Ziel, so er-
klärt SAP gegenüber dem Handelsblatt, sei „der
Aufbau einer Einheit, die sich dezidiert um Kun-
denerfolg und Co-Innovation mit ERP-Kunden
kümmert“, also die gemeinsame Entwicklung von
Neuerungen.
Zudem zentralisiert SAP die Produktentwicklung


  • durchaus ein ungewöhnlicher Schritt in dem tra-
    ditionell dezentral organisierten Konzern. Bereiche
    wie die „Digital Supply Chain“ sind künftig eng an
    die S/4-Organisation angebunden. Für die Integra-
    tion der verschiedenen Lösungen sei die Verknüp-
    fung des ERP-Systems mit der Lieferkette wichtig,
    schrieb Thomas Saueressig, Präsident der Entwick-
    lungsabteilung und Vertrauter von Vorstand Chris-
    tian Klein, den Mitarbeitern.
    Hintergrund: SAP verspricht den Unternehmen,
    dass die verschiedenen Lösungen des Softwarekon-
    zerns reibungslos zusammenarbeiten. Das ist ein
    wichtiges Verkaufsargument – statt die Lösungen
    verschiedener Anbieter zusammenzuführen, kön-
    nen IT-Chefs im besten Fall ein Paket einführen.
    Ein Beispiel zeigte SAP im April auf der Hannover
    Messe: Am Stand des Softwarekonzerns war zu se-
    hen, wie ein Industriebetrieb ein Regelungsventil
    am Computer entwirft, es dann fertigt und das di-
    gitale Modell für die Überwachung und Wartung
    des Geräts nutzt. „Design to Operate“ wird dieser
    Prozess genannt, den Industriebetriebe komplett
    mit SAP-Software abwickeln können sollen.
    „Seien wir ehrlich, Veränderung ist nie einfach“,
    schrieb Klein an seine Kollegen. „Aber nur, wenn
    wir unsere Kunden und ihre Bedürfnisse an die
    erste Stelle setzen und so flexibel sind, wie es der
    Markt erfordert, können wir unser Geschäft ver-
    größern und der vertraute Partner sein, den unse-
    re Kunden verdienen.“
    Experten halten die organisatorische Neuaus-
    richtung für sinnvoll. Die Zusammenfassung des
    Produktmanagements erleichtere es, ein integrier-
    tes Programmpaket zu entwickeln, sagt Analyst
    Holger Müller, der Unternehmen zu IT-Produkten
    berät. „Das ist in der frühen Phase des Produktzy-
    klus richtig“, urteilt der Softwareexperte – so kom-
    me der Konzern schneller zu Resultaten.
    Die Umstrukturierung ist mittlerweile abge-
    schlossen. Allerdings könnte es zu weiteren Perso-
    nalwechseln kommen. Durch die Zentralisierung
    verlieren etliche Manager ihre Hoheit – so wie Hala
    Zeine. Was sie künftig machen wird, ist offen. Sie
    dürfte jedoch keine Schwierigkeiten haben, einen
    anderen Job zu finden. Eine Frau, die sich mit In-
    dustrie 4.0 und Digitalisierung auskennt, dürfte
    auch anderswo gefragt sein.


Rechenzentrum
in Walldorf:
Das Kernprodukt
S/4 Hana bietet
SAP auch aus der
Cloud an.

Reto Klar

Umsatz 2017 in Mrd. US-Dollar


Enterprise Resource Planning (ERP)


Die größten Anbieter für ERP weltweit


7,
7,7 1

3,723,


1,
2,33 1,872,
1,64 1,72 1,18 1,
0,951,

HANDELSBLATT


SAP


21,7 %


11,0 %
6,6 % 5,8 % 4,9 %
3,6 % 2,9 %

Oracle Workday Sage Infor Microsoft Kronos
+9,0 % +5,0 % +33,2 % +9,6 % +4,9 % +7,0 % +7,6 %

Quelle: Gartner

Umsatz 2018 in Mrd. US-Dollar Marktanteil 2018 in Prozent


Einführung von SAP


Der Mangel an


Beratern


W


ie wichtig S/4 Hana für SAP ist, lässt
sich an den Quartalsberichten able-
sen. Der Softwarehersteller informiert
immer genau, wie viele Firmen einen Vertrag für
die Software abgeschlossen haben, und hebt pro-
minente Namen vor – solche Details nennt er bei
anderen Produkten in der Regel nicht. Das Signal
an die Investoren: Das Programmpaket, das bei
der Steuerung von Geschäftsprozessen zum Ein-
satz kommt, ist ein voller Erfolg.
Die Realität ist komplizierter. Tatsächlich hat
SAP der der Einführung vor vier Jahren mehr als
11 500 Kunden gewonnen. Allerdings läuft das
Programm bislang erst bei 3 180, wobei ein Teil
von ihnen es wohl nur in einzelnen Geschäftsbe-
reichen oder Landesgesellschaften nutzen dürf-
te. Weitere 3 300 führen die Software derzeit ein,
wie der Anbieter mitteilt. Knapp die Hälfte hat
bislang nur die Lizenzen erworben, teils zu ei-
nem symbolischen Preis.
Ein Großteil der SAP-Kunden in Deutschland,
Österreich und der Schweiz plant zwar laut einer
Umfrage mit S/4 Hana, will sich aber noch Zeit
lassen – so wollen 39 Prozent den Umstieg in den
nächsten drei Jahren vollziehen, weitere 30 Pro-
zent erst danach.
Die Gründe fürs Zögern sind vielfältig. So ha-
ben andere Projekte wie die Entwicklung neuer
Geschäftsmodelle derzeit höhere Priorität, hört
Ralf Peters, Vorstandsmitglied bei der Deutsch-
sprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG), häufig
von Mitgliedern. Die Erhöhung der Produktivität,
wie sie das System verspricht, mag wichtig sein –
aber andere Dinge sind derzeit noch wichtiger.
Hinzu kommt: Die IT-Chefs und Vorstände ha-
ben Respekt vor der Umstellung. „Viele Kunden
bemerken gerade, dass sie bei solchen Projekten
größer denken müssen“, erklärt DSAG-Vorstand
Peters. So gelte es vor der Einführung der neuen
Software, die eigenen Geschäftsprozesse zu über-
prüfen und den Datenbestand zu sortieren. Ge-
schieht das nicht, kann die Einführung ins Chaos
führen – die gescheiterte Einführung eines Wa-
renwirtschaftssystems beim Discounter Lidl gilt
als warnendes Beispiel.
Ein weiterer Faktor: Es ist offenbar nicht so
leicht, einen geeigneten Dienstleister zu finden,
der das komplexe Projekt begleitet. „Wir sehen
am Markt einen hohen Bedarf nach S/4-Hana-Im-
plementierungen“, berichtet Stephan Hutter, der
bei Deloitte als Partner den Bereich „Enterprise
Applications“ leitet, zu dem auch das SAP-Ge-
schäft zählt.
Die Technologie hat für Deloitte hohe Priorität,
weltweit werden intensiv Mitarbeiter geschult.
Sie hat nach eigenen Angaben mittlerweile
18 000 Berater, die sich mit S/4 Hana auskennen.
Auch andere IT-Dienstleister investieren massiv
ins Personal. Nach einer Studie des Analysehau-
ses Gartner stehen weltweit mehrere Zehntau-
send Spezialisten bei IT-Dienstleistern bereit –
beispielsweise rund 11 000 bei Accenture, 18 000
bei IBM und mehr als 5 000 bei SAP selbst.
Die hohen Zahlen täuschen allerdings. „Der
Markt ist eng“, sagt DSAG-Vorstand Peters. „Gute
Berater, die die strategische Entwicklung beherr-
schen, sind nicht so häufig.“ Das gelte besonders
für S/4 Hana, das sich von der Vorgängerversion
R/3 deutlich unterscheide. „Es gibt viele, die ei-
nen Kurs gemacht haben, aber damit ist es nicht
getan. Man darf nicht unterschätzen, was Erfah-
rung bedeutet.“
Bei SAP ist das Problem bekannt. Der Software-
konzern tut einiges, um die Einführung von S/
Hana zu erleichtern. Er bündelt seit 2018 über
das Programm „Movement“ verschiedene Werk-
zeuge, Dokumentationen und Beratung, um Kun-
den und Partnern zu helfen. Ein „Transformation
Navigator“ erklärt beispielsweise, welche Schrit-
te bei der Einführung zu tun sind. Und bei der
Anpassung von Systemen können sich Unterneh-
men an Modellen für verschiedene Branchen ori-
entieren. Christof Kerkmann

dpa

Nur wenn wir


unsere


Kunden und


ihre


Bedürfnisse


an die erste


Stelle setzen,


können wir


unser Geschäft


vergrößern.


Christian Klein
SAP-Vorstand

Update bei SAP


DIENSTAG, 30. JULI 2019, NR. 144


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