Die Welt Kompakt - 31.07.2019

(lu) #1
Seefernaufklärer „P-3C Orion“
zur Aufklärung großer Seegebie-
te stünde zur Verfügung.
Derlei Verlegungen aber sind
politisch nicht gewollt. Die Sozi-
aldemokraten wittern die Ge-
fffahr, „an der Seite der USA in ei-ahr, „an der Seite der USA in ei-
nen Krieg gegen den Iran hinein-
gezogen zu werden“, sagte der
außenpolitische Sprecher der
Bundestagsfraktion, Nils
Schmid, WELT. Bislang sei es die
gemeinsame Linie von Deutsch-
land, Frankreich und Großbri-
tannien gewesen, von der US-
Politik des maximalen Drucks
auf den Iran ausdrücklich Ab-
stand zu nehmen, „um eine Es-
kalation zu vermeiden und das
AAAtomabkommen zu retten“, sotomabkommen zu retten“, so
Schmid. Jetzt habe London of-
fffensichtlich seine Meinung geän-ensichtlich seine Meinung geän-
dert. „Für Deutschland ist dies
kein Grund, auf den Kurs der
USA einzuschwenken.“ Deshalb
gelte: „Die Bundesregierung hat
eine Beteiligung an der Operati-
on „Sentinel“ zum Schutz der
Schifffahrt in der Straße von
Hormus bereits abgelehnt. Dabei
sollte es auch bleiben.“
Ähnliches ist aus der Union zu
hören. Der Vorsitzende des Aus-

wärtigen Ausschusses, Norbert
Röttgen (CDU), sprach sich im
„Tagesspiegel“ gegen die Beteili-
gung an einer US-Mission aus,
„da die Europäer eine grundle-
gend andere Politik gegenüber
Iran vertreten“. Bedächtiger gab
sich sein Kollege Roderich Kie-
sewetter. „Die Anfrage der USA
nach einer deutschen Beteili-
gung in der Straße von Hormus
muss zunächst gemeinsam mit
unseren europäischen Partnern
in aller Ruhe beantwortet wer-
den“, sagte der CDU-Außenpoli-
tiker WELT. „Diese Zeit muss
sein, denn voreilige Schlüsse
würden die Gefahr beinhalten,
eine gemeinsame europäische
Linie zu konterkarieren.“
Auch das Auswärtige Amt be-
tonte, dass ein eng koordiniertes
Vorgehen der Europäer für die
Bundesregierung oberste Priori-
tät bleibe: „Die britische Ent-
scheidung scheint mehr prakti-
schen Fragen der schnellen Um-
setzbarkeit geschuldet. Wir se-
hen hier keine Absage an ein ge-
meinsames Vorgehen.“ Das
klingt nach diplomatischem Be-
rufsoptimismus, entspricht aber
auch den Vorstellungen der Op-
position. Auch er lehne „eine di-
rekte Beteiligung Deutschlands
an der Mission ,Sentinel‘“ ab,
sagte FDP-Fraktionsvize Ale-
xander Graf Lambsdorff WELT.
Allerdings könne Deutschland
nicht in außenpolitischer Untä-
tigkeit verharren, nötig sei nun
„ein diplomatischer Balanceakt,
bei dem wir uns zwar eng mit
den Amerikanern abstimmen,
aber nicht zum Werkzeug der
amerikanischen Eskalationspoli-
tik werden“, so Lambsdorff. Da-
zu müsse die Bundesregierung
umgehend einen Sonderrat der
EU-Außen- und Verteidigungs-
minister beantragen.
Von gemeinsamer europäi-
scher Sicherheitspolitik ist das
alles noch weit entfernt. Und es
gibt auch Entwicklungen, die
man so interpretieren könnte,
dass die Druck- und Drohstrate-
gie der USA tatsächlich Ver-
handlungsbereitschaft im Iran
fördert – und dass umgekehrt
der moderatere Ansatz der Eu-
ropäer in Teheran nicht sonder-
lich konstruktiv beantwortet
wird. So reiste der iranische Au-
ßenminister Mohammed Dscha-
wad Sarif dieser Tage zu Ge-
sprächen mit den Vereinten Na-
tionen nach New York. Dort soll
er angeblich auch den republi-
kanischen Senator Rand Paul
getroffen haben, den Trump
zum Unterhändler in Sachen
Golf gemacht hat. Am Rand des
Besuchs deutete Sarif an, dass
der Iran zu Gesprächen über ei-
ne unbegrenzte Dauer besonde-
rer Kontrollen seines Atompro-
gramms bereit sein könnte –
und sogar über sein Raketen-
programm. Mit seinen Bemer-
kungen zeigte Sarif erstmals
Flexibilität bei zwei Kernforde-
rungen der USA an den Iran. Die
Londoner Flotteninitiative hin-
gegen, die nicht auf Konfronta-
tion angelegt war, hatte Irans
Präsident Hassan Ruhani als
„feindselig“ abkanzeln lassen.

DIE WELIE WELIE WELTKOMPAKTTKOMPAKT MITTWOCH,31.JULI2019 POLITIK 7


fährdung des Zusammenhalts im
Königreich, was auch eine zentra-
le Gefährdung für sein Standing
ist, und so hat er ein ganzes Ge-
witter an Auftritten losgelassen,
um gleich zu Anfang seiner Re-
gierungszeit gegenzusteuern.
Erst in den Midlands, dann in
Schottland auf einer Werft der
U-Boot-Flotte des Landes, dann
bei den Farmern in Wales – er
spielt den Action Man, hebt sich
unmissverständlich von der frü-
heren „Gefangenen“ in West-
minster, Theresa May, ab, und
verbreitet den Goldstaub seiner
stürmischen Persönlichkeit, wo
und wie er nur kann. Immer mit
dem Credo des Optimismus, sei-
ner Erkennungsmelodie. Das
mag in Schottland nicht goutiert
worden sein, erfreut sich jedoch
im übrigen Land – allen Warnun-
gen über die Gefahren eines No-
Deal-Brexits zum Trotz – deutli-
cher Attraktivität.
Johnson kalkuliert richtig, dass
er im persönlichen Vergleich dem
Labour-Chef Jeremy Corbyn
haushoch überlegen ist. Der
nächste Gedanke liegt auf der

Hand: Eine Parlamentswahl dürf-
te er daher leicht gewinnen. Seine
AAAuftritte in diesen Tagen, wäh-uftritte in diesen Tagen, wäh-
rend das Gros der Briten im Ur-
laub weilt, ähneln entsprechend
deutlich einem Wahlkampfstil
wie zur Einübung auf den Erstfall.
Die Wahrscheinlichkeit einer
Unterhauswahl noch vor Ende
des Jahres rückt auch deshalb nä-
her, weil die Koalition aus Tories
und nordirischen Unionisten
(DUP) nur noch über eine hauch-
dünne Mehrheit von zwei Stim-
men verfügt, die in dieser Woche
auf nur noch eine schmelzen
dürfte, wenn die Konservativen
bei einer Nachwahl in Wales ih-
ren dortigen Sitz verlieren.
Da Johnson damit rechnen
muss, dass das Parlament dem
Austritt ohne Abkommen einen
Riegel vorschieben wird, muss er,
um weiter zu regieren, sein Heil
möglicherweise in einer Unter-
hauswahl suchen, aus der er mit
gestärktem Mandat hervorginge.
Was derweil aus dem Brexit wird,
steht noch heute völlig in den
Sternen. Ob die Menschen ihre
Vorbehalte gegenüber einem EU-
Austritt aufgeben werden, nur
weil ein gestärkter Premierminis-
ter die Regierung führt, ist allein
der Spekulation anheimgegeben.

W


enn Boris Johnson ge-
glaubt haben sollte, er
werde sich bei seinem
Abstecher in Schottland Anfang
dieser Woche im Glanz seiner
frischen Berühmtheit als Pre-
mierminister sonnen können,
dann muss ihn die Realität rasch
auf den harten Boden der Tatsa-
chen zurückgestoßen haben. Die
Schotten mögen ihn nicht, laute
Buhrufe und andere Verunglimp-
fungen erwarteten ihn, als er vor
der Residenz der Ersten Ministe-
rin Nicola Sturgeon in Edin-
burgh aus seiner Limousine stieg
und die Treppen zum diplomati-
schen Handschlag emporstieg.

VON THOMAS KIELINGER
AUS LONDON

Johnson nennt sich ja nicht nur
Premierminister, er führt auch
den Titel „Minister der Union“,
will sagen, er ist eigens als verant-
wortlich gekennzeichnet für den
Zusammenhalt des Vereinigten
Königreichs. Aber mit diesem Zu-
sammenhalt sieht es unter seiner
Führung – das ist das Paradox –
ausgesprochen bedenklich aus.
Die schottische Regierungschefin
schenkte ihrem Gast in einem von
ihr selber als „sehr lebhaft“ be-
zeichneten Gespräch reinen Wein
ein über ihre Opposition zur offi-
ziellen Brexit-Politik Westmins-
ters. „Ich habe Boris Johnson
meine Gegnerschaft zum Brexit,
erst recht zu einem ohne einen
Deal, überaus deutlich gemacht“,
sagte sie gegenüber der Presse.
„Und außerdem habe ich ihm
auch verdeutlicht, dass die Men-
schen in Schottland in der Lage
sein sollten, ihren eigenen Weg zu
gehen und ihre eigene Zukunft zu
wählen, anstatt dass ihnen diese
Zukunft auferlegt wird.“
Das sind deutliche Worte, die
unmissverständlich daran erin-
nern, dass die Schotten sich dem
Gedanken an die Unabhängigkeit
seit ihrem Plebiszit von 2014 wie-
der anzunähern beginnen. Da-
mals hatten sie sich entschlos-
sen, an der Union mit dem Verei-
nigten Königreich festzuhalten
und den Traum der Unabhängig-
keit fürs Erste ad acta zu legen.
Der Brexit verändert die Grund-
lage dieser Entscheidung drama-
tisch. Denn zwei Drittel der Bür-
ger hatten beim EU-Referendum
2016 für einen Verbleib in der Eu-
ropäischen Union gestimmt. Und
unter dieser Erwartung, dass
Großbritannien in der EU bleibt,
hatte man sich 2014 zu einer Fort-
setzung der Union mit dem Rest
des Königreichs bekannt.
Nicola Sturgeon war förmlich
entflammt mit ihrer Johnson-
Kritik. „Der Premierminister re-
det immer davon, er wolle einen
Deal mit der EU erreichen, aber
seine Konditionen schwächen
genau diese Erwartung. Das
bringt mich auf den Gedanken,
sein eigentliches Ziel sei ein No-
Deal-Ausgang. Das ist die Logik
seiner Hardline-Position.“
In Edinburgh wurde jetzt be-
kannt, die Regierungschefin pla-
ne, demnächst nach London zu
reisen, um von der Regierung das
Recht für ein zweites Unabhän-

gigkeitsreferendum für Schott-
land zu erwirken. Das kann der
Norden der Insel nämlich nicht
unilateral verkünden, die Verfas-
sung lässt zum Schutz der natio-
nalen Verbundenheit des König-
reichs solche Fragen einzig und
allein bei der Zentrale in West-
minster. Der damalige Premier-
minister David Cameron hatte
2014 dem Wunsch der Schotten
nach einem solchen Referendum
nachgegeben, in der sicheren Er-
wartung, dass es gut ausgehen
werde. Was es mit 55:45 Prozent
für die Fortsetzung der Union im
Königreich auch tat.
So sicher kann man heute frei-
lich nicht mehr sein, bei der
wachsenden Opposition in
Schottland zum Brexit, vom Aus-
tritt ohne Abkommen ganz zu
schweigen. Zwar ist die schotti-
sche öffentliche Meinung noch
immer gespalten, ob das Land
und seine fünf Millionen Einwoh-
ner vor allem der wirtschaftli-
chen Herausforderung nationaler
Unabhängigkeit gewachsen seien.
AAAber die britische Politik ist ins-ber die britische Politik ist ins-
gesamt ins Rutschen geraten, und
was gestern noch als unwahr-
scheinlich galt, gerät morgen
leicht auf die Agenda. Boris John-
sonweiß um die derzeitige Ge-

Wie die


Schotten


den


Aufstand


gegen


Johnson


proben


In Schottland zeigt
sich, wie sehr die
Bürger mit dem

neuen Premier
fremdeln. Der
kämpft gegen seine
Kritiker und um die

Einheit der Nation –
mit aller Macht

Bei ihrem Treffen mit Johnson sei es zu einem „lebhaften Gespräch“
gekommen, erklärte die schottische Regierungschefin Sturgeon

GETTY IMAGES

/ DUNCAN MCGLYNN

Praktische Sicherheitspolitik:
Die britische Fregatte Montrose
(in der Mitte) begleitet zwei
Handelsschiffe durch die Straße
von Hormus
AFP

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