Süddeutsche Zeitung - 22.07.2019

(Darren Dugan) #1
ErsteReiheoderletzteBank?
Vorletzte,alsBrückenbauerinvonganzhin-
teninRichtungvorn.
InfluenceroderFollower?
Neverfollower,ever.AberKlassenspreche-
rin.
MeinHobbyinderPause?
Hausaufgaben.UndderKampffürfaire
Brezelpreise.Wirhabendamalslautstark
eingefordert,dasssichdiealleleistenkön-
nensollten.
MeinegrößteStunde?
ProcolHarumliveaufAbi-ReiseinParis.
UndstolzbinichaufmeineEinsinMathe
inder12.Klasse.Inder11.hätteichbeina-
henochwegenMathedoppelnmüssen.
Daswürdeichgernvergessen:
InLateinhabeichmal„viresmedeficiunt“
mit„mirfehlendieMänner“statt„dieKräf-
teverlassenmich“übersetzt.Einpeinli-
cherMoment.
EinDenkmalgebührt...
...meinemFranzösischlehrer.Erhatmir
nichtnurdieSprachebeigebracht,son-
dernmeinInteressefürLandundKultur
geweckt.Daswirktbisheutenach.

Lernenist...
...imbestenFalle:Neugieraufmehr.
Notensind...
...beiWeitemnichtalles.
Schulemüsste...
...überGrenzenhinwegdenken,auchSchü-
lerinnenundSchüleralsLehrpersonalver-
stehenunddieBedeutungvonRespekt,En-
gagement,Vielfaltvermitteln.
Entschuldigenmussichmichbei...
...meinemgepiesacktenErdkundelehrer.
Warnichtpersönlichgemeint!
Entschuldigenmusssichbeimir...
...eigentlichniemand.Höchstensmein
Deutschlehrer.Daswareindeutigmehrals
eineZweiimAbi!

ZurSchulehatjederwaszusagen.Warjajederda.
DeshalbgibteshierjedeWochedie„AlteSchule“.



E


sistwieeinNaturereignis,dasJahr
fürJahrimHochsommerübers
Landkommt,maleinpaarTagefrü-
her,maleinpaarTagespäter,aberdoch
scheinbarunveränderlich:DieSommerfe-
rienziehennachSüdenweiter.DieSchulen
inBayernundBaden-Württembergschlie-
ßenamkommendenFreitagfürsechsWo-
chenihreTüren,währendsichdieUrlaubs-
zeitimRestdesLandesdemEndezuneigt.
InBerlinundBrandenburgbeginntdas
neueSchuljahrbereitsam5.August,als
letztesBundeslandnördlichderDonaubit-
tetNordrhein-WestfalenseineSchüleram
28.AugustzurückinsKlassenzimmer.
UndandenSträndenItaliensundSpani-
enssinddieFamilienausSüddeutschland
nochzweiWochenuntersich.Naja,fast.
DerSüdenurlaubtzumSchluss.Sowar
esundsoistes,bis2024stehendieSom-
merferienterminenachdiesemMuster
fest.Dochwomöglichwirdesnichtmehr
langesobleiben.

ImNovemberbeginnendieBeratungen
derKultusministerien,umdieSommerfe-
rienfürdieJahre2025bis2030festzule-
gen.Schonjetztistklar:BayernundBaden-
WürttembergmüssenmitGegenwehrrech-
nen.MehrereBundesländerwollensich
füreineNeuordnungderFerienregelnein-
setzen–unddiesüddeutscheExtrawurst
beenden.„DieLebens-undArbeitsbedin-
gungeninallenBundesländernhabensich
imVergleichzuden50er-Jahrensostark
angeglichen,dasseineSonderregelungfür
dieSommerferieninBayernundBaden-
Württembergnichtmehrangemessenist“,
sagtTiesRabe(SPD),SchulsenatorinHam-
burg.InderFormulierungzurückhaltend,
inderSachedeutlichheißtesausNieder-
sachsen,manwollesichfüreine„bundes-
weiteinvernehmlicheLösung“einsetzen–
„auchmitdenjenigen,diesichbislangver-
schließen“.UndYvonneGebauer(FDP),
SchulministerininNordrhein-Westfalen,
fordert:„JedesGesetzundjedeRegelung
solltevonZeitzuZeitdaraufhinüberprüft
werden,obesnochsachgerechtundzeitge-
mäßist.Dasgiltauchfürdiekomplizierte
Sommerferienregelung.“
KompliziertistdieRegelunginderTat:
Esgilt,denWünschenaller16Bundeslän-
dergerechtzuwerden,denInteressender
HotelsentgegenzukommenunddenKol-
lapsderAutobahnenwennmöglichzuver-
hindern.DieLänderhabensichdazuauf
folgendesVorgehengeeinigt:Gemeinsam
legensiedieTerminederSommerferien
fest,dieübrigenFerien–alsoOstern,Weih-
nachtenetc.–verteiltdannjedesLand
eigenständigaufdemKalender.75Ferien-

tagesindesproSchuljahr,mindestens
sechsWochensindfürdieSommerferienre-
serviert.Diesollenzwischendem1.Juliund
dem10.Septemberliegen–einKorridor
von72Tagen,dermeistensnichteingehal-
tenwird.2021etwadauerndieSommerferi-
eninBayernbiszum13.September,
beginnensieinThüringenam20.Juni.
VierJahrevorher,2020,startendieFeri-
eninThüringenerstam20.Juli–einen
ganzenMonatspäter.EsisteinErgebnis
dessogenanntenrollierendenSystems.Da-
mitnichtdasganzeLandgleichzeitigin
denUrlaubfährtundausdemUrlaubzu-
rückkehrt(sowieinFrankreich),sinddie
LänderinGruppeneingeteilt,diedieFeri-
ennacheinanderantretenunddurchwech-
seln.MalbeginntderNordosten(Gruppe
eins),malGruppezwei,dievonSachsenim
OstenbisnachBremenimNordwesten

reicht,malderSüdwesten(Gruppevier),
malNordrhein-Westfalen,daswegender
vielenEinwohnereineeigeneGruppeist.
NurGruppefünfmachtnichtmit:Bayern
undBaden-Württemberg.
AndersalsimSüden,wodasgroßeSom-
merlochstabilzwischenEndeJuliundMit-
teSeptemberliegt,tauchtesimRestdes
LandesalsojedesJahranandererStelle
auf.DashatzweiFolgen:Erstensgibtes,
andersalsetwainBayern,wosichnieauch
nureinSchultagindenAugustverirrt,kei-
nefestenFerienmonate.Dasspürensiebe-
sondersimOstenDeutschlands,wodas
SchuljahrzuDDR-Zeitenimmeram1.Sep-
temberbegann.Zweitensistbeiflexiblen
FerienterminenauchdieDauerderSchul-
jahreflexibel.Manchesindkürzer,weilsie
spätbeginnenundfrühenden,manchelän-
ger,weilesumgekehrtist.

DassBayernundBaden-Württemberg
nichtmitrollieren,wirdoftdaraufzurück-
geführt,dassKinderindenlandwirtschaft-
lichgeprägtenBundesländernfrüherbei
derErntehelfenmussten.DieoffizielleBe-
gründungsinddietraditionellenPfingst-
ferien,diedenspätenTerminerfordern–
schließlichmussessichjalohnen,dieSchü-
lerzwischendergroßenundderkleinen
SommerpauseindieSchulezubestellen.
PfingstferiensindnunaucheinGrund,
warumNordrhein-WestfalenimNovem-
bergrundsätzlicheFragenansprechen
will,sohatesSchulministerinGebauerbe-
reitsimletztenSommerangekündigt.
2018gönntesichdasBundeslanderstmals
seit1966eineganzeWochePfingstferien–
undkamoffenbaraufdenGeschmack.
AlsofragteGebauer,damalsnochrecht
frischimAmt,warumderletzteTermin

eigentlichfürBayernundBaden-Württem-
bergreserviertsei.Hiermüssees„zuneu-
enRegelungenkommen“.Mittlerweile,sie-
heoben,äußertsiesichwenigerforsch.
DaskönntemitderErkenntniszusammen-
hängen,dassmanmiteinemSystem-
angriff,zumalwennesgegendenSüden
geht,zwarschnellPunktemachenkann,
dassmandiesePunkteaberauchschnell
wiederzuverlierendroht,wenndenmarki-
genWortenkeineTatenfolgen.Dasistin
derVergangenheitschonoftpassiert.
UnterstützungbekommendieSystem-
kritikerausderTourismusbranche.Die
setztsichschonseitJahrenfürdieErweite-
rungdesFerienkorridorsaufetwa90Tage
ein,umdieUrlaubendenbesseraufdievor-
handenenBettenzuverteilen.Tatsächlich
seiderKorridorindenvergangenenJah-
rensogarkleinergeworden,rechneteder
DeutscheTourismusverband(DTV)bei
denletztenLänderverhandlungen
vor,wasdieBrancheHunderttausendeEu-
rokosteundArbeitsplätzevernichte.Dass
diezweigroßenSüdländerimmergleich-
zeitigFerienhaben,istausSichtderHotels
auchnichtideal.DirkDunkelberg,stellver-
tretenderGeschäftsführerdesDTV,sagt:
„Eswäregut,wennalleLändersichandem
rollierendenSystembeteiligenwürden.“

Bislang,sagtDunkelberg,seiderDTV
mitseinenAnliegennichtdurchgedrun-
gen.ZwarkonsultierendieLänderdieTou-
rismusbranche,ebensowieWirtschafts-
undUmweltverbändeoderdenADAC,
wennsiedieTerminefestlegen.DieFerien
aber,daraufhabensichdieLändergeei-
nigt,werden„inersterLinienachpädago-
gischenGesichtspunktenfestgesetzt“.
UndderaktuelleTrend–vorallemdieBe-
mühungenummehrVergleichbarkeitdes
AbitursinklusiveeinheitlicherTermine–
sprichtdagegen,dasssichderFerienkorri-
dorindennächstenJahrenvergrößert.
BleibtnocheineFrage:KommtdasBes-
tedesSommerswirklichzumSchluss?
Klar,werimSeptemberindenUrlaubstar-
tet,mussnurdiePreisederNebensaison
zahlen.AndererseitsistSeptembereben
nichtmehrwirklichSommer.Unddiebay-
erischenSchülerundLehrerhabensichda-
fürinderSchuledurchJuniundJulige-
schwitzt.EsgibtauchinderNordhälfte
DeutschlandsBundesländer,diedasnicht
füreinengutenDealhalten–unddieauch
deshalbkeinenAnlasssehen,anderbishe-
rigenRegelungzurütteln.DieFerienrege-
lung,sagtetwaSchleswig-HolsteinsBil-
dungsministerinKarinPrien(CDU),seifür
ihrBundesland„keinekriegsentscheiden-
deFrage“.AusHessenheißteslapidar:
„WirhabenkeinInteresseamletztenFeri-
entermin.“

Berlin–InzehndeutschenUniversitäts-
städtenkonnteamFreitaggejubeltwer-
den:Aachen,Berlin,Bonn,Dresden,Ham-
burg,Heidelberg,Karlsruhe,Konstanz,
München,Tübingensindoderbleiben
Städtemit„Elite-Unis“.EinGremiumaus
WissenschaftundPolitikkürteinBonndie
Hochschulen,diekünftigdenTitel„Exzel-
lenzuniversität“tragendürfenundsich
aufzusätzlicheFinanzmittelfreuenkön-
nen.EnttäuschungherrschteinKöln,des-
senUniversitätdenExzellenzstatusver-
liert.UndauchderOstenDeutschlandsha-
dertemitderEntscheidung.
DerSprecherderostdeutschenSPD-
Bundestagsabgeordneten,FrankJunge,
hälteszwargrundsätzlichfürrichtig,dass
LeuchttürmeinderHochschullandschaft

gefördertwürden.Erbemängeltdabei
abereine„Bevorzugungohnehinschonbe-
günstigterStandorte“.AusseinerSichtwer-
dedasBildungssystemdamitdeutlichun-
gleicherundelitärer.Derforschungspoliti-
scheSprecherderGrünen,KaiGehring,

fordert,dassnebenden„Exzellenzunis“
dieanderenHochschulennichtvernachläs-
sigtwerden.„Einedauerhaftzweigeteilte
Hochschullandschaftmitexklusivererster
KlasseundunbequemerHolzklassewürde
mehrschadenalsnutzen“,sagteer.

AuchderFDP-BildungspolitikerTho-
masSattelbergersprichtvom„Problem
desabgehängtenOstens“,weilinOst-
deutschlandmitderTUDresdennureine
UniversitätdenTitelbekommenhat.Die
AnstrengungenderBundesregierungin
derForschungsförderungreichenseiner
Ansichtnachaußerdemnichtaus:Unter
denTop-50-UniversitätenderWeltseien
regelmäßignurdreideutsche.„DieBun-
desregierungmussendlichranklotzen,da-
mitesmehrinternationalrelevanteSpit-
zenunisinDeutschlandgibt.“
IndenausgewähltenHochschulenwar
dieFreudegroß.AnderTUDresdenbrach
imFestsaalkollektiverJubelaus.Michael
Hoch,RektorderRheinischenFriedrich-
Wilhelms-UniversitätBonn,dieebenfalls

zudenGewinnernzählt,sagteineinerers-
tenReaktion:„DerheutigeTagisteinMei-
lensteininder200-jährigenGeschichteun-
sererUniversität.“GroßeEnttäuschung
herrschtehingegeninKöln.„Wirsindnie-
dergeschmettert“,sagtePatrickHonecker,
SprecherderUniversität,demKölnerStadt-
Anzeiger.DieKölnerHochschulehatteden
Exzellenzstatusseit2012inne.DerVerlust
bedeuteaucheinenSchadenfürdieRepu-
tation.„EsmachtunseinStückweitun-
sichtbarer“,sagteHonecker.„Wirgehören
aberimmernochzudenTop20.“
MartinaBrockmeier,dieVorsitzende
desWissenschaftsrats,hattebeiderVer-
kündungderAuserwähltenallen19Bewer-
bern,dieesindieletzteRundegeschafft
hatten,den„allergrößtenRespekt“gezollt.

Esseiein„enormerKraftakt“gewesen,
sagteBrockmeier.Siedenkeaber,derAuf-
wandhabesichfürallegelohnt.Peter
Strohschneider,PräsidentderDeutschen
Forschungsgemeinschaft,betonte,siehät-
tensichineinem„sehrrigidenwissen-
schaftlichenWettbewerbdurchgesetzt“.
GestartetwurdederExzellenzwettbe-
werbvormehralszehnJahren,auchum
dasImagederdeutschenUnisaufzupolie-
ren.InzwischengabesmehrereRunden.
DerExzellenzstatuswurdedenHochschu-
lendabeijeweilsbefristetverliehen.Das
ändertsichjetzt.DiegekürtenHochschu-
lenkönnendenTiteldauerhafttragen,
müssenaberallesiebenJahrenachweisen,
dasssiedieentsprechendenFörderbedin-
gungennocherfüllen., Seite

ClaudiaRoth,1955inUlmalsTochter
einesZahnarztsundeinerLehrerin
geboren,studierteTheaterwissenschaft,
warzehnJahreParteichefinderGrü-
nen.Seit2013istsieVizepräsidentin
desBundestages.FOTO:J.KONRADSCHMIDT

NuranderTUDresdendurftegejubelt
werden,ansonstensiehtesinDeutsch-
landsOstendüsteraus. FOTO:R.MICHAEL/DPA

ALTE SCHULE
Einmal Letzter sein

InBayernundBaden-WürttembergbeginnendieSommerferien,imRestdesLandesgehensiezuEnde.Sowares,soistes.


Abersollessobleiben?ImHerbstwirdneuverhandelt–schonjetztformiertsichWiderstandgegendiesüddeutscheExtrawurst


BleibtdieFrage:
KommtdasBestedesSommers
wirklichzumSchluss?

Auf ewig in der Holzklasse


DieEntscheidung,wersich„Exzellenzuniversität“nennendarf,istgefallen.KritikerbefürchteneinedauerhafteZweiteilungderHochschullandschaft


ClaudiaRoth


KämpferinfürdenBrezel-Preis
mitkleinerLateinschwäche

AnderUniKölnsindsie
„niedergeschmettert“–
derExzellenzstatusistweg

ÜberfüllteFlughäfenkannauchdas„rollierende“SystemderLändernichtverhindern–vorallem,wennwieinMünchen
amerstenFerienwochenende2018auchnocheinPolizeieinsatzdazukommt. FOTO:MATTHIASBALK/DPA

14Bundesländerwechselnsich
abmitdemStartindiefreieZeit.
Nurzweimachennichtmit

(^20) SCHULEUNDHOCHSCHULE Montag,22.Juli2019,Nr.167 DEFGH


Heribert PrantlHeribert Prantl


Vom Widerstand.Vom Widerstand.


Ein Angebot der Süddeutsche Zeitung GmbH, Hultschiner Str. 8, 81677 München. Foto: Natalie Neoimi Isser

Heribert Prantl ist Kolumnist und
Autor der Süddeutschen Zeitung

VOM GROSSEN UND
KLEINEN WIDERSTAND
Heribert Prantl

Hardcover mit
Schutzumschlag
368 Seiten | 24,90 €

Gedanken zu Zeit und Unzeit

Dieses Buch ist eine Laudatio auf Widerständler Dieses Buch ist eine Laudatio auf Widerständler
und Whistleblower. Es ist ein Lobpreis auf
die Unangepassten, auf die Demokraten des
Alltags, auf die Verteidiger der Grundrechte.
Das Buch ist eine Verbeugung vor den Geschichten
und der Geschichte des Widerstands.
Es ist ein kleines Denk-Mal für die Gedenktage,
für Feiertage und die Sonntage.

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