Handelsblatt - 22.07.2019

(sharon) #1

Susanne Schier Frankfurt


N


eulich an der Kasse einer Filiale der
Drogeriemarktkette dm: „Sammeln
Sie Payback-Punkte?“, fragt die Ver-
käuferin, wie es wohl jeder Verbrau-
cher schon etliche Male gehört hat.
„Nein“, antwortet die Kundin. „Wollen Sie denn ei-
ne Karte?“, bohrt die Kassiererin wie üblich nach.
„Nein, danke“, sagt die Kundin erneut. „Wir haben
aber gerade eine Payback-Aktionswoche. Da gibt es
für Neukunden viele Geschenke“, bleibt die Ver-
käuferin hartnäckig. „Danke, immer noch nein“,
antwortet die Kundin etwas genervt. Doch die Ver-
käuferin erklärt: „Ein dm-Gutschein über fünf Euro
ist dabei.“ Das lässt der Kundin immerhin ein
„Aha“ entlocken. „Auch ein Spülmittel, eine Hand-
seife und ein Deo sind in dem Paket mit drin“, er-
gänzt die Kassiererin und schiebt hinterher: „Und
eine Parkscheibe.“ Jetzt wird die Kundin schwach:
„Okay, dann geben Sie die Karte halt her.“
Die geschulte Verkäuferin war damit letztendlich
selbst bei dieser recht unwilligen Kundin erfolg-
reich. Immer weitere Angebote haben diese offen-
bar überzeugt, an dem Bonusprogramm teilzuneh-
men. Warum uns Menschen so etwas regelmäßig
passiert, erklärt der Konsumpsychologe Hans-Ge-
org Häusel in einem Interview mit der Journalistin
Alena Hecker so: „In unserem Gehirn gibt es so ei-
nen Jagd- und Beutemechanismus, der sehr eng
mit unserem Belohnungssystem verknüpft ist.“ Der
sei immer aktiv, wenn es mehr gibt, als man eigent-
lich erwartet hat. Das habe der Mensch als Jäger in
der Natur gelernt: Wenn ein Reh vorbeikam, sei es
gut gewesen, gleich mal zu schießen – egal ob man
Hunger hatte oder nicht. Andernfalls wäre das Reh
weg gewesen. Auf unerwartete Belohnungen sei
der Mensch also schon immer angesprungen.
Kein Wunder ist also, dass viele Verbraucher Ra-
batte und Sammelaktionen im Supermarkt, bei Ur-
laubsbuchungen, beim Tanken oder auch beim On-
lineshopping lieben. Im Schnitt nutzen die Deut-
schen 4,6 Bonus- oder Vorteilsprogramme, wie die
Marktforscher von Splendid Research herausgefun-
den haben. Eine Befragung des Cashback-Systems
Shoop hat zudem ergeben, dass mehr als die Hälfte
der deutschen Konsumenten beim Einkaufen meis-
tens ein Bonus- oder Treueprogramm nutzt, ein
weiteres Drittel tut dies zumindest manchmal.

Gleichwohl gibt es auch Vorbehalte gegenüber den
Anbietern von Rabattkarten und Co. Viele Verbrau-
cher fragen sich, ob sich die Angebote wirklich loh-
nen und wie mit ihren Daten umgegangen wird.
Grundsätzlich gibt es mehrere Varianten, um an
Vergünstigungen zu gelangen. Auf der einen Seite
stehen Kundenkarten wie Payback und Deutsch-
landcard, mit denen Kunden beim Einkaufen für
jeden Euro Umsatz Punkte sammeln. Diese können
sie unter anderem in Prämien tauschen oder sich
als Einkaufsgutscheine auszahlen lassen. Daneben
gibt es Cashback-Portale, die sich vor allem beim
Onlineshopping zu einer Alternative entwickeln.
Cashback bedeutet Geld zurück: Die Nutzer regis-
trieren sich bei einem Cashback-Anbieter und wer-
den über dessen Portal zum Internethändler ihrer
Wahl weitergeleitet. Nach dem Einkauf bekommen
sie einen Teil des ausgegebenen Geldes wieder gut-
geschrieben, den sie sich auszahlen lassen können.

Anbieter werten Kaufverhalten aus


Das am weitesten verbreitete Bonusprogramm in
Deutschland mit etwa 30 Millionen aktiven Nut-
zern ist Payback, das es seit 2000 hierzulande gibt
und seit 2010 zur US-Kreditkartenfirma American
Express gehört. Laut Splendid Research denken 86
Prozent der Deutschen bei Bonusprogrammen
spontan an Payback. Ebenfalls im Umlauf ist die
Deutschlandcard, die 2006 ins Leben gerufen wur-
de, mit mehr als 20 Millionen Nutzern. Der Karten-
anbieter gehört zum Medienkonzern Bertelsmann.
Drei Viertel der Nutzer schätzen das Bonuspro-
gramm den Marktforschern zufolge als sympa-
thisch und vertrauenswürdig ein. Und das, obwohl
vielen Verbrauchern bewusst ist, dass die Anbieter
mit den gesammelten Daten das Kaufverhalten der
Nutzer auswerten.
Ein Vorteil dieser Kundenbindungsprogramme
ist, dass die Nutzer eine Karte bei vielen Partnerfir-
men einsetzen können. Bei Payback können Kun-
den bei 680 Unternehmen offline und online Punk-
te sammeln; etwa bei Aral, dm und Rewe. Die
Deutschlandcard können die Nutzer vor Ort in Ge-
schäften wie Edeka, Marktkauf und Netto sowie in
über 400 Onlineshops einsetzen. Doch auch ein-
zelne Unternehmen bieten Rabattkarten oder die
Möglichkeit zum Punktesammeln an. Die bekann-

testen Beispiele sind das Miles-&-More-Programm
von Lufthansa oder die Ikea-Family-Card.
Auch wenn weiterhin viele Payback-Kunden mit
ihrer Karte und mit Papiercoupons, die sie per Post
erhalten, zum Einkaufen gehen, gibt es inzwischen
auch eine Smartphone-App, die die Verbraucher
an der Ladenkasse vorzeigen können. Genutzt wird
diese von etwas mehr als acht Millionen Kunden.
Mit der Funktion Payback Pay lässt sich direkt mit
der App bezahlen. Noch spielen Smartphone-Be-
zahlverfahren in Deutschland aber eine unterge-
ordnete Rolle an der Ladenkasse. Die Verbraucher-
zentralen sehen die Payback-App kritisch: „ Pay-
back sammelt ohnehin schon viele Daten über das
Konsumverhalten seiner Kunden.“ Mit dem mobi-
len Bezahlen könne das noch zunehmen. Kunden
sollten sich überlegen, ob Sie für relativ kleine Ra-
batte so transparent sein wollen.
Bei vielen Treue-Karten ist die Einlösung der
Punkte erst ab einer bestimmten Anzahl möglich.
Bei Payback geht das ab 200 Punkten. Man kann
diese zur Zahlung an der Ladenkasse verwenden
oder sich Prämien aussuchen. Allerdings müssen
Verbraucher oft noch viel mehr Punkte sammeln,
um wirklich attraktive Prämien zu bekommen. Zu-
gleich, mahnen Verbraucherschützer, seien die
Prämien oft anderswo billiger zu haben. Gerade
wenn Verbraucher auch noch Zuzahlungen leisten
sollen, sei Vorsicht geboten. Ein Nachteil ist auch,
dass die gesammelten Punkte nach einer gewissen
Zeit verfallen, wenn sie nicht genutzt werden.
Es sei richtig, dass einzelne Prämien im Netz
auch mal günstiger angeboten werden können,
heißt es bei Payback: „Bei über 700 Prämien ist es
in unserem Shop schlicht nicht möglich, immer
den günstigsten Preis am Gesamtmarkt zu offerie-
ren“, sagt eine Firmensprecherin. Vier Fünftel der
Punkte würden aber ohnehin über eine direkte
Verrechnung an den Kassen eingelöst. Das heißt,
Payback-Punkte werden auf Wunsch einfach vom
Kaufbetrag abgezogen. Ein Beispiel: 1 000 Punkte
einzulösen bedeutet, zehn Euro weniger zu zahlen.
Auch der Furcht von Verbrauchern, mit der Nut-
zung von Bonusprogrammen zum „gläsernen Kun-
den“ zu werden, über dessen Vorlieben beim Ein-
kaufen der Anbieter nahezu alles weiß, tritt Pay-
back entgegen: Mit der Datenschutz-

Auf der

Jagd

nach Beute

Beim Einkaufen nutzen die deutschen


Verbraucher liebend gerne Bonus- und


Vorteilsprogramme. Zugleich regen


sich Bedenken, ob diese sich lohnen


und was mit ihren Daten passiert. Ein


Überblick über die Vor- und Nachteile.


In unserem


Gehirn gibt


es einen Jagd-


und Beute -


mechanismus,


der sehr eng


mit unserem


Belohnungs -


system


verknüpft ist.


Hans-Georg Häusel
Konsumforscher

Private

Geldanlage

MONTAG, 22. JULI 2019, NR. 138


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