Neue Zürcher Zeitung - 17.07.2019

(Grace) #1

22 WIRTSCHAFT Mittwoch, 17. Juli 2019


Panini geht von Hand zu Hand

Das Fussba llbildchen-Imperium könnte für eine Milliardensumme verkauft werden – schon wieder


ANDREA SPALINGER,ROM


Nur wenigeFirmen wecken bei jün-
geren und mittleren Generationen in
Westeuropa wohl soviele Kindheits-
erinnerungen wie die italienischePanini.
Wer von uns hatals Kindvor derFuss-
ball-WM nicht begeistertPanini-Bild-
chen gesammelt? Oder Alben mit Bild-
chen bekannter Disney-Filme gefüllt?
Die Spannung beim Öffnen der am
Kiosk für ein gefühltesVermögen er-
standenenFünferpäckchen war kaum
auszuhalten. Zu Hause blätterte man
das Heft dann so lange durch, bis man
im Schlaf sagenkonnte, welche Spieler
auswelchem Nationalteam noch fehlten.
Die überschüssigen oder fehlenden
Schätze wurden auf dem Schulhof ge-
tauscht. Oder manlegte einenStapel der
heissbegehrten Bildchen auf den Boden
an eine Mauer und versuchte ihn durch
geschicktes Blasen umzudrehen und
damit zu erobern.Was wir als Mädchen
und Buben taten, tun heute unsere Kin-
der, Enkel,Nichten und Neffen. Mitt-
lerweile ist das1954 gegründeteFami-
lienunternehmen aus Modena zu einem
Grosskonzern herangewachsen, dessen
Wert auf über1Mrd.€geschätzt wird.


RekordzahlendankWM 2018


Nunkönnte das Imperium derFuss-
ballbildchen bald in amerikanische
Hände übergehen.Laut der «Gazzetta
di Modena» hat eine Delegation aus
den USA demPanini-Management ein
Übernahmeangebot in Höhe von 1 Mrd.
€ gemacht.«Il Sole 24 Ore» will hin-
gegen gar von je zwei amerikanischen
und europäischen Interessenten wissen.
Der CEO des international täti-
gen Unternehmens,Aldo Hugo Sallus-
tro, hält seit einiger ZeitAusschau nach
einem Käufer.Der Italo-Argentinier
war1992 mit einer Gruppe von Investo-
ren beiPanini eingestiegen. Mittlerweile
ister dominierender Minderheitsaktio-
när undkontrolliertPanini zusammen
mit den Unternehmerinnen Anna und
MariaTeresaBaroni aus Bologna.
Vor ein paar Monaten war gar ein
chinesischer Käufer im Gespräch ge-
wesen. Das Management scheint je-
doch darauf zu bestehen,dass der Sitz
in Modena bleibt, wo 450 der rund 11 50
Mitarbeiter beschäftigt sind. Dies hat-
ten die Chinesen offenbar nicht garan-
tieren wollen.
Panini gibt derzeit rund 400 Sam-
melhefte verschiedener Sportarten und
Entertainment-Marken in 120Ländern
heraus.Laut Schätzungen werden 5 Mrd.
Klebebildchen imJahr verkauft.Da-
neben ist die Gruppe auch im Bereich
des Druck-,Vertriebs- undVerlags-
wesens aktiv. Unter anderem publiziert
und übersetztPanini jedesJahrTau-
sende von Zeitschriften,Jugendbüchern,
Kalendern und Comicheften, darunter


auch weltbekannte wie Mickey Mouse.
Unter Lizenz vertreibtPanini zudem
Superhelden wieBatman, Spider-Man
und diverse Manga-Serien.
Panini hat unter anderemTochter-
firmen in der Schweiz, in Deutschland,
Frankreich, Grossbritannien, Spanien,
Russland, Brasilien, Mexiko und den
USA. 2017 erzielte derKonzern einen
Umsatz von 536 Mio.€. InJahren, in
denen eineFussball-WM oder -EM
st attfindet, liegen die Umsatzzahlen
allerdings deutlich höher, und laut Ana-
lytikernkönnte der Umsatz 20 18 dank
derFussball-WM inRussland auf deut-
lich über 750 Mio.€gestiegen sein.

Am Anfangstandein Kiosk


DieFirma wurde 1961 gegründet. Ihre
Wurzelnreichen aber bis1945 zurück,
als die GebrüderPanini in der Altstadt
von Modena einen Zeitungsstand über-
nahmen, der von der Mutter OlgaPanini
geführt wurde. 1954 machten die vier
Söhne daraus einen Zeitungsvertrieb.
Und nach ersten erfolglosenVersu-
chen,Sammelalben mit Blumenbildern
zu verkaufen, kamen sie auf die geniale
Idee, Bildchen von Mannschaften und
Spielern der italienischenFussballmeis-
terschaft anzubieten.
In den Anfangsjahren wurden die
Päckchen zu Hause von Hand verpackt.
In den1970erJahren erfand einer der
Brüder eine automatischeVerpackungs-

maschine, welche die Bildchen mischte
und sicherstellte, dass sich in kei-
nemPäckchen zwei gleiche befanden.
Gleichzeitig wurden die Bildchen, die
ursprünglich mit einem Klebstift befes-
tigt werden mussten, selbstklebend.
Das Konzept war ein Riesenerfolg:
Die Sammelhefte wurden zur Bibel
jedes jungenTifoso in Italien und der
europäischen Nachbarschaft. Die Bild-
chen der Idole wurden zudem auch
anderswo hingeklebt oder als Glücks-
bringer im Etui mitgetragen.
In den folgendenJahrzehnten wurde
das Angebot stetig ausgebaut. Ab 1970
vertrieb man weltweit Sammelalben für
dieFussball-WM, ab1980 solche für die
EM. Später wurde das Angebot dann
auf Bereiche wie Comics,Animations-
filme und andere bei Kindern populäre
Geschichten wie etwa «HarryPotter»
ausgeweitet. Zudem kamen neue Sport-
arten hinzu. Und seitdieser Saison gibt
es zum ersten Mal auch ein Heft für
Fans desFrauenfussballs.
DerFussball bleibt bis heute Haupt-
einnahmequelle beim Geschäft mit den
legendären Bildchen. Ihre Anzahl wie
auch ihre Preise sind über dieJahre lau-
fend gestiegen.Für die WM inRussland
wurde ein Album mit 682 Stickern aus-
gegeben. EinFünferpäckchenkostete
dabei im Euro-Raum 90 Cent. Bei der
WM 20 14 waren es noch 60 Cent ge-
wesen.In der Schweizkostete einFün-
ferpäckchenam Kiosk umgerechnet

noch etwas mehr. Dennoch führen die
Schweizer, was denVerkauf proKopf
angeht,die weltweiteRanglisteweiter-
hin klar an.

Turbulenzen seit 1988


Bis1988 wurdePanini alsFamilien-
betrieb geführt,dannverkauften die
Geschwister das Sticker-Imperium, und
es folgten turbulenteJa hre mit ständi-
gen Besitzerwechseln.1992 wurde die
finanziell angeschlagene Firma von
der InvestmentgesellschaftBain Gallo
Cuneo und demVerlag De Agostini
übernommen und kam damit wieder in
italienischen Besitz. ZweiJahre später
kam die amerikanische Marvel Enter-
tainment zum Zug, die einen Comic-
Verlag in die Gruppe eingliederte.
1999 gab es dann bereits den nächsten
grossen Umbruch:Panini wurde von der
FinanzgesellschaftFineldo übernom-
men. CEO wurde Sallustro. 2016 über-
nahm dieser zusammen mit den Schwes-
ternBaroni den Anteil vonFineldo und
damit dieKontrolle. NunkönntePanini
ein zweites Mal in amerikanische Hände
übergehen. Details über dieVerhand-
lungen sind allerdings nochkeine be-
kannt. Den Aktionären ist laut Medien-
berichten die gebotene1Mrd. € zu we-
nig. Offenbar gibt es auch Stimmen, die
fordern, mit einemVerkauf bis nach der
EM 2020 abzuwarten, um den Preis wei-
ter in dieHöhe zu treiben.

Geniale Ideensind oft einfachund bringen–wie diePanini-Manie–den Erfindern gutes Geld. CHRISTOPH RUCKSTUHL /NZZ

Für Schmolz +


Bickenbach


wird es eng


gvm.· Das Stahlgeschäft ist starkkon-
junkturellen Zyklen unterworfen und
entsprechend schwierig vorausseh-
bar.Für das Management der in der
Schweiz domizilierten Stahlgruppe
Schmolz + Bickenbach (S+B) muss die
Geschäftsentwicklung derzeit offenbar
besonders schwierig zu deuten sein. In
einer Medienmitteilung spricht es von
einer «ungewöhnlich geringenVisibi-
lität». Eserklärt, den für 20 19 budge-
tierten Gewinnum rundeinenVier-
tel nach unten anpassen zu müssen.
An der Börse büssten die S+B-Valoren
am Dienstagrund 5%ein, womit der
Unternehmenswert nur noch gut 400
Mio. Fr. beträgt.

Zu optimistischeVorgaben


Es ist nochkeine zehnWochen her,
dass das Unternehmen von einer gra-
duellen Normalisierung des Geschäfts
sprach und einer Erholung im weiteren
Jahresverlauf. Der bereinigte Brutto-
gewinn auf Stufe Ebitda – dieKenn-
zahl, mit der S+B die operative Entwick-
lung misst – werde in diesemJahr vor-
aussichtlich bei rund 210 Mio.€zulie-
genkommen, hiess es damals. Dies wäre
weniger als 2018,als ein Überschuss von
263,7 Mio.€resultierte.Wie sich heraus-
stellt, warauch diese Prognose noch zu
optimistisch. Der bereinigte Ebitda wird
nun in derBandbreite von 130 Mio. bis
170 Mio.€erwartet, also um rund einen
Viertel tiefer.
Ein überaus schwacher Geschäfts-
verlauf im zweiten Quartal war die Ur-
sache, weshalb S+B am Dienstag eine
«Gewinnwarnung» publizieren musste.
Deroperative Gewinn erreichte mit
40,5 Mio.€weniger als die Hälfte des
Vorjahreswerts (84,9 Mio.€). Aufgrund
der vorläufigen Zahlen hat sich der be-
reinigte Ebitda von S+B in der ersten
Jahreshälfte um 47% auf 82,7 (155,2)
Mio.€verringert. Die geprüften Zah-
len will das Unternehmen am7. August
publizieren.
Auch volumenmässig war das zweite
Quartal bei S+B flau. Der Absatz sei
um16% und der Umsatz um 11% zu-
rückgegangen. Besonders dürftig verlief
der Absatz imAutomobilsektor,einer
Branche, die auch bei anderen Schwei-
zer Industriefirmen seit Monaten ent-
täuschende Nachrichten verursacht. Im
Startquartal fiel derAuftragsbestand um
18% und damit unter das Niveau des
produziertenVolumens. Diese ungemüt-
liche Situation wird sich in den vergan-
genenWochen akzentuiert haben.

Keine Sicherheitspolster


Die derzeitige Flaute im operativen
Geschäft ist für S+B besondershei-
kel, weil das Unternehmen überkeine
Sicherheitspolster verfügt. Schon im
ersten Quartal ist die Nettoverschul-
dung deutlich gestiegen und lag mit 752
Mio.€höher als das Eigenkapital (698
Mio.€). DieVerschuldungsquote nahm
gegenüber demVorjahr von 2,5 auf das
3,6-Fache des bereinigten Ebitda zu. Mit
Blickauf die schwindendeRentabilität
ist eine weitereVerschlechterung der
Bilanz absehbar.
Wenn es imJahresverlauf nicht noch
zu einer unerwartet deutlichenWachs-
tumsbeschleunigung kommen sollte,
wird 20 19 als eines der trübsten Ge-
schäftsjahre von S+B in die Bücher ein-
gehen. Die operative Ebitda-Marge
dürfte seit dem Krisenjahr 2009,als das
Unternehmen sogar im operativen Ge-
schäftrote Zahlen geschriebenhatte,
nie mehr so gering gewesen sein. Unter
dem Strich musste S+B in denJahren
2012, 2013, 20 15 und 20 16 einenVerlust
ausweisen. Im laufendenJahr wird sich
diesePechsträhne wohl fortsetzen.

Die Krypto-Banklizenz ist begehrt


Drei Unternehmen warten auf eine Bewill igung der Finma – zwei von ihnen schon l ange


WERNER GRUNDLEHNER


EinenTag nachdem der Chef desFace-
book-Tochterunternehmens Calibra in
einer Erklärung schrieb, die Krypto-
Währung werde sich durch die Schwei-
zerFinanzmarktaufsichtFinmaregu-
lieren lassen, gab Bitcoin Suisse be-
kannt,eine SchweizerBanklizenz zu
beantragen.Das hat aber nichts mitei-
nander zu tun.


Bitcoin Suisse hält eineMill iarde


DieBanklizenz sei ein geplanter Schritt
gewesen und nunseien die notwendigen
Unterlagen beisammen, sagtArthur
Vayloyan, CEO von Bitcoin Suisse. Das
Unternehmen beantragt eineBanken-
und eine Effektenhändler-Lizenz. Letz-
tere werde benötigt, um Coins, die von
derFinma alsWertschriften (Assets)


eingestuft wurden, wieder handeln zu
können.«Wichtiger ist jedoch dieBank-
liz enz; viele Krypto-Unternehmen wol-
len mit uns zusammenarbeiten», erklärt
der CEO.
Das Corporate-Geschäft eröffne viel
Potenzial. Zudem verwaltet Bitcoin
Suisse Krypto-Guthaben mit einem
Gegenwert von über 1 Mrd.Fr. DieAuf-
bewahrung vonWertgegenständen rufe
auch nach einerBanklizenz, sagtVay-
loyan. In Liechtenstein ist das anders:
Dort ist nur die Entgegennahme von
gesetzlichen Zahlungsmitteln lizenz-
pflichtig.
Die heimischenKonkurrenten Seba
KryptoundSygnum warten bereits seit
längerem auf dieBankenlizenz. Seba
hat dieBank- und Effektenhändler-
lizenz bereits im vergangenen Sommer
beantragt.Das Unternehmen, das nun
seit 17 Monaten auf der grünenWiese

eineBank «baut», hatte den Erhalt der
Lizenz für das zweite Quartal 20 19 in
Aussicht gestellt. Dieses ist verstrichen,
ohne dass Seba die Lizenz erhalten hätte
und operativ hätte tätig werdenkönnen.

Schon seit2013 operativ


Im Gegensatz zu diesen beiden Startups
ist die imJahr 2013 gegründete Bitcoin
Suisseschon länger operativ tätig. Über
die Plattform lassen sich momentan 125
Krypto-Anlagen handeln, diese lassen
sich zu 60 00 Währungspaarenkombinie-
ren. Für das vergangeneJahr hat Bitcoin
Suisse, für die mittlerweile 90Personen
arbeiten, Einnahmen von 44Mio.Fr.
generiert, darauf erzielte Bitcoin Suisse
einen Gewinn von 25 Mio.Fr.
DieFinma dürfte für alle Antragstel-
ler, die über teilweise unterschiedliche
Geschäftsmodelle verfügen,einen ein-

heitlichenRahmen für Krypto-Banken
schaffen wollen. Beobachter vermuten
deshalb, dass dieAufsichtsbehörde Seba
undSygnum dieBanklizenz gleichzeitig
vergeben möchte, umkeinen Anbieter
zu bevorzugen.Jetztstellt sich dieFrage,
ob sich dieWartezeit durch den dritten
Antrag für die bereits eingereichten Ge-
suche nochmalsverlängert.
Das wäre für Seba undSygnum eine
schlechte Nachricht, da das operative
Geschäft nicht wie geplant loslegen
und der positive Marketingeffekt einer
«SchweizerBank» auch noch nicht
genutzt werdenkönnte.Am wenigs-
ten Mühe dürfte mit demWarten auf
dieBanklizenz Bitcoin Suisse haben.
Dort läuft das operative Geschäft be-
reits. Nur der Handel mit «Asset Coins»
kann erst mit einer Lizenz aufgenom-
men werden, diese machen aber einen
kleinen Anteil aus.

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