Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung - 28.07.2019

(Ann) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG, 28. JULI 2019, NR. 30 wirtschaft 23


Siemens steht vor einem spektakulären
Personalwechsel: Janina Kugel , eine der
Star-Managerinnen des Landes, verlässt
offenbar den Münchner Traditionskon-
zern. Die Trennung scheint beschlosse-
ne Sache, wie in jeder verkorksten Bezie-
hung geht es nur noch um die Frage:
Wer hat Schuld? Will Siemens die Vor-
standsfrau loswerden, weil sie den An-
sprüchen nicht mehr genügt? Oder
zieht sie einen Schlussstrich, weil andern-
orts aufregendere Aufgaben warten?
Wie immer in solchen Situationen, ist
die Antwort nicht eindeutig. Die Wä-
sche, die dabei gewaschen wird, ist jeden-
falls ziemlich schmutzig. Auch das ist
nicht unüblich. Klar ist: Man geht ge-
trennte Wege. Die Tage der „K+K-Herr-
schaft“,wie intern gespottet wurde, als
Vorstandschef Joe Kaeser und Janina
Kugel
in trauter Harmonie das öffentli-
che Bild von Siemens dominiert haben,
sind gezählt. Kugel ist aus dem Spiel,
wie „Handelsblatt online“ am Samstag-
morgen als Erstes meldete.
Für diese Wende muss ihr der Kon-
zern nicht mal kündigen: Ihr Vorstands-
vertrag läuft im Januar aus. Wollte man
ihn verlängern, würde es dafür allmäh-
lich höchste Zeit. Will man aber nicht,
so zumindest heißt es im wachsenden


Lager derjenigen, die ihrer überdrüssig
sind. Joe Kaeser, ihr langjähriger Förde-
rer, ist dazuzurechnen, einflussreiche
Aufsichtsräte der Kapitalseite ebenso,
angeblich auch unzufriedene Untergebe-
ne in ihrem Ressort. Dabei bleiben Ku-
gels Verdienste unstrittig, auch ihre Geg-
ner erkennen an, dass sie dem 172 Jahre
alten Konzern mit dem Ruf einer Inge-
nieursbehörde ein neues Image verpasst
hat: jung, cool, auf der Höhe der Zeit.
„Ihr glaubt ja gar nicht, wie hipp wir bei
Siemens unterwegs sind“, das war ihre
Botschaft auf den einschlägigen Podien.
Disruption, Diversity, Digitalisierung
hat Kugel im Dienste Siemens’ gepre-

digt – und nebenbei den persönlichen
Ruhm gemehrt. Eine Prise Neid ist da-
her sicher dabei, wenn ihr nun aus den
Tiefen des Konzerns, im Schutz der
Anonymität, fachliche Versäumnisse
und eine Unlust am Tagesgeschäft vor-
gehalten werden. Andererseits fühlte sie
sich nicht ausreichend wertgeschätzt,
distanzierte sich bisweilen unverhohlen
von Beschlüssen des eigenen Vorstands,
kokettierte obendrein mit einem Leben
außerhalb von Siemens. Es wäre auch
ein Wunder, hätten nicht regelmäßig
Headhunter mit lukrativen Job-Angebo-
ten angeklopft: Der Bedarf ist groß an
Powerfrauen im Management.
Anzeichen für den Knacks an der Sie-
mens-Spitze sind schon seit Monaten er-
kennbar, etwa, als Joe Kaeser der Vor-
standskollegin auf offener Bühne in
schulmeisterlicher Art darlegte, was er
von ihr erwarte in den Verhandlungen
zum Stellenabbau. Kugel war damals
nicht amüsiert, das Verhältnis zu Kaeser
ist offenbar angespannt, ein Schluss-
strich jetzt ist insofern konsequent. Der
Konzern wollte sich zu der Personalie
am Samstag nicht äußern, Janina Kugel
selbst auch nicht. Am Mittwoch wird
die Welt schlauer sein. Dann tagt, routi-
nemäßig, der Siemens-Aufsichtsrat.

Theodor Weimer und Kasper Ror-
sted sind die besten Manager des ers-
ten Halbjahres 2019. Die Vorstandsvor-
sitzenden von Deutscher Börse und
Adidas sind unter den Dax-30-Konzer-
nen die Sieger in den Kategorien bes-
ter Ruf und beste Performance. Mit ei-
nem Gewinn von 56 Prozent in den ers-
ten sechs Monaten lässt die Adidas-Ak-
tie die Konkurrenz hinter sich, was
Sportsfreund Rorsted auch imagemä-
ßig Punkte einträgt.
Der Däne landet in dieser Wertung
auf Platz drei, hinter Börsen-Chef
Weimer und Martin Brudermüller ,
dem BASF-Chef, der gerade mit ei-
nem schwierigen Geschäft zu kämpfen
hat; die Gewinnprognose hat er deut-
lich nach unten korrigiert, mit entspre-
chenden Folgen für die BASF-Aktie.
Dem Ansehen des Chemikers konnte
das bisher nichts anhaben. Auf Dauer
aber ist es selten, dass sich Entwick-
lung von Aktienwert und Image des
entsprechenden Managers voneinan-
der abkoppeln. So schaffen es die
Schlusslichter an der Börse nicht un-
ter die Top Ten der Manager mit dem
besten Ruf: Mit Kursverlusten von
mehr als 20 Prozent gewinnen Guido
Kerkhoff (Thyssen-Krupp) und Cars-
ten Spohr (Lufthansa) derzeit nur
schwerlich Beliebtheitspreise.
Die Image-Noten haben die Medien-
analysten des Beratungshauses Unicep-
ta zusammengetragen. Dazu haben sie
Tausende Berichte in den deutschen
Leitmedien nach Aussage und Tonali-
tät ausgewertet. mec.

„Du musst kämpfen, auch wenn es weh tut“, sagt Janina Kugel, Personalvorstand von Siemens. Foto Andreas Müller


Siemens-Chef Joe Kaeser Foto Jan Roeder

Der Autohersteller Volkswagen ist mit
dem Versuch gescheitert, eine Mitarbei-
terin des Konzerns für den Schaden aus
dem Diesel-Skandal haftbar zu machen.
Wegen „grob fahrlässiger Unkenntnis“
des damaligen Vorstandsvorsitzenden
Martin Winterkorn müsse sich das Un-
ternehmen den entstandenen Schaden
zu 100 Prozent selbst zurechnen lassen,
urteilte das Arbeitsgericht Braunschweig
am Donnerstag. Für unwirksam erklärte
das Gericht auch die Kündigung der In-
genieurin. Da sich VW erst 2018 von ihr
getrennt habe, also drei Jahre nach Be-
kanntwerden ihrer Verwicklung in die
Manipulationen, sei das Kündigungs-
recht verwirkt gewesen. Frau J. , Mitte
fünfzig, promovierte Verfahrenstechnike-
rin, hatte jahrzehntelang in dem Unter-
nehmen gearbeitet. Die Manipulationen
an den Dieselmotoren soll sie nach Dar-
stellung des Konzerns am Vorstand vor-
bei mit einem kleinen Kreis von Kolle-
gen begangen haben. Die frühere Abtei-
lungsleiterin zählt auch zu den 39 Be-
schuldigten im Ermittlungsverfahren der
Staatsanwaltschaft Braunschweig wegen
der Diesel-Affäre. VW wollte in dem Ar-
beitsgerichtsprozess klären lassen, ob
grundsätzlich ein Anspruch auf Schaden-
ersatz besteht. Konkrete Summen stan-
den noch nicht zur Debatte. Gleichwohl
hätte ein anderslautender Richterspruch
für die betroffenen Mitarbeiter teuer wer-
den können: Allein in den Vereinigten
Staaten musste der Konzern wegen der
Manipulationen 33 Milliarden Dollar zah-
len. Ob VW gegen die Entscheidung vor
dem Landesarbeitsgericht in Berufung
geht, will das Unternehmen erst nach
Auswertung der schriftlichen Urteilsbe-
gründung mitteilen. Wenn es die Ent-
scheidung akzeptiert, wäre das ein Abwei-
chen von der bisherigen Verteidigungs-
strategie, wonach der Vorstand mit dem
Abgasbetrug nichts zu tun habe. In der
Öffentlichkeit hatte es immer wieder Un-
mut erregt, dass VW zwar die Mitarbei-
ter belangen will, dem Ex-Chef Winter-
korn aber weiterhin ein Altersruhegeld
von 3100 Euro am Tag zahlt. boll.

Um guten Wein wird viel Aufhebens
gemacht. Erlauchte Menschen treffen
sich zu einer Weinprobe, pardon, De-
gustation, und goutieren Aussehen, Ge-
ruch, Geschmack und Abgang des erle-
senen Traubensaftes. Danach kommen
andere Feinschmecker an die Reihe,
die daheim die gleiche Prozedur voll-
führen. Das ganze Getue kann man
sich sparen, folgt man Donald Trump ,
der zu Wasser, Wein und Weltpolitik
stets eine eigene Meinung hat. Trump,
der sich bekanntlich für genial hält,
muss einen Wein nur sehen, um seine
Qualität einschätzen zu können. Kaum
zu glauben, aber wahr: Dass amerikani-
scher Wein besser sei als französischer,
begründete der Präsident damit, dass
amerikanischer Wein gut aussehe.
Hat ein kalifornischer Chardonnay
ein schöneres Goldgelb als ein französi-
scher? So wie das Goldgelb von
Trumps Haarpracht augenfälliger ist
als die dunkle Franzosenmähne eines
Emmanuel Macron? Man könnte sich
über die intuitive Weinkennerschaft
des amerikanischen Cola-light-Trin-
kers lustig machen und darüber, dass

er wie üblich Äußerlichkeiten über-
schätzt. Könnte man, wenn der Hinter-
grund nicht so ernst wäre: Der Han-
delskrieger aus dem Weißen Haus
droht nun auch mit Strafzöllen auf fran-
zösischen Wein, als Vergeltung, weil
Frankreich amerikanische Internetkon-
zerne wie Google, Amazon und Apple
besteuern will. Solche Strafzölle wären
nicht nur ein Angriff auf ein Kulturgut
Frankreichs, sondern für die Winzer
dort auch ein Tiefschlag ins Kontor. Al-
koholika sind Frankreichs Exportschla-
ger Nummer zwei nach der Luftfahrt,
zuletzt ging fast ein Viertel der Wein-
Exporte in die Vereinigten Staaten.
Auch wenn Trump nie mehr einen
sitzen hatte, nachdem sein älterer Bru-
der Fred alkoholkrank wurde und mit
42 Jahren an den Folgen starb: So ganz
falsch liegt Amerikas First Sommelier
nicht. Bei der legendären Wein-Jury
von Paris, als 1976 edle Tropfen aus
Frankreich und Amerika blindverkos-
tet wurden, kürte die versammelte Ex-
pertenschar zwei Weine aus dem kali-
fornischen Napa Valley als Sieger. Seit-
her rümpft keiner mehr die Nase über
guten Wein aus Amerika. kle.

Die Helden des Sommers


Die Chefs von Deutscher Börse und Adidas haben das beste Image


und die beste Leistung vorzuweisen


IAA Frankfurt


September11–13,


2019


NAMEN UND NACHRICHTEN


Schmutzige Trennung


im Hause Siemens


Janina Kugel ist das junge Gesicht von Siemens. Damit ist bald Schluss.


Ihr Abschied steht bevor. Von Georg Meck


Wein-Kampf


Trump erkennt einen guten Tropfen, ohne zu trinken


Theodor Weimer, Deutsche Börse Foto Eilmes


Frau J.


siegt gegen VW


Na dann Prost: Trump wählt Wein als Waffe im Handelskrieg gegen Macron. Foto AP

Kasper Rorsted, Adidas Foto Imago

1
2 Martin Brudermüller (BASF)

Stefan de Loecker (Beiersdorf)

3

Theodor Weimer (Deutsche Börse)

4

5 Stefan Oschmann (Merck)
6

Johannes Teyssen (Eon)

7

8 Reinhard Ploss (Infineon)

Stephan Sturm (Fresenius)

Timotheus Höttges (Deutsche Telekom)

9

Kasper Rorsted (Adidas)

10

1 3 4 6 – 2 – 5 8 7

Oliver Bäte (Allianz)

Quelle: Unicepta / F.A.Z.-Grafik swa.


Rang / Name / Dax-Konzern Rang N. Quartal OMNL


Bestes Image


1 Kasper Rorsted (Adidas)

2

Stephen Angel (Linde)

3

Oliver Bäte (Allianz)

Theodor Weimer (Deutsche Börse)

4

5 Rolf Martin Schmitz (RWE)

Rice Powell (Fresenius Medical Care)

6

7

Frank Appel (Deutsche Post)

8

Bernd Scheifele (Heidelberg Cement)

9

Bill McDermott (SAP)

10

+ 56

+ 32
+31
+ 31

+ 28
+ 28

+ 23
+ 23
+ 23

Joachim Wenning (Munich Re) +18
Quelle: Bloomberg / F.A.Z.-Grafik swa.

Rang / Name / Dax-Konzern Aktienkurs seit P.P.QOPN in %

Beste Performance

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