Die Zeit - 25.07.2019

(WallPaper) #1

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22 WIRTSCHAFT 25. Juli 2019 DIE ZEIT No 31


S


ie knattert und pufft, brennt und
raucht, klimpert und malt, klin­
gelt und flackert, bis sie sich am


  1. März 1960 vor 250 Zuschau­
    ern im Abby Aldrich Rockefeller
    Sculpture Garden des Museum of
    Modern Art in New York (MoMA)
    schließlich selbst zerlegt: die große Skulptur Ho-
    mage to New York des Schweizer Künstlers Jean
    Tinguely. Was nach einem tragischen unglück
    klingt, war vom Künstler tatsächlich so geplant –
    na ja, ungefähr so.
    Drei Wochen lang hatte Tinguely gemeinsam
    mit Helfern aus Fahrrädern, Teilen von Kinder­
    wagen, Musikinstrumenten, Werkzeugen, Fla­
    schen, einem meteorologischen Ballon, einer
    Klaviatur und vielen anderen Dingen eine gigan­
    tische kinetische Plastik zusammengestellt, eine
    Plastik also, die sich bewegt. Durch elektrische
    leitungen verbunden und durch Motoren an­
    getrieben, mutete sie geradezu fantastisch an. Ein­
    mal in Betrieb genommen, sägte sie hier, brachte
    dort Farbe auf Papier, ließ kleine Wagen hin­ und
    herfahren, während die Klaviatur klimperte.
    Noch heute sind Ausschnitte des Spektakels auf
    Schwarz­Weiß­Videos im internet zu sehen.


Als Finale der Performance sollte die mehrere
Meter große, weiß angemalte Apparatur sich in­
nerhalb von 27 Minuten selbst zerstören. Dies
geschah aber heftiger als geplant: Durch Funken­
flug entstanden Flammen, die einen Teil der
Skulptur in die anwesende Kameracrew des Fern­
sehsenders NBC stürzen ließen. in diesem Mo­
ment griff ein beherzter Feuerwehrmann ein,
löschte das Feuer und besiegelte so das Ende der
Maschine.
Für Tinguely gehörte vom Rauch über das
Feuer bis zu den Reaktionen der Zuschauer alles
zur Performance, die eine Huldigung an New
York sein sollte. Aus Schrott zusammengesetzt,
veränderte sich seine Skulptur unter dauerndem
Getöse und Geklapper, bis sie schließlich zusam­
menbrach und nur noch aus dem bestand, woraus
sie anfangs zusammengesetzt worden war: Einzel­
teilen. So verbarg sich hinter dieser Hommage an
den Big Apple auch eine Analogie auf das leben
und Sterben an sich.
Doch nicht alle Teile der Apparatur stammten
von Tinguely selbst. Mittendrin war ein kleineres
Kunstwerk versteckt, eingegliedert in die große
Maschinerie: Robert Rauschenbergs Money Thro-
wer for Tinguely’s H.T.N.Y. Tinguely hatte wäh­

rend der Arbeiten an seiner Skulptur mehrere be­
freundete Künstler aufgefordert, etwas zu seiner
Plastik beizusteuern. Nur der Amerikaner Rau­
schenberg folgte dieser Einladung und blieb am
Mittag des 17. März im Skulpturengarten des
MoMA, bis seine Geldschleudermaschine instal­
liert war. Rauschenberg, der bis dahin vor allem in
der Malerei zu Hause war und sich erst mit eini­
gen Collagen in die dritte Dimension vorgewagt
hatte, war begeistert von Tinguelys Kunst: »ich
empfand es als Privileg, ihm einen Schraubenzie­
her reichen zu können. Dieses riesige Kunstwerk
enthielt so viele verschiedene Aspekte des lebens.
Es war so wirklich, so interessant, so kompliziert,
so verletzlich und so fröhlich wie das leben
selbst«, kommentierte Rauschenberg.
Sein Money Thrower sollte ein Maskottchen für
die große Skulptur sein. Es ähnelte einem Toaster,
auf dem zwei dicke Spiralfedern angebracht wa­
ren, in deren Zwischenräumen Silberdollars steck­
ten. Ausgestattet war der Money Thrower mit
Schießpulver, das sich in der siebten Minute der
Performance mit einem Blitz entzündete, worauf­
hin die Spiralfedern die Münzen ins anwesende
Publikum schleuderten. Symbolisch lässt Rau­
schenbergs kleine Maschine mehrere Assoziatio­

nen zu: den Geldsegen, der von oben herabregnet;
den Goldesel, der Geld verteilt; den Pfennig, der
Glück bringen soll.
Tatsächlich war der Money Thrower auch als
Glücksbringer für Tinguelys Projekt gedacht. Er
erinnert zudem an den Münzwurf, der mit seiner
Fifty­fifty­Chance über Glück und unglück ent­
scheidet, und an das Geldstück, das viele Touris­
ten in Brunnen auf der ganzen Welt werfen, weil
ihnen das nach altem Aberglauben einen Wunsch
erfüllen soll.
Sieht man von diesen assoziativen Spielereien
ab, lässt sich eine interpretation erkennen, die
beide Kunstwerke gemeinsam haben: Wie Tin­
guely interessierte sich auch Rauschenberg zuneh­
mend für die kinetische Kunst. Maschinell her­
gestellte Objekte, von der industrie für einen
bestimmten Zweck fabriziert, setzten beide
Künstler in einen neuen, kreativen, freien Kon­
text, dessen einziger Zweck die Ästhetik selbst sein
sollte. Damit, so könnte man darin lesen, stellten
sie am Ende auch den Fortschritt an sich infrage,
der ständig neue Maschinen und Geräte, teils mit
zweifelhaftem Nutzen, hervorbrachte – und für
den wie beim Money Thrower Geld sinnlos ver­
schleudert wurde.

Silber und Schrott


Mit einer fantastischen Maschine versetzte Jean Tinguely 1960 die Kunstwelt in Aufruhr. in ihrem


inneren versteckt: ein kleiner Schatz von Robert Rauschenberg VON KAROLINE KUHLA-FREITAG


KUNST UND GELD (9)

Robert Rauschenberg:
»Money Thrower for
Tinguely’s H.T.N.Y. (Homage
to New York)«, 1960

KUNSTMARKT


Die Straße als


Leinwand


urbane Kunstwerke sind populär wie
nie und erzielen stolze Preise

K


ünstler wie Keith Haring, Banksy oder
Mr. Brainwash haben die Kunstgattung
Street­Art auf dem Markt erfolgreich
gemacht. Oft tauchen in diesem Zusammen­
hang auch die Begriffe Graffiti und urban Art
auf, weil kaum jemand die Kategorien von­
einander unterscheidet. Selbst führende Aukti­
onshäuser wie Sotheby’s vermischen sie sorglos.
Das wäre so, als würde ein Sternekoch vage zwi­
schen Reh­ und Kaninchenfleisch unterscheiden,
da beide Tiere etwas mit dem Wald zu tun haben.
Street­Art bezeichnet Kunst auf der Straße und
an öffentlichen Plätzen. Sie kann legal oder illegal
sein, ein Wandbild, Poster, Schablonenbild oder
eine Skulptur. Zwei vorherrschende Motivklassen
existieren: Figuren, Tiere oder Fantasiewesen und
surreale Räume, die mit den Perspektiven spielen.
Ästhetisch ist die Street­Art hochdekorativ, sie will
ebenso auffallen wie gefallen. Aktuelle Bilder wie
die gelben Männchen von Os Gêmeos oder die
lachenden Katzen von M. Chat sind sauber ge­
malt, eine individuelle Handschrift wie in der
Malerei gibt es kaum.
Viele Street­Art­Künstler sehen den Wert ihrer
Bilder, ob als Auftragskunst an Gebäudefassaden
oder auf leinwand, in ihrer handwerklichen
Technik. Also der immer gleich aussehenden Ge­
staltung von Gesichtern und Motiven, der sie
poppige, bunte Effekte hinzugeben. Mickey
Mouse, Popstars oder Kinder sind gut verkäufliche
Sujets, deren sich auch der Franzose Mr. Brain­
wash bedient. Sein überladen buntes Bild Einstein
mit Mickey, Albert Einstein und Marilyn Monroe
brachte bei Sotheby’s über 92.000 Euro. Banksys
Auktionsrekord von knapp 1,2 Millionen Euro
für die Papierarbeit Girl with Balloon von 2018,
die sich unmittelbar nach dem Ende der Auktion
selbst zerschredderte, lässt sich auf seine Street­
Art­Projekte in london oder im Westjordanland
zurückführen.
Graffiti­Sprayer, auch Writer genannt, sprühen
und malen dagegen illegale Bilder auf Häuser­
wände, Züge und Autobahnbrücken. Die Bewe­
gung stammt aus den Sechziger­ und Siebziger­
jahren in New York. Überwiegend Kinder und
Jugendliche beschrieben Züge schnell, unsauber
und gestisch mit ihrer Handschrift (Tags) oder
malten große Buchstabenbilder auf die Waggons
(Whole Cars) als fahrende leinwände. Die Bot­
schaft war und ist ihr Name. Die Bilder basieren
auf Buchstaben, die sich malerisch oder zeichne­
risch ins Abstrakte auflösen können, wie bei den
Parisern Azyle und Saeio. Graffiti kann rau, ge­
schmiert, störend und vandalisch erscheinen.
Verkaufen Graffiti­Sprayer nachträglich lein­
wandbilder in Galerien, dann basiert der Verkaufs­
preis auf dem Renommee, das sich die Sprayer
durch illegale, risikoreiche Aktionen auf der Stra­
ße verdient haben. Malereien des ehemaligen
Straßensprayers JonOne kosten heute über
70.000 Euro, ein Gemälde von ihm hängt im
Palais Bourbon, dem Sitz der französischen Na­
tionalversammlung. Werke von Dondi, der in den
Siebzigerjahren als Teenager die New Yorker
u­Bahn bemalte, kosten über 10.000 Euro. Die
jungen deutschen Künstler Moses und Taps er­
langten als Zugsprayer internationale Bekannt­
heit. Seit 2018 verkaufen sie abstrakte Malerei auf
Glas, transportable Werke, die an ihre besprayten
Zugfenster erinnern. Die Kolly Galerie in Zürich
bietet sie für 5000 bis 6000 Euro an.
urban Art versteht sich schließlich als Sam­
melbegriff für legale Arbeiten, nicht nur aus
dem Graffiti und der Street­Art, sondern auch
für urbane Häkelkunst, für kreative Garten­
projekte oder Sticker. urban Art wird vor allem
als trendiger Verkaufsslogan verwendet. An­
gepriesen werden dilettantische leinwandbilder,
oft im Niedrig­ bis Mittelpreissegment, deren
Motive etwas mit urbanem leben zu tun haben,
ohne dass deren urheber für Straßenaktio nen
bekannt wären. Kaum entstanden, hat sich die
Gattung urban Art in kürzester Zeit zur Kitsch­
Kategorie entwickelt. LARISSA KIKOL

Foto: Albin Dahlström/Moderna Museet/Robert Rauschenberg Foundation/Untitled Press, Inc./VG Bild-Kunst, Bonn 2019
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