Die Zeit - 25.07.2019

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V


ielleicht ist das die größte Kunst
eines Reporterlebens: nicht zy-
nisch zu werden. Alles schon mal
gesehen und drüber geschrieben zu
haben – und doch jede Geschichte an-
zugehen, als sei es die erste, wichtigste.
Seit 1971 war Wolfram Runkel für die
ZEIT in der Welt unterwegs, schwamm
durch den Mekong, hielt Nachtwache
mit streikenden Stahlarbeitern oder
entlockte dem Dalai Lama das
Geheimnis der Unerschütterlichkeit.
Nie wurde seine Neugier zur Routine.
In Duisburg-Rheinhausen aufge-
wachsen, wurde Runkel geprägt von der
Kulturtechnik des Kumpel- und Knei-
pengesprächs: Wie jetzt? Sach bloß!
Ährlich? Der studierte Jurist gab sich
stets ein bisschen dümmer, als er war,
und brachte damit jeden dazu, mehr von
sich preiszugeben, als er je wollte. Ge-
paart mit einem in unendlicher James-
Joyce-Lektüre geschulten Witz und
Hintersinn, wurde seine Schein-Naivität
zum schärfsten Rechercheinstrument.
Unterschätzen durfte man dieses
professionelle Torentum nie; der exzel-
lente Schachspieler dachte noch bei je-
dem scheinbar nur bauernschlauen Zug
etliche Schritte voraus. Damit hatte nicht
einmal der Schachweltmeister Garri
Kasparow gerechnet, den Runkel in einer
Simultanpartie matt setzte. Über das
Spiel der Könige hat er immer wieder
berichtet, den Siegeszug der Computer
beschrieben, aber auch die Psyche der
Spitzenspieler, denen er buchstäblich bis
zum Klo auf den Fersen blieb.
Für eine seiner ersten ZEIT-Geschich-
ten tingelte Runkel durch deutsche
Jugendherbergen; eine Übernachtung
kostete 5,30 Mark. Obwohl schon über
30, fiel er nicht weiter auf – dieses Talent
zum Jungbleiben hat er sich bis ins hohe
Alter bewahrt. Und wurde zum jüngsten
Ü 80er, den man sich denken kann.
Zuletzt mochte sein Körper Runkels
weltum armendem Denken nicht mehr
folgen. Nun ist unser Kollege, Freund,
Vorbild in einem Hamburger Hospiz
friedlich eingeschlafen. CHRISTOF SIEMES


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Felix Adler porträtiert hier im Wechsel mit anderen Fotografen Menschen, die ihm im Alltag begegnen.
Protokoll: Cosima Schmitt

NACHRUF NINA PAUER ENTDECKT

Krieger 1 mit Bier


Hier entdecken jede Woche im Wechsel: Francesco Giammarco,
Alard von Kittlitz, Nina Pauer und Britta Stuff

E


s gibt Lach-Yoga und Schlaf-Yoga,
Power- und Schwitz-Yoga. Hor-
mon- Yoga soll beim Kinder-
wunsch helfen, Baby-Yoga Säug-
linge beruhigen, Senioren-Yoga
Ältere fit halten. Was immer Körper und
Seele für Anliegen haben, es gibt nichts, bei
dem Sonnengruß und herabschauender
Hund nicht helfen.
Bloß was, wenn man gar nichts hat? Zu-
mindest keinen Kinderwunsch, kein Rü-
cken und auch sonst keine akute seelische
Schieflage? Die Kanadierin Lindsay Istace
schlägt für diesen Fall eine ganz eigene Trai-
ningsart vor: Wut-Yoga (Rage Yoga). Hierhin
geht man ohne spezielles Anliegen, eher wie
auf eine Party. Alkohol ist explizit er-
wünscht, es darf laut Heavy Metal laufen,
und wer mag, kann unablässig wüst fluchen,
sei es aus Spaß oder in echt, am Ende geht es
darum, »zen as fuck« zu werden.
Ganz neu ist das Konzept allerdings nicht.
Schon in den Sechzigern war es populär, ge-
meinsam zu schreien. Damals turnte man nur
keine Asanas, die jungen Menschen, die sich
durchs Brüllen emotional reinigen wollten,
hatten ernstere Anliegen, nämlich die Ab-
grenzung von ihren oftmals in festen Rollen-
bildern und Kriegserinnerungen gefangenen
Eltern. Wut-Yoga erscheint dagegen wie eine
Spaßveranstaltung.
Doch als Versuch, eine Starre zu über-
winden, hätte auch Rage-Yoga aktuell Poten-
zial, der neue Massensport zu werden. Wo
laufend die tiefe Spaltung der Gesellschaft
beklagt wird, wo Privates politisch ist und von
der Gegenseite verteufelt wird, sind gemein-
same Räume des Dialogs ziemlich selten ge-
worden. Wo finden Steak- und Tofu-Schnitzel-
Esser denn noch zusammen? SUV- und Fahr-
radfahrer? Parteien und YouTuber? Was ist ihre
gemeinsame Sprache jenseits von gereizten,
belehrenden Kommentaren?
Ob wie geklont in bunten Veja-Schu-
hen mit einer Packung Weizenkleie unterm

Arm vor der Alnatura-Kasse oder als Grup-
pe Jünglinge im Amthor-Style beim Som-
merfest der JU – der Ausbruch aus der
eigenen Bubble ist mittlerweile gar nicht
mehr so leicht. Man muss ihn suchen und
auch wollen. Rage-Yoga könnte hier eine
Einladung zum Neuanfang sein. Es setzt
dort an, wo Unterschiede im Weltbild
komplett egal sind, nämlich beim Körper.
Ob man den nun lieber mit Schweinshaxe
oder Grünkern verwöhnt – vor fiesen Ver-
spannungen im unteren Rücken ist keiner
sicher. Ob man als rechter oder linker
Twittertroll zu viel vorm Bildschirm geses-
sen hat, ist dem eingeklemmten Iliosakral-
gelenk am Ende komplett einerlei.
In den Sechzigern wurde das heilsame
Brüllen auch »Bonding-Therapie« ge-
nannt. Das Wegbrüllen von allem Negati-
ven galt als Weg zu emotionaler Offenheit
zwischen den Menschen. Man sollte also
aufhören, auf den Dialog zu warten. Be-
vor der ersehnte Friede zwischen den Mi-
lieus entstehen kann, müssen sich alle erst
ein und für alle Mal ultimativ abreagieren.
Ob urbane Flugscham-Veganer, Baller-
mann-Prolls aus der Provinz, alte weiße
Männer oder junge migrantische Feminis-
tinnen – vielleicht muss der gegenseitige
Frust ungefiltert raus, bevor sie überhaupt
wieder miteinander reden können. Viel-
leicht müssen sie alle brüllen, brüllen und
brüllen, bis sie nicht mehr wissen, wer sie
waren, wo sie herkamen, was sie wollten
und wen sie so tief verabscheuten. Ihre
große Verbrüderung (in der »Bonding-
Therapie« übrigens oft mit Umarmungen
besiegelt) käme dann ganz von allein, der
Weg zur neuen Mitte wäre irgendwann
einfach freigeschrien.
Alles, was es für diese schöne Utopie
bräuchte, wären ein paar Yoga-Matten und
ein freundlicher, gemeinsamer Raum. Ro-
bert Habeck sollte dringend ein Studio in
Berlin anmieten.

Illustration: Oriana Fenwick für DIE ZEIT, Foto (Ausschnitt): BUG/ddp images

WER


S I N D


SIE


?


Bringt eine Yoga-Form, bei der man brüllen und saufen
darf, unser gespaltenes Land wieder zusammen?

ENTDECKEN


Wolfram Runkel
* 24. 10. 1937
† 19. 07. 2019

Ich liebe es, O-Töne zu sammeln.
Das fing 1988 an, ich hatte lange
gespart für meinen ersten eigenen
Kassettenrekorder, die waren in der
DDR sehr teuer. Weil ich mich
für Zeitgeschichte interessiere,
habe ich aus dem Radio nicht nur
Lieder aufgenommen, sondern
auch O-Töne. Mir gefiel schon
immer, dass man im Radio die
Worte hört und sich zugleich die
Szenen im Kopf ausmalt. Bei
manchem Beitrag läuft es mir noch
heute kalt den Rücken herunter.
Etwa bei dem von 1989, Polizisten
gehen gegen Ausreisewillige

vor, die in Dresden auf Züge
aufspringen wollen, ein Junge fragt
seine Mutter: »Sind das böse
Polizisten?« Oder der von Anfang
1991: »Mit Luftschlägen gegen
Bagdad hat heute der Golfkrieg
begonnen«, der erste Krieg, den ich
bewusst miterlebt habe. Dass ich
nach der Wende zum Radio gehen
und manchen O-Ton beruflich
nutzen würde, war damals nicht
abzusehen. 1500 Kassetten voller
O-Töne lagern bei mir zu Hause.

Lutz Stolberg, 54,
ist Radiojournalist aus Leipzig

Meister der


na iven Frage

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