Die Zeit - 25.07.2019

(WallPaper) #1

http://www.zeitreisen.zeit.de


Andalusien
Eine philosophische Reise zum
kosmopolitischen Zeitgeist im
Goldenen Zeitalter Andalusiens.
In Sevilla, Córdoba und Granada
vergegenwärtigen wir uns das
philosophische Gespräch vor
eintausend Jahren. Dr. Peter
Vollbrecht begleitet Sie!
8 Tage ab 1.990 €

New York
Faszination, Mythos und
immer auch ein Klangerlebnis:
Zum Saisonauftakt an der Met
erleben Sie die Weltstars Anna
Netrebko und Plácido Domingo
in Verdis »Lady Macbeth«
und die Neuinszenierung von
Gershwins »Porgy and Bess«.
7 Tage ab 2.990 €

Äthiopien
Erleben Sie Zeugnisse einer
frühen Kultur und die Schönheit
von Äthiopien. Christen schlugen
in die Felsen des Tigray einma-
lige Kirchen. Treffen Sie am Horn
von Afrika Priester, Archäologen
und Naturschutzexperten
zu spannenden Gesprächen.
16 Tage ab 3.790 €

© Anton_Ivanov/Shutterstock, Kite_rin/Shutterstock, Vladimir Shirokov, sylvainnaessens/iStock. Anbieter: Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, Buceriusstraße, Hamburg. Veranstaltet durch: a&e erleb





nis:reisen GmbH, Hans-Henny-Jahnn-Weg 19, 22085 Hamburg | Windrose Finest Travel GmbH, Wallstraße 9–13, 10179 Berlin

In Kooperation mit:

Südamerika


Einen Kontinent erleben


Erkunden Sie Südamerika: Von Bogotá führt die Route
über den Machu Picchu und Cusco in Peru nach La Paz
in Bolivien. Von Lima reisen Sie nach Buenos Aires.
Neben den bekannten Höhepunkten bleibt viel Zeit für
das noch unbekannte Südamerika: Zeugnisse der alten
Inka-Hochkultur, unberührte Landschaften und lebendi-
ge Städte. Freuen Sie sich auf großartige Eindrücke und
Erlebnisse. Buchen Sie jetzt!

Termine: 12. – 26.11.2019 | 7. – 21.4.2020
Ansprechpartnerin: Jana Salewski
Preis: ab 5.790 €

040/32 80-11 93
zeitreisen.zeit.de/suedamerika

107171_ANZ_10717100019047_23502471_X4_ONP26 1 17.07.19 14:39

ANZEIGE


  1. Juli 2019 DIE ZEIT No 31 51


V


or ein paar Jahren habe ich mit einer
Nationalpark-Rangerin auf Hawaii
Kisten voller kleiner Steine geschleppt.
Aus ihrem Büro ins Auto und aus dem
Auto später an den Rand des Kilauea-Vulkans.
Von dort stammten die Steine; Touristen hatten
sie verbotenerweise als Souvenir mitgenommen.
Hawaiis Vulkangöttin Pele kann es allerdings
nicht leiden, wenn man Steine aus ihrer Heim-
statt entfernt. Deswegen belegt sie die Diebe der
legende nach mit einem Fluch, und im leben
der Souvenirsammler geht es fortan drunter und
drüber. Bis ihnen irgendwann bewusst wird,
dass all die unbill sie trifft, weil sie damals im
Hawaii-urlaub ... Also schicken sie die Steine
zurück. Jeden Monat kommen Hunderte Sen-
dungen. Die Ranger karren sie raus zum Krater.
und freuen sich, wenn jemand mit anpackt.
Darf ich Steine aus dem urlaub mitnehmen?
Kommt drauf an. Auf schnell beleidigte Gott-
heiten. Auf den urlaubsort. Auf die Steine natür-
lich auch. Zuerst einmal: Alles, was irgendwie
nach Antiquität aussieht, sollte man liegen lassen.
im Grunde gilt das für jeden Stein, der einmal
von Menschenhand bearbeitet wurde, und sei er
auch noch so unscheinbar. Neulich wurden drei
deutsche Touristen in Ägypten zu fünf Jahren
Gefängnis verurteilt, nachdem sie mit ein bisschen
Gebröckel in den Taschen erwischt wurden – das
von der Cheopspyramide stammte. Auch türki-
sche Behörden kennen kein Erbarmen, wenn sie
bei der Ausreise verdächtige Steine im Gepäck
entdecken. Wenn’s blöd läuft, endet so was mit
einer Gefängnisstrafe von bis zu zehn Jahren.

Allerdings können einen auch normale Kiesel
in Schwierigkeiten bringen. in England etwa.
Nach Veröffentlichung seines Romans Am Strand
hat ian McEwan ausgeplaudert, am Roman-
Schauplatz Chesil Beach Steinchen eingesteckt zu
haben. Dass der Strand unter Naturschutz steht,
wusste er nicht. Das hätte ihn bis zu 2250 Euro
Bußgeld kosten können. Der Autor entschuldig-
te sich erschrocken und brachte die Kiesel zurück.
Auch anderswo verzichtet man besser darauf,
Steine vom Strand mitzunehmen. Am lalaria
Beach auf Skiathos kostet es mindestens 400 Euro,
wenn man erwischt wird – urlauber hatten die
weißen, rund gewaschenen Steine zuvor tüten-
weise für ihren Garten eingesackt. Heute steht am
Flughafen der insel eine Kiste, in die reuige Samm-
ler ihre Mitbringsel werfen sollen. Der inhalt wird
zurück an den Strand gebracht.
und den Sand sollte man übrigens am Strand
lassen, sonst ist da keiner mehr. in Ägypten, der
Dominikanischen Republik, in Thailand und
italien ist das Mitnehmen verboten. Auf Sardinien
haben die Behörden neulich in drei Monaten ins-
gesamt fünf Tonnen Sand am Airport konfisziert.
Nun drohen dort Strafen von 500 bis 3000 Euro.
Noch teurer kann es auf Hawaii werden. Bis
zu 90.000 Euro Bußgeld dürfen hier verhängt
werden, wenn man beim Sandklau erwischt wird.
Vor Peles Fluch aber muss sich niemand fürchten:
Die legende von der zornigen Vulkangöttin hat
in den Siebzigern der Fahrer eines Ausflugsbusses
erfunden. ihn hatte das permanente Gekrümel
auf den Sitzen genervt. und dass er nach Dienst-
schluss jedes Mal sein Fahrzeug reinigen musste.

REISEWISSEN

B


estimmt fahre ich auch in die-
sem Sommer noch wenigstens
einmal hinauf nach Dänemark.
Viele Male werde ich dabei den
Danebrog sehen, die dänische
Flagge, die 2019 seit 800 Jah-
ren dort wehen soll, und dann
werde ich mich freuen für die Dänen und ihr
überaus liebenswürdiges land.
Meine dänische Beziehung begann mit
einem leiernden Krächzen. Dazu muss man
wissen, meines Vaters Vater sprach nicht viel.
Das machte es umso wirkmächtiger, falls er
denn etwas sagte. Eine gute Gelegenheit dazu
waren Familienessen, wenn meine Großmut-
ter kochte. Meistens räusperte sich Opa am
Ende solcher Mahlzeiten. Er schaute konzen-
triert. Öffnete dann den Mund und sang mit
dünner, im Alter zunehmend krächzender
Stimme und in einer fremden Zunge. Dies
waren seine Worte: »Tak for mad, tak for mad,
tak for mors mad, beste mor i verden, beste mor i
verden, tak for mad, tak for mad, tak for mors
mad.« Das sei Dänisch, erklärte die mittlere
Generation uns Jungen, und es bedeute:
»Danke für Essen, danke für Mutters Essen,
beste Mutter der Welt«.
Warum meines Vaters Vater dänisch sang,
warum er die Sprache gelernt hatte, wurde nie
ganz klar. Wir waren alle normale Kieler, das
Dänischste an uns waren unsere Wohnwagen-
dauerplätze auf einem Ostsee-Campingplatz im
Dänischen Wohld, einer landschaft in Schles-
wig-Holstein. Manchmal wurde gemunkelt, es
habe einmal einen Familienzweig in Thisted im
Nordwesten der Kimbrischen Halbinsel ge-
geben, aber niemand weiß, ob das stimmte oder
ob meines Vaters Vater es lanciert hatte, um
sich mit einer jütländischen Sippschaft zu
adeln. Mein ganzes junges leben hindurch ging
das jedenfalls so, Opa bedankte sich in der
Sprache unserer nördlichen Nachbarn fürs
Essen, und weil er so stets einen Höhepunkt
festlichen Zusammenseins markierte und weil
er sonst so wenig sprach, sickerte das sichere
Gefühl in mich hinein, das Dänische, nicht
allein die Sprache, auch die Kultur, sei eine Sa-
che für die besonderen Momente des lebens.
in meiner Kindheit fuhren wir oft nach
Dänemark. Es gab langweilige Möbelgeschäfte,
aber immer auch Softeis und viel lakritz; in
Summe gefiel mir das land schon damals gut.
Sobald ich meinen Führerschein und ein eige-
nes Auto hatte, kamen Romantikbestrebungen
ins Spiel. Mitunter, wenn ich unternehmungs-
lustig wirken wollte, weltläufig und kulinarisch
interessiert, sagte ich der Frau, die das beein-
drucken sollte: »ich würde dich gern im Aus-
land zum Essen einladen.« Nicht alle sagten
gleich Nein. Wenn nördlich von Eckernförde
die Ortsnamen mit der Endung auf -by kamen,
als wären wir schon drüben im anderen land
oder eher, als käme Dänemark uns entgegen,
um uns abzuholen, dann klang das jedes Mal
ein wenig fremd für mich und doch so vertraut,

Stefan Nink hat mehr als 30 Reisebücher geschrieben. Hier gibt er in loser Folge
im Wechsel mit Thilo Mischke seine Tipps und Erfahrungen weiter

MY LØVE


Der legende nach flog die dänische Flagge, der Danebrog,


vor 800 Jahren einfach vom Himmel. BJØRN ERIK SASS liebt das


land im Norden noch nicht ganz so lang


Darf ich Steine aus dem


Urlaub mitnehmen?


Bei der Aussprache immer vorstellen, dass
du im Mund ein paar heiße Kartoffeln hast
und gleichzeitig in der luftröhre ein Stückchen
Fleisch quer hängt, riet mir mein farfar, meines
Vaters Vater. und weil mein Opa nicht viel
redete, aber dann gern mit Gehalt, schaute er
neben mir einmal lange auf einen dänischen
Schriftzug. Findest nicht, dass das »ø« aussieht
wie ein Rundschild, vor dem ein Speer quer
steht, fragte er, und so schrieb ich fortan mei-
nen Vornamen mit »ø« statt »ö«. Ganz wahn-
sinnig hübsch, unter uns, klang Dänisch für
mich tatsächlich nicht immer durchweg.
Dann ging ich in einer großen dänischen Stadt
in eine Wikingersonderausstellung. Eine Grund-
schulklasse blieb in meiner Nähe vor Exponaten
stehen. ihre beiden lehrerinnen begannen zu
erzählen. Die Kinder wurden ganz still und ich
auch. Die lehrerinnen flüsterten und ließen ihre
Stimmen drohend anschwellen und zart verebben,
sie erzählten Geschichten von ihren ersten großen
Königen, von Gorm dem Alten, von Harald
Blauzahn und Sven Gabelbart, und fürderhin kam
mir fast nie, nie wieder ein unhöflicher Gedanke
gegen das Dänische in den Sinn.
Mit dieser Haltung verbrachte ich fröhlich
regenreiche Sommerwochen in Ferienhäusern
in Hvide Sande, Wellenreitfrühmorgenstun-
den in Klitmøller, Weihnachtstage auf Møn,
Wochenenden in Ribe und Aarhus und auf
diversen inseln. und überall wehte der rot-
weiße Danebrog, freundlich, aber entschieden.
Einmal fuhr ich mit einem Freund nach
Kopenhagen. Wir saßen in der Fußgänger-
zone, schauten die Menschen an und waren
aufgeregt. Dänische Frauen hatten bei uns zu
Hause einen beinahe mystischen Ruf, ohne
dass je einer eine näher kennengelernt hätte.
Nun saßen wir mitten in diesem Strom. Sie
sahen toll aus, lebendig, wach, stark, lustig.
Mein Reisebegleiter hatte sich bei vielen Ge-
legen heiten als ausgesprochen unschüchtern,
als charmant, schlagfertig und überzeugend in
Fragen des Flirts gezeigt. Er machte mich auf
eine rothaarige Frau aufmerksam, die auf der
anderen Straßenseite stand. Sie war wirklich
sensationell schön. Sie schaute zu uns – und
kam tatsächlich langsam herüber. Wir wurden
unruhig, sahen uns an, guckten hinter uns, ob
sie womöglich jemand anderes meinte; sie
machte ihre Schritte und lächelte. und als sie
vor uns stand, fragte sie meinen Begleiter auf
Englisch: »Aren’t you the guy from last night?«
Alles Mögliche konnte sie damit gemeint ha-
ben. Aber klar war, wir hatten sie noch niemals
gesehen, wir waren erst am Morgen angereist.
und mein flirtstabiler Reisebegleiter nahm
ihre Einladung zu einer federleichten unter-
haltung, zu gemeinsamem lachen, womöglich
gar zum Austausch tieferer Gedanken nicht
auf. Er glotzte sie an, wurde rot und stotterte:
»Um, no, not.« Das land, in dem so etwas
passieren konnte, und die Menschen, die so
etwas vollbrachten, fand ich vom Fleck weg
noch etwas liebenswürdiger.

REISE


dass ich seufzen mochte. Wir fuhren zu Rita nach
Kruså, gleich auf der anderen Seite der Grenze. ich
kannte damals, in den Achtzigern und Neunzigern
des vergangenen Jahrhunderts, Geschichten von
Menschen, die etwa im deutsch-französischen
Grenzgebiet lebten. Ein Ausflug auf die andere Seite,
das klang dort immer wie Arbeit, nach bestaunens-
würdigen Kathedralen, hochwertiger Kunst, nach
üppigem Wein und Fleisch mit schweren Saucen.
Rita im dänischen Kruså präsentierte sich viel erhol-
samer. im Eingangsbereich dieses Supermarktes mit
imbissstand gab es manchmal Holzschuhe im An-
gebotsständer, damit man gleich ausprobieren konn-
te, ob man dänisch weich genug in Hüfte und Ge-
müt war, um in diesem Schuhwerk durchs leben zu

gehen. und auf all die Aufregung gab es dann einen
Hotdog mit einer røde pølse, einer echt dänischen
roten Wurst. Mir schmeckte das Zeug, und vielleicht
summte ich nach dem letzten Bissen das Tak for
mad-lied. Ob es den Frauen schmeckte, mit denen
ich zu Rita fuhr, weiß ich nicht. ich war zu abgelenkt
von der Fahrt und dem Dortsein, um sie zu fragen,
und es kam nie zu einem Wiederholungsdate.
Opas lied war mir wohl auch während des Stu-
diums noch deutlich genug im Ohr. Für mein
Hauptfach musste ich eine weitere Fremdsprache
lernen. ich hätte Spanisch belegen können, um
mich auf Reisen perfekt durch Spanien und große
Teile Südamerikas parlieren zu können. italienisch,
um in der Oper laut mitzusingen. Ganz was Exoti-

sches, um klarzumachen, dass ich verstanden hatte,
wo die entscheidenden künftigen Märkte lagen. ich
nahm also Dänisch. Die Dozentin war Dänin. Sie
versuchte uns die Feinheiten ihrer Sprache näher-
zubringen, wir sollten aber auch die dänische Art
lieben lernen. So erzählte sie etwa von der Schlacht
gegen die Esten 1219, als der Danebrog vom Him-
mel und König Waldemar ii. geradewegs in die
Hände fiel. und mit seiner Hilfe die sicher geglaub-
te Niederlage doch noch in einen überragenden Sieg
gedreht wurde. Ganz weich und lebhaft wurde die
Stimme der Sprachlehrerin dabei, fort war alle De-
klinationskorrekturstrenge, sie nahm uns mit aufs
Schlachtfeld. Nichts zu spüren von skeptischer iro-
nie, dass dies nur eine alte legende sei.

Illustrationen: Nadine Redlich für DIE ZEIT; Oriana Fenwick für DIE ZEIT (u.)

Free download pdf