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eben auch Turnen. Ich komme aus einer Handballerfamilie,
habe selbst lange Handball gespielt und parallel geturnt. Mit
vier Jahren habe ich bereits mit dem Turnen angefangen, mit
sechs Jahren ging es schon in Richtung Leistungssport.
Was war Ihre Lieblingsdisziplin beim Turnen?
Sprung, Barren und Reck. Ich bin für einen Turner relativ
groß, 1,83 Meter, eigentlich sind kleinere Menschen fürs
Turnen besser geeignet, denn sie haben kürzere Hebel. Ich
musste also fleißig sein und hart trainieren, um das aus-
zugleichen.
In der Fernsehsendung »Hallo Hessen« haben Sie einmal
erzählt: »Turnen war der einzige Sport, nach dem ich müde
nach Hause kam. Da entschieden meine Eltern, dass das der
richtige Sport für mich ist.«
Das stimmt, das erzählen meine Eltern heute noch! Ich
bin auch sehr gern zum Handball gegangen. Im Vergleich
zum Handball ist Turnen eine Sportart, in der man viel mit
sich selbst ausmacht. Handball ist eine Mannschaftssport-
art, bei der es oft robuster zugeht, gerade auf dem Dorf.
Natürlich kommt es da immer wieder zu Verletzungen. Als
ich mir mal die Lippe aufgeschlagen habe, konnte ich zwei
Wochen lang nicht zum Turntraining gehen, weil ich nicht
über Kopf stehen durfte. Da hat mir mein Turntrainer
gesagt: »Du musst dich entscheiden, beides geht auf dem
Niveau nicht mehr.«
Von welchem Niveau reden Sie?
Ich habe damals an Deutschen Meisterschaften teilgenom-
men und mich dann irgendwann ganz für diese Sportart
entschieden.
Später haben Sie in der Bundesliga geturnt. Welche Ziele
hatten Sie damals?
Als Teenager war mein Ziel definitiv der Nationalkader,
da habe ich von internationalen Wettkämpfen geträumt,
mein größter Erfolg war später immerhin der Gewinn der
Deutschen Hochschulmeisterschaft am Reck. Meine Trai-
ner haben mir immer geraten, ich solle daran denken, dass
es ein Leben nach dem Leistungssport gibt. Das vergisst
man als Jugendlicher leicht, wenn man jeden Tag in der
Halle trainiert. Und leider wird im Turnen längst nicht so
viel Geld gezahlt wie beispielsweise im Fußball.
Was haben Sie damals verdient?
Ich kann mich nicht genau erinnern, aber es war mit Sicher-
heit nicht viel. Darum ging’s mir aber auch nicht, ich woll-
te mit meinen Kumpels gute Wettkämpfe absolvieren. Ich
weiß noch, als ich später in Köln Sport studiert habe, gab es
einen Handballspieler, mit dem ich mich angefreundet habe.
Er hat damals in der Cham pions League gespielt, und wir
haben aus Interesse unsere Gagen verglichen. Er hat mich
daraufhin angeschaut und gesagt: »Thomas, warum machst
du das überhaupt?« Als Kind sucht man sich nicht den Sport
aus, mit dem man das meiste Geld verdient, sondern die
Sportart, bei der man am meisten Spaß hat.
Später, während Ihres Studiums an der Deutschen Sport-
hochschule Köln, haben Sie überlegt, Sportjournalist zu
werden.
Fernsehen hat mich schon immer interessiert. Als ich
16 war, durfte ich bei einer Kunstturn-Show mitwirken.
Wir haben zu fünft an einer Kon struk tion mit drei Reck-
stangen geturnt und sind damit dann auf Tour gegangen.
Irgendwann wurde das auch vom Fernsehen aufgezeich-
net, und da habe ich gemerkt, dass mich Kameras nicht
stören. Also dachte ich, wenn ich das mit meinem Sport
verbinden kann, ist vielleicht Sportjournalist das Richtige
für mich.
Haben Sie zu Ende studiert?
Ja. Das Thema meiner Abschlussarbeit war übrigens, wel-
che Stresspotenziale Me dien auf Leistungssportler ausüben
können – und wie andererseits Sportler Stress über die
Me dien abbauen können.
Damit sind wir ja auf gewisse Art beim Thema unseres In-
terviews.
Ja.
Was ist bei Ihrer Diplomarbeit herausgekommen?
Kunstturner haben damals Medien als große Gefahr gese-
hen und haben deshalb lieber gar nichts gesagt. Der Erste,
der das anders gemacht hat, war Fabian Hambüchen, der
spätere Olympiasieger.
Sportjournalist sind Sie dann doch nicht geworden.
Ich habe in Köln ein Praktikum beim RTL-Mittagsmaga-
zin Punkt 12 gemacht und habe dann fünf Jahre bei RTL
Explosiv gearbeitet.
Sie kennen sich also mit Boulevardjournalismus aus.
Ja, ich weiß, wie wir damals gearbeitet haben, wie recher-
chiert wurde, und habe auch nicht alles gutgeheißen. Ich
habe vorher aber auch beim WDR in der Lokalzeit gearbei-
tet und die Unterschiede zwischen öffentlich-rechtlichem
Rundfunk und privaten Sendern erlebt. Bei RTL hätte ich
gern in der Sport re dak tion gearbeitet – Formel 1, Boxen,
Fußball, das hätte mich interessiert.
Wenn man über Sie recherchiert, stößt man auch auf
Auftritte im Unterhaltungsfernsehen, etwa im »Quatsch
Comedy Club« oder in der RTL-Show »Guinness World
Records«, da haben Sie mal einen Weltrekord im Unter-
hosen-übereinander-Anziehen aufgestellt ... Sie lachen.
Ja. Ältere Kollegen bei RTL haben mir damals geraten:
Wenn du Lust auf Unterhaltung hast und das vielleicht mit
deinem Sport verbinden kannst, dann mach das. Und so hat
mich die Unterhaltungsbranche immer mehr interessiert.
Vom traditionellen Kunstturnen zur Show-Akrobatik: ein
ziemlicher Schritt, oder?
Für mich war das eine logische Entwicklung. Ich habe ent-
deckt, dass mir die Luftakrobatik liegt, auch das Gerät, das
ich mir ausgesucht habe, die Strapaten.
Die Strapaten?
Das sind zwei fünf Zentimeter breite Bänder, die man sich
um die Handgelenke und Arme wickeln kann. Sie hängen
von der Decke herunter, und man turnt damit einige Me-
ter hoch über dem Boden. Das hat übrigens auch viel mit
Strapazen zu tun!
Foto dpa picture alliance Warum?