SEITE 22·MONTAG,2.MÄRZ 2020·NR.52 Unternehmen FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG
Es is tnicht so, dassden Wienerndas kli-
mafreundlicheFortbewegensehr schwer-
gemacht würde. Im Gegenteil:Verglichen
mit anderen Metropolen–etwaBerlin –
istdas Radwegenetzvorbildlich. Jahres-
kartenbesitzerkönnen für einen Euroam
TagBusse, S-, U- und Straßenbahnen
rund um die Uhr nutzen.Unddie neue
App der unter„WienerLinien“firmieren-
den örtlichen Verkehrsbetriebe spuckt
auf Knopfdrucknicht nur dieFahrzeitendes städtischen Nahver kehrszum Ziel
aus, sondernauch, wie langedie Fahrtal-
ternativ perFahrraddauert–mit dem ei-
genen oder einemgeliehenenRad.
Künftig soll es nochmehr Anreize da-
für geben, dasAuto stehen zu lassen. Seit
ein paarTagenläuftdazu derTestbetrieb
mit einer neuenApp.Denn Österreichs
Hauptstadt versteht sic hschließlichnicht
nur als „Klima-Musterstadt“, sondern
auchals Digital-Labor.Dabesorgt der
„Briefbutler“ diePost digitalvomAmt,
Parkberechtigungen gibt es elektronisch,
und ein„WienBot“weistauf Wienerischund Englischden Wegzum nächstgelege-
nen Trinkbrunnen, „Mistplatz“ fürAbfäl-
le oder zurAuslaufzone für den Hund.
Überdiesverspricht ein „virtuelles Amt“
die Erledigungvon„mehr als 250 Amts-
wege online“ undteilt mit, inwelchem
realen Amt diekürzestenWartezeiten zu
erwarten sind.Warumalso nicht Klima-
schutz und Digitalisierung verbinden?
Oder besser noch: das auchnochmit Kul-
tur zusammenbringen?
So kames, das sdie für Kultur und Digi-
tales zuständigenStadträteein gemeinsa-
mes Klimaprojekt auflegten. Das läuft,
vereinfachtgesagt, so:Auto stehen lassen
und tägl iche Wege mit Bahn,Radoder zu
Fuß voneiner Appregistrieren lassen.
Die rechnetdie so eingespartenKohlendi-
oxidmengen aus und belohnt die „gute
Tat“ hernachmit einerkostenfreien Ein-
trittskarte für Museen oderKonzerte.Für
20 Kilo eingespartesCO 2 gibt es so einen
„Kultur-Token“. Der solletwa nachzwei
Wochen Autoersatz durch Bahn oderRad
verdientsein,heißtesbei Upstream Mobi-
lity,einer Tochter gesellschaftder Wiener
Linien, die das bis zum Herbstangelegte
Modellprojekt organisiert.
Die dahinterstehende App beruht auf
der Blockchain-Technologie. Die App
nutzt GPS-und Ortungs-Schnittstellen
der jeweiligen Mobilgerätezur Bestim-
mung der zurückgelegtenStrecke und Ge-schwindigkeit.Dafür werden die auf
Smartphones vorinstalliertenGesund-
heits-AppsvonApple und Google ge-
nutzt.Für die Speicherung der Daten wür-
den die Datenschutzbedingungendes je-
weiligen Herstellersgelten.Um die Stre-
cken zu erfassen und um zu unterschei-den, ob derNutzer zuFußgeht, mit dem
Radfährt, Busse und Bahnen nutzt oder
sichper Auto oder Flugzeugfortbewegt,
kommt eine Schnittstelle des inPotsdam
ansässigen Anbieters Motiontag zum Ein-
satz.
Noch sind Fragen offen. Etwadie, wie
viele und wieweiteFahrtenman genau
ohne Auto erledigen muss, um einen digi-
talen „Kultur-Token“ gutgeschrieben zu
bekommen.Undwas mitTrittbrettfah-
rern ist, die überhauptkein Auto haben.
„Umgenau dasfestzulegen,gehen wir
erst einmal in eine sechsmonatigeTest-
phase,inder die Erst-Use rinunterschied-
lichen GruppenToken erwerben“, sagt
ein Sprecher derStadt Wien. So würden
die einenrelativ raschToken erwerben,
die anderen brauchtenetwaslänger .Man
brauche diese unterschiedlichen Daten,
„damitdasSysteminZukunftfür alle
funktioniertund nicht irgendwann implo-
diert“.Noch haben die Initiatorenkeine
genaue Vorstellung davon, wiegroß das
Interesse amCO 2 -Sparen fürkostenfreie
Eintrittskartensein wird.
Versprochenwerden attraktiveAngebo-
te.Allerdings istdie Nach frag eauchfür
diebeteiligten Museenund Konzertanbie-
tervon Interesse. Denn fürsErste zahlen
sie dieFreiticketsaus der eigenenKasse–
ihr Obolus für den guten Klimazweck. Je-
dochhat dieStadt schon signalisiert, dassdarüber zureden sein wird, solltedas Pro-
jekt im Herbstfür alle 1,9 MillionenWie-
ner freigeschaltet werden.Das habenKul-
turstadträtinVeronica Kaup-Hasler,die
wie DigitalisierungsstadtratPeterHanke
im Herbst auf denWahlsieg ihrer Sozial-
demokraten bei den Wiener Wahlen
hofft,angekündigt.Sorge vorKlima-Strafen
Ganz andereSorgenals das Geld treiben
kritische Beobachter um. „Zuerst be-
lohnt, dann normiertund bestraft“,kom-
mentiertdie linksalternativeWochenzei-
tung „DerFalter“.Auchin Social-Sco-
ring-Projekten, die ökologisches Wohlver-
halten belohnten, schlummereein „auto-
ritäresPotential“, heißt es in dem Blatt.
Es verweistauf Großprojektedigitaler
Kontrolle und Bevormundung in China.
Die Wiener Macherweisen solcheVer-
gleiche vonsich. Nicht nursei dieTeilnah-
me freiwillig, auch würdenDaten derNut-
zer nichtverknüpft. „Name des Users, die
Technologie Blockchain und aufgezeich-
nete Bewegungenwerden getrennt erho-
ben und entkoppelt“,verspricht Projekt-
leiterin Christina Huber.
Das Projekt und die App, die dem Pilot-
versuchfolgen soll, seien so angelegt,
dassdie Stadt Wien zukeinem Zeitpunkt
über personengebundeneDaten verfügeoder daraufZugriffhabe, heißt es ergän-
zend. Das sei „eine selbstauferlegte
Grundvoraussetzung für das Projekt“.
Einzig für die wissenschaftliche Begleit-
analysebenötigedie Wirtschaftsuniversi-
tätWien die E-Mail-Adressen derTest-
User-Gruppe fürFragebogen, Interviews
und anderes mehr.Diese würden nachAb-
lauf desVersuchs oder aufWunschge-
lösc ht.Zudemwerdedas Ganzevonmeh-
rerenHochschulen inWien undKonstanz
wissenschaftlich begleitet.ImMittel-
punktstehe dieFrage, „wie digitaleTech-
nologiegenutztwerden kann und dabei
gleichzeitig Privatsphäregewahrtbleibt“.
TausendeWiener haben denn auchkei-
ne Befürchtungenvor einem ihr Sozialver-
halten messenden, bewertenden undgege-
benenfallsbelohnendenStaats -und Stadt-
wesen. ZweiTage nachder Präsentation
hatten sichschonmehr als 3000Versuchs-
kandidaten angemeldet. Am Endewoll-
tenmehr als 4000 mitmachen.PerLosver-
fahren wurden die 1000Testnutzer ausge-
wählt. Übereifrigenkulturbeflissenen Kli-
maschützernwurde indes ein Riegelvor-
gebaut:Mehrals fünf „Kultur-Token“ kön-
nen nichtgesammeltwerden –dann muss
einer eingelöstwerden.Zudem isteine
Verfallsfristeingebaut:Alle CO 2 -Gut-
schrif tenund nicht eingelösteKultur-Gut-
scheine würden mit dem Ende des Pilot-
projektsgelöscht.UnsereApp zu
Digital- und
Technikthemen
http://www.fazdigitec.deNETZWIRTSCHAFT
Wahltag esind Festtage für die Deutsche
Post.MillionenvonWahlbenachrichtigun-
genmüssenverschickt werden, in einer
zweitenWelle folgen MassenvonBrief-
wahlunterlagen.Für die bayerische Kom-
munalwahl in München am 15. Märzhat-
tendie Zusteller wiederreichlich zu tun:
Im Februar haben sie mehr als 1,1 Millio-
nen Benachrichtigungen in die Briefkäs-
tengesteckt –als „Dialogpost“, wie im
Adressf eld zu lesen ist.
Für Münchenwardas eine schöne Sa-
che, weil dieStadt für Sendungen dieser
Arthohe Rabattebekommt:Die Post hat
nur 30 CentPortojeBenachrichtigung be-
rechnet.Dochauf die Isar-Metropole
könnte nachder Wahl eine heftigeNach-
zahlung zukommen. Denn dummerweisegelten seit Jahresbeginn neueRegeln da-
für,was als „Dialogpost“ befördertwer-
den darf–im Wesentlichen nämlichnur
nochReklame.„Die Wahlbenachrichti-
gungen hätten niemals als billigeWerb-
epostverschicktwerden dürfen. Solche
sensiblen Inhaltegehören da nichtrein“,
sagt jedenfallsWalther Otremba, derVor-
sitzende des Bundesverbandes Briefdiens-
te (BBD).
Die imVerbandversammelteKonkur-
renz is tsauer und will jetztgegendie Post
vorgehen. Vorstandschef Frank Appel
dürfteinwenigenTageneine Unterlas-
sungserklärung ins Hausflattern, ebenso
wird eine einstweiligeVerfügungvorberei-
tet, um die neuenVorschriften durchzu-
setzen.Auch die Bundesnetzagentur isteingeschaltet und prüft,wie eine Spreche-
rinder F.A.Z. bestätigte, den Sachverhalt.
Wassichnacheiner bayrischenPosse an-
hört, istfür dieWettbewerber ein wichti-
gerPräzedenzfall. Denn mit seinem Dia-
logpost-Angebotist der Bonner Platz-
hirschunschlagbargünstig. Milliarden
vonBriefen würden dadurch dem Wettbe-
werb entzogen, schimpfen diePost-Kon-
kurrenten.Nach vielenBeschwerden hat-
te die Bundesnetzagentur imvorigenJahr
deshalb neueRegeln für die Discount-Sen-
dungen erlassen.
Wiedie auszulegen sind,steht klar und
deutlichineinem Schreiben, mit dem die
Post ihreGroßkunden über die neuen
Konditionen informierthat:„Diese nicht-
werblichen Sendungsanlässekönnen sichnicht als Dialogpostversenden!“,heißt es
da, extra mitAusrufezeichen, und dann
folgt eineAufzählung, in der ausdrück-
lichauch„Wahlbenachrichtigungen“ge-
nanntwerden. Es istnicht der erste Fall,
auf den der BBD aufmerksam geworden
ist. Der Verband hat eigens eineÜberwa-
chungsstelle eingerichtet,damit es die
Post mit ihren Sonderangebotennicht
übertreibt.
Solltesie in diesemFall unterfalscher
Flaggesegeln, müsste München nachträg-
lichdie Dif ferenz zum „Normalpreis“ be-
zahlen, heißtesaus de mBBD. Je nachGe-
wicht der Sendungenwürden dann laut
Verband90Cent oder 1,55 Cent jeWahl-
benachrichtigungfällig. DiePost werde
an einem klarenRechtsv erstoß womög-lichauchnochverdienen,weil sie die
Stadt mitihrem Dialogpost-Angebotgekö-
derthabe. Denn für Münchenwäre es
wahrscheinlichgünstigergewesen, sich
Alternativangebote derWettbewerber ein-
zuholen, sagt Otremba.
Aber ganz so einfachliegt derFall viel-
leicht dochnicht .Ein Postsprecherrecht-
fertigteden „ausnahmsweise per Dialog-
postvorgenommenenVersand vonWahl-
benachrichtigungen“ mit einem ins Jahr
2016 zurückreichenden und nochbis
Ende Juni gültigenVertragmit derStadt
München. Damals habe diePost die ent-
sprechende Ausschreibung gewonnen.
Die vereinbartenKonditionen seien „aus
Fristgründen“ nicht mehrkündbargewe-
sen, „aucheinen Anspruchauf Preisan-passungkonnte die DeutschePost AG
nicht mehrgeltend machen“.
Diese Begründung zieht nachEinschät-
zung der Juristenvom Bundesverb and
Briefdienste freilichnicht .Zum einen sei
die BeförderungvonWahlbenachrichti-
gungen als Dialogpostschon vordem
Jahr 2020 unzulässiggewesen. Undzum
anderen setze dieAuftragsvereinbarung
„postgesetzliche Verbots tatbestände“
nicht außer Kraft. Das Verhalten derPost
sei „hochgradig wettbewerbsschädlich,
und weiter e„hochgradig wettbewerbs-
schädliche Handlungen“ derPost seien zu
erwarten. Nunist die Netzagentur am
Zuge.Wie derPostsprecher sagte, hat sie
den Konzernbereits zu einerStellungnah-
me aufgefordert.Eine App für kulturbeflissene Klimaschützer
Mit einerApp will dieStadt Wien Mobilität, Klimaschutz undKultur digital verknüpfen.Kritiker fürchtenÜberwachung / VonAndreas Mihm,Wien
W
enn es nachden Plänenvon
FamilienministerinFranzis-
ka Giffeyund Justizministe-
rinChristine Lambrecht
(beide SPD)geht, nehmen die wichtigs-
tenUnternehmen im Alleineigentum des
Bundes in Sachen Gleichstellungkünftig
eine Vorbildfunktion ein. Bis Ende des
Jahres 2025 sollen in deren wichtigsten
Führungspositionen zu 50 ProzentFrau-
en sitzen. Dasgeht aus demReferenten-
entwurfzum zweiten Führungspositio-
nengesetz hervor, der derF.A.Z. vorliegt.
Um das Zielzuerreichen,soll dieVorga-
be im Bundesgleichs tellungsgesetz veran-
kert werden, dessen Geltungsbereichauf
die 24 wichtigstenBundesunternehmen
ausgeweitet werden soll, deren Alleinei-
gentümer der Bundist.Dazugehörenetwa
die Deutsche BahnAG und ihreTochterge-
sellschaften, di eBundesdruckereiund die
Deutsche FlugsicherungDFS. Auch eini-
ge Unternehmender Bundeswehr gehören
dazu,etwa der Fuhrpar kund diePanzer-
werkeder Heeresinstandsetzungslogistik
(HIL). Die Zielvorgabe solle nicht nurfür
dieVorstands- undAufsichtsratsgremien
gelten, sondernauf jedereinzelnenFüh-
rungsebene in jeder Dienststelle, heißt es
im Entwurf.Vondensieben Bahn-Vorstän-
den sind derzeit fünfMänner ,darunter der
Vorstandsvorsitzende.
Seit Monaten arbeiten Giffeyund Lam-
brecht ein Gesetz, das mehrFrauen in die
oberste nFührungsgremien großer Unte r-
nehmen bringen soll.Kern der geplantenNeuregelung istdie Vorschrift für die Pri-
vatwirtschaft,wonachdas Vorstandsgre-
mium börsennotierter Aktiengesellschaf-
tenmit mehr als 2000 Mitarbeitern künf-
tig „mitwenigstens einerFrau besetzt sein
muss“,wenn es mehrals drei Mitglieder
hat.DieseRegel dürftelaut Einschätzung
der Familienministerinrund 70 Großun-
ternehmen betreffen. FürjungeFrauen
brauche esVorbilder–auchimVorstand,
heißt es in der Begründung.Nursowerde
sichein „Kulturwandel einstellen“.
Zudem soll die schon seit vier Jahren
geltende 30-Prozent-Frauenquote für Auf-
sichtsräteauf mehrUnternehmen ausge-
weitet werden. Sie habe sichbewährt. Bis-
lang sindvondieser Vorgabe rund 100Un-
ternehmen betroffen, künftig sollen es
600 sein. DieSteigerungkommt zustan-
de, weil die Regelung bisher auf börsenno-
tierte Großunternehmen beschränktwar,
das Merkmal Börsennotierung sollkünf-
tig entfallen.Nach Ansicht der beiden Mi-
nisterinnen haben die bisherigenVorga-
ben für dieVorstandsbesetzung zuwenig
gebracht.Seit 2016 müssen sichgrößere
Unternehmen selbstZielgrößen für einen
Frauenanteil im Spitzenmanagementge-
ben –aucheine Zielgröße „null“ istzuläs-
sig. Der Anteil derFrauen in denVorstän-
den sei seitherkaum gestiegen, nämlich
lediglichvon 6,3 Prozent auf 7,6 Prozent:
„Bei Fortschreiten dieses Entwicklungs-
temposwerden nocheinigeBerufsgenera-
tionenvonFrauen vergeblichdaraufwar-
tenmüssen, eine einigermaßen proportio-nale Teilhabe an den entscheidenden Lei-
tungsaufgaben derWirtschaftinDeutsch-
land zu erfahren“, heißt es zu Erläute-
rung,daher sei„zusätzliches gesetzgeberi-
sches Engagement notwendig“.
Dafür spricht sichaucheine Gruppe
vonAnwältinnen des Deutschen Anwalt-
vereins (DAV)aus. „Die Erfahrung hatge-
zeigt, dasssichohne den Druckdes Ge-
setzgebersnicht wirklichviel verändert.
Undaus Artikel3Absatz2Grundgesetz
ergibt sichein klarer AuftragandenStaat, sichaktiv um eine Gleichstellung
vonFrauen und Männernzubemühen“,
sagt BarbaraMayer,Mitglied des Ge-
schäftsführenden Ausschusses der Ar-
beitsgemeinschaftAnwältinnen imDAV.
Die bekannteGesellschaftsrechtlerin aus
FreiburgverweistimGesprächmit dieser
Zeitung auf die freiwilligeSelbstverpflich-
tung vielerUnternehmen, mit der sie
Frauen denWeginFührungspositionen
ebnenwollten –„da hat sichüber Jahre
hinwegzuwenig getan“.Daher sei der Ge-setzgeber nun amZug. Es sei der zügigste
und effizienteste Weg, etwaszuändern.
Der Entwurfaus demFamilienministe-
rium siehtvor, dass, wersichkünftig noch
ein Zielgröße „null“ setzt, dies auchbe-
gründen muss.Diese Angabenwerden ver-
öffentlicht, damit „deren Plausibilitätvon
der intere ssierten Öffentlichkeit über-
prüftund beurteiltwerden kann“. BeiVer-
stößengegendie Meldepflicht über Ziel-
größen,Fristen oderfehlender Begrün-
dung soll eskünftig „spürbare Sanktio-nen“ in Höhevonbis zu 10 Millionen
Eurogeben. Der Gesetzentwurfbefindet
sichderzeit in derRessortabstimmung. So
soll etwa das Bundesfinanzministerium
Erkenntnisse aus derSanktionspraxis bei-
steuern. Denn schon seit längeremver-
folgt die Aufsichtsbehörde Bafin die Be-
richtspflichtverstöße vonFinanzdienstleis-
tern.
Einwände sindvorallem aus den uni-
onsgeführtenMinisterien zu erwarten.
Dortwar man bisher sehr skeptisch: Der
rechtspoliti sche Sprecher derUnionsfrak-
tion, Jan-MarcoLuczak,sprac hschon vor
Monaten voneinem „erheblichen Ein-
griffindie unternehmerischeFreiheit“.
Auch die großen Wirtschaftsverbände
protestieren. „Es mag zwar inzwischen
nachvollziehbar sein, dassder Gesetzge-
ber großenUnternehmen entsprechende
Vorgaben machen will, aber eine erzwun-
gene Quote halten wir in derWirtschaft
für einen sehr harschen Eingriff “, sagt
Iris Plöger,Mitglied der Hauptgeschäfts-
führung des BDI,gegenüber derF.A.Z.
Die Regeln müsstenrechtssicher und
praktikabel sein. Entscheidend sei auch,
denUnternehmenausreichendZeit zu ge-
ben, um sichauf dieVorgaben einzustel-
len: „Die bishergeplanteÜbergangsfrist
istzukurz.“ Die Bundesvereinigung der
Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA)
hält einegesetzlicheFrauenquote für Vor-
ständefür„verfassungsrechtlichfragwür-
dig“. DieAuswahlvonVorstandsmitglie-
dernsei AufgabevonUnternehmen und
Aufsichtsrat–dafür stehe auchdie Eigen-
tumsfreiheit des Grundgesetzes.
AnwältinMayeristkeineVerfassungs-
rechtle rin, aber auchsie sieht den Ein-
griffindas Eigentumsrecht der Gesell-
schaf ter. „Ichkann meinUnternehmen
und die Besetzung der Gremien nicht so
organisieren, wie icheswill. Aber dieser
Eingriff istverhältnismäßig.“ Der jetzige
Schritt, die Gremien bis zu einemgewis-
sen Grad mitFrauen besetzen zu müssen,
sei deutlichweniger einschneidend als
die Arbeitnehmer-Mitbestimmung, die
das Bundesverfassungsgericht ausdrück-
lichfür zumutbar und zulässig erklärthat,
meint Mayer. Undesgehe ja nicht darum,
eine kleine Minderheit unterzubringen.
„Wir reden davon, eine Gruppe zu berück-
sichtigen, die mehr als die Hälfte der Be-
völkerung in Deutschland darstellt.“
Falls der Entwurfinseiner jetzigen
Form durchkommt, könnteervor dem
Bundesverfassungsgericht landen. Das
hatten Kritiker dem im Mai 2015inKraft
getretenen ersten Führungspositionenge-
setz ebenfalls prophezeit.Passiert istden-
nochnichts. Bis heutehat kein Gegner
vonFrauenquoteninAufsichtsräten ein
Verfahren inKarlsruhe angestrengt.Radfahrer inWien FotodpaEin schwieriges Sonderangebotder Deutschen Post
Die Postkonkur renten wehren sichgegen Discountpreise –Auslöser istdie Kommunalwahl in München / VonHelmutBünder,Bonn
Anführerinnen desVorstoßes: Justizministerin Christine Lambrecht (links) undFamilienministerinFranziskaGiffey FotoImagoFrauenquotefür
Bahn und Co.
Staatsunternehmen müssenwohl bald die
Hälfte vonVorstand undAufsichtsrat mit
Frauen besetzen. Sie sollenVorbild sein.
VonMarcus Jung undTillmannNeuscheler,
Frankfurt