FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Unternehmen MONTAG, 2.MÄRZ 2020·NR.52·SEITE 21
V
erlist nicht irgendein Ort. Der
Sportclub Verl istseit dem
jüngstenAchtelfinalspiel im
DFB-PokalgegenUnion Berlin
vielenFußb allfans ein Begriff.Die ost-
westfälis cheKleinstadt mit ihren 26 000
Einwohnernkann aber nicht nur sport-
lichbundesweit mithalten, siekann tech-
nischauchglobal auftrumpfen. Der dritt-
größteHersteller derWelt vonIndustrie-
computernkommt ausVerl –gelegen süd-
lichvon Bielefeld. Stolz verweistGe-
schäftsführer GerdHoppe darauf, dass
BeckhoffAutomation hinter Siemens
und demtaiwanischenUnternehmenAd-
vantec hmit dem Bauvon220 000 Indus-
triecomputernimJahr dieNummer drei
auf diesem Markt ist–global gesehen.
Eigentlichsteckt in dieser Aussage
auchschon dasganze Erfolgsgeheimnis
der BeckhoffAutomation. „Man braucht
für Erfolg zwei Eigenschaften, eine gute
Technologie und einen gutenVertrieb“,
istHans Beckhoffüberzeugt.Der Ph ysi-
kerhat sehr früh auf eine damaligeNi-
schentechnikgesetzt, nämlichden PC
auchfür dieSteuerungvonMaschinen
einzusetzen.Wasinden neunziger Jah-
renmanchem die Sorgenfalten auf die
Stirntrieb und zu derFrageveranlasste,
ob das ein angemessener Einsatz sei, er-
weistsich heute als Glücksfall. Weil ein
IndustriecomputervonBeckhoffdas Be-
triebssystem Windows vonMicrosoftim-
plementierthat, is terind er Lage, seine
Daten durchgä ngig für diegesamte Da-
tenkette vonder Maschine über das
MES-System (zur Produktionssteuerung)
und daskaufmännische ERP-System bis
in die Cloudaufz ubereiten. Diese Durch-
gängigkeit, die herzustellen sichheute
viele Unternehmen bemühen, wurdevon
Beckhoffschon frühgefördert. Außer-
dem erlaubtder Industriecomputer auf-
grund seiner Schnittstellen die Anbin-
dungvieler Peripheriegeräte. Edge-Com-
puting istfür Beckhoffkeine Erfindung
der vergangenenJahre, sondernschon
lange Realität.
Das Knowhowvon Beckhoffliegt in
der Anpassung des Computersandie in-
dustrielleUmgebung. Er musshier mög-
lichs tkompakt sein,gegenErschütterun-
gengeschützt sein und auchbei hohen
Umgebungstemperaturenstörungs- und
virenfrei arbeiten.„Wir wollen in unserer
Steuerung als dem Gehirnder Maschine
alle Steuerungselementevon der Daten-
erfassung über Simulation bis zur Bildver-
arbeitung zusammenfassen“, beschreibt
Beckhoffdas Ziel seiner und seiner Mitar-
beiter Arbeit.
Das scheint bei denKunden gut anzu-
kommen. DieUmsatzkurve istfasteine
Exponentialfunktion. Nach langsamem
Wachstum in den achtziger und neunzi-
gerJahren beschleunigt sichdas Wachs-
tum erheblich. Das Ziel istsehr ehrgeizig:„Wir wollen im Durchschnitt um 15 Pro-
zent im Jahr zulegen“, sagt Beckhoff. Das
hat in denvergangenen zwanzig Jahren
auchgeklappt. 2018 lag man mit einem
Umsatzwachstumvon13Prozent auf 916
Millionen Euroknapp unter dem langjäh-
rigenDurchschnitt.
Im vergangenen Jahr musstedann aber
auchBeckhoffFedernlassen.„Aufgrund
politischerUnsicherheiten“ hätten sich
vorallem deutscheKunden zurückgehal-
ten, sagt der Inhaber.Die vorläufigenZah-
len lassen am Ende einen leichtenRück-
gang des Umsatzes auf 905 Millionen
Euroerwarten. „Aber der Januarwarbe-
reits so gut, dasswir 2020 die Chance ha-
ben, die Markevon einer Milliarde Euro
zu knacken“, zeigen sichBeckhoffund
Hoppe zuversichtlich.Wenn das Corona-
viruskeine große Lück ereißt, dann sol-
len es 2025 gut zwei Milliarden EuroUm-
satz sein.
DieseZuversicht speistsichaus derTat-
sache, dassAutomatisierung in denkom-
menden Jahren nochstärker gebraucht
wirdals zuvor.Obesumden ef fiziente-
renEinsatzvonRohstoffen oder um Ener-
gieeinsparunggeht,„überallstecktAuto-
matisierung drin“. Beckhoffist im Hin-
blickauf diegroßen Herausforderungen
vonEnergiewende über Nach haltigkeit
bis Klimawandel davonüberzeugt, dass„die Ingenieuredie Welt retten müssen“.
DaranwerdeBeckhoffseinen Anteil ha-
ben, auchals kleiner Anbieter. In derAu-
tomatisierungstechnik insgesamt nimmt
Beckhoffheuteden sechstenRang auf
der Welt ein, hinter Siemens,Rockwell,
Omron, Schneider und Mitsubishi; alles
Weltkonzerne.Aber auf seinem Spezialge-
bietwillBeckhoffinden kommendenJah-
renden einen oder anderen dieserWettbe-
werber hinter sichlassen. Siemens wird
man nicht einholen.Aber stolz is tman in
Verl schon, dassman vondem Marktfüh-
reraus Ba yern immer wieder als Mitbe-
werber genannt wird. „EinZeichen dafür,
dassman uns ernstnimmt“, sagt man in
Verl s tolz.
„Ichhabenie an die Theoriegeglaubt,
dass nur die dreigrößten Anbieter einer
Branche überleben“, sagt Beckhoff.„Wir
profitieren heutevon dem breiten Einsatz
unsererTechnik.Auchwenn wir nur einen
Weltmarktantei lvon drei Prozent haben,
treiben wir diegrößeren Wettbewerber
dochanvielen Eckenvoruns he r.“Zum
Beispielinder modernenStromerzeugung
durchWindkraft. Jedes vierte Windkraft-
radauf derWelt wir dmit einem Beckhoff-
PC gesteuert. Aber nicht nur Maschinen
oderGeneratoren steuern dieKunden mit
Beckhoff-Geräten, auchFontänen, Elek-
troau tosoderGebäudetechnik.„Kein Einzelkunde hat mehr als drei
Prozent Umsatzanteil“,nenntBeckhoff
eine typischmittelständischeEigens chaft
seinesUnternehmens–und das istnicht
die einzige.Beckhoffhält entgegen man-
chem betriebswirtschaftlichenRat auc hre-
lativ hohe Lägervor. Vier Monate sei man
auchohne Nachschub lieferfähig.Und
Beckhoff produziertnur in Deutschland,
vorallem inVerl.Dassnicht an allen Hal-
len im Ortder Name prangt, istebenfalls
ein typisches Zeichen mittelständischer
Zurückhaltung. Man möchteden Ort
nicht optischdominieren. EineKonzentra-
tion auf den StandortDeutschland istaber
keine patriotische Entscheidung, sondern
inhaltlich begründet. „Weil es in Deutsch-
land im Gegensatz zu vielen anderenLän-
dernnochkompletteWertschöpfungsket-
tengibt, kann man alsAutomatisierermit
deutschenKunden Erfahrungen sammeln
wie sonstkaum auf derWelt.“
Beckhoff kommt oftauf seineKunden
zusprechen,ohnederenVertrauensein
Unternehmennie diesenAufschwungge-
nommen hätte. Beckhoff entlohne daher
selbst den Außendienstnicht nachUm-
satz.Esgehe nicht darum,Kunden viel zu
verkaufen, sonderndas richtige. Gescha-
dethat diese Auffassung nicht. DieUm-
satzkurvezeigt es–und die Ertragslage.
Wieviele Familienunternehmenveröffent-
licht Beckhoffseinen Gewinn nicht. Die
Umschreibung desNettog ewinns als „ak-
zeptabel“darfwohl so interpretiertwer-
den, dassermehr als 10 Prozent desUm-
satzes ausmacht. Das erlaubt hoheAusga-
ben fürForschung und Entwicklung. Da-
für gibt dasUnternehmenmit gut 70 Mil-
lionen Euroetwa8Prozentdes Umsatzes
aus. Vonden 4300 Beschäftigten haben
1700 eineAusbildung als Ingenieure.„Wir
sind Techniktreiber“, sagt Beckhoffdazu.
Dassesdie digital begleiteteFertigung
(StichwortIndustrie 4.0) einmal erlauben
wird, dasssichjedesWerkstückseine eige-
ne Bearbeitungsmaschine sucht, hält er
trotzaller technischenFortschrittefür un-
realistisch. DieseVision werdesichnicht
erfüllen, „weil eine optimaleAuslastung
der Anlagen nur über eine zentraleRege-
lung zu erreichen ist. Es musswie bei ei-
nem Menschen alles über eineZentrale
(Gehirn) laufen.“Der 66 Jahrealte HansBeckhoff wurdeschondurchdenelterlichenElektrikerhaus-
halt unternehmerischgeprägt. „Physik habe ichmit faustischem Antriebstudiert,
weil ic hherausfindenwollte, wasdie Welt im Innersten zusammenhält.“ Sein Inter-
esse gilt aber auchden großen Dingen: „Ichbin gespannt,welche Erkenntnisse
die gerade ins AllgeschickteSonde Solar Orbiter uns über die Sonne nochbringt.“
Die wichtigstenDaten werden für Ende des Jahrzehnts erwartet,wenn das operati-
ve Geschäftlängstseine KinderFriederikeund Johannes übernommen haben.Foto BeckhoffDerUnternehmer
Im Jahr 1980 übernahmenHans Beckhoffund seine drei Geschwistervon ihrem
Vatereinen kleinen, 1953gegründetenElektrobetrieb mit 25 Beschäftigten. 2005
wurde dasUnternehmen mit drei Bereichen in BeckhoffAutomation (Hans
Beckhoff, heute900 MillionenEuroUmsatz), Gebäudetechnik ElektroBeckhoff
(Arno Beckhoff, 500 Millionen Euro) und dieFachhandlung BeckhoffTechnik und
Design (Marlies Hillen und Michael Beckhoff, 70 MillionenEuro) aufgeteilt.Der
jeweiligeHauptgesellschafterhält 85 Prozent, die Geschwisterjeweils 5Prozent.DASUNTERNEHMERGESPRÄCH:
Audi sollvonder Börse
Volkswagenvereinfacht seineKonzern-
strukturen. SeinTochterunternehmen
Audi und der MünchnerNutzfahrzeug-
hersteller MAN sollen nachJahrzehn-
tenvon der Börsegenommenwerden,
beschlossder Autohersteller am späten
Freitagabend. WährendAudi als eigen-
ständigeAktiengesellschaftbestehen
bleibt, soll MAN in derNutzfahrzeug-
HoldingTraton aufgehen. Die Holding
hatteVolkswagen imvergangenen Jahr
an die Börsegebracht.Der Börsenrück-
zug vonMAN selbstmache dieStruktur
vonTratoneffizienter,hieß es zur Be-
gründung.Audi seinerseits soll unter
dem neuen Chef MarkusDuesmann en-
gerinden Konzerneingebundenwer-
den. DieAbfindungder Kleinaktionäre
vonAudi und MAN lässt sichder Wolfs-
burgerKonzern voraussichtlichmehr
als 400 Millionen Eurokosten. ReutersCinven/Advent optimistisch
Die Finanzinvestoren Cinvenund Ad-
vent wollen nachder Übernahmeder
Aufzugssparte vonThyssen-Krupp de-
renGeschäftausbauen.„AnGeld für
den Ausbau weltweitfehlt es nicht.Das
können durchaus einstelligeMilliarden-
betr ägesein“, sagteAdvent-Deutsch-
landchef Ranjan Sen dem „Handels-
blatt“. Er betonte, dassder Kaufpreis
für die Sparte in demRahmengeblie-
ben sei, den die Investoren sichgesteckt
hätten. Thyssen-Krupp hattesein Fahr-
stuhlgeschäftamDonnerstag für 17,2Milliarden EuroanAdvent, Cinvenund
die aus derRuhrkohle hervorgegange-
ne RAG-Stiftungverkauft. ReutersCorona lässtMessen ausfallen
Angesichts des neuartigen Coronavirus
wirdein wichtigesTreffender interna-
tionalen Videospielbranche verscho-
ben. Die Entwicklerkonferenz GDC in
San Francisco wirdvon MitteMärzauf
den Sommerverlegt, wie dieVeranstal-
teramWochenende mitteilten. Einen
konkretenneuenTermin nannten sie
zunächstnicht .Zuvor hatteFacebook
schon die für AnfangMaigepl anteEnt-
wicklerkonferenz F8 in San Josegestri-
chen. In Deutschlandwerden dieFach-
messen „ProWein“, „Beauty“ und„Top
Hair“verschoben. Die Leipziger Buch-
messe hält hingegen an ihremgeplan-
tenTermin im Märzfest. Au ch die feier-
licheVerleihung der Michelin-Sterne
für führendeRestaurantsfällt demVi-
ruszum Opfer.Die Auszeichnungen sol-
len nun nur mitgeteilt werden. dpaLuxemburg gibt ÖPNV frei
Als erstes Land derWelt hatLuxem-
burgamSamstagkostenlosen öffentli-
chen Nahver kehr eingeführt. Mit Aus-
nahme der ersten Klasse in der Bahn
und voneinigenNachtbussen muss
künftig niemand mehr für eineFahrt
mit Bus,Zugoder Straßenbahn zahlen.
Der Einnahmeausfall in Höhevonjähr-
lich41Millionen Eurosoll überSteu-
ernausgeglichenwerden. AFP„Manchmal treiben wir selbstSiemens voruns her“
dpa. MÜNCHEN.Die Führungskräfte
aus der deutschenAutomobilbrancheset-
zen für denWechsel zu klimafreundli-
chen Antrieben nicht nur auf Elektroau-
tosmit Batterie, sondernauchauf Brenn-
stoffzellen mitWasserstoff. EineUmfra-
ge der Unternehmensberatung PWCer-
gab, dass83Prozentder befragten Mana-
gervon derPolitik einetechnologieoffe-
nereUnter stützungvonMobilität for-
dern,statt einseitig auf batteriebetriebe-
ne E- Autoszusetzen. Acht vonzehn der
Befragten sehen auchdie Branche selbst
in der Pflicht,technologieoffenzufor-
schen und zu entwickeln, um alle Möglich-
keiten für klimafreundliche Mobilität aus-
zuschöpfen. Eine Möglichkeit sei die
Brennstoffzelle, „vor allemwegen der um-
weltfreundlicheren Produktion im Gegen-
sat zzur Batteriezelle“, heißt es in einer
MitteilungvonPWC.Die Studie wirdam
Montagveröffentlicht.
PWC-AutofachmannPeterGassmann
sagte, Deutschland müsse sichvon Fabri-
keninAsien emanzipieren und lokale
Kompetenzen ausbauen.Das helfe, die
Konkur renzfähigkeit derAutobranche
als SchlüsselindustrieDeutschlands zusi-
chern. Die Brennstoffzelle erzeugt aus
Wasserstoffund SauerstoffWasserdampf
und Elektrizität.Diese treibt dann einen
Elektromotoran. Tankzeit undReichwei-
te vonBrennstoffzellen-Autosentspre-
chen denenvonBenzinern.ZurHerstel-
lung desWasserstoffsbraucht es aber viel
Strom, zudem istdie Technikteuer.KurzeMeldungen
DasUnternehmen
Wasserstoffals
Alternative
fedex.com/de/possibilitiesWenn man sich mit nur einemKlick weltweit an italienischem Design
erfreuenkann,dann istdieWelt Ihr Schaufenster.Erfahren Sie, wieFedEx IhremE-Commerce-Geschäft
beimWachstum helfenkann.Connectingpeople
and possibilities
Beckhoff aus Westfalen
isteinerder größten
Hersteller von
Indu striecomputern.So
manche Buchweisheit
hat Hans Beckhoff
dafürignoriert.
VonGeorgGiersberg,
Ve rl