Der Standard - 02.03.2020

(coco) #1

DERSTANDARD Wirtschaft MONTAG, 2. MÄRZ2020| 11


Spielregeln:DasRastergitteristsoa uszufüllen,dassdieZahlen von1bis9nurjeeinmalinjederReihe,injederSpalteundinjedemumrahmtenKästchen(bzw.inj ederDiagonalebeimX-Sudoku)vorkommen.Die
AuflösungerscheintimnächstenSTANDARDundimInternetaufderStandard.at,wosi chdasaktuelleZahlenrätselauchineinerOnlineversionfindet. ©Puzzlebywebsudoku.com


Nr.4549a normal(mittel) Nr.4549b X-Sudoku(mittel) Auflösung Sudoku Nr.4548a

AuflösungSudokuNr.4548b

5 7 6 9 1 8 2 3 4
2 8 1 7 3 4 5 9 6
3 9 4 6 2 5 1 8 7
1 4 8 3 6 2 9 7 5
6 2 9 5 8 7 3 4 1
7 3 5 4 9 1 6 2 8
8 1 7 2 5 3 4 6 9
4 6 2 1 7 9 8 5 3
9 5 3 8 4 6 7 1 2 3 6 4 7 9 8 2 1 5

9 8 2 5 6 1 7 4 3
4 9 8 1 7 3 5 2 6
7 1 6 2 3 5 4 8 9
5 2 3 6 4 7 1 9 8
6 4 7 8 1 9 3 5 2
8 3 1 9 5 2 6 7 4
1 5 9 3 2 4 8 6 7
2 7 5 4 8 6 9 3 1
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3


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SUDOKU dst.at/Sudoku


RainerWill sieht dieWohlfühlblase, in derKonsumenten online leben, platzen. Der Chef des Handelsverbands
über die Sucht nach Likes,die Aufmerksamkeitsspanne der Goldfische und KimKardashian als besteFreundin.

kommt mit höheren Preisen und
Qualitätsmängeln. 93 Prozent der
Österreicher haben zumindest
einmal bei Amazon eingekauft.
Damit liegen fast 100 Prozent aller
Bürgerdaten bei einem
Konzern. Monopole ha-
ben mittelfristig immer
zu einer Einschränkung
des Angebots und höhe-
renMargengeführt.Denn
Produkte, die kleine Mar-
ge bringen, werden nicht
mehr angeboten. Ohne
Wettbewerber wird auch
weniger auf Qualität
geachtet–Amazon etwa
tut viel zu wenig gegen
Plagiate. Dazu kommt,
dass Stadtkerne veröden.
Monopole saugen Kaufkraft ab.
Gerade in zersiedelten Regionen
hat der Onlinehandel Relevanz,
da keine Greißler ums Eck sind.
Wir laufen auch auf höhere Preise
zu, das Ende der Wohlfühlblase
hat bereits begonnen.

STANDARD: Siewaren einst ein
Jahr lang auf Weltreise, sind mit
dem Rucksack durch 19 Länder ge-
trampt, von Afrika bis nach Austra-
lien. Würden Sie es sich heute noch
trauen, ohne Handy zu reisen?

Will:Zutrauenja. Um alles hinter
sich zu lassen, ist das sicher eine
gute Therapie. Noch einmal auf
Weltreise gehen würde ich aber
nur bei gravierenden privaten und
beruflichen Veränderungen.


STANDARD: Siebeschäftigen sich
stark mit dem digitalen Menschen.
WarumhaltenSieeinezweiteIden-
tität im Netz für so gefährlich?

Will:Für riskant halte ich es, wenn
man sich seines digitalen Zwil-
lings nicht bewusst ist. Es muss
uns klar sein, dass dieser niemals
uns gehört, sondern digitalen
Giganten. Studien belegen: Gibt
man bei Facebook 30 Likes ab,
kennt einen das System besser als
der beste Freund. Bei mehr als 100
Angaben weiß das System mehr
über einen als man selbst. Und
diese Daten werden natürlich ge-
zielt genutzt, etwa für Werbung.


STANDARD: Diedigitale Reise wird
Ihnen zufolge immer schneller und
lenkt zusehends von der Realität
ab. Wie real sind wir denn noch?

Will:Nietzsche zufolge ist jeder,
der am Tag nicht zwei Drittel für
sich als Freizeit verbuchen kann,
ein Sklave. Nach diesem Motto
wären wir alle Sklaven. Die Frage
ist, wie viel unserer Freizeit wir in
digitalen Kanälen verbringen. Wir
nutzen ja das Arbeitsgerät Handy
auch als Entspannungsgerät.


STANDARD: Im Sinne Nietzsches
wären wir also digitale Sklaven?

Will: Wir leben derzeit in der
digitalen Steinzeit. Große Monopo-
le sind entstanden.Die Regulierun-
gen konntenkeinFairplay sicher-
stellen. Unsere Kinder werden uns
bestimmt einmal fragen, warum
wir dasnichtwahrgenommenha-
ben, warum die Politik zugesehen
hat. 170Milliarden Euro entgehen
EuropaimJahrdurch diverse
Steuerkonstruktionen. Dassind
keine Peanuts. AberMenschen
werdendurchintuitiveVerhaltens-
muster instrumentalisiert,umin
diesesSystem weiter einzuzahlen.


STANDARD: Wie das?
Will:Die Aufmerksamkeitsspanne
der Menschen liegt mittlerweile
unter der eines Goldfisches. Diese
dauert laut Gehirnforschung beim
Fisch neun Sekunden, bei Men-
schen waren es vor zwei Jahren
nur noch 8,25. Vor allem die jün-


gere Generation bricht spätestens
nach zwei Sekunden ab. Und das
auch, wenn die Videos spannend
sind. Diese Kurzweiligkeit wird
ausgenutzt, um immer wieder
Inhalte wie Werbung zu
platzieren. Dazu kommt,
dass der Mensch ein
Gewohnheitstier ist. Die
Nutzerfreundlichkeit
geht so weit, dass sich
Menschen mittlerweile
Sensoren unter die Haut
implantieren lassen, da-
mit sich ihre Garage auto-
matisch öffnet. Ich setze
mich für Gesetze ein, die
Implantate im Menschen
regeln. Im Gesundheits-
bereich können sie bahn-
brechend sein. In der Kriegsfüh-
rung und Spionage wird es heikel.

STANDARD: Sie sehen Konsumen-
ten derzeit noch in einer digitalen
Wohlfühlblase. Wann platzt sie?
Will:Das Ende der Wohlfühlblase

STANDARD: Bequeme goldene Kä-
fige hin oder her: Konsumenten ha-
ben auch stark von mehr Transpa-
renz, niedrigen Preisen und hoher
Nutzerfreundlichkeit profitiert.
Will:Ja, aber es gibt keine Kosten-
wahrheit. Gleichzeitig wird es uns
bewusst, dass es Folgen hat, etwa
ein Handycover aus China unter
der22-Euro-Grenzefürkostenfrei-
en Versand ins Waldviertel zu be-
stellen. Wir tun es trotzdem. Das
ist die Bipolarität der Konsumen-
ten. Ich bin für offene Märkte und
freienHandel.Dennochsindregu-
latorische Klammern notwendig.
Sonst werden auch unsere Orts-
kerne immer weiter ausrinnen.

STANDARD: Siebezeichnen Kon-
zerne wie Amazon als Superkleber,
an dem viele Konsumenten wie
schnüffelnde Süchtige hängen ...
Will:Diese haben die technologi-
schen Möglichkeiten, bei Nutzern
Süchte auszunutzen. Wir werden
etwa süchtig nach Likes–sostark,

dass Instagram diese aus Profit-
gründen nicht mehr anzeigt, weil
Nutzer damit ihre eigenen Präfe-
renzen über Bord werfen. Wo-
durch die Treffsicherheit der Wer-
bung abweicht. Oder Postings: Im
Abstinenzfall drohen Langeweile
und der soziale Abstieg. Wer täg-
lichnichtzumindesteinmaletwas
postet, wird schnell den digitalen
Walls geopfert. Die Medikation
wird alle zwei, drei Jahre gewech-
selt: Das fängt mit Facebook an,
gehtüberInstagrambishinzuTik-
tok. Von der Präsenz durch Texte
ging es also zur Dominanz der Bil-
der bis hin zu Videos. Irgendwann
werden wir vieles nur noch in der
Liveübertragung wahrnehmen.

STANDARD: Welcher finanzielle
Schaden geht damit einher?
Will:Es werden nicht nur Produk-
te und Dienstleistungen verkauft.
Es wird Bedarf für Dinge kreiert,
die man bisher nicht brauchte. In-
fluencer etwa sind als neue beste
Freunde und Vorbilder ein starker
Auslöser für Käufer. Der Reality-
Star Kim Kardashian verdient mit
einem einzigen kommerziellen
Post bis zu das Vierfache des Jah-
resgehaltes eines Bundeskanzlers.
Das kommt nicht von ungefähr.

STANDARD: Wie lässt sich im Netz
mehr Kostenwahrheit herstellen?
Will: Im Lager von Amazon in
Großebersdorf sind zu 90 Prozent
Leiharbeiter beschäftigt. Der An-
teil an Leiharbeit in Österreichs
Handel liegt bei zwei bis drei Pro-
zent. Ob bei Steuern oder Verpa-
ckung: Derzeit machen die einen
das Geschäft, während die ande-
ren zahlen. Der Gesetzgeber muss
regulierend eingreifen. Wege zur
Kostenwahrheit gibt es viele. Etwa
über Plattformhaftung für Verpa-
ckungen. Nichts hier ist schwarz-
weiß. Der stationäre Handel aber
hat innerhalb von nur zehn Jahren
10.000 Geschäfte verloren.

STANDARD: Nicht unverschuldet.
Zuvor wurde auf Teufel komm raus
expandiert, den Onlinezug wiede-
rum haben viele verpasst.
Will: Es gab Optimierung. Das
TortenstückholtesichderOnline-
handel. Klar hatten auch stationä-
re Händler die Chance, online ak-
tiv zu werden. Aber diese Chance
ließsichaufgrundmangelnderRe-
gulierung nicht nutzen. Stationä-
re Händler absolvieren nun mit
einer Ritterrüstung einen Hürden-
lauf, während die digitalen Gigan-
ten im eleganten Sprint vorbeiren-
nen. Onlinepräsenz heißt auch,
auf Seite eins bei Google zu sein.
Alles andere ist irrelevant. Entwe-
der habe ich alle Kunden oder kei-
ne. Die größten zehn Onlineanbie-
ter in Österreich decken mittler-
weile alle wesentlichen Umsätze
ab. Für die 12.000 übrigen kleinen
Webshops bleibt nichts übrig.

STANDARD: Steuerschlupflöcher
sind weit geöffnet. Wie groß ist Ihr
Vertrauen in die Politik, dass sich
hier in nächster Zeit etwas ändert?
Will: Es gibt Grundübereinkom-
men, dass sich bei Steueroasen et-
was tun soll. Der Druck wird stär-
ker, wenn Staaten wie Frankreich
eine Digitalsteuer einführen wol-
len. Der große Wurf aber wird
noch lange auf sich warten lassen.

RAINER WILL(39)gründete Start-ups,
studierte Betriebswirtschaft in Wien und
London, arbeitete für das Austria Wirt-
schaftsservice und im Wirtschaftsminis-
terium. Seit 2014 ist der Steirer Chef des
Handelsverbands, der in Österreich 200
Händlermit einem Umsatz vonin Summe
55 Milliarden Euro vertritt. Kürzlich er-
schien sein Buch „Wie real bis du?“. Will
ist verheiratet und Vater eines Kindes.

„Wir leben in derdigitalenSteinzeit“


INTERVIEW: Verena Kainrath

Rainer Will:
„Stationärer
Handel läuft in
Ritterrüstung.“
Foto: APA

Amazon schöpft einen Großteil des Onlinehandels ab. Für 12.000 kleine österreichische Webshops
bleibtwenig übrig. Händler vermissen strengere Marktregulierungen.

Foto: AFP
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