Der Standard - 02.03.2020

(coco) #1

DERSTANDARD Chronik MONTAG, 2. MÄRZ2020 | 7


CORONAVIRUS


WiemanVersorgungsengpässenvorbeugt Bus aus Deutschland musste umkehren


HofersProjekt
Tempo140beendet

Linz/St. Pölten–Tempo 140 auf
den zwei Teststrecken auf der
Westautobahn (A1) ist Geschich-
te. Asfinag-Mitarbeiter demon-
tierten am Sonntag auf den betrof-
fenen Abschnitten die entspre-
chenden Verkehrsschilder. Mehr
als 130 km/h sind nun nicht mehr
erlaubt. Verkehrsministerin Leo-
nore Gewessler (Grüne) hatte das
Projekt ihres Vorgängers Norbert
Hofer (FPÖ) beendet. Sein Pilot-
projekt hatte fast eine halbe Mil-
lion Euro gekostet. (red)


KURZ GEMELDET


Fluchthelferinvon
Tibor Foco schrieb Buch
Linz–25Jahre nach der Flucht von
Tibor Foco aus der Haft verspricht
ein neues Buch Details zu den da-
maligen Ereignissen. Geschrieben
hat es eine Fluchthelferin von da-
mals, die unter dem Pseudonym
Trudy Truth auftritt. Die Autorin,
die u. a. Motorräder besorgt haben
soll, wurde vor Jahren zu einer be-
dingten Strafe verurteilt, nun ist
die Bewährungsfrist abgelaufen.
Kontakt zu Foco, der damals we-
gen Mordes in Haft saß, habe sie
nicht, sagte sie der Krone. (red)

Mehr Ressourcen
fürGewaltschutz
Wien–Seit Jahresanfang–also in-
nerhalb von knapp zwei Monaten
–sind in Österreich sechs Frauen
gewaltsam getötet worden. Im ge-
samten Vorjahr waren es 34, 2018
wurden 41 Frauen Opfer tödlicher
Gewalttaten. Angesichts der alar-
mierenden Zahlen fordern Ge-
waltschutzorganisationen im Vor-
feld des Frauentages am 8. März
einmal mehr eine Aufstockung
ihrer Ressourcen. Die Regierung
erhöht als ersten Schritt das Bud-
get für das Frauenressort. (red)

OpfervonMesserattacke
in kritischem Zustand
Wien–Die 16-Jährige, die am Don-
nerstagabend von ihrem gleichal-
trigen Ex-Freund in ihrer elterli-
chen Wohnung in Wien-Florids-
dorf geschlagen und niedergesto-
chen worden sein soll, befand sich
am Wochenende weiter in kriti-
schem Zustand in einem Wiener
Spital. In ersten Einvernahmen
bestritt der Tatverdächtige das
Verbrechen, er wird aber durch
Angaben des Opfers belastet. Die
Polizei spricht zudem von weite-
ren belastenden Indizien. (red)

Fünf Flüchtlingeaus
Lkw-Anhänger befreit
Lienz –Die Polizei befreite am
Sonntagvormittag in Nußdorf-
Debant in Osttirol fünf afghani-
sche Flüchtlinge aus einem ver-
sperrten Sattelauflieger. Eine Pas-
santinhatteKlopfgeräuschewahr-
genommen und Alarm geschla-
gen. Die fünf Personen befanden
sich in einem beeinträchtigten ge-
sundheitlichen Zustand und wur-
den ins Krankenhaus nach Lienz
gebracht, teilte die Polizei. Der
Lenker des Sattelkraftfahrzeugs
wurde festgenommen. (red)

Spontane Hamsterkäufe,etwaaus Angstvordem Coronavirus,sind sogenannten Preppern fremd.
Siewollen immer daraufvorbereitetsein, sich in ZeitenvonEngpässen überWasser halten zukönnen.

derAngstderMenschen.Erschürt
diese aber kaum, will eher ängst-
lichen Menschen helfen, durch
bessere Vorbereitung furchtloser
zu werden–wie bei einem Mathe-
Test quasi.
Ausreichend Wasser, Medika-
mente, Treibstoff, proteinhaltige
Nahrung, Spezialnahrungfür Ba-
bys und Hygieneartikel sind ein
Muss für Sicherheitsbunker. Der

E

swar wohl kein Tag, auf den
sie sich gefreut haben, aber
einer, auf den sie vorbereitet
sein wollten. Der erste bestätigte
Coronavirus-Fall in Österreich
und die damit einhergehende Un-
ruhe in der österreichischen Be-
völkerung samt Hamsterkäufen
bewies vielen innerhalb der so-
genannten Prepper-Szene, alles
richtig gemacht zu haben, sagt
Survival-Coach Martin Molay.
Der Begriff Prepper stammt vom
englischen Wort „prepare“, sich
vorbereiten. Etwas mehr als 2000
registrierte User finden sich auf
der größten Prepper-Website Ös-
terreichs. In verschiedenen Face-
book-Gruppen sind es einige hun-
dert, alle mit dutzenden neuen
Mitgliedern seit ein paar Tagen.
Sie tauschen sich dort über ihre
Bunkerausstattung oder Notfall-
pläne aus und weisen gerne auf
drohende Gefahren aus dem In-
und Ausland hin. Dennoch wir-
ken die meisten recht ruhig–sie
sind ja schließlich vorbereitet.


Angst vor Blackout


Doch worauf bereiten sich die
österreichischen Prepper vor? Auf
den Weltuntergang? Nicht zwin-
gend. Zu Hochzeiten des Kalten
Krieges war schließlich die halbe
Welt irgendwie Prepper. In vielen
Bundesländern waren Schutz-
bunker im 20. Jahrhundert viele
Jahre lang bei Neubauten Pflicht.
In erster Linie sind es derzeit
aber weniger Krankheiten, Viren
oder Kriege als die Angst vor
einem Blackout–einem längeren
Stromausfall, der das öffentliche
Leben teils zum Erliegen bringen
könnte –, die Österreichs Prepper
umtreibt. Im Falle des Falles wol-


le er einfach gut für einige Tage
überleben können–und das ohne
jegliche Hilfe von außen oder von
anderen Mitmenschen, sagt Mo-
lay. Der überzeugte Veganer lebt
seit knapp vier Jahren energieau-
tarkundbietetauchverschiedens-
te Survival-Trainings in Kursen
im Wald oder in seinem Prepper-
Hostel an. In gewisser Weise ver-
dient er also auch sein Geld mit

Überlebenskünstler betont, dass
auchderrichtigeUmgangmitChe-
mietoiletten oder Trockensyste-
men sowie eine Möglichkeit, mit
der Außenwelt Kontakt aufzuneh-
men–etwa per Funk –, erprobt
sein sollte. Im Grunde nichts an-
deres als das, was der öster-
reichische Zivil-und Katas-
trophenschutz auch vorschlägt,
wenn auch nicht in ganz so detail-

liertem und durchdachtem Maße
wie bei Molay. Selbst wenn er
eherdie österreichische Version
des britischenOutdoor-Survival-
Künstlers Bear Grylls darstellt,
kommen in Gesprächen mit Prep-
pern unweigerlich Vergleiche mit
der Pension Enzian der FPÖ in St.
Jakob in Defereggen in den Sinn.
Die Pension sollte angeblich als
„Rückzugsort“ der Parteispitze für
einen Tag X, also eine landeswei-
te Katastrophe wie einen Bürger-
krieg oder Ähnliches, fungieren.
Auch Gold in rauen Mengen soll-
te dort eingelagert worden sein.

Verfassungsschutz beobachtet
Molay selbst sieht in der öster-
reichischen Szene aber keine Strö-
mungen zur Vorbereitung auf bür-
gerkriegsähnliche Zustände, wie
dies etwa in den US-amerikani-
schen oder deutschen Prepper-
Gruppenimmer wieder zutage tre-
te. Dort gilt die Szene regelmäßig
als von Reichsbürgern, Verschwö-
rungstheoretikern,Rechtsextre-
men, Rassisten und Nazis unter-
wandert. Der deutsche Verfas-
sungsschutz beobachtet sie des-
halb. Im heimischen Innenminis-
terium heißt es, dass die „österrei-
chische Prepper-Szene bzw.die
ProponentenderSzenedenStaats-
schutzbehörden bekannt“ seien.
Die meisten österreichischen
Prepper-Gruppen wollen aber de-
zidiert unpolitisch sein. Wer poli-
tisiert, fliegt raus, heißt es auch in
Foren immer wieder. „Wir sind
halt doch ein halbwegs gemütli-
ches Volk“, resümiert Molay die
österreichische Gefühlslage. Ob
das als Pauschalurteil hält, sei da-
hingestellt. Denn eine einheitli-
che Prepper-Szene gibt es nicht.

Worauf sich Prepper vorbereiten


Philip Pramer, Fabian Sommavilla

DeutscherSchülergruppe wurde Einreise nachTirolverweigert


Jugendlichezeigte Krankheitssymptome–InWien bleibtdie ViennaInternational School zumindestzweiTagelanggeschlossen


Wien–Die Zahl der mit dem Coro-
navirus infizierten Menschen ist
am Wochenende in Österreich
weiter angestiegen. Stand Sonn-
tagvormittag waren es 14.
Landesweit wurden bis zu die-
sem Zeitpunkt laut Gesundheits-
ministerium bereits 1826 Tests
auf Sars-CoV-2-Erreger durchge-
führt. In Österreich seien die In-
fektionsfälle noch so gering, dass
alle Kontaktpersonen erreicht
werden könnten, betonte der zu-
ständige Abteilungsleiter für
übertragbare Erkrankungen im
Gesundheitsministerium, Bern-


hard Benka. Gesundheitsminister
Rudolf Anschober (Grüne) erwar-
tet, dass diese Woche eine Wei-
chenstellung für die Weiterent-
wicklung der Ausbreitung brin-
gen wird.
Wie berichtet, haben die Be-
hörden am Freitag zwei Erlässe
und zwei Verordnungen kundge-
macht, um ein österreichweit ein-
heitlichesVorgehenmitCovid-19-
Erkrankten und Kontaktpersonen
sicherzustellen. So darf die Poli-
zei Straßen und Orte abriegeln,
Versammlungen auflösen und In-
fizierte oder Verdachtsfälle am

Verlassen von Wohnungen hin-
dern. Einer Schülergruppe aus
Nordrhein-Westfalen wurde am
Sonntag wegen eines Coronavi-
rus-Verdachtsfalls bereits die Ein-
reise nach Tirol verweigert. Eine
Jugendliche habe Krankheits-
symptome gezeigt, hieß es. Der
Bus mit 52 Passagieren musste
nach Bayern zurückfahren.
Sonntagabend wurde bekannt,
dass die Vienna International
School (VIS) in Wien-Donaustadt
vorerst Montag und Dienstag ge-
schlossen bleibt, weil sich bei
zwei Mitarbeitern für externe Ak-

tivitäten ein Corona-Verdacht er-
geben habe. 17 Mitarbeiter und
Lehrer der Schule selbst wurden
für vierzehn Tage in häusliche
Quarantäne geschickt. Laut Schu-
le waren keine Schüler mit den
zwei infizierten Personen in Kon-
takt. Die mehr als 1400 Schüler
aus111Ländernwürdenübereine
Online-Plattform informiert.

Trump sagte Kurz ab
Auswirkungen hatte die Ver-
breitungdesCoronavirusauchauf
die heimische Politik. Das Bun-
deskanzleramt bestätigte, dass der

US-Besuch von Bundeskanzler
Sebastian Kurz „aufgrund der all-
gemeinen Coronavirus-Situation
vom Weißen Haus verschoben“
wurde (siehe Seite 6) .ImBundes-
kanzleramt hieß es, dass man da-
rüber „nicht ganz unglücklich“
sei, da „die Tage auch in Öster-
reich gerade sehr intensiv“ seien.
Bei der heimischen Corona-
Notfallnummer 1450 gehen täg-
lich zwischen 1000 und 2000 An-
rufe ein. (krud, simo)
Wirtschaft und Recht Seite
Folgenfür Skiweltcup Sport Seite
Kommentar der anderen Seite 19

Würstel im Glas–das kann füreinen Prepperauf einerFahrt durch den Supermarkt nochnichtalles
gewesen sein. NebenLebensmittelnwerden etwaauch Medikamente und Hygieneartikelgebunkert.

Foto: Imago

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