Frankfurter Allgemeine Zeitung - 05.03.2020

(vip2019) #1

V2 Frankfurter Allgemeine Zeitung Verlagsspezial / InnovationimMittelstand / 5. März 2020


Herr García Schmidt, Deutschland ist
jüngst im Bloomberg Innovation Index
2020, der die Innovationskraft von
Volkswirtschaften bewertet, auf den
ersten Platz vorgerückt. Die Bertelsmann
Stiftung kommt in einer aktuellen Studie
hingegen zu dem Schluss, dass deutsche
Unternehmen nicht genug in ihre Zukunft
investieren. Liegt Bloomberg falsch?
Unbestritten investieren deutsche Unter-
nehmen jedes Jahr Milliardenbeträge in
Forschung und Entwicklung. Nimmt man
diese Ausgaben oder die Zahl aller Patentan-
meldungen als Maßstab, kann man daraus
natürlich – wie der Bloomberg Innovation
Index – eine Stärke gegenüber anderen
Industrienationen ableiten. Was jedoch
für das Ranking nicht betrachtet wird, ist
beispielsweise die Frage, in welchen Berei-
chen die Patente angemeldet wurden. So
sehen wir mit Sorge, dass sich nur knapp
14 von 100 deutschen Patenten auf Digitali-
sierung beziehen. In Finnland beträgt der
Anteil der Digitalisierungspatente hingegen
41 Prozent und in Japan ist es immerhin
noch jedes fünfte. Dieses Beispiel zeigt, dass
ein genauerer Blick notwendig ist, um die
Innovationskraft und die Zukunftsfähigkeit
einer Volkswirtschaft zu bewerten.


Welche anderen Aspekte, die der
Bloomberg Innovation Index nicht
einkalkuliert, sehen Sie ebenfalls als
problematisch an?
Einer der Haupttreiber der Forschungsaus-
gaben sind die deutschen Autobauer, die
verstärkt in die Zukunftsfelder Elektromobi-
lität und autonomes Fahren investieren.
Nach den neuesten Zahlen des Stifterver-
bandes wurden 2017 deutlich mehr als


ein Drittel der privaten F&E-Ausgaben im
Forschungsfeld Fahrzeugbau gestemmt


  • mit steigender Tendenz. Damit ist ein
    Klumpenrisiko entstanden, das sich zuneh-
    mend verschärft. Auch die wachsenden
    Unterschiede zwischen Konzernen und
    kleinen Firmen halten wir für besorgnis-
    erregend. Zwar arbeiten heute fast drei von
    fünf Arbeitnehmern bei einem kleinen oder
    mittelgroßen Unternehmen, in puncto Inno-
    vationstätigkeit werden diese aber abge-
    hängt. So ballen sich mehr als 80 Prozent
    der Aufwendungen und über 70 Prozent
    des Personals für F&E bei Unternehmen mit
    mehr a ls 1000 Beschäftigten.


Sie halten die Entwicklung für so
dramatisch, dass Sie befürchten, der
internationale Verkaufsschlager
„Made in Germany“ könnte sich schon
bald in einen Ladenhüter verwandeln?
Ich hoffe natürlich nicht, dass es so weit
kommen wird. Aber die deutsche Wirtschaft
steht mit der nächsten Welle der Digitalisie-
rung und einer fortschreitenden Globali-
sierung grundlegenden Herausforderungen
gegenüber. Sie wird von zwei Seiten in die
Zange genommen. Unsere zu Recht gelobten
Hidden Champions haben fraglos Erfolgs-
geschichte geschrieben. Aber v iele von i hnen
sind zu stark im Modus der inkrementellen
Innovation verhaftet, also lediglich in der
Weiterentwicklung bestehender Produkte
und Dienstleistungen. Das wird schon bald
nicht mehr ausreichen, um gegen die inter-
nationale Konkurrenz – insbesondere aus
China – zu bestehen.
Zugleich wird ein Großteil der Wert-
schöpfung zukünftig mit datenbasierten
Geschäftsmodellen erwirtschaftet werden.
Damit drohen die heutigen Champions auf
den Status von Zulieferern abzurutschen.
Und wenn dann 46 Prozent der für unseren
Innovationsatlas befragten Unternehmen
aus der Industrie und den industrienahen
Dienstleistungen angeben, dass sie mit Inno-
vationen quasi nichts am Hut haben, stellt
sich schon die Frage: Wie zukunftsfähig ist
Made i n Germany heute noch?

Der Innovationsatlas identifiziert
insgesamt sieben unterschiedliche Typen
von Unternehmen. Da gibt es doch
bestimmt auch Lichtblicke, oder?
Die innovationsfreundlichsten Typen sind
die sogenannten Technologieführer und
die Disruptiven Innovatoren. Dabei sind die
Technologieführer hauptsächlich in den

Branchen Pharma, Chemie sowie in der
Metall- und Elektroindustrie zu Hause. Sie
zeichnen sich durch eine besonders hohe
Zahl von Patentanmeldungen aus. Mit nur
sechs Prozent der befragten Unternehmen
ist diese Gruppe jedoch sehr klein. Mit
einem Anteil von fast einem Fünftel ist die
Gruppe der Disruptiven Innovatoren da
schon bedeutender. Sowohl der technologi-
sche Pfad mit seinen hohen Forschungsetats
als auch der besonders risikofreudige Pfad,
der stark auf Netzwerke setzt, sind gleicher-
maßen erfolgversprechend.

Disruptive Innovatoren – das klingt nach
Visionären, die ganze Wirtschaftszweige

umkrempeln. Als solche galten auch Start-
ups wie Uber oder Wework, die bisher
aber nur Geld verbrennen. Wie erfolgreich
sind die deutschen Innovationsführer?
Natürlich braucht Deutschland nicht nur
disruptive Neugründungen. Aber unsere
Untersuchungen haben auch gezeigt, dass
der wirtschaftliche Erfolg von Unternehmen
umso größer ist, je innovativer sie sind. Wir
machen das an zwei Kriterien fest: dem
Gewinn und steigenden Mitarbeiterzahlen.
So liegt die Nettoumsatzrendite bei den
Disruptiven Innovatoren 33 Prozent über
dem Durchschnitt aller sieben Typen. Das
ist doch ein messbarer Erfolg! Und auch die
Beschäftigungsdynamik ist in dieser Gruppe

mehr als doppelt so hoch. Wobei diese
Unternehmen auch noch überdurchschnitt-
lich viele hochqualifizierte Mitarbeiter
einstellen.

Als Problemfall machen Sie hingegen
insbesondere den Mittelstand aus.
Gerade in den kleinen und mittelgroßen
Firmen fehlt es häufig an einer ausgeprägten
Innovationskultur, und ihr digitaler Reife-
grad ist relativ niedrig. Die drei Gruppen
der sogenannten Passiven Umsetzer, der
Zufälligen Innovatoren und der Unter-
nehmen ohne Innovationsfokus setzen sich
fast vollständig aus KMU zusammen. Hohe
Forschungsbudgets kann man bei ihnen

vermutlich nicht erwarten, aber auch in
Wissenskapital wie die Fortbildung von
Mitarbeitern oder die Anschaffung neuer
Software wird zu wenig investiert. Wir
befürchten daher, von einer strategischen
Antwort auf die Frage, was die nächste Welle
der Digitalisierung für das eigene Geschäfts-
modell bedeutet, sind diese Unternehmen
noch sehr weit entfernt.

An welchen Stellschrauben können und
sollten Mittelständler konkret drehen, um
sich zukunftsfähig aufzustellen?
Sie müssen erst einmal Veränderungswillen
und eine innovationsaffine Kultur in ihren
Unternehmen entwickeln. Entscheidend
wird zudem die Vernetzung sein. Sie sollten
offensiv auf andere Unternehmen und auf
die Wissenschaft zugehen, Cluster bilden,
um gemeinsam neue Lösungen zu entwi-
ckeln. Das ist aber zugleich auch ein Thema
für eine aktive Wirtschaftspolitik und die
deutsche Industriestrategie, die die KMU
stärker in den Blick nehmen muss. Dazu
gehört, den Verbund zwischen Wissenschaft
und Wirtschaft zu stärken. Und auch den
Ausbau der klassischen sowie der digitalen
Infrastruktur außerhalb der Großstädte und
auf der Höhe der Zeit voranzutreiben, ist
eine wichtige Voraussetzung.

Von der steuerlichen Forschungs-
förderung, die es seit Beginn des
Jahres gibt, sollen nach dem Willen der
Bundesregierung kleine und mittelgroße
Unternehmen besonders profitieren. Kann
sie dazu beitragen, die Innovationsfreude
im Mittelstand zu steigern?
Grundsätzlich ist eine finanzielle Unter-
stützung von Forschungsvorhaben natür-
lich richtig und gut – sie könnte gerne auch
höher ausfallen. Ich bin jedoch skeptisch,
dass die steuerliche Forschungsförderung
in ihrer jetzigen Form den Schub verleiht,
den KMU benötigen, um neue Geschäfts-
modelle zu entwickeln. Was wir brauchen,
ist eine richtige Forschungsoffensive, die
durchs Land rauscht. Neugegründete Tech-
nische Hochschulen können den Prozess der
Digitalisierung in enger Zusammenarbeit
mit etablierten Unternehmen anstoßen
und begleiten. Die RWTH Aachen mit ihren
erfolgreichen Ausgründungen ist dafür ein
gutes Beispiel. Wir brauchen zehn weitere
RWTHs in zehn Jahren!

Das Interview führte
Benjamin Kleemann-von Gersum.

„Die Wirtschaft wird vonzweiSeitenindie Zangegenommen“


Die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen ist langfristig gefährdet. Zu diesem Schluss kommt ein aktueller Innovationsatlas der Bertelsmann Stiftung.


Im Interview erläutert Studienleiter A rmando García Schmidt, warum er befürchtet, „Made in Germany“ könnte sich in einen Ladenhüter verwandeln.


DATENQUELLEIWCONSULT (2019); IWZUKUNFTSPANELWELLE 32;
BERTELSMANNSTIFTUNG

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ist, sichdietypischenvier


PhasenderDigitalisierung


bewusstzumachen.


VONDANIELNILL


  1. WERREFLEKTIERT,
    GEWINNT


Transformationsprozesse beginnen oft
mit viel Ratlosigkeit. Die Beteiligten sind
engagiert bei der Sache, haben aber keine
konkrete Vorstellung davon, wohin die
Reise eigentlich gehen soll. Man befindet
sich in der „Blindflug-Phase“. Das zeigt
sich auch darin, dass vermeintliche Must-
haves der Digitalisierung wahllos kopiert
werden. Eine eigene Antwort auf die Frage
nach der Zukunftsfähigkeit bleiben solche
Digitalisierungsinitiativen schuldig. Im
Blindflug werden nicht selten mehrere
Digitalprojekte siloartig vorangetrieben,
ohne dass zwischen ihnen ein Austausch
stattfindet. Im schlimmsten Fall verlieren
Unternehmen hierbei den Kern ihres
Geschäftsmodells ganz aus dem Auge und
entwickeln beispielsweise einen neuen
Online-Shop, obwohl es bereits etablierte
Plattformen in der Branche gibt, an die man
sich a nschließen könnte.
Es ist deshalb essentiell, sich erst einen
Überblick zu verschaffen: Vorhandene
Ideen, Informationen und Prozesse müssen
gesammelt und bewertet werden. Aus einer
solchen Bestandsaufnahme können dann
konkrete Maßnahmen abgeleitet und priori-
siert werden.



  1. NICHTOHNE
    FELDVERSUCHE


Einige Unternehmen, wie der Händler für
Montage- und Befestigungsmaterial Würth,
nähern sich der Transformation durch
genaues Beobachten und Experimentieren
an. Würth hat erkannt, dass sich die Rolle
des Handels im Zuge der Digitalisierung
verschiebt, weil Hersteller immer stärker
den direkten Kundenzugang suchen, und
baut deshalb sukzessive die eigene Herstel-
lerkompetenz aus. Über ein Joint Venture
bietet Würth bereits eigens entwickelte
Akkumaschinen an. Das Unternehmen hat
die sich ändernden Kundenbedürfnisse
gezielt in den Mittelpunkt seiner Transfor-
mationsbestrebungen gestellt und bietet
seinen Kunden Produkte und Services,
die sie im Sinne einer End-to-End-Prozess-
betrachtung von der Planung bis zur Ferti-
gung unterstützen. Das Beispiel zeigt, wie
entscheidend es ist, Dinge wirklich auszu-
probieren. Dazu gehört, die Kundenanfor-
derungen zu eruieren und Benchmarks zu
studieren, um konkrete Ideen abzuleiten.
Wichtig ist, sich dabei nicht zu verzetteln
und die eigene Organisation zur Beteiligung
einzuladen, um Widerständen frühzeitig
begegnen zu können.


  1. TRANSFORMIERENBEDEUTET
    ÜBERZEUGEN


Transformation ist Veränderung. Der Faktor
Mensch wird dabei meist unterschätzt. In
der Phase der Integration muss es daher
darum gehen, Initiativen aktiv in Geschäfts-
prozesse einzubetten. Es gilt, Mitarbeiter
zu informieren und mit ihnen in Dialog zu
treten. Oft wird hierbei zu sehr aufs Tempo
gedrückt und die Organisation damit
überfordert. Dabei spielt auch wieder das
Thema Silo eine Rolle: Wenn Insellösungen
weiterhin voneinander abgekapselt bleiben,
können sie i hre Wirkung nicht entfalten.
Die Daimler-Tochter Daimler Mobility
vollzieht aktuell die Integration sämt-
licher Initiativen. Im Unternehmen wurde
zunächst eine Vielzahl an Digitalisierungs-
Satelliten für Mobilitäts- und Finanz-
dienstleistungen gestartet und getestet, die

Daimlers Wandel vom Autohersteller zum
Mobilitätsanbieter vorantreiben sollen. Die
erfolgversprechenden Angebote werden
sukzessive in die Gesamtorganisation
eingebettet und ihre Konsolidierung aktiv
begleitet. Es wird auch nicht davor zurück-
geschreckt, eigene Angebote mit jenen des
Wettbewerbs zu integrieren. Ein klassisches
Beispiel für eine solche Coopetition sind die
mit BMW gegründeten Joint Ventures.


  1. WENN NEUES
    ZUMALLTAGWIRD


Integrieren heißtnicht automatischauch
etablieren.Daspassierterst da,woNeue-
rungeninStandardsüberführtundArbeits-
prozessedaraufzugeschnittenwerden.
Darunterfälltauch,digitaleInitiativenan
dieeigeneInfrastrukturanzubinden.Erst
dadurchkommt dieTransformationim
Unternehmenan.Nichtseltenunterschätzen
Entscheidungsträger,welch langen Atem
es für eine Verankerungbraucht.Dem
Handels- undDienstleistungsunternehmen
fürAntriebstechnikLudwig Meisteristes
gelungen,eineVielzahl digitalerInitiativen
imUnternehmenzuetablieren.Einkaufund
Logistikwurdenbereitsdigitalisiert.Neuent-
wickelte Toolsund zusätzliche technische
DienstleistungenwerdenindenAußendienst
integriertundan dieeigeneIT-Strukturange-
bunden.HierwirdDigitalisierungderWert-
schöpfungsketteverstanden.
Die vier skizzierten Transformations-
phasen bieten Unternehmen Orientierung,
um über die anfängliche Ratlosigkeit und
Überforderung hinwegzukommen und zum
richtigen Zeitpunkt die richtigen Schlüsse
über das Vorantreiben ihrer Digitalisie-
rungsbestrebungen zu ziehen. Sie sollten
dabei immer konkrete, messbare Ziele vor
Augen haben, um Fortschritte erkennen und
Erfolge nachhalten zu können. Kein Modell
kann darüber hinwegtäuschen, dass Trans-
formation immer ein individueller Prozess
ist. Ein Königsweg ist daraus nicht ableitbar.
Es liegt an den Unternehmen, die Erkennt-
nisse für sich zu nutzen.

Daniel Nill ist CEO bei
der Digitalagentur Turbine Kreuzberg.

VomBlindflug zur


erfolgreichenTransformation


Künstliche Intelligenz leitet


die nächste industrielle


Revolution ein. Bei der


Entwicklung neuer


Anwendungen ist der


internationale Wettbewerb


Deutschland schon um


einiges voraus. Das Rennen


hat aber gerade erst


begonnen.


VONCARSTEN KRAUS

N


och ist Deutschland Innovations-
weltmeister. Das liegt vor allem
am Mittelstand, der erfinderisch
ist, sich traut, neue Wege zu gehen
und aus den schwierigen Verhältnissen der
Nachkriegszeit heraus eine der erfolgreichs-
ten Volkswirtschaften der Welt erschaffen
hat. Der Mittelstand hat konsequent Auto-
mation eingeführt, aber trotzdem das ver-
trauensvolle Verhältnis zu den Mitarbeitern
nicht verloren. Aber jetzt sind wir an einem
Scheideweg, weil wir gerade die wichtigste
Querschnittstechnologie der nächsten
20 Jahre verschlafen: die Künstliche Intelli-
genz (KI).
KI leitet die nächste industrielle Revo-
lution ein, denn erstmals muss man ein
Problem nicht vollständig beschreiben
können, um seine Lösung zu automati-
sieren. Dadurch erschließt sich auch die
Automatisierung komplexer, nicht erklär-
barer Aufgaben. Endlose Wochen, in denen
Ingenieure mit Programmierern zusam-
mensitzen, um die Feinheiten zu justieren,
werden signifikant reduziert. Das schafft
große Chancen für den Mittelstand, denn
neue Ideen können in Zeiten des IT-Fach-
kräftemangels schneller umgesetzt werden.
Doch zugleich birgt diese Entwicklung auch
ein Risiko: Denn vielleicht kommen Inno-
vationen künftig nicht mehr aus den Volks-

wirtschaften mit der höchsten Expertise –
sondern aus den L ändern mit der besten KI.

Die KI liebt Datenberge
und endlose Wiederholungen

KI funktioniert über eine Abfolge von
Beobachten, Abgleichen und Nachahmen.
Bekommt sie genügend Daten, kann sie
selbständig ein Modell erstellen, das die
Aufgabe begreift und lösen kann. Eine spezi-
elle Methode des maschinellen Lernens, das
Reinforcement Learning, etwa erlaubt es
Künstlichen Intelligenzen, etliche Schritte
vor- und zurückzudenken und durch eigenes
Experimentieren zu lernen. Es ebnet auch
den Weg für selbstlernende Produktions-
prozesse, beispielsweise Roboter, die sich
eigenständig beibringen, Bauteile optimal
zu montieren. Ebenso neu sind Generative
Adversarial Networks, kurz GAN. Diese
lassen Künstliche Intelligenzen kreativ

werden und beispielsweise im Stil alter
Meister malen. Und durch Generative Design
kann Software helfen, bessere Konstruk-
tionen zu entwickeln. Airbus baut dadurch
jetzt um 45 Prozent leichtere Kabinentrenn-
wände. Das spart 166 Tonnen CO 2 je Flug-
zeug pro Jahr.
Es muss aber nicht immer der neueste
wissenschaftliche Durchbruch sein, der
Produkte besser macht. Schon eine präzi-
sere Abverkaufsprognose spart Lager-
mengen. KI-gesteuerte Analysen schicken
den Außendienstmitarbeiter zum Kunden,
bevor der zum Wettbewerber wechselt.
Sogenannte Predictive Baskets helfen
dem B2B-Einkäufer, indem sie voraus-
sagen, was der Kunde morgen bestellen
will. Automatische Bilderkennung macht
Qualitätssicherung für jedes einzelne

Werkstück bezahlbar. KI wird alle Branchen
durchdringen.
Diese Relevanz ist in der Breite des
Mittelstandes noch nicht angekommen. In
kleineren Unternehmen spielt das Thema
KI oft noch gar keine Rolle, und im größeren
Mittelstand werden KI-Initiativen oft als
reine IT-Angelegenheit wahrgenommen. Das
ist eine vertane Chance: Es ist unternehmer-
ische Kreativität gefragt, die nicht vorrangig
Risiken vermeidet, sondern mutig Chancen
ergreift. Genau das ist die Stärke, die hier-
zulande so viele Weltmarktführer hervor-
gebracht hat.

Zeit für die tägliche Trainingseinheit
mit eine m Sprach assi stenten

Um ein Gefühl für die neue Technologie zu
entwickeln, muss man nicht erst einige
Doktoranden einstellen. Hilfreich kann es
etwa sein, zunächst privat einen Sprachas-
sistenten ganz bewusst zu nutzen, um sich
mit der aufkommenden Art der Interaktion
mit Maschinen auf intuitiver Ebene vertraut
zu machen. Wer erlebt, wie die Technologie
den eigenen Alltag verändert, hat bald ein
gutes Gespür dafür, welches Potential sie für
das eigene G eschäftsmodell hat.
DieZeitdrängt, derinternationaleWett-
bewerbistdemdeutschenMittelstandaktuell
umeinigesvoraus.Chinaetwaläuftden
VereinigtenStaatenbereitsdenRangabund
hatdieweltweiteFührungsrolleimBereich
KIbis2 03 0sogarzumpolitischenZiel erklärt.
DiestaatlicheFörderungvonKI-Technolo-
giendurchdieVolksrepublikübersteigtdie
DeutschlandsumdenFaktor50.Aberesgibt
Hoffnung,dennnochstehtKünstlicheIntelli-
genzalsQuerschnittstechnologieamAnfang.
Immerwennetwas ganz Neues startet,
könnenallenochVorreiterwerden–dasgilt
auchfür dieRolleDeutschlandsoderEuropas
inSachenKI-Entwicklung.Dazubrauchtes
Investitionenvonstaatlicherundunterneh-
merischerSeite,einebessereVerzahnungvon
ForschungundPraxis sowiedenMut, sichmit
denMöglichkeitenderTechnologievertraut
zumachenundkreativeIdeenzuentwickeln.

Carsten Kraus ist Gründer und Geschäfts-
führer der Omikron Data Quality GmbH.

Noch kannDeutschland


KI-Weltmeister werden


Voraussagen, was


der Kunde morgen


bestellen wird


INNOVATIVEMILIE US IN
DEUTSCHLAND, 2019
Anteil in P rozent aller Unternehmen

Konservativer
Innovator

Disruptiver
Innovator

Kooperativer Innovator

Ohne Innovati onsfokus

Passiver
Umsetzer

Zufälliger
Innovator

ENTWICKLUNGDERMITARBEITERZAHL IMINLAND
VON2016BIS 2017
in Prozent

3,0

4,2

-0,8

4,1

7,7

10,4

8,4

Technologieführer

Disruptiver Innovator

Konservativer Innovator

Kooperativer Innovator

Zufälliger Innovator

Passiver Umsetzer

Ohne Innovati onsfokus

INNOVATIONSSTÄRKESPIEGELT SICH IM GEWINN WIDER
Nettoumsatzrenditen 2017

64

98

84

104

84

133

Technologieführer 112

Disruptiver Innovator

Konservativer Innovator

Kooperativer Innovator

Zufälliger Innovator

Passiver Umsetzer

Ohne Innovationsfokus

Nettoumsatzrendite: Gewinn nach Steuern in P rozent des Gesamtumsatzes.
Index: Durchschnitt über alle Milieus = 100. N = 8 55

Technologieführer

25

19

19

16

11

4

6
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