Frankfurter Allgemeine Zeitung - 22.02.2020

(C. Jardin) #1

SEITE 10·SAMSTAG, 22.FEBRUAR2020·NR. 45 Literatur und Sachbuch FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG


Michael KrügersGedichtbuch„Mein
Europa“ istein Buchdes Abschieds, und
das ingleichzweifacher Hinsicht:des Ab-
schiedsvoneinem Europa, das, wie es im
Nach wort heißt,kollektiv „denVerstand
verloren“ habe und sichals große, frei-
heitsstiftende und -bewahrende Ideege-
genwärtig selbstzersetze; und desAb-
schiedsvoneinem Leben, das nunmehr
„ganz“ am „Schluss“stehe, wiegleichzu
Beginn mit einem Zitat aus Rilkes„Auf-
zeichnungen des MalteLaurids Brigge“
verkündetwird.
Es sindweit mehr als zweihundertGe-
dichte,dievon2017bis2019alsTagebuch-
einträgeentstanden sind. Erhalten hat
sichder Entstehungsprozess–zumindest
andeutungsweise –inder Gliederung des
Bandes nachden Jahreszeiten. DieTitel
der Gedichte benennen die Orte,ande-
nen sieverfasst worden sind:große und
kleineStädte, Gegenden und Landschaf-
ten, diefast über denganzen Kontinent
verstreut sind (nur derNorden, jenseits
vonLübeck, bleibt ausgespart). DasZen-
trum deslyrischkartier tenEuropas ist
München und seineUmgebung: der Engli-
sche Garten mit seinemWehr,die Moore

zwischen StarnbergerSee und Gebirge.
Hier istMichael Krüger zu Hause.
EssindflanierendeGedich te,dieindie-
sem Band zusammengetragensind. Sie
fangendenMomenteineskurzenInnehal-
tens ein, jenen Moment, in dem ein Spa-
ziergänger einem Gedanken nachgeht,
sicheiner Beobachtung widmet, um sei-

nen Gang daraufhingleichfortzusetzen:
„Tagesmüd binden dieKellner /die Blu-
menkübelfest /vor der Cigale,/und die
Loire, tagesmüd auch,/hält dieStadt zu-
sammen“, soetwa beginnt das Gedicht
„Nantes“. Neben solchen alltäglichen
Stadtszenen, die zwangsläufig an Baude-
lairedenken lassen,richtetsichder Blick

häufig auf Altes, Sakrales und immer
wiederaufErscheinungen jenseitsderAll-
tagsnorm: „Heutesah ic hwieder den
Schneeflockenzähler/mit seinem blinden
Hund./Erarbeitet an einem Glossar der
Kristalle“.Fürmetrische Feinheiten, für
Str ophenformen oderReime garbleibt in
dieserPoetikkeineZeit.FreiwiedieBewe-
gung des Flanierenden imRaum sind die
Verseder meistrecht kurzen Gedichte.
Die Leichtigkeit in derForm kontras-
tiertmit der Schwermut, die für den Ge-
dichtband inweiten Teilen bestimmend
istundsic hmanchmal invehemente Zeit-
kritikverwandelt.„Man mussMut und
Ausdauer haben/umheute zu Fußeine
Stadt zuverlassen,/sichdurch die Möbel-
hallen undAutohäuserzuschlagen,/die
jede Ansiedelung imWürgegriff halten“,
klagt das Ichineinem Gedicht.Eskulmi-
niertindembleischwerenSatz:„Offenge-
sagt, gebe ic hkeinen Cent/mehr auf die-
se Zivilisation“.Aber es bleibtnicht bei
derTotalabsage,dieübrigenseinenbeson-
deren Akzent setzt aufUmwelt- und Kli-
maschäden („wodie Borke vonden
schimmligen Birkenplatzt, /weil sie den
Diesel nicht unterbringen/inden alten

Gesetzen der Photosynthese“). Das Ich
hält sichfestaneinem „kleinen Geviert“
jenseits der modernen Lebensrealität,
„woder blankeMond /inall seinerUn-
schuld zu sehen ist/ein winziger Fleck“
nur,dem aber nichts Geringeres zuge-
traut wird, als „uns“ zu „retten“ .Gar
nicht so leise klingt in diesenVersen die
liedhafte Waldmetaphysik des späten Ei-
chendorffan, und auchinKrüger sNature
Writing –inder Zwiesprache mit Bäu-
men („Ichbin dochauchnur,weil du
bist“) und Bergen(„Bruder Berg/nimm
all deineSteine zusammen/und leg mir
den KieselaufsAug“) –findensichSpu-
render Romantik.
Aber wasaußerhalb der bedrohtenNa-
tur vermag dem Ichnoch Halt zugeben?
Vonden Götternjedenfalls istnicht mehr
zu hören als ein „schüchternes Kräch-
zen“. Undder Glaube? Er istebenso „zer-
fleddert“ wie der „Unglaube“, das allein
sei „g ewiss“. Ja, nicht einmal in sich
selbstsetzt das IchnochVertrauen: „Ich
bin dochauchnur ein alter Idiot“,flüstert
es im graubündischenParpan zwei „blin-
den, stocktauben Hunden“ zu. Der
Wunsch, nachdem nicht mehrfernen Ab-

leben kein Grab zu erhalten, sondernna-
menlos als Asche verstreut zuwerden
(denn „die Birke hat Asche nötig“), er-
scheint da nurkonsequent.
„You Want it Darker“: Der Titel, den
LeonardCohen dem letzten Album seines
Lebensgegeben hat, benennt vielleicht
am bestendie spätzeitliche Stimmung,
vonder „Mein Europa“gekennzeichnet
ist. Undähnlichwie Cohens Songs sind
auchKrüger sGedichte nichtganz leicht
zuertragen, zumal nicht in diesemlangen,
zähenWinter (der nochnicht einmal ein
richtiger Winter ist). Selbstdie Lakonie,
die sichganz selten in ihnenfindet, ist
getränkt in schwarze Galle: „Jetzt,wo es
fast vorbei ist, fängt man an,/sichandas
Leben zugewöhnen.“ KAI SINA

Wasist der Unterschied zwischen einer
guten Erzählungund einer ordentli-
chen? Das lässt sichnicht pauschal
oder mit messbarer Genauigkeit sagen.
Aber die Antworthat etwa smit einem
Lesewegins Of fene zu tun. MitFreiheit
also. SusanneNeuffer, Jahrgang 1951,
publiziertseit 1999 im Augsburger
Maro- Verlag, der seine Gründungs-
energie aus denAchtundsechzigernzog
und zu den interessantestenkleinen
Verlagen gehört(nicht nur,weil er sich
Bukowski widmet).Neufferbegann an
diesem schönen Ortmit Gedichten
(„Männer in Sils-Maria“), Bändemit
Kurzprosafolgten. Ihre Protagonisten
sind Menschen, die im Lebengerade so
durchkommen.Vonihnen als Verlie-
rern zu sprechenwäre stillos.
Undwas heißt schon „verlieren“! Sie
ergeben sicheinfac hinArrangements.
Da is tder insolventeLeiter einerFahr-
schule, der aus dem sozialenNetz gefal-
lenis tundfüreineWeileheimlichinei-
nem Gartenschuppen unterkommt (wo
sichfastein Flirtmit der Hausbesitze-
rinentwickeln darf). Oder Hildegard,
tragendeStimme im lokalen Kirchen-
chor,die sic hmanchmal nochvom
Glanzgeblendet meint, der einmal auf
sie fiel, als sie in Montreal als Back-
groundsängerin mit LeonardCohen
(derName fällt nicht) auftrat.OderJür-
gen, unglücklichgeschieden. Er er-
scheint zumWeihnachtsfestbei seiner
Exfrau Lotte(die nun mit einerFrau
verheirat et ist) und trifft dortauf das
zur Harmonie entschlossene Pulverfass
vonKindernmit Partnernund Enkeln.
Man schenkt ihm eine Zimmerpflanze.
Oderdie Geschwister, die den Haushalt
der Mutter auflösen müssen und sich
der Horror-Herrschaftder „Tellerchen,
Goldrandgläser,Seidenschals undPoly-
esterdecken“ gegenübersehen.Undal-
ternde Freundinnen, die einmal„Bon-
ny und Clyde, Thelmaund Louise“ge-
wesen seinwollen. Heuteengagieren
sie sic hbei einer Mittagstafelfür „Kun-
den“ („,Arme‘ darfman nicht sagen“),
wobei die eine, ehrgeizig, dieseTafel
gernefürexperimentellesMusiktheater
öffnen möchte, die andere, milde, der
Klientel aber auchden Tanztee nicht
verweiger nmag. Ein Angestellter der
„Städtischen Badebetriebe“ lebt als zu-
friedenerHob by-Schriftsteller und ist
nur einwenig ir ritiert, dasserinsei-
nem Heimatortbei einem Literatur-
wettbewerb per Akklamation des Publi-
kums voneiner jungenRapperin über-
flügelt wird. Die Besitzerin einerVilla
mussihreRäumlichkeiten fürFilmsets
vermietenund sic hdann mit ihremver-
heirat eten Liebhaber imHotel Heine-
mann treffen. Undmanchmal blitzen
„aufgerüschteRAF“-Geschichten auf.
Veteranen tingeln mit Akkordeon und
auf eigeneKosten durch die Nebenräu-
me vonStadthallenund erzählenvon
68 undwasdanachkam. Einmalwaren
siefastHeldenderHistorie.Gelegent-
lichkommt diesenFiguren in ihrer Bin-
nenexotik dieRealität etwa sabhanden,
aber das wirft sie nicht um.Auch Nils,
höherer Angestellter im Gartenbau-
amt, der–keiner weiß, warum–mit
dem Auto von„Wullenwerber“ (Maler-
geschäft) in die auf einer öffentlichen
Grünfläche lagernde Menschengruppe
hineinfährt,ganz langsam, damit sie
fliehen können, wirdseinLebenweiter-
führen. Niemand muss, niemandkann
sichändern. Die Autoringibt ihren
scheuen Abweichler neine General-
amnestie.
Eine der schönstenGeschichten ist
„Das Kleid“. Hier willigteine nicht
eben erfolgreiche Künstlerin aus der
Provinzein,ihreBilderundPlastikenin
der Hauptstadt zu zeigen. Geld für Spe-
sen is tnicht wirklichda. IhreKunst
reistals Beiladung imTransporterei-
nes jungen Mannes „mitZahnlücken

und dem Gesicht eines Magenkran-
ken“; dieKünstlerin wird nachder Ver-
nissag eineinem Hinterzimmer der Ga-
lerie schlafen. In Berlin (derName fällt
nicht)stolpertsie dur ch gentrifizierte
HinterhöfeundkommtaneinemLaden
mit prächtigen Kleidernvorbei.Fürei-
nen Momentwähnt sie sichineinem
Kostümverleih. SiegreiftamEnde der
Stangezueiner Robe. „Schmerzhaftes,
schönes, einwenig schrilles Blau. Das
glänzende Blau, das manche Schultü-
tenhaben,vielleicht auchmancheJahr-
marktballons, immer in derNähe von
Silber.“ Der Mann im Hintergrund, der
an derNähmaschine sitzt, lässt sie an-
probieren.DasKleidsitztwiefürsiege-
schneidert. Sie mietetdas Kleid, be-
zahlt fünfzig dergeford ertenhundert
Euroan. Undeine Metamorphose be-
ginnt.Die FrauausderProvinz,dienor-
malerweise Schwarzträgt, istauf ein-
mal eine Erscheinung. Schon in der
Straßenbahn souverän mit ihrenweiten
Reifröcken. Dannkann sie auf derVer-
nissag eüberzeugen. Es istganz leicht,
mitzuspielen. „Ichwar dieKünstlerin,
und natürlichwar es angemessen, als
blau glitzernde Schultütehier aufzutre-
ten.“ Am nächstenMorgenaber sieht
das Kleid irgendwie mitgenommen aus.
Mit Mühe zwingt sie es in einen Plastik-
sack. In derStraßenbahn erregt sie Un-
mut mit dem unförmigen Gepäck. Und
als sie in den Hinterhofkommt, istdas
Geschäftverschwunden. Sie wirft das
Kleid,das mittlerweilenurnochausPa-
pierfetzen zu bestehen scheint, an ein
Bäumchen, gibt einem Bettler,der sie
an den Schneider erinnert, die fünfzig
Euro, die sie nochschuldig wäre,und
springt auf denZug„nachHause, zu
den grauen Kitteln, demWerkzeug, in
die Werks tatt“.
SusanneNeufferhat einen sicheren
Blickauf Begehren und Entsagen.Und
mitunter werden auchdie Dingebe-
seelt (das Kleidwolltenicht in den
Sack; wie es dieTrägerinverzaubern
konnte, braucht es umgekehrtjeman-
den, der es anzieht). Immer wiederge-
lingen ihrPerlen vonFormulierungen:
„Sie hat die erwachsene Schönheit aus-
geschlafenerFrauen, die sichweder mit
Männernnochmit Kindernlangeher-
umgeärgert haben.“ Das alles trägt.
Noch mehr wäre gewonnen,wenn sie
manchmal einfachdie Schlusssätze
wegließe, inden en sie ihreTexte meint
deuten zu müssen. In„Wenn das Pferd
ruft“lockt ein einsamer Schimmel in
den guten Tod: „Wenn du reiten
kannst,wenn du ohne Sattel reiten
kannst,steig auf,ich weiß den Punkt,
an dem das Ende früher undleiser
kommt.“Aber das Ichwill nicht das
Buch,Kafka, zur Seitelegen und das
Haus verlassen. Als es dannhörtund
spürt,„wiedas,vondem all ereden,nä-
her kommt“, undseinenKopf an den
Hals des Pferdes legtund versucht –
„Leb wohl meinroter Bruder“–sich
cowboyhaftauf seinen Rücken zu
schwingen und sein Leben so zu enden,
wie es begonnen hat, „pubertär,hoch-
fahrend,todesmutig, irrational“,gelingt
es nicht. Die Beine sind zukurz,sie
ragenhilflos in die Höhe, alswäre das
Ichein „Käfer“. Die Erwähnung des
Wortes „Käfer“wäre schon zu viel. Die
Schlussbemerkung –„und Kafkabehält
Recht gegenüberKarl May“–ist ein
Ende,dasdiesehrschöneIdeenicht ver-
dient hat. ANGELIKAOVERATH

D


iese Szene liegt bereits fünf-
zehn Jahrezurück, und doch
steht sie einem sofortvor Au-
gen, sobald man die Biogra-
phie aufschlägt.Esist die Szene, die sich
an einem Märztag 2005vorden Augen
der ganzen Welt abspielteund in der „Jo-
hannes Paul II. mit letzter Kraftund
stumm vomFensterind er obersten Etage
des ApostolischenPalasts aus diewarten-
de Mengeauf demPetersplatz“ segnete.
Sie wirdvon denAutoren, Matthias Dro-
binski und ThomasUrban, gleichzuBe-
ginn desVorworts festgehalten–zusam-
men mit derTatsache, dassder Papstwe-
nigeTagespäter starb und inRomsich
dreieinhalb Millionen Menschenversam-
melten, umvonihm Abschied zu neh-
men. Es sind nur einigeZeilen, und doch
ließe sichkaum ein bessererAuftakt für
einBuchfinden,das zu erklärenversucht,
warumKarol Wojtyla als ein „Jahrhun-
dertpapst“ gilt.
Natürlic hist es denAutorenbewusst,
dasserschon zumZeitpunkt seinerWahl
(am 16. Oktober 1978) imVergleichzu
seinen Vorgänger neine Ausnahmeer-
scheinungwar. Nicht nur als „der jüngste
Papstim20. Jahrhundert“ und „der erste
slawischePapst“. Auch dank dessen, dass
er „einen breitenWissenshorizont“, „ein

starkesCharisma“ und „einen trockenen
Humor“ besaß,wodurcher„ebenso Mas-
sen begeistern wie im persönlichen Ge-
sprächüberzeugen“konnte. Undnicht zu-
letztweil er „zweitotalitär eSysteme er-
lebt“ hatte.
Nationalsozialismusund Kommunis-
mus –beideshatteeinengroßen Einfluss
auf die Haltung und die Entscheidungen
des neugewählten Papstes .Ohne das Er-
lebnis des Krieges undder deutschen Ok-
kupationhätteerjene besondereSensibi-
lität für das menschliche Leid nicht ent-
wickelt, die ihn schließlich seine Beru-
fungfür das Priesteramt entdecken ließ.
Ohne die Erfahrung desKommunismus,
den er ablehnte, „da diese Ideologie den
freienWillen des Menschen ignorierte“,
hätte er auchinmancher theologischen
Frageeine anderePosition vertreten.
Stattdessen entwickelteereine Theolo-
gie, die in jedem Lebensbereichdie Frei-
heitundWürde desMenschen indenVor-
dergrund stellte.
DiesesFormungdurchfrühereStatio-
nenseines Lebensgiltaberauchfürande-
re Zügedieses Papstes. Ohne seine Prie-
sterlaufbahn etwa –vom Dorfpfarrer
überdenStudentenseelsorgerundTheolo-
gieprofessor bis zu den höchstenStufen
der kirchlichen Hierarchie –hätteerkei-
ne Möglichkeitgehabt, sein intellektuel-
les Potential in dem Maße zu schulen, in
dem er estat. Ohne die jugendlichenAuf-
tritt eals Schauspieler undRezitator und
ohnedenFleiß,mitdemeretliche Fremd-
sprachen lernte,wäre seine Selbstinsze-
nierung vorgroßen Menschenmassen
oder vorden Kameras und Mikrophonen
der Medienweniger sicher ausgefallen.
Undnicht zuletzt:Ohne die Tatsache,
dassdie Politik vonAnfang an in seine
pries terlicheArbeit hineinwirkte, hätteer
die vielen politischenKonflikt einder
Welt nicht so gutverstanden.
Schonalserseine erstewichtig eAufga-
be,dieSeelsorge füreineGruppeKrakau-

er Studenten, übernahm, verstand er
„sehr schnell, dasseseine hochpolitische
Aufgabe war“,weildie Kommunisten„be-
sondersdas akademische Milieu insVi-
sier“ nahmen. Entsprechendraschlernte
er,damit umzugehen, so dasserspäter,
vorallem nachseiner Ernennung zum
Kardinal (1967), in Gesprächen mitVer-
treternder Staatsmacht in einemStil auf-
trat, der ihn für dasRegime unangreifbar
machte. Er schlug sie mit ihren eigenen
Waffen, indem er sich„auf Marx, die pol-
nischeVerfassung undgelegentlichsogar
auf dasParteiprogramm“ berief.Undda
er ihnen intellektuell „haushochüberle-
gen“ war, wurde er schnell zu einemge-
fährlichen Gegner,dessen Wahl zum
Papstden damaligenParteichef Edward
Gierek zu dem treffenden Kommentar
verleitete: „Eingroßes Ereignis für die
polnischeNation –und große Schwierig-
keiten für uns!“
Daran, dassdiese „Schwierigkeiten“
sichbald auf dengesamten „Ostblock“
ausweiteten undwesentlichzuseinem
Zusammenbruch beitrugen, braucht man
genausowenig zu erinnernwie an tragi-
sche Konsequenzen–das Attentat von
1981,das der Papstnur knapp überlebte.
Auch diewesentlichenZügeseinesPonti-
fikats –seine unzähligenReisen in alle
Regionender Welt, seinenDialog mit an-
derenReligionen und seine Versuche,
der eigenen Kircheneue Denkanstöße zu
geben –hatman nochdeutlichinE rinne-
rung. Seine Kritikerwiederumhaben
denautoritärenStil, in demer diekatholi-
sche Kircheregier te, seineAblehnung
der Frauenordination, seineStrengege-
genüber anders denkendenTheologen
(der Fall HansKüng)und vorallem seine
Unerbittlichkeit in Sachen Sexualmoral
nicht vergessen. Letztere zeigte sichbe-
reits 1968, als die Endfassung der Enzy-
klika„Humanae Vitae“ entstand,die ein
deutlichesNein zur künstlichen Emp-
fängnisverhütung enthielt undanderen

FormulierungWojtyla maßgeblichbetei-
ligt war; und sie bestimmteseine Ent-
scheidungen bis zum Schluss.
Es sindFakten, die man im Großen
und Ganzenkennt.Dennochfolgt man
gern dem ruhigen, sachlichen Erzählton
der beiden Biographen, zumal sie immer
wieder neue Details liefernund sic hda-
bei gut ergänzen. Matthias Drobinski, ein
Fachmann in Sachen Kircheund Religi-
on, stellt die theologischenKonzepte und
dieKonflikt ehinterdenkir chlichenKulis-
sen dar.ThomasUrban, ein Historiker
und langjähriger Polen-Korrespondent,
beleuchtet den politischen und gesell-
schaftlichen Hintergrund. So entsteht ein
Bild JohannesPaul II. als Mensch, als
Pries ter, als Kirchenoberhaupt, als Philo-
soph, alsPolitiker und nicht zuletzt als
Schriftsteller.Als im Frühjahr 2003 das
Gedicht „Römisches Tripty chon“ er-
schien, sah man in ihm zuRechteine Art
literarisches Testament dieses Papstes,
eine Resümee seines früheren, aus Ge-
dichten und Dramen bestehenden Ge-
samtwerks.Man fand hier diegleichen
großen Fragen, Gedanken und Meditatio-
nen über die sakrale Schönheit derNatur,
über denTod, über die Bestimmung der
Welt und der Menschen, die ihnvonAn-
fang an beschäftigten.
Die vonden beidenAutorenzusam-
mengetragenenFakten setzen sichzuei-
nem facettenreichen,stellenweise kriti-
schen, dochstets mit vielRespekt und
SympathiegezeichnetenPorträt zusam-
men. MARTAKIJOWSKA

Michael Krüger
„Mein Europa“. Gedichte
aus demTagebuch.
HaymonVerlag, Innsbruck


  1. 256 S.,geb., 24,– €.


SusanneNeuffer:
„Im Schuppenein Mann“.
Erzählungen.
MaroVerlag, Augsburg


  1. 223 S., br., 18,– €.


Matthias Drobinski und
ThomasUrban:
„JohannesPaul II.“.
Der Papst, der aus
dem Ostenkam.
C. H. BeckVerlag,
München 2020.
336 S.,geb.,24,95 €.

AufeinerReise, der noch vielefolgen sollten: JohannesPaul II. 1979, ein Jahr nachseinerWahl zumPapst, in denVereinigtenStaaten Fotodpa

Du willstesschwärzer


Gedichte,die einer schrieb, nachdem erflanierend der Zivilisation entsagteund Zuflucht inNatur undRomantik suchte: Michael Krügers„Mein Europa“


Mischt Melancholie und harte Zeitkritik: Michael Krüger Fotodpa

MarxhatteerimRepertoire


Thelma undLouise


arbeitenjetzt bei der Tafel


Mitsicherem Blick: SusanneNeuffererzählt


vonMenschen, diegerade so durchkommen


Rückblickauf einen


charismatischen Mann


auf dem Apostolischen


Stuhl: Matthias Drobinski


undThomasUrban


zeic hnen einPorträt von


Johan nes Paul II.

Free download pdf