Frankfurter Allgemeine Zeitung - 22.02.2020

(C. Jardin) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Kunstmarkt SAMSTAG, 22.FEBRUAR2020·NR.45·SEITE 13


DarfSpanien nichtverlassen: Joaquín Sorollas „Feierabend“von1900, im Besitzder Erben desKünstlers FotoCourtesy of Sorolla-Sammlung

F


ischer ziehen ihr Holzbootin
der Abendsonne an Land.
Schwerstarbeit, in die fröhli-
chen Farben des Mittelmeers
getaucht .Joaquín Sorollas Ölgemälde
„Feierabend“ aus dem Jahr 1900 befin-
detsichbis heuteimBesitz derErben
des Künstler sinMadrid –und wirddort
vermutlic hauch bleiben.Denn der
Staat hat ein Exportverbotverhängt
und damit die Pläne derFamilie, das
Bild für fünf Millionen EuroimAusland
zu verkaufen,vereitelt .EsdarfSpanien
nicht verlassen. So entschied das Ober-
landesgericht in Madrid undfolgteda-
mit demWunschdes Kulturministeri-
ums (F.A.Z.vom25. Mai 2019).
SolltedieFamilieeinenKäufer inSpa-
nien finden, musssie denVerkauf und
den Preis demKulturministeri um mel-
den. Staat undRegionalregierung ha-
ben dann zwei MonateZeit, um zu ent-
scheiden, ob sievonihremVorkaufs-
rechtGebrauchmachen. DasKulturmi-
nisterium bestätigt jedochauf Anfrage,
dassderzei tkein Verkauf vorliege. Die
Familie Lorente-Sorolla beklagt sich
über denWertverlustdurch das Export-
verbot: In Spanienwurde nfür vergleich-
bareBilder bislanghöchste ns1,5 Millio-
nen Eurobewilligt. In London erzielten
Sorollas„Kinder amStrand“mehr als
das Doppeltedavon; denn diesesWerk
durfteaus Spanienausgeführtwerden.
Noch im Jahr2007 hatteauch„Feier-
abend“ die Erlaubnis bekommen, aber
die Familie hattedamalskeinen Ge-
brauch davongemacht.Als sie von
anerneutdie Exporterlaubnis beantrag-
te,wurde dieseverweiger t.
EineAusnahmeistdie–vorübergehen-
de –Ausfuhr genehmigung,wie si edas
letzt einPrivatbesit zverbliebeneWerk
vonSandroBotticellierhielt.Das„Porträt
des MichaelTarchanio ta Marullus, der
Dichtersoldat“gehör tder spanischenFa-
milie Cambó und istseit 1988geschützt.
Anfang Oktober2019 wurdeesa uf der
Frieze-Masters-Messe i nLondonvonei-
ner britischenGaleriefür dreißigMillio-
nen Euroangeb oten. Das Bildniskehrte
nachAblaufdertemporärenAusfuhrMit-
te Oktober nachSpanien zurück,und es
mussdortauchbleiben. DemVernehmen
nachgibt es dennoch verschiedene Inter-
essenten dafür.
Ein Vorkaufsrecht besitzt derStaat
auchbei Auktionen.Esist eingefürchte-
terMoment ,wenn der Hammerfällt und
danninder er sten Reihe de rBeamtedes
Kulturministeriums diskret dieHand
hebt: um einWerk,das geradevon sei-
nem vermeintlic hneuen Besitzer erstei-
gert wurde, für die Allgemeinheit zu si-
chern.DerStaatmussdieerzielteSumme
bezahlen, hat dafür aber zwei JahreZeit,
waswederden Verkäufe rnoch dasAukti-
onshausglückli ch macht.
Seine Handauf Privatbesitzlegtder
spanischeStaat beiKunstwerken, die äl-
terals hundert Jahresind,inAusnahme-
fällensind es nurfünfzig Jahre.Das Kul-
turministerium wirdvon demAusschuss,
der für Einschätzung, Exportund Wert-
festlegungvonhistorischem spanischen
Kulturgut zuständig ist, informiert. Die-
ser Ausschussstudie rt alleAuktionskata-
logeund registrie rt die Anträgeund Ver-
kaufsmeldungenvonPrivatleuten. Der
Staat ha tdabei einengroßenErmessens-
spiel raum: Das„Gesetzzum historischen
Kulturgut“(LPHE) istsoallgemeinge-
fasst, da ss,nachAnsicht desRecht san-
waltsRafaelMateudeRos,der Staatbelie-
big entscheidenkönneund weitgehende
Freiheit genieße.
So erklärtsich, das smancheWerkeex-
portiertwerdenkönnen–andere nicht.
Ei neIdee,wieeslaufenwird, könnensich
BesitzereinesWerksvorabnichtmachen.
Grundsätzlichnicht dauerhaftausführen
könnensie Werke, die zumgeschütz ten
Kulturgut (BIC) erklärtwurden. DieVer-
suche ,anschließend zu klagen, sindmeis-
tens vergeblich. Dasführtauchdazu, dass
Umwege benutztwerden. Eininmehrfa-
cher Hinsicht unfrommer Planwarder

des Jesuitenordensin Toledo. Der Orden
hat zweiTafeln de sflämischen Meisters
Johannesaus de mJahr 1510, „San An-
drés“ und „Santiago“, aus demMuseum
SantaCruz,wo sieseit1964alsDauerleih-
gabenhingen,abgezogenundimOktober
2015nachMadridzurVersteigerunggege-
ben. Dasist derKircheper Gesetzverbo-
ten; auc hsie dar fhistorische sKulturgut
nicht einfach veräußern.
Die Tafeln er warb ein espanische Fir-
ma für43 000 Euround erzieltewenig
späterbeiSotheby’sinLondonumgerech-
net750 000Eurodafür.Nichtnurdie–an-
geblichaus Unkenntnis–betrügenden Je-
suiten fühltensichbetrogen.Auchder
Staat schrittein –gegen dasAuktions-
hausinMadrid.ZwarhattederAusschuss
zunächst eineExporterlaubnisgegeben,
sie aber dann,als man sich desWerts der
Tafeln bewusstwurde ,zurückgenommen.
Auch das darf derStaat.IndiesemFall

klagt eerwegen Schmuggelsvon Kultur-
gutgegen dasAuktionshausund die Fir-
ma,die di eTafeln gekaufthatte, weil sie
unte rschlagenhatten,dassessichumKir-
chenbesitz handelte. DieTafel nwurden
zurückgegebenundhängenwiederimMu-
seum SantaCruzinToledo.
Ein weiterer Fall, der aktuell für
Schlagzeilen sorgt, istder des Bankiers
Jaime Botín und des Gemäldes„Têtede
jeunefille“vonPicasso,das 2015aufBo-
tíns Yachtbeschlagnahmt wurde. Es
hängt jetzt imReina-Sofía-Museum in
Madrid, denn jedesgeschützteKultur-
gut, das illegal ausgeführtwird, geht au-
tomatischinStaatsbesitz über und wird
als unveräußerlicheingestuft(F.A.Z.
vom18. Januar). Jaime Botín, Onkel der
Präsidentin der Santander-Bank und
kein un vermögender Mann, hat das Bild
von1906ausPicassosbegehrterRosaPe-
riode –esist ge schätzt auf 26,2 Millio-
nenEuro–angeblichindieSchweiz brin-
genwollen, um es bei Christie’s in Lon-
don versteiger nzulassen. Da es sichum
ein BIC handelt, beantragte ergarnicht
erst die Exportgenehmigung. Er hätte
sie nicht erhalten.
Botín istam14. JanuarvomStrafge-
richtinMadridzuachtzehn Monaten Ge-
fängnis und 52,4 Millionen EuroGeld-
strafe ve rurteilt worden. ZweiWochen
später musstedie Richterin ihrUrteil
korrigieren. Angesichts des im Prozess
erwiesenen Tatbestands der Ausfuhr
vongeschütztemKulturgut ohne Geneh-
migung müsse dasStrafmaß laut Gesetz
höherausfallen,moniertenStaatsan walt-
schaf tund Regierungsanwälte.DieRich-
terinverur teilteden83 JahrealtenBotín
schließlichzu drei Jahren und einemTag
Gefängnis sowie 91,7 Millionen Euro
Geldstrafe(F.A.Z. vom6.Februar). Die
niedrigeHaftdeser stenUrteilshätteBo-
tín vermutlichvor dem Gefängnis be-
wahrt, andersals die mehr als drei Jahre
im korrigiertenUrteil. Aber das letzte

Wort in demkomplexenFall is tnoch
nicht gesprochen. Die AnwälteBotíns
haben Einsprucheingelegt.
Für Ärgerhat auchimNachbarland
Portugal der Handel mit 85 Arbeiten aus
allenSchaffensphasenvonJoan Miróge-
sorgt .Die Werkewaren im Jahr 2006 für
34 Millionen Eurovon dem japanischen
Geschäftsmann KazumasaKatsutaan
die BancoPortuguês deNegócios (BPN)
verkauftworden. Zwei Jahrespäter
musstedie Bank für Milliardensummen
vomportugiesischenStaat gerettet wer-
den. Christie’s t axierte die Bilder Mirós
auf achtzig Millionen Euro: ein Preis,
dervieleherihrem Wertentsprach.Den-
nochschlosssichdas Auktionshaus
überraschend der Einschätzung derkon-
servativen portugiesischen Regierung
an, die dieWerke–übrigens bei Chris-
tie’sinLondon–fürumgerechnet35Mil-
lionen Euroversteiger nlassenwollte.
Niemandverstand, weshalb dieRegie-
rung die Bilder zu dieser viel zu niedri-
genTaxeabgebenwollte. Die Proteste
im Land dagegen, die Mirós Richtung
London ziehen zu lassen, obendrein zu
einem Schnäppchenpreis, warenlaut.
Aber abgesagt hat dieAuktion Chris-
tie’s.Die portugiesische Mitte-Links-Re-
gierung, die zuerst die Kosten scheute,
beschlossschließlich, dasKonv olut zu
behalten. Im Oktober 2016 wurde der
Großteil der Miró-WerkeinPorto in der
Serralves-Stiftung mit so viel Erfolg ge-
zeigt, dassder Staat die Sammlung dort
dauerhaftstationiert.
In diesemFall warder po rtugiesische
Staat in volviert,weil er der Besitzerwar.
Aberauc hPortu galkennteinMitsprache-
rechtbei Veräußerungen so lche nKultur-
guts, dasaus kulturellem, öffentlichem
oderkommunalem Interesseregistrie rt
ist. Eine geplant eAusfuhr mussmindes-
tens dreißigTage vo rher gemelde twer-
den, damitStaat un dGemeinde prüfen
können,obsie vonihrem Vorkaufsrecht
Gebrauchmachenwollen.

Nach demVersuchder verbotenenAus-
fuhr jetzt Eigentum desStaats: Picassos
„Têtedejeunefille“ von

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LONDON.GrauerNebel hängt über der
engen,vonsteinernen Bürogebäudenge-
säumtenStraße im alten Bankenviertel
vonLondon.Vielleicht istesdie mor-
gendlicherush hour,einzelne Männer
und ein paarFrauen hastenvorbei. Nur
ein ernstblickender,bebrillter Mann mit
aus der ModegekommenemZylinderhut
istimVorder grund in Richtung desFoto-
grafen unterwegs. Es ist1951, das Eng-
land der Nachkriegszeit, und Robert
Frank –der wenigeJahrezuvor vonder
Schweiz nachAmerik aauswanderte und
1958 mit seinemFotobuch„The Ameri-
cans“ Fotografiegeschichte schreiben
wird–dokumentiertes.
„City of London“, zwischen 1957 und
1960 vonFrankinSilbergelatine auf ei-
nem Fond vonbesonderem Papier abge-
zogen, das die nasseKühle desNebels
verstärkt, isteines vonfünfzigWerken in
der Ausstellung „BreakingAway:Moder-
nism in Photographysince WorldWar I“
in der GalerievonRichar dNagy.Sie
zieht in London mit den Meisternder
amerikanischenFotografieder Moderne
nicht nur Enthusiasten an, sondernauch
Fotografiesammler, KuratorenundHis to-
riker. Denn sie bietetdie Möglichkeit,
rareund früheVintageabzügemehr oder
weniger bekannter Bilder zustudieren.
DieMotivereichenvonformalen Experi-
menten über Akt- und Landschaftsfoto-
grafie hin zur sozialen Dokumentation.

Zusammengestellt hat die Schau der
Händler und Sammler Michael Shapiro,
seit vierzig Jahren spezialisiertauf weg-
weisende amerikanischeFotografie der
zwanziger bis sechziger Jahre, insbeson-
deredie Gruppe „f/64“der SanFrancisco
BayArea. Zu ihrgehören viele der heute
bekanntesten Fotografen wie Ansel
Adams, Imogen Cunningham, Edward

Weston und ConsueloKanaga.Von 1986
bis 2011 führte Shapiroseine Galerie in
San Francisco, blieb danachjedochwei-
terals Händler aktiv,und in der Galerie
des mit ihm befreundetenKollegen Ri-
chardNagy feierternun eine ArtJubilä-
um mit einigender wichtigstenWerke,
die durch seine Hände gingen oder in sei-
ne Sammlungwanderten. Zu den ausge-
stelltenKünstler nzählen Bill Brandt,
Walker Evans, Irving Penn, Margaret
Bourke-White, Dorothea Langeoder Al-
fred Eisenstaedt.
Mehrfachhat Schapironeben einen
frühenAbzug zusätzlicheinen späteren
vomselbenNegativ gehängt, um den
frappierendenUnte rschied zwischenver-
schiedenen Papierar tenund Entwick-
lungs technikenzuzeigen.Sowirktdieak-
kurateSchärfe und derkalteSchw arz-
weißkontrastvon AnselAdams’Aufnah-
me der schneebedeckten Tannen und
wolken verhangenenFelsen imYosemite
NationalPark, „ClearingWinter Storm“,
auf dem–inhoher Auflageproduzierten
–Abzug aus den siebzigerJahren fastag-
gressiv :nämlichimdirektenVergleich
mit dem atmosphärischdichten, raren
frühenAbzug, um 1940, alsAdams noch
ein unbekannterFotograf war.
Zu den teuersten unter denverkäufli-
chen Werken gehörtein Porträt, da sMan
Rayvon seinerdamaligenPartnerin, der
FotografinLeeMiller,imJahr1929mach-

te –den Kopf mit denkurzen Haaren
nachhinten geworfen undvomBetrach-
terweggedreht:Für „Nec k–Portraitof
Lee Miller“ wirdeine siebenstelligeSum-
me verlangt.Esgibt nur zweiAbzügedes
Negativs;deranderebefinde tsichimLee-
Miller-Archiv.Fastebensoseltenundero-
tischstärkeraufgeladen ist„Nude (Miri-
am Lerner:Torso, Hand on Hip)“ aus
dem Jahr 1925vonEdwar dWeston, das
die skulpturalen Qualitätender Falten
und Rundungen desTorsos des nackten
ModellszumThema macht(umeine Mil-
lion Dollar).
In derAusstellung zu entdeckenist
die Fotografin ConsueloKanaga, deren
Preise in denvergangenen Jahren deut-
lichangezogen haben: „Frances with a
Flower“ is tdas einfühlsame, nah aufge-
nommenePorträt einerjungen afroame-
rikanischen Frau, entstanden um
1930/32 (um 60 000 Dollar). Essteht im
Kontras tzuKanagas sachlichemPorträt
vonMarkRothkoausdemJahr 1950,das
denMalerzugleichheroisiert.Dokumen-
tarischer Natur is t„The Labyrinth Deci-
phered,Veracruz, Mexico“vonManuel
ÁlvarezBravo,entstanden 1932. Das
Bild zeigt ein mexikanisches Mädchen
beim AufhängenvonTabakblätternund
istdie einzigeAufnahmemit doppelter
Belichtung, dievonihm bekannt ist. (Bis
zum 27. März.Weiter ePreise auf Anfra-
ge.Kein Katalog.) ANNE REIMERS

Zerstörung is tdie Voraussetzung so man-
cher Geschäftsidee. Da müssen zum Bei-
spiel historische Gebäudegewinnträchti-
genNullachtfünfzehn-Bautenvon„Ent-
wicklern“ weichen. Ähnliches Zuschan-
denmachenkann auchKulturgut drohen,
wenn Profitewinken. Das giltkeineswegs
nur für kriminelle Akte. Es geschieht
auch, wennauseinemeinzelnenwerthalti-
genTeilvielegemachtwerdensollen–mit
der Schere.Um seinen Designer-Handta-
schen ein Alleinstellungmerkmal zuver-
passen, lässt Thomas Huber handschriftli-
che Briefeberühmter Persönlichkeiten
kleinschneiden und die Schnipsel ins Le-
derwerk seiner Marke „MysteryBag“ ein-
nähen, hinterAcryl, unter der Schließe.
Bereits sechzehn Autographen hatdieses
Schic ksal ereilt–darunter ein auf 33Ta-
schen verteiltes Schreiben vonQueen
VictoriaausdemJahr1855anHenryLord
Harbing, den Oberbefehlshaber der engli-
schen TruppenimKrimkrieg: DieWebsite
der Firmameldetdie Auflageals ausver-
kauftund außerdem einen aktuellenHan-
delspreisvon6880 Eurofür die mit einem
Kaufpreis von2450 Euroangetretenen
Einzelexemplare. Die Steigerung dürfte
sicheinem Auktionsergebnis inStuttgart
voreinigen Monatenverdanken.
Di eSpanne zwischenStart und aktuel-
lemPreislässt dieFirmaeinenvonihrent-
wickelten Algorithmus in regelmäßigen
Abständen aus diversenFaktoren errech-
nen. Zielistesj a, ein Gebrauchsobjekt zu-
gleich als aussichtsreicheWertanlagezu
präsentieren. Gleichfalls als ausverkauft
meldetdie Website25Taschen mitParti-
keln einer Einladung, die der Flugpionier
Charles Lindbergh an einenFreund sand-
te;derzeit liegt der Preis, wie es heißt, bei
5250 Euro. Nicht allzu schnell dürftedas
mit Brigitte Bardots 2010geschriebenen
Antworten auf Interviewfragen eines Ma-
gazinsgehen;zerkleinertreichtensienäm-
lichfür 322Taschen. Der bislang höchste
Startpreisvonje3950 Eurogalt dem Mo-
dell „Giacomo Grande Seduttore“ mit
Fetzchen eines Briefsvon Casanova an
den Grafen Collato. Im Jahr 1791 klagt er
darin über dieKälteauf SchlossDux und
erzählt eine Anekdote,„die sichnicht in
seinen Memoirenfindet“.
Das „Handelsblatt“ hatteHubersBe-
gründung für den Startpreis zitiert:
„140 000 Eurohaben wir für diesen Brief
bezahlt.“DerTutzingerAutographenhänd-

ler EberhardKöstler istdarüber empört:
Tatsächlich habe Thomas Huber den Brief
bei ihm für 11 000 Eurogekauft, wieKöst-
lerdieserZeitungmitteilt.Huberhabesich
außerdemseinerzeitalsSammlerausgege-
ben. Niemals hätte man ihm den „schö-
nen, unersetzlichen Casanova-Brief“ver-
kauft, wenn man seineAbsichtengekannt
hätte: „Wir sind entsetzt, wie für eineMar-
ketingidee mit Kulturgut umgegangen
wird.“Keines weiterenKommentarsbe-
darfHubersRechtfertigung gegenüber
dem VorwurfunumkehrbarerZerstörung:
Man habe 950Verbraucherinnen befragt,
die Mehrzahl seivonder Idee begeistert.
DasTaschen-Unternehmenist ein2018ge-
gründetesdeutsch-schweizerisches Start-
up. Zu den Gesellschaftern zählt über die
NRWBank auchdas Land Nordrhein-
Westfa len. Der Gründer Huber sammelte
Marketinger fahrung, unter anderembei
der internationalenVermarktung von
Swatch-Uhren, die Sammler-Editionen
herausbrachten.
Wiedie Handtaschenvonvornherein
alsWertanlagejedenfallsgedachtsind,soll-
tenauchArmbanduhrender dänischen
Marke „Kankse“ begehrenswerte Unikate
werden. Zu diesem Zweckerwarben die
Firmeninhaber Dann Thorleifsson und
Arne Leivsgar dein Gemälde des däni-
schen Künstler sTal R, nämlich„Paris
Chic“.DasWerkausder2017gemaltenSe-
riestilisie rter Sexshop-Fassadenkostete
die Firm aumgerechnetrund 80 000Euro:
In Partikel zerlegt, hätteesauf 200 bis 300
Zifferblättern landen und zumStückpreis
vonumgerechnetjeetwa1300Eurobeitra-
gensollen. TalRzogvor ei ndänischesGe-
richtund be kamrecht.
Denn, so dieUrteilsbegründung,der
Plan sehe eineVeränderung desKunst-
werksvor undverletze damit das Copy-
right desKünstlers. Zudem, so zitiertdie
britische Tageszeitung „The Guardian“
die Richter,missbrauche das Projekt
TalR’s künstlerischesRenommeefürkom-
merzielleZweckeunddroheseinenRufzu
schädigen. LebendeKünstler können sich
wehren. Dochwer schütztwertvolle alte
Brief evor Zerstörung? Imvorliegenden
Fallhilf twohlnurverantwortungsbewuss-
terHandtaschenkauf. Außerdem kann
man vomLand Nordrhein-Westfalen er-
warten, dassesbei seinen Beteiligungen
darauf achtet, nicht zurZerstörung von
Kulturgut beizutragen. BRITASACHS

Foto dpa/VGBild-Kuns

t

ConsueloKanaga, „Frances withaFlower“,
entstanden um 1930/32,Vintageabzug,22,
mal 17,8 Zentimetergroß FotoGalerie

DassKunstschön ist, aber viel Arbeit ma-
che, wusstenicht nurKarl Valentin. Da-
vonweiß auchdasEhepaarGabyundWil-
helmSchürmannzuerzählen,das mit
demdiesjährigenArtCologne-Preisausge-
zeichnetwird. Mit dem Sammeln haben
die beidenfrüh begonnen,vorfasteinem
halben Jahrhundert, undwasWilhelm
Schürmannjungen Sammlernmit auf den
Weggibt,galt damalswohl auc hfür ihn.
Dassman keinen Fehler machenkönne,
solangeman ni chtals In vestor unterwegs
und frühgenug dabei sei: „Die Preise sind
klein,dieEntdeckerfreudegroß,dieUnge-
wissheitgewiss.“Fürden Kauf etlicher
großer ArbeitenvonMarti nKippenberger
mussten sic hdie beiden dannwohl nicht
nur imFreundeskreisrech tfertigen, son-
dernvermutlichauchvor sic hselbst. Es
folgten GüntherFörg,GeorgHerold und
Alber tOehlen, bald auchMikeKelle y,
CadyNoland undRaymondPettibon.Um
einen Kanon aberwaresden Schürmanns
niezutun.Vielmehrverlangensievonden
Werken, dasssie „reflektiert, leichtfüßig,
lapidar und uneitel“ seien.Heuteumfas st
dieSammlungTausendevonArbeiten, die
nicht nur einzeln zuAusstellungenverlie-
hen werden, sondern mit denen auch
schonganze Häusergefülltwurden, die
HamburgerDeichtorhallen, das Museum

am Ostwall in Dortmund oder–2018 mit
„Klassentreffen“ –das Museum Moderner
KunstinWien.Der Arbeit, dieKunsteben
bedeutet,ist WilhelmSchürmann auchals
Galerist,Autorund Professor inAachen
nachgegangen, bis heuteist erals Fotograf
tätig –dadurch unterschei detersichvon
früheren Preisträgernwie Ingvild Goetz,
Frieder Burda, HaraldFalckenbergoder
Julia Stoschek .Der Ar tCologne-Preis ist
mit 10 000 Eurodotiert. F.L.

„Newlands House“ heißt die Galerie für
moderneundzeitgenössischeKunst, Foto-
grafieund Design desStarauktionators,
Kunsthändlersund BeratersSimon de
Pury. Die Galerie mit zwölfRäumen und
einer Grundflächevonfast700 Quadrat-
metern wirdam6.Märzineinem reprä-
sentativengeorgianischen Haus inmitten
der Stadt Petworth inWest Susse xer-
öffnen,rundeineStundevonLondonent-
fernt. Fürdie Eröffnungsschau sind
hundertWerkedesimJanuar 2004 gestor-
ben en Fotografen HelmutNewton ange-
kündigt.Zuletzt hattedePury2013 mit
seiner damaligen Ehefrau MichaelaNeu-
meisterdie Beratungsfirma de Pury&de
PuryinLondon gegründet. Das Paar
trennt esichAnfang2019 privatwie beruf-
lich. F.A.Z.
Fotografischer PioniergeistinAmerika

„BreakingAway :Modernism in PhotographysinceWorld WarI“ind er Londoner GalerievonRichar dNagy


Kulturgutzersc hneiden


Briefschnipsel berühmter Leutefür die Handtasche


DasAuge des Sta ats


Aufdem Lande


Simonde Puryeröffnet


eine neueGalerie


Uneitel, lapidar


ArtCologne-Preis für


das Ehepaar Schürmann


DerFallBotín demonstriertderzeit eindrucksvoll :Spanien schütztwertvolles


Kulturgut mi tstarker Hand.Und es gibt no ch mehr Beispiele.


VonClementineKügler,Madrid

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