issue_gartenbuch_2021

(Susanne Mueller3Bw72N) #1

Der Garten ist ein anderer Ort, ein Ort der Zusam-
menarbeit, der Teilhabe und Begegnung über
gesellschaftliche Trennungen hinweg, in einer Um -
gebung, die von Trennungen, Konkurrenz und
Verwertungsdruck, Isolation und oft existenzieller
Angst gezeichnet ist. Er ist ein Ort, an dem Wissen
geteilt und gemeinsam erarbeitet wird, an dem
Fertigkeiten, Techniken und Verhaltensweisen
eingeübt werden, die zukünftig noch sehr viel wich-
tiger sein werden, als sie es heute ohnehin schon
sind. Dabei geht es zugleich um die Entwicklung
einer Sensibilität und von Praktiken der Sorge für
eine gemeinsame Welt wie auch um die Stärkung
der Kräfte demokratischer Selbstorganisation durch
Verfahren der dissensuellen, über Widersprüche zur
Einigung gelangenden Entscheidungsfindung,
die niemanden übergeht. Wenn es uns solcherart
gelingt, ein kollektiv größeres Handlungsvermögen zu
entwickeln und uns tatsächlich für die Welt, insofern
sie in diesem Garten zusammenfließt und allererst
entsteht, verantwortlich zu machen, so geschieht
dies nur dadurch, dass wir uns nicht – wie es
heute allerdings überall die Regel ist – von unserem
Tätigkeitsvermögen trennen lassen. Es geschieht
also durch die Entfaltung einer Kunst, der Kunst
weder geschulmeistert noch regiert zu werden,
durch die Anwendung mithin einer ebenso anti-
pädagogischen wie anti-gouvernementalen „Methode
der Gleichheit”, bei der ein beliebiger Gegenstand,
diese oder jene Ansicht, der gleichen Intelligenz eines
Gegenübers dargeboten und der Anfechtung aus-
gesetzt wird, um einen gemeinsamen Gegenstand zu


produzieren. Eine derartige Sorglosigkeit und
luxuriöse Gleichheit in der Zusammenfügung,
in der gemeinsamen Produktion und Verantwortung
für die Welt wäre wahrlich ein Garten als anderer
Ort. Und dieser Ort wäre der herrschenden Realität
geradewegs entgegengesetzt.

Der Garten soll immer mehr ein Ort der Begegnung
werden, an dem ökonomische Abhängigkeiten
durch die Zusammenlegung der Fähigkeiten und
Fertigkeiten nicht zuletzt und nicht ausschließlich
der unmittelbaren Nachbar*innen sukzessive gemin-
dert werden, während genau diese Zusammenlegung
und durch sie die Steigerung des kollektiven
Handlungsvermögens im Mittelpunkt stehen.
Der Garten und seine Beziehungen sollen dabei nicht
von ökonomischen Interessen überschattet werden;
die Logik des Beitragens und der freiwilligen
Zusammenarbeit soll nicht durch die exklusive
Zuteilung ökonomischer Vorteile und nicht dadurch
zerrüttet werden, dass diejenigen, die hier zusam-
menkommen, sich in ihrer Zusammenarbeit an diesen
Vorteilen orientieren, an finanziellen Mittlen,
die immer nur begrenzt vorhanden sind. Die Zusam-
menarbeit selbst, die Begegnung und die Verdichtung
von Beziehungen sollen ganz und gar im Vordergrund
stehen. Deshalb haben wir uns dazu entschlossen,
das Werden dieses Ortes von der monetären Logik
zu trennen, so dass alle Tätigkeiten vielmehr auf dem
Prinzip des freiwilligen Beitragens, nicht aber des
äquivalenten Tausches, beruhen.
Mit der Einführung von Geld, mit der Bezahlung

Der Garten als ein anderer Ort


Stimmen aus dem Garten
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