24 NZZ LIVE Montag, 2. März 2020
Bilder für die Wirklichkeit
Positive Vorbil der gege n die patriarchalische Vormundschaft
Mit«T hePerfect Candidate»
will die saudischeFilmregisseurin
Haifaa al-Mansour der
Modernisierung ihresLandes
auf die Sprünge helfen.
KATJA SCHÖNHERR
Voller Enthusiasmus bricht die saudi-
sche Ärztin Maryam Alsafan zu einem
Fachkongress nachDubai auf. Am Flug-
hafen aber wird ihr das Check-inverwei-
gert. DieReiseerlaubnis sei abgelaufen.
«Wer ist IhrVormund?», fragt der Schal-
terangestellte.
Jede Frau in Saudiarabien besitzt
einenVormund, der über ihr Leben be-
stimmt – denVater etwa, den Ehemann
oder einen anderen männlichenVer-
wandten.Wie Maryam, diese erwachsene,
hochintelligente Doktorin, am Flughafen
steht und dieTa gung schliesslich nicht
besuchen kann, nur weil sie ihrenVater
nichterreicht – dies ist eine der bittersten
Szenen in«T hePerfect Candidate», dem
vierten Spielfilm der saudischenRegis-
seurin Haifaa al-Mansour. Doch derFilm
bleibt nicht bitter. Mansours Hauptfigur
überschreitet die ihr zugedachten,patri-
archalen Grenzen und tritt sodann auch
ohneReiseerlaubniseine Reise an – eine
Reise in diePolitik. Als ersteFrau kandi-
diert Maryam für den Stadtrat.
EineFrau als Ärztin,in Saudiarabien.
EineFrau alsWahlkämpferin, in Saudi-
arabien. «Mit meinenFilmen möchte ich
Vorbilder erschaffen, damit diese in der
Realität Nachahmung finden und von der
Gesellschaft akzeptiert werden», erklärt
Mansour. Mitnichten gehe es ihr darum,
ihrLand zu belehren. Aber eine breite
Debatte über dieRechte derFrauen in
Nahost anstossen, das wolle sie durchaus.
Mit diesem Vorgehen hatte Mansour
bereits Erfolg: Ihr Spielfilmdebüt«Wad-
jda» handelt von einer Elfjährigen, die
sich nichts sehnlicher wünschtals ein
Velo. Mädchen war dasVelofahren da-
mals allerdings – derFilm stammt aus
demJahr 2012 – verboten. Inzwischen
dürfen sie es, was unter anderem«Wad-
jda» zu verdanken ist.
Auch sonst hat sich seither einiges
verändert: Bei den Dreharbeiten zu
«Wadjda» musste Mansour noch aus
einem Kleinbus heraus mit Monitor
undWalkie-TalkieRegie führen. Un-
denkbar wäre es gewesen, dass sie Män-
ne rn in aller Öffentlichkeit Anweisun-
gen erteilt. «Natürlich bedeutete es auch
bei ‹ThePerfect Candidate› einen büro-
kratischen Kraftakt, zu sämtlichen Ge-
nehmigungen der Behörden zukom-
men. Aber immerhin durfte ich dies-
mal draussen auf der Strasse agieren
und direkt mit den Schauspielern und
Kameraleuten sprechen.»
Haifaa al-Mansour, Jahrgang1974,
gilt als die erste saudischeRegisseu-
rin überhaupt. «DasFilmemachen ist
für mich wie eineTherapie», sagt sie.
«Es gibt mir alsFrau eine Stimme. Die
Stimme, die ich früher nicht hatte.»
Mansour wuchs als achtes von zwölf
Kindern auf. Kinos waren in ihrerJugend
verboten,Videotheken hingegen nicht.
Und so brachte ihr liberal eingestellter
Vater oftFilme mit nach Hause, die ihr
das Leben ausserhalb desKönigreichs
nahebrachten. Sie ging nach Kairo, um
Literatur zu studieren, später nachSyd-
ney für einen Abschluss inFilmwissen-
schaft. Heute lebt die 45-Jährige mit
ihrem amerikanischen Ehemann und
den zwei Kindern in Los Angeles.
Nach zwei Spielfilmproduktionen
in Hollywoodkehrt Mansour mit«T he
Perfect Candidate» nun in ihr Heimat-
land als Dreh- und Handlungsort zu-
rück. Neben der Situation vonFrauen
thematisiert sie darin auch ihre zweite
Herzensangelegenheit: die Freiheit
derKunst. MaryamsVater ist Musiker,
und erstmals seitJahren darf er wieder
öffentlichKonzerte geben. «Hier wollte
ich ebenfalls ein positives ‹role model›
kreieren», erklärt dieRegisseurin.«Und
zwar das eines einfühlsamen Mannes,
der für die Musik lebt und Besseres zu
tun hat, als seineTöchterfortwährend zu
kontrollieren.» Solche Männer seien in
Saudiarabien nochdieAusnahme. Aber
die, diees gebe, wolle sie mit«T hePer-
fect Candidate» nicht nur zeigen, son-
dernregelrecht feiern.
Previewund Filmgespräch mit Regis seurin
Haifaa al-Mansour und NZZ-Filmredaktor Lory
Roebuck am6. März um18.15 Uhr imKino
Kosmos,Zürich. Die Veranstaltung istausver-
kauft. Filmstart 12. März 2020.
Vier Winzerinnen vor der Kamera
Frauen erobern zunehmend die Männerdomäne Wein
PETER KELLER
Männer dominieren dieWeinwelt. Doch
langsam,aber sicher bringen sich auch
dieWinzerinnen ins Gespräch. Immer
mehrFrauenübernehmeneinen Be-
trieb undkeltern hervorragendeWeine.
Der deutscheFilm«Weinweiblich», der
am 23.April in MünchenPremiere fei-
ert, porträtiert vierWinzerinnen aus den
deutschen Anbaugebieten Rheinhessen,
Rheingau undBaden und zeigt eineKul-
tur, die sich unter dem Einfluss der ers-
ten GenerationWinzerinnen bereits im
Wandel befindet. EvaVollmer, Theresa
Breuer, CarolinWeiler und SilkeWolf
sind die vier unterschiedlichen Charak-
tere desFilms, hinter denen einzigartige
Geschichten stehen.
Die vier Protagonistinnen des Strei-
fens haben diegleicheAufgabe: Sie
müssen einen neuenWein kreieren,
und zwar einen trockenen Riesling aus
demJahr 2018. Auch derKoautor von
«Weinweiblich», der britischeWeinkriti-
ker undKenner deutscherWeine, Stu-
art Pigott, erhielt dieseVorgabe. Alles
andere ist der Kreativität, der Expe-
rimentierfreude und ihremKönnen
überlassen. Die Kamera begleitet die
Winzerinnenübereinen Zeitraum von
fast zweiJahren.Von derAuswahl der
Reben über den erstenRebschnitt und
die Ernte bis zur Abfüllung und Degus-
tation derWeine werden alle Schritte
ge zeigt.
DieFaszination desFilms liegt in
der Beobachtung des Alltags nichtall-
täglicher Menschen. Hinter diesen Ge-
schichten steht jeweils einePerson mit
ihrer eigenenVorstellung davon, wie sie
in denRebbergen arbeitet und welche
Art vonWein sie in die Flasche bringen
will. Diese Geschichten werden auf ein-
zigartigeWeise auf die Leinwand ge-
bracht.«Ich bin dankbar, Te il dieses für
den deutschenWein so bedeutenden
Projekts zu sein», sagt EvaVollmer, Win-
zerin aus Rheinhessen. Und sie fügt an,
derFilm setze ein mitreissendes State-
ment für die wunderbareWinzerbran-
che, starkeFrauen (und Männer!), Zu-
sammenhalt, Naturverbundenheit und
die Einfachheit des Glücks beim Men-
schen. Zudem beschreibe er das Ge-
schenk im Leben, das tun zu dürfen,
wofür man wirklich brenne – aus den
Blickwinkeln von vierWinzerinnen und
einemWeinkritiker.
Der Streifen über weiblichenWein
wird auch Männern schmecken. Er wird
für Menschen gemacht, die gerneWein
geniessen, für Menschen, die noch nicht
auf den Geschmack gekommen sind,
und für Menschen, die einen unterhalt-
samen, berührenden Film geniessen
wollen.
Ausschnitte aus dem Filmwerden amNZZ-
Weinseminar «WeinundFilm– einFest für
Auge und Gaumen» gezeigt. Die Winzerinnen
Eva Vollmer und Theresa Breuer werden an-
wesend sein. Montag, 9. März, 18.30Uhr,
NZZ-Foyer, Zürich.
Haifaa al-Mansour 2018 inBarcelona anlässlich der Präsentation ihres Films
«MaryShelley». QUIQUE GARCIA / EFE
«Ein mitreis-
sendes Statement
für dieWinzer-
branche.»
Eva Vollmer
ANNE Winzerin Rheinhessen
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