TECHNIK
Menschen sind Meister darin,
andere einzuschätzen – und
Lehrlinge in Sachen Selbstein
schätzung. Wie wird man richtig
gesehen? ZEIT Wissen – am Kiosk
oder unter http://www.zeit.de/zwissen
Eliteschulen und Unis finanzierten
die Autorin Janne Knödler mit
insgesamt sieben Stipendien. Wie
sie das geschafft hat?
ZEIT Campus – am Kiosk oder
unter http://www.zeit.de/zcampus
Noch mehr Wissen
In der Vorstellung ganz
simpel: Mit Strom wird
Wasser aufgespalten
in Sauerstoff und
Wasserstoff. Letzterer
dient als Treibstoff
Umweg nach vorn
Wasserstoff wird auch für PrivatPkw als Sprit der Zukunft gepriesen – doch hier hat
der Energieträger drei entscheidende Nachteile VON STEFAN SCHMITT
I
n die Zukunft geht es nicht ohne Umwege.
Für den Materialforscher Thomas Klassen
heißt das, er muss auf seinem Weg von
Geesthacht im Südosten SchleswigHol
steins nach Kiel erst einmal über Hamburg
fahren. In Kiel soll Klassen über die Zukunft
sprechen: wie der Ausstoß von Treibhaus
gasen mithilfe von Wasserstoff gesenkt werden kann.
Der Wissenschaftler forscht am HelmholtzZen
trum in Geesthacht an neuartigen Tanks dafür. Im
politischen Berlin liefert das Gas gerade Stoff für
Träume, die Bundesregierung arbeitet an einer
»Nationalen Wasserstoffstrategie« (ZEIT Nr. 8/20).
Aber ausgerechnet das, was in der aktuellen Euphorie
von vielen beschworen wird, hält Klassen an diesem
Mittwoch im Fe bru ar davon ab, auf direktem Wege
ans Ziel zu gelangen: ein Wasserstoffauto.
Solche Pkw sind paradoxe Vorreiter. Denn sie
sind nicht nur Botschafter für den neuen Energie
träger. Man kann an ihnen auch sehen, warum
Wasserstoff im Individualverkehr ein eher unwahr
scheinlicher Ersatz ist für Benzin oder Diesel ist.
Rund 260 Kilometer sind es von Geesthacht
nach Kiel und zurück. Thomas Klassen ist sich
unsicher, ob die verbleibende Tankfüllung seines
WasserstoffSUV ausreichen wird. Allerdings ist es
weder in Geesthacht noch in Kiel möglich, dessen
Tank zu füllen. Und deshalb muss der Umweg über
Hamburg sein.
Der Mangel an Tankstellen ist der erste von drei
großen Nachteilen: Nur etwa eine Tankstelle mit
WasserstoffZapfsäule pro eine Mil lion Einwohner
gibt es in Deutschland. Das Netz gewöhnlicher
BenzinTankstellen ist ungleich dichter, eine auf
knapp 6000 Menschen.
Die zweite, höhere Hürde stellt die Physik dar.
Bevor das Gas grünen Antrieb leisten kann, muss
Energie auf kompliziertem Weg vielfach umgewan
delt werden, etwa so: von Windkraft zu Strom, mit
dem per Elektrolyse Wasserstoff erzeugt wird, wel
cher unter Druck und Kühlung gelagert und trans
portiert werden muss und schließlich in der Brenn
stoffzelle eines Autos wiederum Strom erzeugt, der
letztendlich den Elektromotor antreibt. »Mit der
Umwandlung in jedem weiteren Einzelprozess
verringert sich der jeweilige Gesamtwirkungsgrad«,
fassen die Experten der Denkfabrik Agora Verkehrs
wende das Problem zusammen. Kaum ein Drittel
der ursprünglich eingesetzten Energie kommt am
Ende auf der Straße an – nicht besonders effizient
(bei einem batteriebetriebenen Elektroauto sind es
immerhin mehr als zwei Drittel).
Überhaupt, und das ist Nachteil Nummer drei,
hat das BatterieElektroauto einen deutlichen Vor
sprung gegenüber Modellen mit Brennstoffzelle und
Wasserstoff: Diese Kategorie ist so unbedeutend,
dass sie in der monatlichen Zulassungsstatistik des
KraftfahrtBundesamtes noch gar nicht erwähnt
wird. Die Behörde verweist auf eine Sonderaus
wertung, nach der Anfang 2019 nur 386 solcher
Autos zugelassen waren, davon 372 Pkw. Neuere
Zahlen liegen noch nicht vor, es dürften aber
kaum mehr als 500 Fahrzeuge sein. Dem standen
zu Jahresbeginn knapp 240.000 BatterieElektro
mobile gegenüber, wie der Verband der Automo
bilwirtschaft gezählt hat. Schließlich setzt die Re
gie rung hier schon seit Jahren Anreize, nicht nur
beim Autokauf, sondern auch beim Bau von La
destationen. Dass die wenigen Brennstoffzellen
Modelle derzeit auch noch konkurrenzlos teuer
sind, geschenkt – es ist ein ungleiches Rennen.
Dennoch bescheinigt der Entwurf der Natio
nalen Wasserstoffstrategie der Brennstoffzelle
»auch im PkwBereich (...) gute Perspektiven«.
Bezeichnenderweise besonders da, wo reine Bat
terieautos an ihre Grenzen kommen, »bei Fahr
zeugen mit einem hohen Eigengewicht, im
Dauer be trieb und im Einsatz auf langen Stre
cken«. Wer die drei großen Nachteile des Energie
trägers vor Augen hat, mag sich da wundern.
Weil aber die TreibhausgasEmissionen (und
an manchen Orten auch die Luftverschmut
zung) im Straßenverkehr inakzeptabel hoch
sind, bleibt der Wasserstoff im Spiel: In der
Brennstoffzelle erzeugt er nur Wasserdampf.
Sofern er mit Ökostrom produziert wurde, ist er
sogar klimaneutral. Zumindest die CO₂Statis
tik ließe sich mit dem Gas drücken: Das gilt
sowohl für den Durchschnitt (»Flottenausstoß«)
einzelner Hersteller, die mit den EUObergren
zen hadern, als auch für die nach wie vor
ansteigende Emissionskurve des gesamten deut
schen Verkehrssektors.
Und dafür würde man, zumindest in Berlin,
wohl auch ein paar Umwege in Kauf nehmen.
Mein Morgentrott ist dahin, gefühlt seit Wochen
- wegen zwei defekter Rolltreppen am Hambur
ger Jungfernstieg. Statt aus der SBahn quasi
direkt auf die Rolltreppe nach oben zu fallen, irre
ich im Untergrund umher, wühle mich durchs
Gedränge und werde danach mit 53 Stufen
bestraft. Neulich bin ich auf dem Nachhauseweg
in die falsche Bahn gestiegen. Die Abläufe stim
men nicht mehr. Wie lange geht das noch so?
Anruf bei der Deutschen Bahn in Hamburg.
Zunächst der dezente Hinweis: Schreiben Sie
bloß nicht »Rolltreppe«, sonst kriegen Sie böse
Leserbriefe, es muss »Fahrtreppe« heißen! Schließ
lich würde ich auf diesen Wunderwerken der
Technik ja nicht rollen, sondern fahren – nicht
wahr? Hm, mir eigentlich egal. Ich möchte ein
fach nur stehen und mich trotzdem mit einem
halben Meter pro Sekunde (laut EUNorm 115
sind maximal 0,75 Meter pro Sekunde drin)
weiter nach oben bewegen.
Ich gehöre nicht zu jenen Menschen, die sich
an Silvester vorgenommen haben, mehr Treppen
zu steigen. Darum finde ich es höchst unerfreu
lich, dass die Bauarbeiten, die an meinem ersten
Arbeitstag im neuen Jahr begonnen haben, bis
Ende März gehen sollen. Vier Fahrtreppen wer
den in dieser Zeit parallel ausgetauscht, weil sie
das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben, so
ein Sprecher der Bahn.
15 Jahre waren sie im Einsatz, an 365 Tagen
im Jahr, rund um die Uhr. Tausende Fahrgäste
sind auf ihnen herumgetrampelt, mit schmutzi
gen Schuhen, Jugendliche haben sie aus Spaß
mit dem Nothalteknopf ausgebremst. Ich werde
ein bisschen ehrfürchtig, google herum – und er
fahre, dass es die Rolltreppe, so wie wir sie heute
kennen, mit beweglichen Stufen an einer Kette
befestigt und von einem Elektromotor angetrie
ben, seit 100 Jahren gibt. 1920 entwickelte die
amerikanische Firma Otis Elevator Company die
erste ihrer Art.
Dann sollte es doch reichlich Erfahrung da
rin geben, so ein Ding schnell auszutauschen.
Da ich dort unten allerdings so gut wie nie
jemanden arbeiten sehe, egal, ob ich morgens,
mittags oder abends durch den Bauzaun in den
Schacht spähe, ist es kein Wunder, dass das so
lange dauert.
Nun ist es mal wieder nicht so einfach, wie
der verwöhnte Nutzer sich das vorstellt: Ein gro
ßer Teil der Bauarbeiten findet in der Nacht
statt, damit Leute wie ich sich nicht noch mehr
ärgern. »An der Station Jungfernstieg ist die
Situation aus logistischer Sicht eine besondere
Herausforderung«, sagt der BahnSprecher, »da
die Fahrtreppen nicht über die Aufgänge auf die
Straßenebene gebracht werden können.« Die
ausgedienten Treppen seien zu groß und müssten
in zwei, drei Teile zerlegt und über die SBahn
Gleise entsorgt werden. Manche Rolltreppen
kriegt man überhaupt nur raus aus den Gängen,
wenn vorher andere demontiert worden sind,
darum auch vier auf einmal. Es ist kompliziert.
Harte Nachtarbeit gegen banalen Morgen
trott. Ich sag nie wieder was. Wobei – hatte ich
schon die 69 Extrastufen erwähnt, die ich steigen
muss, weil der Aufzug in der Redaktion seit Wo
chen defekt ist? JOHANNA SCHOENER
Rolltreppenwitz
Die Macht der Maschinen
34 WISSEN 27. FEBRUAR 2020 DIE ZEIT No 10
Illustration: Max Guther für DIE ZEIT
ANZEIGE
Jetzt testen: ZEIT LEO
plus Geschenk!
Die Welt steckt voller Rätsel und Geheimnisse. ZEIT LEO gibt Antworten und nimmt Ihre Kinder mit auf
Entdeckungsreisen. Spannende Geschichten, knifflige Rätsel und viele Ideen zum Selbermachen: Das alles steckt
in ZEIT LEO, dem bunten Magazin für Kinder ab 8 Jahren. Sichern Sie sich jetzt 3 Ausgaben für nur 12,– €.
Sie sparen fast 20 % gegenüber dem Einzelkauf und erhalten als Dankeschön ein Geschenk Ihrer Wahl.
Jetzt bestellen: http://www.zeit.de/leo-testen 040/42 23 70 70*
*Bitte die Bestellnummer 1909805 angeben
Buch »365 Experimente
für jeden Tag«
Ein unterhaltsames Sach-
und Machbuch für kleine und
große Forscher.
Lese-Buddy –
Das Leselicht für Kinder
Einfach die Leselampe umhängen,
und schon kann das Lieblings-
buch gelesen werden.
Das Allgemeinwissen-Quiz
Insgesamt 100 Karten führen
alle wissbegierigen Kinder durch
sämtliche Themengebiete.
Nur 12 €
3x ZEIT LEO
plus Geschenk
108119_ANZ_10811900021185_25932520_X4_ONP26 1 20.02.20 15:27