Im hessischen Hanau erschießt ein Deutscher neun Menschen mit Migrationshintergrund, tötet
seine Mutter und sich selbst. Der Generalbundesanwalt spricht von einem rechtsextremen Motiv
B
ei einem mutmaßlich rechts-
extremen und rassistischen
Anschlag hat ein Deutscher
im hessischen Hanau neun
Menschen mit Migrations-
hintergrund erschossen. Anschließend
soll der 43-jährige Sportschütze seine 72
Jahre alte Mutter und danach sich selbst
in der eigenen Wohnung getötet haben.
Der Mann habe eine „zutiefst rassisti-
sche Gesinnung“ gehabt, sagte General-
bundesanwalt Peter Frank. Das habe die
Auswertung von Videobotschaften und
einer Art Manifest auf seiner Internetsei-
te ergeben. Die Todesopfer seien zwi-
schen 21 und 44 Jahre alt gewesen und
hätten Migrationshintergrund gehabt.
Der Täter habe sechs weitere Menschen
verletzt, einen davon schwer. Der mut-
maßliche Todesschütze Tobias R., der
Waffen legal besessen haben soll, kommt
den Behörden zufolge aus Hanau. Am
Mittwochabend gegen 22 Uhr eröffnete
er in einer Shisha-Bar das Feuer. Danach
schoss er in einer weiteren Bar und ei-
nem Kiosk um sich.
Laut Bundesanwaltschaft „liegen gra-
vierende Indizien für einen rassisti-
schen Hintergrund der Tat vor“. Der
mutmaßliche Täter habe auf seiner In-
ternetseite auch wirre Gedanken und
abstruse Verschwörungstheorien geäu-
ßert. Man prüfe, ob er Mitwisser oder
Unterstützer für seinen Anschlag hatte.
Dazu würden das Umfeld und die Kon-
takte des Mannes im In- und Ausland
abgeklärt, so Generalbundesanwalt
Frank. Der mutmaßliche Täter sei zuvor
nicht im Visier der Ermittler gewesen.
Er sei weder als „fremdenfeindlich“ be-
kannt gewesen noch polizeilich in Er-
scheinung getreten.
In die Trauer um die Opfer mischte
sich auch Empörung über Rassismus und
Hass, die solchen Taten den Weg bereite-
ten. Bundesinnenminister Horst Seeho-
fer (CSU) besuchte am Donnerstagnach-
mittag in Hanau einen der Tatorte und
sagte: „Rassismus ist Gift. Gift, das Ver-
wirrung in den Köpfen auslöst und dafür
sorgt, dass das Böse hervortritt.“ Er habe
für alle öffentlichen Gebäude in
Deutschland eine Trauerbeflaggung an-
geordnet. Auch Bundeskanzlerin Angela
Merkel (CDU) verurteilte die Tat auf das
Schärfste. „Rassismus ist ein Gift, der
Hass ist ein Gift. Und dieses Gift exis-
tiert in unserer Gesellschaft, und es ist
schuld an schon viel zu vielen Verbre-
chen“, sagte sie. „Wir stellen uns denen,
die versuchen, in Deutschland zu spal-
ten, mit aller Kraft und Entschiedenheit
entgegen.“ Bundespräsident Frank-Wal-
ter Steinmeier erklärte sich solidarisch
mit den Opfern rassistischer Gewalt.
„Ich stehe an der Seite aller Menschen,
die durch rassistischen Hass bedroht
werden.“
Für Bundestagspräsident Wolfgang
Schäuble (CDU) geschehen „solche
Wahnsinnstaten nicht im luftleeren
Raum“, sondern wachsen in einem „ver-
gifteten gesellschaftlichen Klima, in dem
auf übelste Weise Fremdenfeindlichkeit
und abwegigste Verschwörungstheorien
geschürt werden“. Nach Überzeugung
von CDU-Chefin Annegret Kramp-Kar-
renbauer veranschaulicht die Tat von
Hanau einmal mehr die Notwendigkeit
einer „Brandmauer“ ihrer Partei zur AfD.
Volker Ullrich, innenpolitischer Spre-
cher der CSU-Landesgruppe im Bundes-
tag, forderte eine härtere Gangart gegen
Verrohung und Hass. „Der Rechtsstaat
muss jetzt entschlossen und mit Nach-
druck und Härte handeln“, sagte Ullrich
WELT. „Wir müssen uns aber auch mit
den Verschwörungstheorien und dem
Hass beschäftigen, welche die geistigen
Grundlagen für solche Taten schaffen.
Wir brauchen ein entschiedenes Vorge-
hen gegen Verrohung und Hass. Hier ist
ein großer gesellschaftlicher Konsens
notwendig.“
Die SPD-Chefs Saskia Esken und Nor-
bert Walter-Borjans stellten den An-
schlag in eine „erschreckend lange Reihe
rassistischer und faschistischer Taten
und Pläne, die zeigen, wie bedroht unse-
re Gesellschaft mittlerweile durch Aus-
länderhass und Rassismus ist“.
Die SPD-Innenpolitikerin Ute Vogt
warnte vor einer Verharmlosung psy-
chisch verwirrter Täter. „Wir dürfen die
Taten solcher Einzeltäter nicht verharm-
losen, auch wenn der Täter psychisch
verwirrt gewesen sein mag“, sagte Vogt
WELT. „Hass und Hetze nehmen in un-
serem Alltag überhand. Das bereitet den
Boden für Gewalt und ist innere Recht-
fertigung für diejenigen, die glauben,
richtig zu handeln.“ Es seien Worte, die
zu Taten würden. „Hass beginnt im Kopf,
und wer mit Hass und Hetzreden unsere
Gesellschaft vergiftet, setzt mit die Ursa-
che für solche Terrortaten.“ Die Bundes-
regierung habe nach dem Anschlag von
Halle „das Maßnahmenpaket gegen
Rechtsextremismus auf den Weg ge-
bracht, das wir derzeit Schritt für Schritt
umsetzen“, sagte die innenpolitische
Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion.
„Es ist aber an uns allen, gemeinsam ge-
gen Hass und Hetze vorzugehen, wo im-
mer wir dem begegnen. Das ist eine He-
rausforderung für die gesamte Gesell-
schaft. Die schweigende Mehrheit im
Land muss lauter werden.“
FDP-Chef Christian Lindner sieht
Deutschland derzeit „im Zentrum des
rechtsextremen Terrorismus“ und for-
derte eine „Generalinventur“ aller Maß-
nahmen dagegen. FDP-Innenpolitiker
Konstantin Kuhle sagte WELT, „trotz al-
ler Beteuerungen nach der Mordserie
des sogenannten Nationalsozialisti-
schen Untergrunds (NSU), nach dem
Mord an Walter Lübcke und nach dem
Anschlag auf eine Synagoge in Halle
müssen wir festhalten: Wir haben die
rassistische Radikalisierung im Land
und die daraus entstehende Gewalt
nicht im Griff.“ Eine Woche nachdem
der Generalbundesanwalt zwölf Haftbe-
fehle gegen gewaltbereite Rechtsextre-
misten habe erwirken können, sei es in
Hanau zu einem schrecklichen Anschlag
mit vielen Toten gekommen. „Die Angst
einflößende Wirkung dieser Tat auf
Menschen mit Migrationshintergrund
darf nicht unterschätzt werden“, so der
innenpolitische Sprecher der FDP-Bun-
destagsfraktion. „Deutschland braucht
dringend eine Generalrevision aller bis-
herigen und aller geplanten Maßnahmen
im Kampf gegen gewaltbereite Rechtsex-
tremisten“, verlangte Kuhle. „Dabei
muss es auch um die Problematik gehen,
dass bestimmte Täter rechtsextremer
Anschläge eine über das Internet ver-
breitete internationale Vorbildfunktion
erlangen.“
Die Grünen-Vorsitzenden Annalena
Baerbock und Robert Habeck sprachen
von einem „Tag der Trauer und des
Zorns“. Sie verurteilten den Hass, „der
da gewirkt hat, der sich seit Jahren durch
unser Land frisst“. Der Hass breite sich
im Netz aus und werde zu „brutaler
Wirklichkeit“. Die Grünen-Innenexper-
tin Irene Mihalic sieht zudem großen
Nachholbedarf bei der Analyse der Stra-
tegien rechtsterroristischer Bestrebun-
gen. „Der mutmaßliche rechtsterroristi-
sche Anschlag von Hanau zeigt uns gera-
de vor dem Hintergrund weiterer An-
schläge und Planungen der letzten Mo-
nate von rechts, dass es massiven Hand-
lungsbedarf mit Blick auf die innere Si-
cherheit in unserem Land gibt“, sagte
Mihalic WELT. Die Maßnahmen der Bun-
desregierung zur Hasskriminalität sprä-
chen zwar gewichtige Probleme an, lös-
ten jedoch nicht das Problem der struk-
turellen Analyseschwäche der Sicher-
heitsbehörden. Viel zu lange sei hier
nichts passiert. „Nun brauchen wir gera-
dezu einen Quantensprung in der Analy-
se der Strategien rechtsterroristischer
Bestrebungen.“ Linkspartei-Chefin Katja
Kipping unterstrich, dass Taten wie der
Terror von Hanau „angefeuert“ würden
„von rechter Hetze, die Menschenver-
achtung predigt und Hass auf Sündenbö-
cke schürt“.
Für die AfD erklärten ihre Fraktions-
chefs Alice Weidel und Alexander Gau-
land, „das abscheuliche Verbrechen in
Hanau erschüttert uns zutiefst und
macht uns fassungslos“. Der AfD-Euro-
paabgeordnete und Parteivorsitzende
Jörg Meuthen hob hingegen hervor: „Das
ist weder rechter noch linker Terror, das
ist die wahnhafte Tat eines Irren.“
Bundespräsident Steinmeier traf am
Donnerstagnachmittag in Hanau ein und
appellierte an den Zusammenhalt in der
Gesellschaft. In Berlin riefen Politiker
und Vertreter der Zivilgesellschaft zu ei-
ner Mahnwache am Brandenburger Tor
auf. In diesen schweren Stunden sei es
wichtig, ein Zeichen der Solidarität und
Rücksichtnahme zu setzen, sagte Stein-
meier in Hanau. „Wir stehen zusammen,
wir halten zusammen, wir wollen zusam-
men leben. Und wir zeigen es wieder und
wieder. Das ist das stärkste Mittel gegen
den Hass.“ DW mit dpa/AFP/rtr
Siehe Kommentar und Seiten 2, 3, 4, 8
RASSISMUS
IST EIN GIFT, DER
HASS IST EIN GIFT
ANGELA MERKEL (CDU),
Bundeskanzlerin
,,
Ein Täter mit „zutiefst
rassistischer Gesinnung“
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Im Minus
Seite 15
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mmer mehr Menschen wol-
len ihren Urlaub ohne Kinder
verbringen, obwohl sie Kin-
der haben. Eine Sprecherin von
TUI sagte, sie halte es für legi-
tim, „dass ein Elternpaar auch
mal sagt, wir brauchen jetzt ein
Wochenende ohne Kinder“. Der
Trend geht ja grundsätzlich
zum Kinderkriegen ohne Kin-
derhaben. Mit sechs Monaten
kommt der Nachwuchs in die
Krippe, dann Kita, Hort, Schule,
ab 18 Uhr Quality Time vor dem
Fernseher bis zum Zähneput-
zen. Es ist kein Wunder, dass
Eltern immer mehr Fotos und
Videos von ihren Kindern ma-
chen, damit sie sich die Gesich-
ter besser merken können. Aber
während des kinderlosen Wo-
chenendes im TUI-Hotel soll
natürlich gar nichts mehr an
Kinder erinnern, damit die
Eltern keine sentimentalen
Anwandlungen bekommen. Die
Handys werden einkassiert, alle
Familienfotos gelöscht. Im
Umkreis von zwei Kilometern
um das Hotel dürfen sich keine
Kinder aufhalten, das Tragen
von kurzen Hosen ist für Er-
wachsene verboten. In den
Hotelfernsehern sind Kika und
RTL2 gesperrt, in besonders
strengen Einrichtungen gibt es
nur Phoenix und Arte.
ZZZippert zapptippert zappt
I
n Ägypten befindet sich der
Journalist Moataz Wednan
seit nunmehr zwei Jahren in
Administrativhaft. Wednan, der
für die arabische Ausgabe der
„Huffington Post“ schrieb, war
ursprünglich im Februar 2018
verhaftet worden. Kurz vor den
damaligen Präsidentschafts-
wahlen in Ägypten hatte der
Journalist den Richter Hisham
Genena interviewt, der zum
Wahlkampfteam des möglichen
Präsidentschaftskandidaten
Sami Anan gehört hatte. In dem
Gespräch ging es um Dokumen-
te, die die Regierung um Prä-
sident Abdel Fattah al-Sisi hät-
ten belasten können und wo-
möglich im Besitz von Anan
waren.
Nachdem Anan im Januar
2018 verhaftet wurde, folgte
einen Monat später Wednans
Festnahme. Gegenüber Amnes-
ty International erklärte sein
Anwalt später, Wednan sei
beim Verhör geschlagen und
mit Elektroschocks gefoltert
worden. Der Staatsanwalt warf
dem Journalisten „Zugehörig-
keit zu einer verbotenen Ver-
einigung“ und „Veröffentli-
chung von Fake News“ vor. Die
Staatsanwaltschaft ordnete
zunächst 15 Tage Haft an. Bis
heute ist der Journalist jedoch
weder rechtskräftig verurteilt
noch aus dem Gefängnis ent-
lassen worden.
#Free
them
all
Moataz Wednan
In Kooperation mit
REPORTER OHNE GRENZEN
Wir twittern
live aus dem
Newsroom:
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1
21.02.20 Freitag, 21. Februar 2020DWBE-HP
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D
er Terror in Hanau macht
sprachlos. Und doch ist es
wichtig, die Sprache schnell
wiederzufinden. Die Vernunft in den
Vordergrund zu stellen. Nicht die
Wut. Denn das ganze Land befindet
sich im Würgegriff einer Wutwelle.
Genauer einer rechtsradikalen Wut-
renaissance, die wirklich mehr und
mehr an die Polarisierung und Desta-
bilisierung in den 20er-Jahren des
vergangenen Jahrhunderts erinnert.
Unser Land gerät aus den Fugen ei-
ner einst fest gefügten demokrati-
schen Mitte.
Wenn man das wirre, verschwö-
rungstheoretische, rassistische Be-
kennerschreiben des Mördersvon
Hanau liest, dann zeigt es zweierlei.
Rechtsradikale Ideologie. Und psy-
chopathologische Wahnhaftigkeit.
Der Mann, der gezielt Menschen in
einer Shisha-Bar und später an einem
zweiten Ort erschossen hat, sei krank
- sagen viele. Also gar kein rechtsra-
dikaler Tathintergrund, sondern der
Amoklauf eines Psychopathen? Diese
Diskussion ist müßig. Jeder Mensch,
der – egal ob links, rechts oder isla-
mistisch – so radikalisiert ist, dass er
Menschen mordet, ist irgendwie
krank. Das relativiert nichts.
Entscheidend ist, dass weltweit,
aber eben auch besonders in
Deutschland immer mehr Menschen
so wütend fanatisiert sind, dass sie
rechtsradikale Verschwörungstheo-
rien zur Legitimation von kranken
Gewaltexzessen machen. Das allein
ist eine schreckliche und absolut
inakzeptable Entwicklung.
Und ja, diese Entwicklung mag vie-
le Ursachen haben, aber vor allem
wird sie von dem Erstarken und Radi-
kalisieren der AfD befördert. Sätze
vom Nationalsozialismus als „Vogel-
schiss der Geschichte“ (Gauland), die
Forderung einer „erinnerungspoliti-
schen Wende um 180 Grad“(Höcke)
oder die Tatsache, dass bei einer Ge-
denkminute für den ermordeten Wal-
ter Lübcke im Bayerischen Landtag
der AfD-Abgeordnete Ralph Müller
sitzen blieb: All diese Worte und Ges-
ten schaffen, aus dem demokratisch
legitimierten Spektrum der parla-
mentarischen Parteien heraus, ein
Klima, das rechtsradikale Hirne er-
mutigt.
Die AfDist nicht an allem schuld,
und vor allem kann man darüber dis-
kutieren, welche Entwicklungen eine
solche Partei überhaupt erst möglich
gemacht haben. Aber dass es einen
Zusammenhang gibt zwischen rech-
ten Hasspredigern und rechtsextre-
men Gewalttaten, ist unbestreitbar.
Was ist zu tun? Vieles. Dialog, Inte-
gration, Deeskalation – alles richtig
und wichtig. Zwei konkrete Dinge
sollten nicht vergessen werden.- Teile der AfD müssen – wie radi-
kale Splittergruppen in anderen Par-
teien auch – konsequenter, umfassen-
der und kritischer durch den Verfas-
sungsschutz beobachtet werden. Und
die Analysen müssen Folgen haben.
Dass die Partei demokratisch gewählt
ist, darf keine Entschuldigung für
Untätigkeit sein. Demokratisch ge-
wählt wurde schon so mancher in der
deutschen Geschichte. - Der Rechtsstaat muss gestärkt
werden. So banal es ist: mehr Geld
für Polizei, Justiz und die Demokra-
tie schützende Geheimdienste. Wir
dürfen nicht zusehen, wie der demo-
kratische und rechtsstaatliche Kon-
sens in Deutschland erodiert. Wir
können nicht hinnehmen, dass 482
Rechtsextremisten mit Haftbefehl
untergetaucht sind. Diejenigen, die
unsere freie und offene Gesellschaft
jeden Tag mit hohen persönlichen Ri-
siken verteidigen, müssen unter-
stützt und mit den nötigen Mitteln
ausgestattet werden.
Unsere Freiheit schützt am Ende
nur der wehrhafte Rechtsstaat.
- Teile der AfD müssen – wie radi-
KOMMENTAR
WWWehrhafteehrhafte
Demokratie
MATHIAS DÖPFNER
**D2,80EUROB Nr. 44
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