Süddeutsche Zeitung - 21.02.2020

(Barré) #1
D

er Konservatismus befindet sich
derzeit in der Krise. Ein Teil die-
ser Krise könnte das Selbstver-
ständnis einiger konservativer
Männer sein. Wie sie nun in einer Reihe
stehen, als wäre naturgemäß ihr Platz
ganz vorn: der frisch aus der Wirtschaft ge-
flohene Friedrich Merz, der angeblich
jung und dynamisch wirkende Jens Spahn
oder der eher altväterlich auftretende Ar-
min Laschet. Nun zaubert sich auch Nor-
bert Röttgen selbst aus dem Hut, sodass
wirklich jeder versteht: Angela Merkel
konnte ihre Partei für den Feminismus
nicht öffnen. Es gelang ihr zwar während
ihrer Kanzlerschaft, die CDU-Männer in
Schach zu halten – langfristig aber für
Frauenförderung zu sorgen, gelang ihr of-
fenbar nicht. So sind etwa im 23-köpfigen
Bundesvorstand der Jungen Union nur
sechs Frauen zu finden.
Es fehlen Kandidatinnen. Und wenn ein
Anwärter wie Friedrich Merz meint, er
müsse angesichts des OrkantiefsSabine
fragen, weshalb Sturmtiefs Frauennamen
tragen, dann verkennt er offensichtlich:
Der politische Erfolg einer Volkspartei
hängt maßgeblich auch von ihrem Um-
gang mit Frauen ab. Wählerinnen und
Wähler beobachten das Gebaren der Politi-
ker genau. Die Glaubwürdigkeit einer de-
mokratischen Partei leidet, wenn Frauen
nur noch in der zweiten oder dritten Reihe
stehen.
Was gegenwärtig von einigen konserva-
tiven Politikern verkörpert wird, ist eine
spezifische Form jenes Phänomens, das
heute von manchen Beobachtern „toxi-
sche Männlichkeit“ genannt wird. Sie bele-
ben Männerbilder und Verhaltensweisen
wieder, die viele als unzeitgemäß empfin-
den. Weshalb aber sind Männer wie Merz
und Spahn, aber auch Philipp Amthor
oder der Chef der Jungen Union, Tilman
Kuban, in einem Männerbild gefangen,
mit dem sie Gefahr laufen, im 21. Jahrhun-
dert als Karikatur der Achtziger-Jahre-
Männerbünde zu Zeiten Helmut Kohls
wahrgenommen zu werden?
Amthor meinte in dem neu erschiene-
nen Sammelband „Eine Politik für mor-
gen. Die junge Generation fordert ihr poli-
tisches Recht“ einen Vorstoß zum Thema
Leitkultur machen zu müssen. Beim Le-
sen fragt man sich, wo sich dieser junge
Konservative eine solche Realität zusam-
menbraut.
In seiner Generation hat mehr als jeder
Dritte einen Migrationshintergrund. Je-
der Dritte. Politik auf Augenhöhe? Nein.
Die gleichberechtigte Teilhabe eines jeden
Dritten spielt für Amthor keine Rolle. Er
landet bei seiner Analyse geradewegs bei
solchen Leerformeln wie der „Leitkultur“,
weil er das Aufblasen alter Inhalte für
Zukunft hält. Seine Thesen lassen nicht
auf einen verantwortungsvollen Politiker


schließen, der sich mit der Lebensrealität
unseres Landes gezielt auseinandersetzt.
Einige Konservative verfolgen zurzeit die
Strategie: Ich behaupte Stärke durch nor-
mative Vorgaben gegenüber Minderhei-
ten.
Auch Spahn, jung, angeblich fortschritt-
lich und dynamisch, bedient sich dieser
Strategie. Obgleich er durch seine eigene
sexuelle Identität als Homosexueller einer
Minderheit zugehört und Empathie für
Fragen der Emanzipation haben könnte,
profiliert er sich besonders bei frauenpoli-
tischen Fragen durch Bevormundung. Er
spricht offenbar häufiger mit Kirchenver-
treterinnen als mit Befürworterinnen kör-
perlicher Selbstbestimmung. Seit Spahn
Gesundheitsminister ist, hört man von
großen Erfolgen seines Ministeriums.
Doch selten zuvor waren die Stimmen von
Frauen, die sich über schlechte Zustände
in Kreißsälen oder den Mangel an Hebam-
men beschweren, so laut und verzweifelt
wie momentan.

Von Friedrich Merz ging diese Woche
ein Video um, das einen Auftritt mit seiner
Ehefrau zeigt: In der Öffentlichkeit er-
laubt Frau Merz es sich, einen Moment län-
ger zu stehen als ihr Gatte. Umgehend
zieht dieser an ihrer Hand, verweist sie auf
ihren Platz: Sitzt der Gatte, hat die Frau
nicht länger zu stehen. Bilder wie diese ge-
hen für gewöhnlich von Donald und Mela-
nia Trump um die Welt.
Das Video an sich wäre nicht der Rede
wert. Für Merz aber werden solche kleinen
Gesten deshalb peinlich, weil er sich
gleichzeitig nicht zu schade ist, unter dem
Deckmantel der Frauenrechte gegen die
wenigen Burkas in Deutschland zu wet-
tern. Auch hier meint ein Politiker Autori-
tät zu gewinnen, indem er sich von Minder-
heiten abgrenzt. Eine Erklärung hinge-
gen, weshalb er noch im Jahr 1997 gegen
die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der
Ehe stimmte, bleibt Merz schuldig.

Dieser Typus konservativer Politiker
findet derzeit nicht die angemessenen Mit-
tel, Antworten auf eine immer diverser
werdende Gesellschaft zu geben. Die Ant-
wort auf Diversität ist nicht Abwertung,
sondern Gestaltung und Vernetzung. Die
angemessene Reaktion auf Kritik ist Refle-
xion, nicht Überheblichkeit. Solch Geba-
ren aber findet in Deutschland keinen un-
geteilten Zuspruch. Als Merz im Stil von
Boris Johnson und Donald Trump jüngst
behauptete, der Journalismus sei heute
ohnehin verzichtbar, schlug ihm heftige
Kritik entgegen.
Konservative Männer müssten mehr
von Angela Merkel haben. Für eine plura-
listische Demokratie ist Autorität durch
Dominanz kein Erfolg versprechendes Mit-
tel. Was die konservativen Herren nicht
verstehen: Merkels Erfolg verdankt sich
gerade nicht ihrer Dominanz, sondern ih-
rer Fähigkeit, scheinbar unvereinbare Po-
sitionen, die mit dem Anspruch der Allge-
meingültigkeit vorgebracht werden, so
auszutarieren, dass die Kanzlerin zur bin-
denden, ausgleichenden Kraft wurde, die
eine Mehrheit hinter sich vereinen konn-
te. Das ist Merkels Stärke, für die sie welt-
weit geachtet wird.
Wer sich mit Sprüchen gegen Frauen
oder Minderheiten profiliert, wird in einer
aufgeklärten Gesellschaft keine Mehrheit
finden oder den Anspruch erheben kön-
nen, Volkspartei zu sein. Eine diverse Ge-
sellschaft will die Machtfrage nicht durch
autoritäre Dominanz gelöst sehen. Mag
sein, das spielt am Ende dem moderateren
Armin Laschet zu. Noch eindrucksvoller
und zukunftsträchtiger wäre jedoch, er
stellte sich als Mentor hinter eine Kandida-
tur von Serap Güler. Im Gegensatz zu man-
chen Kandidaten sitzt die Staatssekretä-
rin für Integration in NRW jetzt schon im
Bundesvorstand der CDU.

Zeitnot

Jagoda Marinić ist Schrift-
stellerin. Ihre Kolumne er-
scheint alle vier Wochen
freitags an dieser Stelle.

DEFGH Nr. 43, Freitag, 21. Februar 2020 (^) MEINUNG HF2 5
BILD: ULRIKE STEINKE
Mann kann
In der CDU drängen gerade ausschließlich Herren
nach vorn. Eine Volkspartei aber muss sich glaubhaft
auch um Frauen bemühen, um erfolgreich zu sein
VON JAGODA MARINIĆ
STEINKES ANSICHTEN
Vorbei sind die Zeiten, in denen
sich Probleme mit autoritärer
Dominanz lösen ließen


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