Focus - 22.02.2020

(Sean Pound) #1
LEBEN

104 FOCUS 9/2020

D


er Mann hat Ner-
ven: Er schleppt
einen riesigen Sack
Kunststofftüten mit,
ausgerechnet auf
die Malediven, ein
Land, das unter der
Verschmutzung durch Plastik-
abfall besonders leidet. Aber
genau darum geht es dem süd-
afrikanischen Künstler. Müll ist
sein Motiv. Mbongeni Buthelezi
malt mit Müll. Besser gesagt,
er schmilzt Plastikfetzen zu
schillernden Farbschichten. Sie
leuchten raffiniert in seinen Por-
träts und Unterwasserlandschaf-
ten. Mit seinen Bildern möchte
der 53-Jährige den „Menschen bewusst
machen, wie sehr sie die Umwelt zerstö-
ren, wenn sie achtlos Plastik wegschmei-
ßen“. Er kämpft mit Schönheit gegen die
Vermüllung der Ozeane.
Auf den Malediven ist das ein großes
Thema. Der Inselstaat besteht vor allem
aus Wasser und rund 1200 Eilanden.
Nur 220 davon sind von Einheimischen
bewohnt, weitere 144 sind zu Touris-
ten-Resorts ausgebaut. Von den zahlen-
den Feriengästen lebt das muslimische
Land – rund ein Drittel des Bruttoinlands-
produkts erwirtschaftet der Tourismus.
Die Schattenseite davon ist: Jeder Urlau-
ber produziert gut dreimal so viel Müll
wie ein Malediver. Immer mehr Strohhal-
me, Einmalbesteck, Einkaufstüten oder
Flaschen landen im Meer und zerstören
das empfindliche Ökosystem.

Die Insel ist weitgehend plastikfrei
Auf einer Nordatoll-Insel setzt ein male-
divisches Familienunternehmen dage-
gen ein Zeichen. Sie luden den Künstler
Mbongeni Buthelezi aus Johannesburg
nach Coco Bodu Hithi ein. Der Südafri-
kaner zeigte den Gästen des Resorts vier
Wochen lang, wie man aus Plastiktüten
Bildschönes schafft. Und weil die Insel
weitgehend plastikfrei sein will, musste
er sein Material eben selbst einfliegen.
Auch die meisten Bilder, die im Hotel aus-
gestellt waren, brachte er mit. Zu lang-
wierig ist die Fertigstellung. Für manche
Motive braucht er Monate. Dafür kam
zur Eröffnung der maledivische Umwelt-
minister Hussain Rasheed Hassan.
Auch der Politiker durfte, wie zuvor
die Hotelgäste, selbst Hand anlegen an
die Kunst. Der Künstler reichte ihm eine
Heißluftpistole und in Streifen geschnit-

tene blaue und schwarze Kunststoffverpa-
ckungen. Das erhitzte, aufgeweichte Plas-
tik sollte der Minister in Fäden über die
Leinwand ziehen, mal mehr, mal weniger
schnell. Aber wer ungeübt ist und zu sehr
an dem Plastik zieht, verbrennt sich leicht
die Finger. Hassan gab schnell auf und
lobte stattdessen das Umwelt-Engage-
ment Buthelezis, der in seiner Heimat
Johannesburg berühmt dafür ist, dass er
Plastikmüll von der Straße aufliest. Blaue
Müllsäcke schmilzt er zu Swimmingpool-
blau, Tüten mit rotem Coca-Cola-Auf-
druck verwandelt er in Sonnenaufgänge.
„Nurture“ heißt das Programm, mit
dem das Hotel Künstler fördert, die ihr
Können mit den Themen der Insel ver-
binden. Der Südafrikaner Mbongeni Bu-
thelezi ist der erste, der vor Ort arbeitet.
Er fühlt sich verantwortlich, „etwas gegen
die Plastikflut zu tun“, sagt er. „Ich möch-
te ein Spiegel für die Gesellschaft sein.“
Seine dekorativen Plastikcollagen,
Porträts schwarzer Südafrikaner und die

neue Wasserlandschaft mit Del-
finen und Fischen passen gut
ins 5-Sterne-Ferienparadies.
„Wir setzen vermehrt auf
nachhaltigen Luxustourismus“,
sagt Malu Hilmy, Marketing-
Leiterin und eine der Inhaberin-
nen der Anlage. Die Insel Coco
Bodu Hithi ist nicht groß, aber
grün. Ein 550 mal 250 Meter
kleines Eiland mit 100 Villen in
vier Kategorien und allem, was
sich die Honeymooner, Taucher,
Schnorchler und anderen Gäste
von einem Luxusurlaub erträu-
men: Strandhäuser mit Privat-
sphäre direkt am Meer, riesige
Escape-Water-Residenzen auf
Stelzen im Wasser samt Himmelbett,
Bad mit Außendusche, eigenem Infinity-
Pool und 24-Stunden-Butler-Service. Vier
Restaurants bieten internationale Küche,
es gibt Live-Cooking-Abende, ein Spa,
ein Sportcenter und ein Fitnessstudio
über dem türkisblauen Wasser, in dem
auch mal junge Schwarzspitzenhaie vor-
beischwimmen.

Eine Meeresbiologin allein für das Hotel
Wer hier mit dem Boot ankommt, wird mit
den Worten „Willkommen im Paradies“
begrüßt. Im kühlen Kokosnussdrink steckt
ein Papierstrohhalm mit aufgedrucktem
Schildkrötendekor. Die Hotelgruppe hat
eine Meeresbiologin engagiert, die den
Zustand des Riffs und das schützende
Meeresschilf regelmäßig untersucht. In
seinem zweiten Resort auf Coco Palm
eröffnete das Familienunternehmen 2017
das einzige Schildkrötenrettungszentrum
auf den Malediven – begleitet von einer
auf die sanften Meeresreptilien speziali-
sierten Tierärztin, die verletzte Tiere dort
sogar operiert, bevor sie wieder in die
Freiheit entlassen werden.
Luft und Wasser sind hier stets gleich
warm, durchschnittlich 30 Grad. Es ist eine
feuchte Hitze, wer kann, geht lieber gleich
ins Wasser zum Schnorcheln. Das Hausriff
liegt vor der Tür. Morgens und abends ist
die Unterwasserwelt am schönsten, wenn
sich Fische und Schildkröten zum Greifen
nah dort tummeln. Diese Mischung aus
Adrenalin und Endorphinen macht das
Erlebte unvergesslich. Die Natur ist ein
wichtiger Bestandteil und Wohlfühlfaktor.
Die Gäste-Apartments verstecken sich
hinter Palmen, exotische Wälder sorgen
fürs Dschungelgefühl. Früher wuchsen
nur Kokospalmen auf der kleinen Insel.

Müll ist sein Motiv
Der Südafrikaner Mbongeni Buthelezi schafft
aus erhitztem Plastik Gemälde – die Gäste des
„Coco Bodu Hithi“-Hotels durften mitwirken
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