Die Welt - 05.03.2020

(Joyce) #1

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05.03.20 Donnerstag,5.März2020DWBE-HP


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DIE WELT DONNERSTAG,5.MÄRZ2020 FORUM 3


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D


ie Deutschen decken sich ein.
Mit Essen aus der Konserve, mit
Nudeln, mit Mehl. Um autark
sein zu können, im Coronafall der Fälle.
Das kann man verstehen angesichts der
mehr als 3000 Toten, die das Virus
schon gefordert hat. Und es ist auch
nicht weiter problematisch, sagt jeden-
fffalls der Einzelhandel, sagen jedenfallsalls der Einzelhandel, sagen jedenfalls
die Lebensmittelhersteller: Engpässe,
soweit sie denn entstehen, würden vorü-
bergehender Natur sein, die Kapazitäten
sind groß genug, um die Regale schnell
wieder zu füllen. Anders ist das schon
mit den Desinfektionsmitteln und Atem-
masken, die erst ausverkauft waren und
nun offenbar mancherorts, etwa in
Krankenhäusern, auf mysteriöse Weise
verschwinden. Sie fehlen dann aus-
gerechnet jenem medizinischen Per-
sonal, das sie für sich selbst im Zweifel
am nötigsten braucht.
Nachrichten wie die vom Desinfekti-
onsmittelklau lassen zweifeln, ob der
soziale Kitt noch dick genug ist, um eine
Gesellschaft wie die deutsche wider-
standsfähig zu machen gegen Krisen wie
die Coronaepidemie. Wobei noch immer
kein Anlass zur Sorge bestünde, wenn
wenigstens die Politik die Nerven behal-
ten würde. Tut sie aber nicht. Deutsche
AAAtemmasken den Deutschen, hat dertemmasken den Deutschen, hat der
Krisenstab der Bundesregierung gerade
beschlossen. Es wird ein ziemlich strik-
tes Exportverbot verhängt, bis auf Wei-
teres wird es einfacher sein, Panzer
auszuführen als Atemmasken. Tags zu-
vor hat bereits Frankreichs Präsident
Emmanuel Macron angeordnet, alle
Schutzmasken zu beschlagnahmen und
die zu ihrer Herstellung benötigten
Maschinen gleich mit.
WWWas immer die beteiligten Politikeras immer die beteiligten Politiker
damit bezwecken: Geeignet, beschwich-
tigend auf die verstörte Bevölkerung zu
wirken, sind solche regierungsamtlichen
Pendants des klassischen Hamsterkaufs
ganz sicher nicht. Und was noch viel
schlimmer ist: Sie zerstören die Hoff-
nung darauf, dass der Kampf gegen Co-
rona einer wird, zu dem sich die Welt-
gemeinschaft zusammenschließt. Wenn
selbst Deutschland und Frankreich re-
ffflexartig in eine Ich-zuerst-Politik nachlexartig in eine Ich-zuerst-Politik nach
dem Vorbild des America-first-Präsiden-

ten verfallen, ist an einen internationa-
len Ansatz nicht zu denken.
WWWarum, kann man fragen, sollten sicharum, kann man fragen, sollten sich
die Putins, Erdogans und Bolsonaros
dieser Welt unter diesen Umständen
engstirnig definierte nationale Interes-
sen einem kooperativen Vorgehen unter-
ordnen? Indien, regiert von dem Hindu-
nationalisten Modi, hat gerade schon
den Export von mehr als zwei Dutzend
im Land en gros produzierten Medika-
menten und pharmazeutischen Grund-
stoffen beschränkt, darunter auch diver-
se Antibiotika.
Und es geht ja auch nicht um Atem-
masken (die nach Einschätzung von
Experten ohnedies nur einen begrenzten
Schutz vor dem Virus bieten). Auch
sonst ist von internationaler Koordinati-
on wenig zu sehen. Eine gemeinsame
Erklärung der G-7-Finanzminister und


  • Zentralbankchefs gab es zwar am Mon-
    tag, doch die enthielt schon das Einge-
    ständnis, dass am Ende jeder seines
    eigenen Glückes Schmied sein wolle.
    ZZZwei Stunden später nur verlor die ame-wei Stunden später nur verlor die ame-
    rikanische Federal Reserve die Fassung,
    sie senkte den Leitzins drastisch – was
    den Dollar schwächte und so die ande-
    ren großen Notenbanken unter Druck
    setzte. Was an dieser Front passiert,
    wenn sich die Coronaängste tatsächlich
    materialisieren, mag man sich gar nicht
    vorstellen.
    Es muss nicht so sein. Und es war
    auch nicht immer so. Im Oktober 2008
    etwa, nach der Pleite von Lehman
    Brothers. Hätten die Bürger damals auch
    nur ihre Girokonten geräumt, das Welt-
    fffinanzsystem wäre unter einem solcheninanzsystem wäre unter einem solchen
    „Bank run“ sofort kollabiert. Doch die
    Bürger, in Deutschland und anderswo,
    verkniffen sich die Flucht ins Rette-sich-
    wer-kann.
    Und die Politik tat es ihnen nach. Im
    November 2008 versammelten sich die
    G-20-Staaten und gelobten, gemeinsam
    gegen die Finanzkrise vorzugehen und
    eine protektionistische Beggar-thy-
    Neighbor-Politik zu unterlassen. Sie
    hielten sich nicht ewig daran – aber
    lange genug, bis die Weltwirtschaft wie-
    der Fuß gefasst hatte. Gut elf Jahre
    später ist von derlei Weltbürgersinn
    nicht mehr viel übrig.
    Gefährlicher als das Virus ist die
    Angst vor ihm, heißt es immer wieder.
    Das mag stimmen oder auch nicht. Mit
    Egoshooter-Mentalität aber wird beidem
    kaum beizukommen sein: der Angst
    nicht, und dem Virus auch nicht.


AAAtemmasken-Protektionismus temmasken-Protektionismus


KOMMENTAR


OLAF GERSEMANN


[email protected]


S


o weit ist es schon gekommen:
Man muss sich über die Wieder-
wahl von Bodo Ramelow als Mi-
nisterpräsident freuen. Denn da-
mit findet ein Trauerspiel ein vor-
läufiges Ende, das ganz Deutsch-
land wochenlang entsetzt hat und
den kleinen Teil der Weltöffentlichkeit, der sich für
unser Land interessiert, irritiert, ja sogar verstört
hat. Es war freilich ein Ende mit Schrecken: 70
Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus, 30
Jahre nach dem Ende des Sozialismus konnte sich
ein deutscher Landtag nur zwischen einem völki-
schen „Sozialpatrioten“ und einem Vertreter der
mehrfach umbenannten DDR-Diktatur-Partei ent-
scheiden. Was für ein Desaster!
Man möchte schreiben, dass Thüringen – ei-
gentlich seit der Wende eine kleine, aber besonders
feine ostdeutsche Erfolgsgeschichte – dies nicht
verdient habe. Aber es stimmt leider nicht: Zwi-
schen Apolda und Suhl haben die Wähler zum ers-
ten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik
Mehrheiten jenseits der Extreme unmöglich ge-
macht. Dies ist weder entschuldbar mit vermeint-
lich entwerteten beruflichen Biografien in der
Transformation der Nachwende-Zeit noch mit
gefühlter Ohnmacht im deutschen Flüchtlings-
herbst 2015 – nichts dergleichen rechtfertigt die
Wahl von Sozialisten oder Völkischen. Wer in Thü-
ringen die AfD gewählt hat, beschädigte mutwillig
unsere Demokratie. Wer die Linke wählte, nahm
diese Beschädigung mangels Einsicht oder mutwil-
lig in Kauf.
Die Aufgabe, vor der die politische Mitte stand,
war schwierig. Dennoch erstaunt im Rückblick, wie
vollständig eine ganze nicht nur landespolitische
Klasse mit ihr wochenlang überfordert war. Ein
Hütchenspielertrick der AfD reichte aus, um Libe-
rale und Christdemokraten für einen Moment an
ihre Seite zu bringen. Eine Fünf-Prozent-Partei
stellte den Ministerpräsidenten, der sein so er-
langtes Amt niemals hätte annehmen dürfen, es
einen Tag später zurückgab und nicht einmal ge-
schäftsführend weiterregierte. Diese Farce kostete
Annegret Kramp-Karrenbauer, die sie nicht ver-
hindern konnte, die Chance auf die Kanzlerschaft.
Christian Lindner macht weiter, aber er wird sehr
lange brauchen, um das Vertrauen zurückzugewin-
nen, das die FDP in Erfurt verloren hat.
Ein paar Wochen stand sogar die infame Idee im
Raum, dass die Christdemokraten, die tölpelhaft
mitder AfD stimmten, nun auch noch bewusst für
die Linke stimmen sollten. Nur mit christdemokra-
tischen Stimmen im ersten Wahlgang wollte Bodo
Ramelow ins Amt kommen. Zur Wahrheit gehört
leider auch, dass solche Überlegungen aus dem
Koalitionsausschuss Angela Merkels zumindest

befeuert wurden. Ramelows Landesvorsitzende
schwadronierte zeitweise sogar, Abgeordnete müss-
ten ihre geheime Wahl „dokumentieren“.
Gott sei Dank ist Ramelow, der vor lauter Er-
griffenheit über die eigene Person ein paar Wochen
lang nicht mehr auf das erhebliche strategische
Geschick seines Umfelds hörte, in allerletzter Se-
kunde doch noch vernünftig geworden. Erst am
Mittwoch räumte er die unhaltbare Position, die
CDU müsse ihn mitwählen, und akzeptierte
schließlich die relative Mehrheit des dritten Wahl-
gangs. Gut so: Dieser Ministerpräsident muss er-
tragen, dass er keine eigene, echte Mehrheit in
seinem Landtag hat, sondern nur eine Mehrheit
zweiter Klasse. Ramelow wird von den Bürgerli-
chen nur geduldet, weil die Alternative – die AfD
Björn Höckes – noch schlimmer ist. Dass dafür mit
einem sogenannten „Stabilitätsmechanismus“ eine
Form gefunden wurde, die eine punktuelle Zu-
sammenarbeit mit Rot-Rot-Grün regelt, ist für die
Christdemokraten schmerzhaft, aber richtig. Das
Ziel, auf diese Weise künftig Zufallsmehrheiten mit
der AfD zu vermeiden, ist wichtiger.
Nicht, weil die Linke in der Mitte unserer Gesell-
schaft angekommen wäre. Das ist sie nicht. Außen-
politisch hat sie bis heute nicht zur Westbindung
gefunden, und sie wird sogar wieder stärker von
Irrlichtern geprägt, bei denen ein „Antiimperialis-

mus“ in offene Kumpanei mit Diktatoren und Auto-
kraten übergeht. Klimapolitisch propagiert sie
radikalste Maßnahmen, will aber aus sozialen
Gründen kein wirksames Preissignal für CO 2 ak-
zeptieren. Migrationspolitisch propagiert sie offene
Grenzen, hatte aber bis vor Kurzem eine Fraktions-
vorsitzende, die Demonstrationen dagegen organi-
sierte. In keinem der aktuell zentralen Politikfelder
macht sie ein seriöses Angebot.
Und auch das bleibt wahr: Deutschlands Post-
kommunisten haben sich nach der friedlichen Re-
volution bewusst gegen einen totalen Neuanfang
entschieden und lieber die SED umbenannt. Zwar
sind die Verbrechen des Stalinismus und seiner
Ausläufer parteiintern aufgearbeitet worden. Wel-
chen historischen Schrott die Linke jedoch nach
wie vor mit sich herumschleppt, konnte man erst
in dieser Woche wieder beobachten: Parolen von
„Erschießungen“ von Reichen werden sogar vom
Parteivorsitzenden Bernd Riexinger mit Witzchen
über Zwangsarbeit beantwortet.
Diese Linke ist eine Zumutung. Aber Angst
macht sie nicht – seit Langem nicht mehr. Schon
die historische KPD, die eine Vernichtung der Wei-
marer Republik wollte, statt sie zu verteidigen, war
nie so gefährlich, wie ihr präpotentes und im
Kampf gegen die Nazis kontraproduktives Revoluti-
onsgedröhn vorgaukelte – als „Schafe im Wolfs-
pelz“ hat der Historiker Sebastian Haffner die
Kommunisten der 30er-Jahre treffend bezeichnend.
Ein Bernd Riexinger hingegen ist nicht einmal das,
sondern nur die schwäbelnde Karikatur eines
Schafs im Wolfspelz. Der Gedanke an einen Riexin-
ger raubt – außer vielleicht seinen vor Scham ver-
gehenden Genossen vom Realo-Flügel – nieman-
dem den Schlaf.
Das ist bei einem Björn Höcke leider ganz an-
ders. Auch die phasenweise wie Goebbels-Imi-
tationen klingenden Reden des AfD-Führers böten
reichlich Futter für Spott. Aber das Lachen ist uns
längst vergangen. Höckes Denunziation der Auf-
arbeitung der deutschen Geschichte, vor allem aber
sein aggressiver Fremdenhass finden ein Echo,
nicht nur in den finstersten Ecken des Netzes. Sie
tragen zu einem Klima bei, in dem Familien mit
kurdischen oder türkischen Wurzeln um die Zu-
kunft und sogar die körperliche Unversehrtheit
ihrer Kinder fürchten. Auch aus den jüdischen
Gemeinden werden solche Sorgen artikuliert – eine
besondere Schande für unser Land.
Und die Hetze von Höcke und anderen aus der
AfD geschieht in einer Zeit, in der Shisha-Bars,
Moscheen und Synagogen tatsächlich Ziel von An-
griffen werden und Ausländer und Deutsche be-
sonderer Herkunft sogar ermordet werden, zuletzt
in Hanau oder Halle. Selbst diese Taten haben
Politiker der AfD nur in wenigen Einzelfällen dazu
gebracht, ihre Rhetorik und ihre Propaganda zu
überdenken. Höcke und seine Spießgesellen schei-
nen die mit der Polarisierung unserer Gesellschaft
einhergehende Gewalt in Kauf zu nehmen.
Dies ist ein Unterschied zur Linken, ein wesent-
licher. Deshalb war es richtig, dass die CDU die
Wahl von Ramelow mit ihren Enthaltungen letzt-
lich möglich machte. Aber schon heute muss die
Politik nicht nur in Ostdeutschland anders werden,
damit die politische Mitte Vertrauen zurückge-
winnt. Vor der Wahl, einen Linken zu tolerieren
oder mit der AfD zu stimmen, sollten Abgeordnete
der Mitte kein zweites Mal stehen.
[email protected]

Die Blamage


von Thüringen


Mit der Wiederwahl


von Bodo Ramelow


endet ein Trauerspiel.


Eine überforderte


politische Klasse


diskreditiert eine


echte ostdeutsche


Erfolgsgeschichte.


Das darf sich nicht


wiederholen


In keinem der aktuell zentralen


Politikfelder macht die Linkspartei


ein seriöses Angebot


LEITARTIKEL


ǑǑ


ROBIN ALEXANDER


LESERBRIEFE


Würde


Zu: „Verfassungsgericht kippt
Verbot von organisierter
Sterbehilfe“ vom 27. Februar

Die Entscheidung des Bundesver-
fassungsgerichts lässt mich entspann-
ter in die Zukunft schauen. Dies auch,
weil ich derzeit regelmäßig eine enge
Angehörige in einem Seniorenheim
besuche und erleben muss, wie gera-
de Menschen mit Demenz dort leben
und auch durch bestehenden Per-
sonalmangel oft vernachlässigt wer-
den. Wir müssen Sterbehilfe salon-
fähig und straffrei machen, sodass
Menschen die Möglichkeit erhalten,
selbst zu entscheiden, wann ihr Le-
ben enden soll. Nach aktuellen Prog-
nosen fehlen künftig Zehntausende
von Pflegekräften. Ich denke, dass

diese gerichtliche Entscheidung auch
unter diesem Aspekt so gefasst wur-
de. Auf jeden Fall ist es ein großer
Schritt dahin, Menschen in Würde
altern und sterben zu lassen.

HEINER M. LEUKEL, DORSTEN


Bedrängte Christen


Zu: „Jetzt ist durch die Türkei
alles zu Ende“ vom 26. Februar

Ich glaube fast, dass die WELT hier
Fake News verbreitet, indem sie als
einziges Medium davon berichtet,
dass die Türkei unter Erdogan den
letzten Christen in Syrien massenhaft
den Garaus macht. Wo sonst ist da-
von zu hören? Keine andere Zeitung,
keine „Tagesschau“ berichtet davon,
keine politische Stimme aus Berlin ist

zu hören. Nicht einmal die Kirchen
hier bei uns erheben die Stimme.
Erdogan ist offensichtlich sakrosankt.
Er will in die christlich geprägte EU,
er ist Teil der Wertegemeinschaft der
Nato, er fordert für seine türkischen
Bürger hier alle Rechte in Glaubens-
fragen, er fördert den moslemischen
Glauben hier mit Ditib-Moscheen.

Wir sollen die religiösen Symbole wie
Kopftuch und Burka tolerieren, und
er macht den Christen das Leben
schwer. Nein, liebe WELT, das kann
ich nicht glauben. Denn wenn das so
wäre, gäbe es hier Protestmärsche.
Aber hier ist alles ruhig. Seltsam.

GÜNTER FONTIUS, MALENTE


Wertschätzung


Zu: „Die Beste seit Willy“
vom 18. Februar

Bereits den Titel des Artikels fand ich
wohltuend. Hier wird endlich mit
einer lange vermissten Wertschät-
zung über die Bundeskanzlerin ge-
schrieben. Vielen Dank dafür, an
Herrn Yücel und die Redaktion.

ZSUZSA VACZI, WELT-COMMUNITY


Ihre Post an:
DIE WELT, Brieffach 2410, 10888 Berlin,
Fax: (030) 2591-71606, E-Mail: [email protected]

Leserbriefe geben die Meinung unserer Leser


wieder, nicht die der Redaktion. Wir freuen
uns über jede Zuschrift, müssen uns aber das
Recht der Kürzung vorbehalten. Aufgrund der
sehr großen Zahl von Leserbriefen, die bei
uns eingehen, sind wir leider nicht in der Lage,
jede einzelne Zuschrift zu beantworten.

V


or zwölf Jahren bin ich das letzte
Mal über die bezaubernde Lö-
wenbrücke im Berliner Tiergar-
ten gelaufen. Sie bildete immer den
AAAbschluss meiner Joggingstrecke. 2008bschluss meiner Joggingstrecke. 2008
wwwurde sie wegen Baufälligkeit gesperrt,urde sie wegen Baufälligkeit gesperrt,
seitdem umkurve ich sie und frage mich
jedes Mal, wann es die Berliner Ver-
waltung hinbekommt, dieses nur 17
Meter lange, aber außergewöhnliche
Bauwerk von 1839 wiederherzustellen.
Zu beiden Seiten eines Wasserlaufs
halten jeweils zwei gusseiserne Löwen
des Bildhauers Christian Daniel Rauch
Metallseile im Maul, an denen ein höl-
zerner Übergang hängt. Die Löwen-
brücke war ein Vorzeigeprojekt der
gerade gegründeten Borsig’schen Eisen-
gießerei. Sie ist die älteste Drahtseilhän-
gebrücke Deutschlands und die letzte
erhaltene Hängebrücke Berlins.
Jahrelang geschah nichts. Dann teilte
die Senatsverwaltung für Stadtentwick-
lung mit, dass ein denkmalgerechter
Neubau mit einem Baubeginn im Jahre
2 014 in der Investitionsplanung des
Landes „angemeldet“ sei. Aber das Ein-
zige, was 2014 passierte, war der Abriss
der Brücke. Auf eine Kleine Anfrage der
Linken erklärte die Senatsverwaltung ein

Jahr später, dass alle Planungen zum
Neubau der Löwenbrücke wegen Per-
sonalmangels im Amt unbefristet zu-
rückgestellt wurden. Jetzt gibt es end-
lich ein neues Datum. 2022 soll es mit
der Instandsetzung losgehen, heißt es.
Erwartete Kosten: 700.000 Euro.
Ein Schnäppchen, wenn man an die
Mittel und den Planerehrgeiz denkt, die
vor Jahren in die „Begegnungszone Maa-
ßenstraße“ in Schöneberg investiert
wwwurden. Die Fahrbahn machte manurden. Die Fahrbahn machte man
schmaler, Parkplätze fielen weg, bunte
Betonpoller wurden aufgestellt und
unbequeme Metallbänke, die im Sommer
glühend heiß wurden und im Winter zu
kalt waren. Außerdem missachtete man
die Richtlinien der Feuerwehr für die
Sicherheit der Häuser. Umbau und Pla-
nungsarbeiten kosteten 1,3 Millionen
Euro. Es hagelte Kritik von allen Seiten,
und der modische Verkehrskindergarten
wwwurde nie angenommen. Ungewöhnlichurde nie angenommen. Ungewöhnlich
deutlich kommentierte der Regierende
Michael Müller: „Das ist so großer Käse,
dass daraus gelernt wurde.“
Deshalb will man jetzt alles noch
einmal ganz neu planen. Die Begeg-
nungszone sei „zu unübersichtlich“
gewesen, sagt die Landschaftsarchitek-
tin, Ziel müsse „eine eindeutige An-
ordnung sein, damit sich Autofahrer,
Radfahrer und Fußgänger zurechtfin-
den“. Für den zweiten Umbau könnten
dann noch einmal bis zu drei Millionen
Euro fällig werden.
Man muss eben Prioritäten setzen.

Ganz großer Käse


PLATZ DER REPUBLIK


RAINER HAUBRICH


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