Der Spiegel - 07.03.2020

(Ben Green) #1
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Neue Kerle


braucht das Land


Der deutsche Schauspieler
Jannis Niewöhner, 27,
wünscht sich im deutschen
Kino mehr Heldenrollen.
Der in Berlin lebende Jung-
star, der im Kino dieser
Tage in der Hermann-Hesse-
Verfilmung »Narziss und
Goldmund« den lebensfro-
hen Burschen Goldmund
verkörpert und im April in
der Fernsehadaption des
Siegfried-Lenz-Romans »Der
Überläufer« zu sehen sein
wird, würde auch gern in
einem Actionfilm mitspielen,
erzählte er dem SPIEGEL.
»Figuren können überlebens-
groß und doch komplex sein.
Ich sehe da keinen Wider-
spruch.« Die Kinoleinwand


sei eine »Projektionsfläche
für Sehnsüchte«, doch leider
fehle deutschen Regisseuren
und Produzenten oft der
Mut, Actionfilme über kerni-
ge Frauen oder Männer in
Angriff zu nehmen. In der
Rolle des Goldmund wird
Niewöhner zwar eher ver-
droschen, statt selbst auszu-
teilen, aber immerhin darf
er eine Augenklappe tragen
und fast so verwegen drein-
schauen wie Brad Pitt. Ge -
rade hat Niewöhner mit
den Dreharbeiten der Kino-
adaption von Thomas
Manns Roman »Bekennt -
nisse des Hochstaplers
Felix Krull« begonnen und
verkörpert darin den Titel-
helden – der sich freilich
mehr durch Einfallsreichtum
als durch dicke Muskeln aus-
zeichnet. LOB

Die Frau mit der


Kamera


Die syrische Journalistin
Waad al-Kateab,29, doku-
mentierte fünf Jahre lang ihr
Leben und die Geburt ihrer
Tochter Sama während des
Krieges in ihrem Land. Aus
den mehr als 500 Stunden
Material, das sie teilweise mit
ihrem Smartphone aufnahm,
produzierte sie zusammen
mit dem britischen Filme -
macher Edward Watts die
Dokumentation »Für Sama«.
Das überaus eindringliche
Werk gewann bereits mehr

als 50 internationale Preise,
war in diesem Jahr für einen
Oscar nominiert und läuft
nun auch in den deutschen
Kinos. Al-Kateab und ihr
Mann, ein Arzt, blieben im
belagerten Aleppo, bis die
Stadt im Dezember 2016 eva-
kuiert wurde. Sie trotzten
dem syrischen Regime, indem
sie seine Verbrechen doku-
mentierten und die Opfer in
einem provisorischen Kran-
kenhaus versorgten. Im Hin-
tergrund sind immer wieder
die Einschläge der Bomben
und das Weinen der Men-
schen zu hören, die Angehöri-
ge verloren haben. »Was die

Zuschauer auf der Leinwand
sehen, ist keine Geschichte
aus der Vergangenheit«, sagt
al-Kateab, die inzwischen mit
ihrer Familie in London lebt,
dem SPIEGEL. »Das Gleiche
passiert in diesem Moment
auch in Idlib.« Durch die
andauernden Kämpfe in der
Provinz nahe der türkischen
Grenze wurden erneut Hun-
derttausende Syrer vertrie-
ben. Al-Kateabs Botschaft an
den Westen ist klar: »Diese
Menschen brauchen Hilfe.«
Sie reist mit ihrem Film nun
von Premiere zu Premiere,
um aus der Ferne für ihr Land
zu kämpfen.CTO

Ein Schläfchen


in Ehren


Der aus Neuseeland stam-
mende Schauspieler und
Regisseur Taika Waititi, 44,
der im Februar für sein Dreh-
buch zu dem Film »Jojo Rab-
bit« einen Oscar gewann,
hat eine seltsame Angewohn-
heit: Bei Preisverleihungen,
auf roten Teppichen oder in
Talkshows schläft er schon
mal ein – oder er stellt sich
schlafend wie bei der Oscar-
verleihung 2005, als er für
einen Kurzfilm nominiert
war und ihn Fernsehkameras
scheinbar weggedöst auf
seinem Sitz erfassten. Später

erklärte er, alle Nominierten
hätten sich schlafend stellen
sollen. Nun unterstützt
Waititi, der gerade an dem
Fußballfilm »Next Goal
Wins« arbeitet und sich mit
anarchistischer Freude als
Hollywoods Enfant terrible
gibt, einen Twitter-Account
mit Schnappschüssen, die
ihn schlafend zeigen. Freun-
de und Kollegen wie Mark
Ruffalo haben schon Fotos
geschickt. Mit der lustigen
Aktion setzt Waititi ein
Zeichen und macht deutlich,
dass sich in der ständig
hyperventilierenden Un -
terhaltungsbranche alle
mal etwas mehr entspannen
sollten. LOB

SHUTTERSTOCK

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JOHN LOCHER / AP / PICTURE ALLIANCE
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