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Stuttgarter Oper
Neues
Milliardengrab?
Der Bund der Steuerzahler
in Baden-Württemberg warnt
vor überzogenen Ausgaben
für die Sanierung der Stuttgar-
ter Oper. Nach Schätzungen
von Stadt und Land wird es
bis zu eine Milliarde Euro
kosten, den historischen Bau
zu erneuern und zu erweitern.
»Eine zusätzliche Veranstal-
tungsstätte oder aber ein
wesentlicher städtebaulicher
Impuls wird nicht ausgelöst«,
kritisiert der Landesvorsitzen-
de der Steuerzahler, Zenon
Bilaniuk, in einer unveröffent-
lichten Stellungnahme. »Das
erscheint etwas mager für eine
Milliarde Euro.« Die Steuer-
mittel fehlten dann etwa für
die »Schaffung bezahlbaren
Wohnraums«. Er habe Sorge,
»dass die vorliegenden Sanie-
rungspläne die Bevölkerung
entzweien könnten«. Die
Oper sei erhaltenswert, werde
jedoch »letztendlich von
einem verschwindend gerin-
gen Teil der Bürger genutzt«.
Der Verbandsvertreter sollte
seine Position diese Woche
bei einem Bürgerforum vortra-
gen, für das eine von der Lan-
desregierung beauftragte
Agentur auch 40 zufällig aus-
gewählte Bürger eingeladen
hatte. Nach zahlreichen Absa-
gen musste das grün geführte
Staatsministerium den Termin
verschieben. Das Verfahren
sei ohnehin »eine Farce, die
offenbar lediglich dazu dienen
soll, den Durchmarsch für
die vorliegenden Milliar -
denpläne abzusichern«, kriti-
siert der Verein Aufbruch
Stuttgart, der alternative Plä-
ne vorgelegt hat. Steuerzahler-
vertreter Bilaniuk regt statt-
dessen einen kommunalen Bür -
gerentscheid an, »der die
Sanierung legitimieren würde
oder eben nicht«. FRI
Antisemitismus
Regierung wehrt
Uno-Rüge ab
Die Bundesregierung hat
eine Rüge aus dem Büro des
Hohen Kommissars der Ver-
einten Nationen für Menschen-
rechte zurückgewiesen. Fünf
Uno-Sonderberichterstatter
hatten im Oktober den
Beschluss des Bundestags
gegen die antiisraelische BDS-
Bewegung als Versuch kriti-
siert, die Meinungs-, Versamm-
lungs- und Vereinigungsfrei-
heit »unverhältnismäßig einzu-
schränken«. Es handle sich
lediglich um eine »politische
Erklärung« des deutschen Par-
laments, individuelle Rechte
würden dadurch in keiner Wei-
se beeinträchtigt, heißt es in
der Antwort des Auswärtigen
Amts an die Uno-Behörde in
Genf. Die Bundesregierung
unterstütze die »wichtige
Arbeit von Menschenrechts-
verteidigern und Organisatio-
nen der Zivilgesellschaft«, die
eine »friedliche Lösung des
israelisch-palästinensischen
Konflikts anstreben«. Es sei
nicht antisemitisch, die israeli-
sche Regierung zu kritisieren,
schreibt das Auswärtige Amt.
Allerdings werde sich die Bun-
desregierung immer zu Wort
melden, wenn Israels Existenz-
recht infrage gestellt werde.
»Was die BDS-Bewegung
angeht, hat die deutsche Regie-
rung erklärt, dass sie jeden
Aufruf zum Boykott Israels
entschieden ablehnt und jede
Form von Antisemitismus
kategorisch verurteilt.« CSC
DER SPIEGEL Nr. 11 / 7. 3. 2020
ANDREAS BIRRESBORN / DER SPIEGEL
Die Augenzeugin
»Vor Ort gesprengt«
Jutta Rese, 70, ist ehrenamtliche Bürgermeisterin
von Winnert in Nordfriesland. 2015 räumten
Ermittler in dem Dorf ein riesiges Depot gefährlicher
Kriegswaffen. Fünf Jahre später hat der Prozess
gegen den Sammler noch nicht begonnen, seine Nach-
barn haben Angst.
»Als die Polizisten vor fünf Jahren das Haus des Waffen-
sammlers ausräumten, hat das einen ganzen Tag gedauert.
Maschinenpistolen, eine russische Landmine, mehrere Dut-
zend Gewehre, sie haben sogar Panzerfäuste rausgetragen.
So etwas hatte ich noch nie gesehen. Ich will mir gar nicht
vorstellen, wie der Mann all diese Waffen über die Autobahn
zu sich nach Hause transportiert hat. Auch eine Handgranate
war dabei, nur mit einem Kabelbinder gesichert. Die Er -
mittler haben sie vor Ort gesprengt, weil der Transport zu
ge fährlich gewesen wäre. Der Mann hatte insgesamt zwei
T onnen Kampf- und Sprengmittel gehortet, die hätten
gereicht, um die gesamte Wohnsiedlung in die Luft zu jagen.
Für die Räumung mussten 24 Häuser evakuiert werden,
meins auch.
Als Bürgermeisterin erfuhr ich lange nichts über den Er -
mittlungsstand. Ich dachte, dem Mann sei längst der Prozess
gemacht worden. Stattdessen hat die Justiz vier Jahre ge -
braucht, um die Waffen zu begutachten und eine Anklage-
schrift zu schreiben. Das ist unverantwortlich, denn, wie mei-
ne Nachbarn und ich nun wissen, hat der Sammler einfach
weitergemacht: Vor wenigen Wochen holten die Behörden
erneut Waffen ab. Der Mann hatte außerdem einen Stall ange-
mietet, auch dort wurde etwas gefunden. Aber bis die Ermitt-
lungen abgeschlossen sind, ist er anscheinend immer noch
zu Hause.
Das verunsichert das ganze Dorf, besonders die direkten
Nachbarn. Von einigen habe ich gehört, dass sie überlegen
wegzuziehen. Ich wohne in derselben Straße wie er, habe aber
noch nie mit ihm gesprochen. Mittlerweile ist er Vater gewor-
den, man sieht ihn gelegentlich mit dem Kinderwagen. Jeden
Abend gehe ich mit meinem Hund an seinem Haus vorbei und
habe ein leicht mulmiges Gefühl. Ich hoffe, dass er in psycholo-
gische Behandlung kommt, weil er uns alle gefährdet.«
Aufgezeichnet von Lea Hensen
ARNULF HETTRICH / IMAGO IMAGES