Chelsea Manning: Sie hatte sich geweigert, über
Wikileaks-Gründer Julian Assange auszusagen.
imago/Mauersberger
Chelsea Manning
Whistleblowerin
im Krankenhaus
WASHINGTON Die
frühere Wikileaks-In-
formantin Chelsea
Manning hat nach An-
gaben ihrer Anwälte
versucht, sich in ei-
nem US-Gefängnis das
Leben zu nehmen.
Sie sei in eine Klinik
gebracht worden und
erhole sich dort, teil-
ten ihre Anwälte am
Donnerstag mit. Es sei
weiterhin geplant,
dass Manning am heu-
tigen Freitag zu einer
Anhörung vor einem
Bundesgericht erschei-
nen werde, hieß es.
Manning sitzt seit Mai
2019 wegen Missach-
tung des Gerichts in
einem Gefängnis in
Alexandria im US-Bun-
desstaat Virginia in
Beugehaft. Sie hatte
sich geweigert, über
den Gründer der Ent-
hüllungsplattform Wi-
kileaks, Julian Assan-
ge, auszusagen. Bei
der Anhörung gehe es
um eine mögliche
Haftentlassung, die
die Anwälte Mannings
gefordert hatten. Ihre
Mandantin werde „ih-
re Prinzipien nicht
verraten“, teilten die
Anwälte in ihrem
Schreiben mit. Die
32-Jährige hat bereits
zwei Mal versucht,
sich das Leben zu neh-
men. Manning hatte
Wikileaks im Jahr 2010
Hunderttausende ge-
heime Militärdoku-
mente zukommen las-
sen. Es ging dabei um
die US-Militäreinsätze
und Kriegsverbrechen
im Irak und in Afgha-
nistan. dpa
Barbara Gillmann Berlin
F
ür die gestrige Entscheidung der
Kultusminister zu Corona trifft
ein böser Journalistenspruch ins
Schwarze: Das Gegenteil wäre ei-
ne Nachricht gewesen. Die Kultus-
minister wollen vorerst keine generellen
Schulschließungen anordnen, verkündete ih-
re Präsidentin Stefanie Hubig auf einer vorge-
zogenen Pressekonferenz am späten Nach-
mittag. Schließlich seien davon rund 15 Mil-
lionen Eltern mit Kindern unter 14 betroffen.
Das passt nicht zu dem, was die Kanzlerin
und vor allem der Chef des Robert Koch-Insti-
tuts am Tag zuvor der Republik in eindringli-
chen Worten eingeschärft hatten: Dass es
jetzt darum geht, die Welle der Infektionen
so gut wie irgend möglich zu bremsen und so
in die Länge zu ziehen – indem man Kontakte
zu anderen meidet. Länder wie Italien, Däne-
mark, Österreich und Polen haben bereits die
Schulen geschlossen.
Doch die deutschen Kultusminister warten
ab. Das war zu erwarten, denn die KMK hat
sich noch nie durch schnelle Entschlüsse aus-
gezeichnet. Die Zögerlichkeit zeichnete sich
am frühen Donnerstag schon deutlich ab: Im
ZDF-Morgenmagazin hatte die in diesem Jahr
amtierende Präsidentin, die Rheinland-Pfäl-
zerin Hubig, schon vor Beginn des regulären
Treffens mit ihren Kollegen deutlich ge-
macht, dass sie nichts von allgemeinen Schul-
schließungen hält – bis auf Weiteres.
Verantwortung weitergereicht
Natürlich gehe „Gesundheit vor Bildungsauf-
trag“, konstatierte die 51-Jährige eilfertig.
Aber: Über Schulschließungen müssten „die
entscheiden, die sich mit Infektionen ausken-
nen – und das sind nicht die Bildungsminis-
ter“, schob die KMK-Präsidentin die Verant-
wortung weiter. Und bisher habe man eben
„von der Gesundheitsseite kein Zeichen be-
kommen, dass es sinnvoll wäre, die Schulen
einige Wochen zu schließen“. Im Gegenteil:
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat
immer wieder gegen Schulschließungen ar-
gumentiert: Es mache keinen Sinn, Kinder
stattdessen zu Hause von der Großmutter be-
treuen zu lassen, die durch Corona viel ge-
fährdeter ist als jüngere Erwachsene.
Ohnehin hält sich die Macht der KMK-Prä-
sidentin in Grenzen. Sie kann durch die Län-
derhoheit in der Bildungspolitik keine Ent-
schlüsse fassen, die für die ganze Republik
gelten, und so bleibt es in der Regel bei allge-
meinen Appellen. Die Bildungsminister wäh-
len sich jeweils für ein Jahr einen Präsidenten
- das ist auch keine freie Personenwahl, son-
dern läuft nach festgelegtem Länderturnus.
Entschieden wird immer nur einstimmig. So
sieht es das Grundgesetz vor, und daran wird
auch Corona so schnell nichts ändern.
Natürlich könnte eine Präsidentin laut sa-
gen, dass sie persönlich beispielsweise für
Schulschließungen ist und das in ihrem eige-
nen Land auch anordnen. Doch auch das will
Hubig ganz offensichtlich nicht.
Nicht weil sie prinzipiell klare Worte
scheut. So sagte sie etwa im Januar – wenige
Wochen nach Antritt des Präsidialamtes – in
der Debatte um den grassierenden Lehrer-
mangel im Handelsblatt-Interview: „Natürlich
haben alle Länder die Aufgabe, bedarfsge-
recht auszubilden“, in Rheinland-Pfalz habe
man keine Probleme. Diese unmissverständ-
liche Ohrfeige für die Kollegen war für KMK-
Verhältnisse gewagt.
Die Juristin hat berufliche Erfahrungen jen-
seits des Bildungsbetriebs: Vor dem Wechsel
ins Bundesjustizministerium arbeitete die So-
zialdemokratin als Richterin und Staatsan-
wältin. 2014 wurde sie Amtschefin von Bun-
desinnenminister Heiko Maas und organisier-
te dort etwa die Verschärfung des
Sexualstrafrechts. Seit 2016 ist sie Wissen-
schafts- und Schulministerin im Kabinett von
Malu Dreyer in Mainz.
Doch nun, in der Coronakrise, hält sie sich
maximal zurück: Man habe ja schon „viel auf
den Weg gebracht“, verteidigt sie sich und ih-
re Kollegen, „digitalen Unterricht zum Bei-
spiel.“ Und überhaupt seien die Klassen ja
klein und keine Massenveranstaltungen.
Über die Pausen allerdings, wenn alle auf den
Hof strömen, da müsse man nachdenken,
empfahl die KMK-Präsidenten lächelnd. Sie
schlägt vor, diese zeitversetzt zu terminieren.
Stefanie Hubig
Bedingt
abwehrbereit
In der Coronakrise spricht sich die Präsidentin der deutschen
Kultusminister gegen Schulschließungen aus.
Stefanie Hubig:
Vor ihrem Wechsel
in die Politik
arbeitete sie als
Richterin und
Staatsanwältin.
dpa
Wir müssen
nachdenken,
ob wir
die Pausen in
den Schulen
zeitversetzt
organisieren.
Stefanie Hubig
Präsidentin der
Kultusministerkonferenz
Burkhard Hirsch
FDP-Politiker mit
89 Jahren gestorben
DÜSSELDORF Burk-
hard Hirsch, einer der
letzten großen FDP-
Politiker aus der sozi-
alliberalen Koalition
der 1970er-Jahre, ist
tot. Er sei am Mitt-
woch im Alter von 89
Jahren gestorben, teil-
te das nordrhein-west-
fälische Innenministe-
rium am Donnerstag
mit. Hirsch, der am
- Mai 1930 in Magde-
burg geboren wurde
und in Halle auf-
wuchs, gehörte zur
„Mitteldeutschen
Fraktion“ in der FDP
um den Hallenser
Hans-Dietrich Gen-
scher und den gebürti-
gen Dresdner Gerhart
Baum. Vor allem
Baum und Hirsch stan-
den der Ostpolitik von
SPD-Kanzler Willy
Brandt nahe, die unter
dem Motto „Wandel
durch Annäherung“
stand. Das Ende der
sozialliberalen Koaliti-
on kam 1982, als sich
die FDP unter Gen-
scher und Otto Graf
Lambsdorff der Union
unter Helmut Kohl zu-
wandte. Der Jurist
Hirsch begann 1964
als Kommunalpolitiker
in Düsseldorf. Er zog
1972 in den Bundestag
ein und wurde 1975
bis 1980 als NRW-In-
nenminister nach Düs-
seldorf gerufen. 1980
ging er zurück in den
Bundestag. dpa
Namen
des Tages
WOCHENENDE 13./14./15. MÄRZ 2020, NR. 52
62
Elena Skvortsova
Einstand in Ausnahmezeiten
Ü
ber mangelnde Arbeit konnte sich
Rainer Seele, Chef des Öl- und Gas-
konzerns OMV, in den vergangenen
Jahren nicht beklagen. Nun verschafft sich
der CEO des größten österreichischen In-
dustriekonzerns in Österreich Luft, indem
er ein neues Vorstandsressorts schafft. Ab
Oktober wird die Russin Elena Skvortsova
als neue Chief Commercial Officer die Berei-
che Handel (Tankstellen, Gasgeschäft, Raffi-
nerieprodukte) und Marketing überneh-
men. Dafür gab es vom Aufsichtsrat des teil-
staatlichen Konzerns nun grünes Licht.
Skvortsova, die nach einer weltweiten Su-
che für das neue Vorstandsressort ausge-
wählt wurde, ist in der Ölbranche relativ
neu. Bislang war die 49-jährige Managerin
Chefin der Praxair Canada, einer Tochter
des deutschen Industriegaskonzerns Linde.
„Ihre internationale Führungserfahrung,
branchenübergreifende Expertise und ihre
Erfahrung mit Transformationsprozessen
machen Elena Skvortsova zur idealen Beset-
zung“, sagte Aufsichtsratschef Wolfgang
Berndt. Die studierte Dolmetscherin mit
ausgezeichneten Deutschkenntnissen starte-
te nach einem Master in Wirtschaft an der
Thunderbird School of International Ma-
nagement in Glendale (Arizona) eine inter-
nationale Karriere. Nach sieben Jahren bei
den Pharmariesen Bayer und Baxter kam sie
2015 zu Linde, wo sie zunächst die Regional-
leitung für Osteuropa und den Mittleren Os-
ten übernahm. Sie ist die zweite Vorständin
in der Geschichte der OMV.
In Österreich warten auf Skvortsova große
Herausforderungen. Die OMV gibt sich auf
Druck ihres Großaktionärs, des österrei-
chischen Staats, einen grünen Anstrich. So
übernimmt der Konzern für 4,1 Milliarden
Euro die Mehrheit am Petrochemiekonzern
Borealis. Im Gegenzug verkauft die OMV das
Tankstellengeschäft in Deutschland. Im
Handelsbereich muss Skvortsova sofort han-
deln, denn der Ölpreisverfall hat der Bran-
che einen gewaltigen Schock versetzt. Die
Folgen des Coronavirus sind noch nicht ab-
zuschätzen, wenn Skvortsova ihre neue Auf-
gabe im Wiener OMV-Hochhaus antreten
wird. Hans-Peter Siebenhaar
Elena Skvortsova:
Zweite Vorständin
in der Geschichte
des Unternehmens.
OMV
Ihre Erfahrun-
gen mit Trans -
formations -
prozessen
machen
Elena
Skvortsova
zur idealen
Besetzung.
Wolfgang Berndt
OMV-Aufsichtsratschef
Carol Tomé
Top-Strategin für UPS
S
ie gilt als eine der profiliertesten Köp-
fe der US-Managementszene: Der US-
Paketdienst UPS hat Carol Tomé, die
frühere Finanzchefin der US-Baumarktkette
Home Depot, für sich gewonnen. Am 1. Juni
übernimmt sie die Führung des Unterneh-
mens von David Abney, wie United Parcel
Service (UPS) am Donnerstag in Atlanta mit-
teilte. Abney werde den Übergang begleiten,
seine Aufgaben schrittweise niederlegen
und Ende 2020 nach 46 Jahren aus dem
Konzern ausscheiden.
Mit Tomé habe man eine Managerin enga-
giert, die dem Unternehmen neue Impulse
und mehr Wachstum verleihen werde, sagte
Verwaltungsratsmitglied William Johnson,
der dem Nominierungsausschuss von UPS
vorsitzt und künftig Verwaltungsratschef
des Konzerns werden soll.
Dabei ist Tomé keine Unbekannte im Un-
ternehmen, seit 2003 sitzt die neue Chefin
im Verwaltungsrat von UPS. Der Konzern
gehört mit einem Jahresumsatz von 72 Milli-
arden Dollar und 481 000 Mitarbeitern zu
den größten Logistikunternehmen der Welt.
Als Finanzvorständin der weltgrößten Bau-
marktkette (2 000 Läden, 300 000 Mitarbei-
ter) profilierte sie sich als analytischer Zah-
lenmensch, der die finanziellen Verhältnisse
des Unternehmens bis in seine feinen Veräs-
telungen durchdrang. Ihre Karriere begann
die 63-Jährige bei der kleinen United Bank
of Denver, zu Home Depot kam sie 2000,
wo sie schnell Karriere machte. HB
BusinessLounge
Die Zukunft des
Glücksspiels: Finanz-
minister Olaf Scholz
(SPD) telefoniert vor Be-
ginn der Ministerpräsidenten-
konferenz in der Bayrischen Landesvertretung in
Berlin. Ein Schwerpunkt ist der neue Glücksspiel-
Staatsvertrag.
Das Feuer ist ent-
facht: Unter Aus-
schluss der Öffent-
lichkeit ist im antiken
Olympia das Feuer
für die Olympischen
Spiele 2020 in Tokio
entzündet worden.
Wegen der Corona-
krise waren nur 100
Gäste geladen, zum
Großteil Mitglieder
des Internationalen
Olympischen Komi-
tees (IOC). In Japan
ist derweil ein
Streit darüber ent-
brannt, ob die
Spiele verschoben
werden müssen.
D
f
s
li
O f S e W k G G d O t
is
S
b
S
w
Ermittlungen: Der indische Milliardär und Grün-
der der Yes Bank, Rana Kapoor, verlässt das Be-
zirksgericht von Mumbai. Er muss sich wegen
des Verdachts der Geldwäsche verantworten,
seine Bank steht unter staatlicher Aufsicht.
Ermittlungen:Der indische Milliardär und Grün
Kampf dem Virus: Frankreichs Wirtschaftsstaats-
sekretärin Agnès Pannier-Runacher und der
Staatssekretär für Transport, Jean-Baptiste Djeb-
bari (r.), eilen in Paris zu einer Krisensitzung, in
der weitere Maßnahmen gegen die Ausbreitung
des Coronavirus beschlossen werden sollen.
Kampf dem Virus:Frankreichs Wirtschaftsstaats
dpa, Gilles ROLLE/REA/laif, imago images/Kyodo News, Hindustan Times/Getty Images
Die frühere Linde-Managerin
wird Chief Commercial Officer
beim österreichischen
Öl- und Gaskonzern OMV.
Der US-Paketdienst holt die
frühere Finanzchefin der
Baumarktkette Home Depot
an die Unternehmensspitze.
Carol Tomé:
Seit 2003 im
Verwaltungsrat des
Paketdienstes.
The Home Depot
Namen des Tages
WOCHENENDE 13./14./15. MÄRZ 2020, NR. 52
63