lichen Frauen vergewaltigt.« Dabei hatte ich zu dem Zeit-
punkt nicht mal ein Mädchen geküsst. Diese Szene ist mir
wieder eingefallen, als Trump die armen mexikanischen
und guatemaltekischen Flüchtlinge an der Grenze rapists
genannt hat, »Vergewaltiger«. Es hört nie auf.
Sie haben bis heute einen amerikanischen Pass, oder?
Ja, ich zahle amerikanische Steuern, dicke.
Wählen Sie auch?
Bisher nie. Aber bei der nächsten Wahl werde ich mich
dazu bereit erklären. Es ist ein bisschen kompliziert, weil
ich keinen Wohnsitz in Amerika nachweisen kann. Aber
gegen Trump muss gewählt werden.
Sie konnten 1941 aus dem mittlerweile von den Nazis be-
setzten Frankreich in die USA fliehen, 1943 wurden Sie
dort zum Kriegsdienst eingezogen. Eigentlich sollten Sie
nach Nordafrika, die dorthin entsandte Einheit wurde spä-
ter aufgerieben, Sie wären vermutlich dort umgekommen.
Aber Sie hatten Glück, Sie kamen zunächst in ein Ausbil-
dungslager nach South Carolina, und erst ein Jahr später
gingen Sie mit der Army nach Europa.
Ich hatte eigentlich immer Glück. Bis auf den Tod meiner
Frau Kirsten vor zwei Jahren.
Sie vermissen sie sehr?
Ja. Sie ist die Treppe hinuntergestürzt. Dann war sie ge-
lähmt. Es ist schrecklich. Mehr kann ich dazu nicht sagen.
Sie sagten gerade, dass Sie ansonsten immer Glück gehabt
haben.
So ist es. Ich bin immer durchgerutscht. Alles, was nie
hätte passieren sollen, ist passiert. Wie kam ich ins deut-
sche Fernsehen? Der Mann, der das Pariser Journal für
den WDR leitete, hatte die Spesenkasse am Pi galle durch-
gebracht, dem Vergnügungsviertel. Die suchten also inner-
halb eines Tages nach einem Ersatz. Es passierte mit einem
einzigen Telefonanruf.
Das »Pariser Journal«, eine Art Fernseh-Tagebuch über
das Leben in der Stadt, machte Sie in Deutschland in den
Sechzigerjahren schlagartig berühmt. Damals hatten solche
Sendungen noch Einschaltquoten von bis zu 50 Prozent.
Ich hatte bis dahin kaum Fernseh-Erfahrung, ich hatte vor
allem für den Rundfunk gearbeitet, das war’s. Plötzlich
war da dieses Angebot. Die Stimme am Telefon sagte et-
was von Anstalt des öffentlichen Rechts, ARD – ich hatte
keine Ahnung, wovon der Mann redete!
Aber Sie haben zugesagt.
Man muss. Man muss! Es gibt im Leben überhaupt nur
zwei oder drei solcher Entscheidungen. Wenn man dann
nicht einsteigt, wird man es nie schaffen. Erst nach dem
Telefonat habe ich herausgefunden, was das überhaupt
ist, das Pariser Journal. Dann habe ich angefangen, der
Erfolg war gleich da.
Wie erklären Sie sich die ungeheure Beliebtheit der Sendung?
Man konnte damals von Deutschland aus nur schwer
nach Frankreich, man brauchte ein Visum, und die Leute
hatten ja auch kein Geld zum Reisen. Ich habe ihnen Pa-
ris dargeboten, so wie man in der Goethezeit Rom sah: als
Ort der Sehnsucht. Und das zehn Jahre lang, 55 Folgen
habe ich gedreht. Aber ich bin kein großer Freund des
Pariser Journals.
Warum nicht?
Der Schriftsteller Stefan Zweig wurde ja zeit seines Lebens
ausschließlich auf seinen Band mit Kurzbiografien ange-
sprochen, seine Sternstunden der Menschheit, dabei hatte
er die aus dem Ärmel geschüttelt – das seien doch nur
Fingerübungen gewesen, hat er gesagt. Niemand sprach
ihn auf seine ellenlangen Biografien von Balzac, Marie-
Antoinette oder Dostojewski an.
Aber Sie können sich nicht beklagen: Nach dem »Pariser
Journal« wechselten Sie zum ZDF und drehten Ihre auf-
wendig produzierten »Personenbeschreibungen«, Porträts
von bekannten und unbekannten Menschen. Die Reihe
lief 22 Jahre lang, bis 1993.
Unter den 70 Folgen gibt es vielleicht ein Dutzend, die ich
wirklich für unvergesslich halte. So. Jetzt habe ich es gesagt.
Sie lachen, so als ob Sie es selbst kaum glauben können,
dass Sie das so unbescheiden formulieren.
Nehmen Sie die Folge mit Ron Kovic, dem querschnitts-
gelähmten Vietnam-Veteranen ...
... der später von Tom Cruise gespielt wurde, im Film »Ge-
boren am 4. Juli«.
Mit 21 Jahren wird er seiner Sexualität und des Gehens
beraubt, als junger, heißblütiger New Yorker sitzt er auf
einmal im Rollstuhl und muss sich damit abfinden. Er
habe erst durch Mitgefühl für andere aus dieser Depression
herausfinden können, so hat er mir das gesagt, das war sein
Weg. Oder die Begegnungen im Knast, wie Lebenslängliche
versuchen, jugendliche Verbrecher von ihrer Laufbahn ab-
zubringen. Oder der Kopfgeldjäger, also ein Mann, der für
Geld Verbrecher jagt. Diese Porträts haben mich sehr ge-
formt, sie haben mich unfähig gemacht, andere Menschen
zu verachten oder zu missachten.
Weil alles möglich ist?
Weil alles drin ist, das Furchtbarste bei den Edelsten und
das Edelste bei den Scheusalen. Ich bin kein Moralist. Mein
älterer Bruder Herbert hat sich später zum Katholizismus
bekehrt und wurde Moralist. Das kann ich nicht. Im Krieg
war ich ja Gefangenenvernehmer, ich habe deutsche Solda-
ten verhört, während der Feldzüge in Italien und in Frank-
reich, später auch in Deutschland. Und ich konnte mich
sogar in diese deutschen Soldaten einfühlen.
Wie das? Das waren Ihre Feinde.
Sie sprachen meine Sprache.
Und die Sprache war Ihre Heimat?
So ist es.
Trotzdem saßen Ihnen da Leute gegenüber, die jemanden
wie Sie umbringen wollten.
Na ja, viele waren gegen Ende des Krieges schon keine
Nazis mehr. Der Nationalsozialismus blühte und verblühte
auch mit seinen Erfolgen, und nach Stalingrad waren kaum
noch Erfolge zu vermelden.
Dennoch ...19