Frankfurter Allgemeine Zeitung - 19.02.2020

(ff) #1

Einladung abgelehnt


Charles de Gaulle, der seine politi-
sche Karriere1940 unter denkbar
schlechtenVoraussetzungen begon-
nen hatte, erweistsichimKreis der
Alliiertenweiterhin als schwieriger
Partner.Nun wirdbekannt, dassde
Gaulle eine Einladung des amerikani-
schen PräsidentenFranklin D.Roose-
velt abgelehnt hat.Der vonseiner
Krankheit schwergezeichnete Roose-
velt hattedeGaulle in Algier treffen
wollen, um ihn aus erster Hand über
die Ergebnisse derKonferenzvonJal-
ta zu informieren. Einen Besuch
Roosevelts inFrankreichhätteder
stolze General sehr begrüßt, eineRei-
se nachAlgier aber abgelehnt. Der
entsprechende Beschlusssei vom
französischenKabinettgetrof fenwor-
den, heißt es. Das französischeAu-
ßenministerium lässt verlauten, die
ganze Angelegenheit sei durch eine
Indiskretion der amerikanischen
Presse bekanntgeworden. Das emp-
finde Parisals schwerenVertrauens-
bruch. DasVerhältnis de Gaulles zu
den VereinigtenStaaten wirdbis zu
seinemRück tritt 1969vonschweren
Spannungen gekennzeichnetblei-
ben.


ZäheKämpfe am


Niederrhein


Das alliierte Hauptquartier spricht
von„weiterenFortschritten“ der eige-
nen Truppen.Undauchder Wehr-
machtbericht gibt zu, dassbei der
Stadt GochGeländeverlorengegan-
gensei. Insgesamt allerdings bleiben
die Fortschritteder Amerikaner,Bri-
tenund Kanadier an derWestfront
überschaubar.Dieser Verlauf steht in
schar femKontrastzudem im letzten
Quartaldes Vorjahres. Nach dem
Ausbruc hder alliiertenInvasions-
streitkräfte aus derNormandie hatte
es innerhalbkurz er Zeit viele schnel-
le Er folgegegeben. DerVormarsch
nahm zeitweise eine Geschwindig-
keit an, die diejenigen, die für den
Nach schub für dieFronttruppen zu
sorgenhatten, in Schwierigkeiten
brachte. Ganzgroße Optimistenim
alliiertenLager hatten zu diesem
Zeitpunkt schon darüber spekuliert,
dassder Kriegeventuell noch
zu einem siegreichen Endegeführt
werden könne. Die Prognosen beson-
nener Militärs, der deutscheWider-
stand werdesichspätes tens beim Er-
reichen des eigenenStaatsgebietes
deutlichverstärken, bewahrheiten
sichnun. pes.


bub. BERLIN.Das Bundesjustizmi-
nisterium prüftMöglichkeiten, diege-
richtliche Hauptverhandlung inStraf-
sachen zu dokumentieren. Am Diens-
tag nahm eineKommission ausVer-
treternder Justiz sowieverschiedener
Verbände die Arbeit auf. „Diegericht-
liche HauptverhandlungimStrafrecht
istvon wesentlicher Bedeutung für
den Rechts staat und erforderteine be-
sondershohe Qualität“,teilteBundes-
justizministerin Christine Lambrecht
(SPD) mit. Andersals in den meisten
EU-LändernwirdinDeutschland die
strafgerichtliche Hauptverhandlung
vorden Landgerichten und Oberlan-
desgerichten bislang nicht inhaltlich
dokumentiert, nur dieFörmlichkeiten
werden festgehalten. Die Richter hal-
tenden InhaltvonZeugenaussagen in
eigenen Mitschriften fest.Die An-
wältsverbändekämpfenseit Jahrzehn-
tenfür eine Änderung. Bei derRe-
form der Strafprozessordnung hatte
das Bundesjustizministerium dieses
Thema zunächstausgespart.Kürzlich
legtedie FDP einen Gesetzentwurf
vor, nachdem Ton-Bild-Aufnahmen
in allenStrafprozessenverpflichtend
werden sollen.


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D


ie Rufe nachdem vermeintli-
chen Erlöser schallen bereits
am frühenAbend über den
DresdnerNeumarkt.„Höcke,
Höcke,Höcke“, skandiertdie Menge, die
zum 200.„Abendspaziergang“ der islam-
und regierungsfeindlichen Bewegung ge-
kommen ist. Anlässlichdes „Jubiläums“
hattePegida-Gründer Lutz Bachmann
den Thüringer AfD-Chef eingeladen.
Sein Publikum oder „dievernünftig den-
kende, konservativ-bürgerliche Mitte“,
wie Bachmann sie nennt, istbegeis tert.
„BjörnHöcke –mein zukünftigerKanzler
der Herzen“,steht auf einem Plakat, auch
Thüringen-Flaggen und Höcke-Konter-
feis sind zu sehen, einStand, der einem
Höcke-Schreingleicht, hat den Band „Hö-
cke: Reden, Interviews,Tabubrüche“ im
Angebot.
DassBachmann als Anführereben je-
ner „bürgerlichen Mitte“ erst AnfangFe-
bruarvomAmtsgericht Dresden mal wie-
der einenStrafbefehl über 1800 Eurokas-
sierthat, diesmalwegenBeleidigung, in-
teressierthier kaum jemanden. Genauso
wenig wie seine knapp zwei Dutzend an-
derenVorstrafen, unter anderemwegen
Drogenhandels, Einbruchs,Körperverlet-
zung undVolksverhetzung. „UnserLutz“,
wie BachmannvonseinenFans genannt
wird, inszeniertsichvielmehr als aufrech-
terKämpfer für „den kleinen Manngegen
eine breitePalett evon Ungerechtigkei-
ten“.
Die Bewegung,vonder schon länger
kaum nochjemand Notiz nahm, auch
weil sie nur noch alle zweiWochen mon-
tags meistvor dem Dresdner Hauptbahn-
hof zusammenkommt, erlangt durch Hö-
ckeseit langem mal wiederAufmerksam-
keit.Gleichzweiweiter eKundgebungen
–für Weltof fenheit, Demokratie undge-
genHassund Hetze–haben sichauf dem
Neumarkt eingefunden. Erstmals hatte
auchSachsens Ministerpräsident Michael

Kretschmer (CDU) denAufruf eines brei-
tengesellschaftlichen Bündnisses, dar-
unter Kirchen und die jüdische Gemein-
de, mit unterzeichnet. Das Motto: „Demo-
kratie brauchtRückgrat“. Fürdie Union,
die sichinder Vergangenheit schwerge-
tanhattemit ihremVerhältnis zuPegida,
fand Generalsekretär Alexander Dierks
am Abend klareWorte.Essei „in diesen
Zeiten Pflicht, dasswir hierstehen und
unsereStimme erheben“, sagteervor
rund 2000 Teilnehmern.„Wirüberlassen
nicht denen den öffentlichenRaum, die
Hass und Hetze verbreiten und unser
Land spalten.“ Gewalt beginne nicht erst
mit Taten, sondernmit Worten.
Zugleichprotestiertenunmittelbar ne-
benan ebenfallsrund 2000Teilnehmer
vorallem aus dem linken Spektrum mit
Musik undTransparentengegenPegida
und denAuftritt Höckes.„Für einsolidari-
sche sDresden“ und „Gegen die Salamisie-
rung desAbendbrotes“ stand auf ihren
Schildern. Immer wieder skandiertensie
„Alle zusammengegenden Faschismus!“
Pegida rolltedaraufhin ein langes,
schwarz-rot-goldenes Banner alsTrennli-
nie zu den Gegendemonstranten aus. Der
VersammlungsleiterWolfgangTaufkirch,
der zu den häufigstenPegida-Rednern
zählt,versucht ederweil die rund 4000Pe-
gida-Demonstranten mit reichlic hVer-

schwörungstheorien inStimmungzubrin-
gen. Demnachsei der EU-Klimapakt ein
Prog ramm zurVolksverarmung und -ver-
dummung, EU-Kommissionspräsidentin
Ursula vonder Le yeneine „Klimadiktato-
rin“, die „gigantische Geldmengen“ aus
den Völker nEuropas presse, um denge-
meinsam mit „den Bilderbergern“ausge-
heckten Plan umzusetzen, Europa in ei-
nen kommunistischenKontinent zuver-
wandeln.Und„Fridays forFuture“stelle
dafür die „dummen Kindersoldaten“.
Lutz Bachmann bezeichnete die Berli-
ner Regierungsparteien samt Opposition
mit Ausnahme der AfD als „rotfaschisti-
sche Einheitsfront“, den Verfassungs-
schutz als „Stasi 2.0“ und dieRegierung
als „Sektevon Bonzen, die demVolk das
Geld aus derTasche ziehen und selber
wie die Made im Speckleben“ oderkurz
als „Verbrecher“. DieZuhörerreagierten
wie erwartet und skandiertenimmer wie-
der den bewährtenDreiklang aus„Wider-
stand!“, „Merkelmussweg!“ und „Lügen-
presse!“
Die aktuellen Ereignissewarendann
das Thema BjörnHöckes, den Bachmann
allerdings nicht persönlichbegrüßen durf-
te,weil das angeblichder AfD-Bundesvor-
stand soverfügt habe. Der AfD-Bundes-
vorsitzende JörgMeuthen hält denAuf-
tritt beiPegida fürfalsch. Er hattezwar

schonvorzweiJahren eine Annäherung
derAfD anPegida inAussicht gestellt, da-
füraber denRückzug Bachmanns als Be-
dingunggenannt. Dochder denkt nicht
daran, seinenPosten zuräumen. Er hatte
schon im Januar 2015 die SpaltungPegi-
das überstanden und nachdem Ausschei-
den der Hälfte der zwölf Gründungsmit-
glieder einfachweiter gemacht.
Im Folgenden zeichnete Höcke unter
Beifall das Bild Deutschlands als Land
am Abgrund, als „Irrenhaus“, in dem
„alle Maßstäbe verrutscht“ seien und das
„vomKopf auf dieFüße gestellt“ werden
müsse. In der CDUgebe es eine „Säube-
rungswelle“, und Merkelarbeiteweiter
an ihrem angeblichen Ziel, die deutsche
Industrie,diedeutscheKulturunddas
deutscheVolk zu überwinden.Undganz
zum Schluss warnte Höcke dann nochent-
schieden voreinem möglichen neuen
CDU-VorsitzendenFriedric hMerz. Die-
ser habe „mit konservativen Kräften
nichts am Hut“,rief Höcke.„Das sei de-
nen gesagt, die ihreHoffnung in ihn set-
zen.“ Merzsei vielmehr „wie MerkelTeil
einer One-world-Ideologie“und werde
deshalb niemals ein Freund des deut-
schenVolkes sein. Der Applauswardaal-
lerdings nurverhalten –und bestätigteso
die Befürchtungen Höckes, solltedie
Wahl in der CDU auf Merzfallen.

Mitschnitt von


Prozessen?


1945


Demo und Gegendemo:Pegida-Anhängerschwenken in Dresden Flaggen, andereprotestieren gegendie Veranstaltung. Fotodpa

Frankreichwill sic hnicht länger damit ab-
finden, dassinsozial benachteiligten Ein-
wanderervierteln islamistische Enklaven
entstehen. So lautet die BotschaftPräsi-
dent Emmanuel Macrons, mit der er am
Dienstag in eines der Brennpunktviertel
in Mulhouse nahe der deutschen Grenze
gereistist.„Unser Feind is tder Separatis-
mus“, sagteMacron bei einer Pressekonfe-
renz. Erkönne nicht billigen, dassinbe-
stimmtenVierteln dieWerteund die Ge-
setze derRepublik imNamen eines politi-
schen Islam abgelehntwerden. „Wir kön-
nen nicht akzeptieren, dassMänner sich
weigern,Frauen die Hand zugeben“, sag-
te Macron.„Wir können nichttolerieren,
dass Kinder nicht zur Schulegeschicktwer-
den“. Genauso seien Zwangsheiraten
oder das Gebotder Jungfräulichkeit beim
Eheschlussnicht akzeptabel. Er wolle
nicht den Islamstigmatisieren, sondern
sichgegen diejenigen zurWehr setzen, die
aus derReligion ein politisches Projektge-
macht hätten, betonteder Präsident. Der
islamistische Separatismus sei unverein-
bar mit denWerten der französischenRe-
publik.
Den Gastaus dem Elysée-Palasthatten
die Bewohner in Bourtzwiller zuvor mit
Neugier, Bitten nachbesseren Arbeits-
platzchancen, Schulen und Ärzten und
der Sorge begrüßt, derRufihres Viertels
werdeunter dem Besuchleiden. Mehrere
Frauen mitKopftuc hzogen ihreMobiltele-
fone hervor, um sichander Seitedes
Staatschefszufotografieren. Macron erläu-
tertebei der Pressekonferenz seineStrate-

gieder „republikanischen Rückerobe-
rung“. Hinter dem sperrigenBegriff ver-
birgt sichder vorzweiJahren in fünfzehn
Vierteln angelaufeneVersuch, durch eine
stärkere Präsenz derPolizei und anderer
Akteurewie Sozialarbeiternund Sportver-
einen die Bewohner aus derreligiösenAb-
schottung herauszuholen und denWerten
der Republik Geltung zuverschaffen.
Der 15 000 Einwohner zählende Stadt-
teil Bourtzwiller in Mulhouse zählt zu den
inzwischen 47„Vierteln derrepublikani-
schenRückeroberung“. Macron tauschte
sichimPolizeirevier Bourtzwiller mit den
Ordnungshüternaus, dietäglichzwischen
den Sozialbauten patrouillieren. DieZahl
der Polizisten in Bourtzwillerwurde um
22 Beamteaufges tockt. Das Experiment
geht auf Innenminister GérardCollomb
zurück, der bei seinemRücktritt im Okto-
ber 2018 mit Blickauf dievonIslamisten
unter wandertenViertel warnte:„Noch le-
ben wir Seite an Seite, aber ichbefürchte,
dasswir baldgegeneinanderstehen.Wir
haben immense Probleme zu bewältigen.“
Collombs Nachfolger Christophe Casta-
ner und SportministerinRoxana Marcinea-
nu, die aus Mulhousestammt, begleiteten
den Präsidenten.
Kurz vorden landesweitenKommunal-
wahlen MitteMärzwurde der Besuch
auchals Mahnung an Lokalpolitikerge-
wertet,sichnicht mitUnterstützung ein-
flussreicher islamistischerVerbändewäh-
len zu lassen. DasNachrichtenmagazin Le
Point hat in seiner jüngstenAusgabe unter
der Überschrift„Die Volksvertreter,die

ihreSeele verkaufthaben“ dokumentiert,
mitwelchenStrate gien Bürgermeister kan-
didaten die muslimischeWählerschaftfür
sichgewinnen. Ein wichtigerFaktor istdie
Genehmigungvonprestigeträchtigen Mo-
scheebauten.
In Mulhouse wurde Macron mit den
Schwierigkeitenkonfrontiert, die sichaus
dem Bau des MoscheekomplexesAn-Nour
ergeben. Aufmehrals 10 000 Quadratme-
tern entsteht seit 2009 einZentrum mit
Moschee, Schule,Friseur,Teestube, Buch-
handlung und Schwimmbad, das bis zu
3000 Gläubigeaufnehmenkann. Daskata-
rische Regime hat sichmit mehr als 14 Mil-
lionen Euroander Finanzierung beteiligt.
Kürzlichbeschrieben die Journalisten
Christian Quesnotund GeorgesMalbru-
notineinem Buch, wie die mit demRe-
gime verbundeneOrganisation „Qatar
Charity“ in Europa ein islamistischesNetz-
werk fördere. In ihren „QatarPapers“ er-
läuterten die Autoren, mitwelchen Mit-
teln daskatarische Regime das Zielverfol-
ge,inden europäischen Einwanderungsge-
sellschaften das islamische Rechtsver-
ständnis (Scharia) über die geltende
Rechtsordnung zu stellen. Esgehe darum,
das muslimische Individuum durch den
vonden Muslimbrüderngepredigten glo-
balen Islamvonder Geburtbis zumTod
zu begleiten.„Alle vonKatar finanzierten
Projekteversuchengenau das zu tun, in-
dem sie Moscheen mit Schulen, Schwimm-
bädern,Restaurants und sogar Leichen-
häusernumgeben“, schrieben sie.
Macronstellteeinen Vier-Punkte-Plan
im Kampfgegen den islamistischen Sepa-

ratismusvor. Erstens geltees, die Mo-
scheen und die Schulenvonausländischen
Einflüssen zu befreien. Zweitens müssten
sichdie französischen Islamvertrete rbes-
ser or ganisieren. Als dritten Punkt nannte
Macron einen unerbittlichenKampfge-
genseparatistische Bestrebungen wiege-
trennteBadezeiten in öffentlichen
Schwimmbädern,Gebets stunden in Sport-
vereinen,Verstöße gegendie Gleichbe-
handlungvonMädchen und Jungen. Der
vierte Punkt sei die „Rückkehr“ öffentli-
cher An gebote imBereichKultur, Gesund-
heitsvorsorge,Bildung undAusbildung in
die bislangvernachlässigtenWohnviertel.
„Das istkein Plangegenden Islam“, sagte
Macron.
Macron strebt an, dieFinanzierung der
Moscheen und der Imamekünftig strik ter
zu kontrollieren. Im Januar 2019 ließ er
den Verband „Association musulmane
pour l'Islam deFrance“ (AMIF)gründen,
derseither die Spendensammlung,die Ein-
nahmen aus der sogenannten Halal-Steu-
er auf Islam-konforme Lebensmittel so-
wie dieAusbildung und Anwerbungvon
Imamen überwachen soll. Dochein gutes
Jahr nachder Gründung istder unabhängi-
ge Verband bereits in die Kritikgeraten.
Vorder Untersuchungskommission des Se-
nats zur islamistischen Radikalisierung
warnte die Islamfachfrau Zineb el Rha-
zoui im Januar davor, dassdie Muslimbrü-
der großen Einflussauf den AMIF-Vor-
stand hätten. „Die AMIF-Mitgliederkön-
nen nach außen einen sehr modernen Is-
lam und nachinnen salafistisches Gedan-
kengut verteidigen“, sagtesie.

ProtesteinGriechenland
Tausende Menschen haben in Grie-
chenlandgegenPläne für eine neue
Rentenreformprotestiertund durch
StreiksTeile des öffentlichen Ver-
kehrslahmgelegt.Allein in der Haupt-
stadt Athen gingenrund 10 000 Men-
schen auf dieStraße, wie diePolizei
am Dienstagmitteilte.Weiter eKund-
gebungen der Gewerkschaf tenfan-
den in Thessalonikiund anderen
Großstädten statt. Diekonservative
griechischeRegierung will amFrei-
tagüber eineRentenreformabstim-
men, die zu einem späterenRenten-
eintritt motivieren soll. Der 24Stun-
den andauerndeStreik ,zudem die
Gewerkschaf tAdedy aufgerufen hat-
te,brachte de nöffentlichenNahver-
kehr in Athen, den BetriebvonInter-
city-Zügen sowie denFährschiffver-
kehr zum Erliegen.AuchBeamtein
Rathäusernund Präfekturen beteilig-
tensichanden Streiks. AFP

Bebauungsplan für


jüdischesWohnviertel


Israel hat mit einem Bebauungsplan
für ein neues jüdischesWohnviertel
in Ostjerusalem begonnen, das auf
Land liegt, das der amerikanische
Nahost-Plan eigentlichals Teil eines
palästinensischen Staates vorsieht.
Mit den Planungen über die bis zu
9000 jüdischenWohneinheiten habe
das Wohnministerium vorzehn Ta-
genbegonnen, also nachBekanntga-
be desNahost-Plans, berichtetedie
Zeitung „Haaretz“ am Dienstag.
Nach den VorstellungenWashingtons
hätte dorteinepalästinensische„Tou-
rismus-Gegend“ entstehen sollen.
Derzeitwerdedas fragliche Landvon
15 palästinensischen Familien be-
wohnt. stah.

Aschraf Ghani zum


Ministerpräsidenten erklärt


Mehr als vier Monate nachder
Präsidentenwahl in Afghanistanhat
die UnabhängigeWahlkommission
Aschraf Ghani zum Sieger erklärt.
Demnacherhielt der amtierende Prä-
sident 50,64 Prozent derStimmen,
wie die Wahlkommission in einer
Pressekonferenz am Dienstagmitteil-
te.Damit hat Ghani dieWahl bereits
im er stenDurchgang gewonnen, es
istkeine Stichwahl notwendig. Gha-
nis wichtigsterHerausforderer,Regie-
rungsgeschäftsführer Abdullah Ab-
dullah,kamden Resultaten zufolge
auf 39,52 Prozent derStimmen.Von
den weiterenKandidatenkamnie-
mand auchnur auf fünf Prozent der
Stimmen. dpa

Iran und Deutschland


lassenInhaftierte frei


Die Regierungen vonIranund
Deutschland haben sichoffenbar auf
die FreilassungvonzweiInhaftierten
verständigt.Ein in Deutschland ein-
sitzender IranerkonntenachAnga-
ben der iranischenRegierung das
Land gemeinsam mit dem iranischen
AußenministerMohammed Schawad
Sarif in einem Flugzeugverlassen. Sa-
rifhatteander Münchner Sicherheits-
konferenzteilgenommen. Dem Inhaf-
tiertenAhmed C. drohtedemnach
die Auslieferung in dieVereinigten
Staatenwegendes Vorwurfs der Ver-
letzungvonSanktionen. Im Gegen-
zug wurde in Iran ein Deutscher frei-
gelassen, derwegenillegalerFotoauf-
nahmen in Iran zu einer Haftstrafe
vondreiJahrenverurteilt war, wie es
hieß. DasAuswärtigeAmt antworte-
te auf Anfragen zu dem Thema zu-
nächs tnicht. pca.

Prozess gegenNetanjahu


beginnt im März


Der Strafprozessgegen denamtieren-
den israelischen Ministerpräsidenten
BenjaminNetanjahu beginnt am 17.
Märzund damit zweiWochen nach
der Parlamentswahl. Diesgabdas is-
raelischeJustizministerium am Diens-
tag in Jerusalembekannt.ImJanuar
hattedie Generalstaatsanwaltschaft
Anklagegegen Netanjahu in dreiFäl-
len erhoben. Er wirdwegen Beste-
chung, Untreueund Betrug ange-
klagt.Netanjahuweistdie Anklage
zurückund strebt eineWiederwahl
an. stah.

HöckesAngstvor Merz


Macron: Unser Feind is tder Separatismus


Der französische Präsidentbesucht in Mulhouse eine Hochburgder Islamisten/VonMichaelaWiegel ,Paris


Wichtiges inKürze


DIE LETZTEN
KRIEGSWOCHEN


  1. FEBRUAR


Thüringens


AfD-Vorsitzender


offenbar tbei einer


Pegida-Demo,wener


lieber nichtals


CDU-Vorsitzendenwill.


VonStefanLocke,


Dresden


Für die Herstellung derFrankfurterAllgemeinen Zeitung wirdausschließlichRecycling-Papierverwendet.

SEITE 4·MITTWOCH, 19.FEBRUAR2020·NR.42 Politik FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG

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