Die Zeit Wissen - 01.2020 - 02.2020

(Barry) #1

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von 100 Kilowatt und mehr. Das hat aber
einen Preis: Je schneller ich eine Batterie
lade, desto schlechter wird der Wirkungs-
grad. Im Alltag lädt man besser nachts zu
Hause, so erreicht man einen Wirkungs-
grad von über 95 Prozent.
Schlechter Wirkungsgrad bedeutet: Beim
Schnellladen geht Energie verloren?
Elektromotor: Ja, damit heizt man die Bat-
terie auf und die Stromversorgungskabel.
Wer von Berlin nach München fährt,
könnte mit dieser Technik mit zweimal
Laden hinkommen?
Elektromotor: Ja, zum Beispiel in Erfurt
und noch einmal irgendwo zwischendurch.
Voraussetzung sind Stromtankstellen, die
diese Leistungsfähigkeit besitzen. Die gibt
es derzeit nur als Versuchsaufbauten.
Wasserstoffantrieb: Im Moment werden
an sämtlichen Autobahnraststätten mindes-
tens zwei Schnellladepunkte gebaut, die
mindestens 50 Kilowatt Leistung haben.
An einem solchen Ladepunkt braucht man
etwas über eine Stunde, um Strom für 300
Kilometer nachzuladen. Wir arbeiten in-
zwischen an 800-Volt-Ladetechnik, die mit
dem neuen Porsche Taycan in Serie geht.
Da ist man dann bei einer Ladezeit von 20
Minuten für 300 Kilometer. Wir wissen
von den Kunden, dass sie 15 Minuten ge-
rade so akzeptieren.
Wie sieht das beim Wasserstoff aus? Bis
Ende des Jahres wird es knapp 100 Tank-
stellen in Deutschland geben. Das reicht
noch nicht für die Mobilitätswende.
Könnte man das bestehende Tankstellen-
netz auf Wasserstoff umrüsten?
Wasserstoffantrieb: Selbstverständlich.
Der Plan ist, dass zunächst große, später alle
Tankstellen eine Wasserstoffsäule bekom-
men. Das können Sie hier in Berlin an drei
bis fünf Stellen schon besichtigen. Das fällt
kaum auf. Es gibt bereits kleine Elektrolyse-
Anlagen, die aus Strom und Wasser direkt
an der Tankstelle Wasserstoff erzeugen
können. Damit fällt das ganze Transport-
problem weg.
Derzeit wird Wasserstoff durch Dampf-
reformierung aus Erdgas oder Erdöl her-
gestellt. In Zukunft bräuchte man genug
Ökostrom aus erneuerbaren Energien, um
ihn CO₂-neutral zu produzieren.
Elektromotor: Bis dahin plädiere ich dafür,
das System mit dem besten Wirkungsgrad
zu nehmen. Etwa ein batterieelektrisches
Fahrzeug mit Range-Extender, mit dem ich

wenigen Jahren in Ordnung – ohne zusätz-
liche Maßnahmen. Die Themen Feinstaub
und Stickoxide haben sich dann erledigt.
Und wer einen neuen Diesel fährt, sollte
Biodiesel tanken. Das gibt es als B10 und an
einigen wenigen Tankstellen als R33 – oder
für den Benziner als E10. Mit diesen Sorten
stößt ein Fahrzeug automatisch zehn Pro-
zent weniger CO₂ aus. Zehn Prozent weni-
ger jetzt sofort sind mir eigentlich lieber als
20 Prozent weniger in zehn Jahren.
Lassen Sie uns über das Tanken reden.
Sollte der Ausbau der erneuerbaren Ener-
gien wieder in Schwung kommen und es
irgendwann genug sauberen Strom geben,
bleibt bei den Elektroautos immer noch
das Problem der langen Ladezeiten.
Elektromotor: Inzwischen gibt es Techni-
ken, mit denen wir die Batterien in zehn
Minuten auf einen akzeptablen Ladezustand,
etwa 70 bis 80 Prozent, bringen können, also
in der berühmten Kaffeepause an der
Stromtankstelle. Das Aufladen geschieht
mit 400 oder sogar 690 Volt Spannung, da
fließt ordentlich Strom mit einer Leistung

Elektromotor: Ich sehe das Potenzial einer
hundertprozentigen Reduktion von CO₂ in
reinen Elektrofahrzeugen. Das funktioniert
aber nur mit ausreichender Wind- und
Solarenergie. Wenn man die derzeitige
Windkraftkrise betrachtet, wird das mögli-
cherweise nicht gelingen.
Verbrennungsmotor: Ja, da muss noch
ganz viel passieren. Warum nutzen wir die
CO₂-freie Energie nicht dort, wo sehr viel
Sonne scheint, um E-Fuels oder Wasserstoff
zu produzieren, zum Beispiel in Afrika oder
in Saudi-Arabien? E-Fuels und Wasserstoff
sind aufgrund der hohen Energiedichte für
den Transport besonders geeignet und wür-
den für diese Regionen ein großes klima-
neutrales Exportpotenzial bedeuten. Dies
würde eine schnelle Absenkung der CO₂-
Emissionen ermöglichen, da auch der heu-
tige Fahrzeugbestand mit diesen Kraft-
stoffen betrieben werden kann.
Elektromotor: Prinzipiell könnte man den
Wasserstoff sofort erzeugen, der hat aber
auch Nachteile. Bei längeren Transport-
wegen verflüchtigt er sich, zum einen dif-
fundiert er gern durch Tanks, und nach
vielen Tagen ist nichts mehr drin. Das ist
die eine Geschichte. Man kann ihn auch
flüssig transportieren, dann diffundiert
nichts, aber dafür verdampft immer ein
Teil, und das Ganze muss man dann abbla-
sen, damit der Druck nicht zu hoch wird.
Das heißt also, Wasserstoff als solcher lässt
sich nicht über beliebig lange Zeit speichern.
Wasserstoffantrieb: Ich habe für Ihre
Leser eine persönliche Empfehlung: Wer als
Vielfahrer unmittelbar heute etwas für
Klima und Umwelt tun will und nicht auf
ein passendes neues Auto warten will, sollte
sich einen modernen Diesel kaufen.
Der Dieselmotor hat aber wegen der
Schadstoffe keinen guten Ruf.
Wasserstoffantrieb: Alle Antriebskonzepte,
über die wir hier reden, haben keine nen-
nenswerten Emissionen von Schadstoffen
mehr – auch der Diesel mit der neuesten
Motorgeneration nicht, der die Abgasnorm
Euro-6d-Temp erfüllt.
Zurzeit erfüllen hierzulande aber nur fünf
Prozent aller Diesel-Pkw diese Norm.
Wasserstoffantrieb: Jedes Jahr kommen
drei Millionen Autos dazu, bei insgesamt
42 Millionen Privat-Pkw, während die äl-
testen aus dem Verkehr genommen werden.
Der Flottenaustausch durch neue Fahrzeu-
ge bringt die Luftqualität in den Städten in


Gipfeltreffen im Berliner Fern-
sehturm: Uwe Schäfer (Elek-
tromotor) leitet seit 2006 das
Fachgebiet Elektrische An-
triebstechnik an der TU Berlin.
Zuvor war er Entwickler bei
Daimler-Benz. Bernd Wiede-
mann (Verbrennungsmotor)
forschte über 30 Jahre lang bei
VW. Seit 2009 leitet er das
Fachgebiet Verbrennungskraft-
maschinen an der TU Berlin.
Ulrich Eichhorn (Wasserstoff-
antrieb) ist Vorstandsvorsitzen-
der von IAV, einem der größten
Ingenieurdienstleister der Auto-
industrie. Zuvor war er Entwick-
lungschef bei Volkswagen.
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