Neue Zürcher Zeitung - 18.02.2020

(Darren Dugan) #1

20 PANORAMA Dienstag, 18. Februar 2020


ZAHLENRÄTSEL NR. 40

SPIELREGELN«KAKURO»:Die Zahlen 1
bis 9müssenin einer ReihedieGesamt-
summe ergeben.Dieseist inden schwar-
zen Kästchenlinks davon bzw.darüber vor-
gegeben.JedeZahldarfinnerhalbeiner
Summenur einmal vorkommen.

Auflösung:
ZahlenrätselNr. 39

Eingesperrt in Wuhan

Eine chinesisch-schweizerische Familie durchlebt eine schwierige Zeit in der abgeriegelten Stadt


MATTHIAS MÜLLER, PEKING


«WelcherTag ist heute?», fragt derWest-
schweizer Emmanuel Geebelen zu Be-
ginn desTelefonats. «Weil wir nicht arbei-
ten,habe ich etwas das Zeitgefühl ver-
loren», sagt der 42-Jährige entschul-
digend. Der aus Genf stammende
Geebelen wartet in der abgeriegelten
Hauptstadt der Provinz Hubei,Wuhan,
zusammen mit seiner chinesischenFrau
Connie und den beiden Kindern auf das
Ende der durch das neuartige Corona-
virusverursachten Krise. Geebelen be-
tont,dasses allen gutgehe. «Die Kinder
machen gerade einen Mittagsschlaf. Da
habe ich Zeit, inRuhe mit meinerFrau
zureden und zu telefonieren», fügt er an.
In den vergangenenTagen haben die
Behörden dasAusgehverbot für die ge-
samte Provinz nochmals drastisch ver-
schärft. Zunächst hatte dieVorgabe für
die Bewohner der 11-Millionen-Stadt
gelautet, dass nur noch alle dreiTage
einFamilienmitglied dieWohnung ver-
lassen dürfe. «Wir haben eine Karte er-
halten, die abgestempelt wurde, sobald
einer von uns zum Einkaufen ging.»
Vor wenigenTagen sind dieRegularien
nochmals verschärft worden. «Eigentlich
dürfen wir gar nicht mehr vor die Haus-
tür», sagt Geebelen. In den erstenTagen
wurde der Erlass noch strengkontrolliert.
Am Montagmorgen versuchte Geebelen
trotzdem, in einen nahe gelegenen Super-
markt zu gelangen. Er hatte Glück und
konnte dasWohnviertel verlassen.


Frisches Fleischist Mangelware


Betreibern vonRestaurants undBars ist
es inWuhan zwar strikt untersagt, Gäste
zu bewirten. Allerdings dürfen sie Ge-
richte zubereiten und vonKurierdiens-
ten ausliefern lassen. «Dieses Angebot
funktioniert nochreibungslos», betont
Geebelen.Weniger gut läuft dieVersor-
gung mit über das Internet bestelltem
frischem Gemüse und Fleisch. «Da sind
noch immerBestellungen offen, weshalb
ich am Morgen in einen Supermarkt
ging. Wir wollen unseren Kindern eine
ausgewogene Ernährung bieten und sel-
berkochen», sagt Geebelen.
In den Supermärkten versuchen alle
zunächst ihr Glück an der Fleischtheke,
sagt Geebelen. Die Nachfrage nach fri-
schem Fleisch sei gross, das Angebot je-
doch knapp. An gefrorenem Rind- oder
Schweinefleisch mangelt es dagegen
nicht. DieRegierung hat ihre eiserne
Reserve angezapft und Supermärkte mit
gefrorenem Fleisch beliefert.
Als gut bezeichnet Geebelen das An-
gebot an Gemüse, auch wenn es Ein-
schränkungen gibt. «Seit einerWeile
finde ich wederKürbis nochPaprika.
Und auch dieAuswahl an Pilzen bleibt
begrenzt. Es gibt jedoch noch immer rund


15 Gemüsearten, weshalb wir ein ab-
wechslungsreiches Essen zubereitenkön-
nen», sagt Geebelen. Auch die meisten
Früchteseien frisch. Geebelen macht je-
doch die Einschränkung, dass er in einem
japanischen Supermarkt einkauft, wo das
Angebot besser als in chinesischen sei.
Lachend erzählt Geebelen von sei-
nen Eindrücken beim Spaziergang zum
Supermarkt. «Als ich an einer Kreuzung
sechs, siebenPersonenwagen gesehen
habe, dachte ich: oh, so viele. Bis mir wie-
der eingefallen ist, dass sich normaler-
weise HunderteAutos an der Strassen-
kreuzung stauen.» DieVorgabe lautet,
dass nur nochPolizeistreifen,Kranken-
wagen undAutos mit speziellenKenn-
zeichen die Strassen benutzen dürfen.
Allerdings steigen manche Bewohner
Wuhans dennoch in ihrePersonenwagen,
wie die Eindrücke Geebelens zeigen.
Härter als dieFamilie von Geebe-
len trifft es seine Schwiegereltern. Sie
leben in einem anderenTeil der Pro-
vinz Hubei und dürfen seitTagen die
Wohnung nicht mehr verlassen. Die
Behördenkontrollieren dieVorschrift
mit wachemAuge. «MehrereFamilien
schliessen sich zusammen, bestellen und
lassen sich mit den wichtigsten Nah-
rungsmitteln beliefern», sagt Geebelens
Frau Connie. Schwieriger gestaltet sich
dagegen die Situation fürPersonen, die

in Einfamilienhäusern leben und nicht
die Möglichkeit haben, gemeinsam mit
den Nachbarn Bestellungen aufzugeben.
In manchenFälle soll der Unmut über
die Situation wegen der ausbleibenden
Lieferungen gross sein.

Der Zentralregierungdankbar


Die vierköpfigeFamilie hatte bisher
das Glück, nicht auf ärztliche Hilfe an-
gewiesen zu sein. Die medizinischeVer-
sorgungslage muss anfangs katastrophal
gewesen sein. Connie Geebelen meint
jedoch, dass sich seit der Eröffnung der
beiden innert wenigerTage errichteten
Spitäler die Situation gebessert habe.
Zudem werden allePersonen, die als
Verdachtsfälle gelten, zunächst in ein
Stadion gebracht, wo die Gesunden und
die Infizierten getrennt werden.
Geebelen und seineFrau betonen,
dass jenseits der Spitäler, wo es auch
schon zu Übergriffen auf das medizini-
schePersonal gekommen ist, die Situa-
tion ruhig sei. Auch die immer wieder
zu hörenden Gerüchte, dass dieLage zu
einem Problem für dieKommunistische
Partei werden könnte, bestätigen sie
nicht.«Vielmehr unterstützen viele Be-
wohnerWuhans diePekinger Zentral-
regierung, weil sich dieLage bessert»,
sagt Connie Geebelen.

Gerüchte gibt es in der Provinz Hubei
viele, auch darüber, wann sich das Leben
wohl wieder zu normalisieren beginnt. Ei-
nige gehen von Anfang März aus, andere
Stimmenrechnen mit Ende März. «Die
Sorgen drehen sich immer mehr um die
Wirtschaft», sagt Geebelen.Das Leben
steht in Hubei seitWochen fast still, wes-
halb vielenFirmen und den Angestellten
Umsätze und Saläre weggebrochen sind.
Und doch gibt es in einigen Branchen be-
reits wieder Engpässe am Arbeitsmarkt.
«IT- Spezialisten werden händeringend
gesucht, weil sie von zu Hause arbeiten
können», fügt Connie Geebelen an.
Bereut hat dieFamilie den Schritt
nie, nach denFerien in Hongkong wie-
der nachWuhan zurückgekehrt zu sein.
Sie hatte auchkeine andereWahl, weil
in Connie GeebelensPass vermerkt ist,
dass sie aus der Provinz Hubei stammt.
Mit diesem Makel bekommt dieFami-
lie inzwischen nicht einmal mehr auf
dem chinesischenFestland eine Über-
nachtungsmöglichkeit. Und imAusland
hätte sie zunächst vieleTage in Quaran-
täne mit anderenPersonen verbringen
müssen, von denen sie nicht gewusst
hätte, wie gut es um ihren Gesundheits-
zustand bestellt ist.«Der Entscheid,
wieder nachWuhan zugehen, war ge-
nau richtig», sagt Geebelen. «Hier haben
wir unsere Privatsphäre.»

Millionen von Einwohner derStadt Wuhan müssen zu Hause bleiben, die Strassensind wie ausgestorben. GETTY

Die Zecken krabbeln immer früher


Höhere Temperaturen führen zu früherer Aktivität – dadurch könnten neue Krankheiten auftauchen


STEPHANIE LAHRTZ, MÜNCHEN


Aufgrund der höherenTemperaturen im
Winter wie im Sommer sind Zecken in
vielen Gebieten Deutschlands und der
Schweiz mittlerweile fast das ganzeJahr
über aktiv. «Bereits jetzt sehen wir Ze-
ckenaktivitäten», betont Ute Macken-
stedt,Parasitologin und Expertin an der
Universität Hohenheim. Keineswegs
nur aus südlicheren Gefilden zugewan-
derte Arten wie dieAuwaldzecke krab-
beln bereits inWäldern herum.Auch die
einheimische und daher häufigste Ze-
cke,der Gemeine Holzbock, ist schon
aufgewacht. WenigeTage mitTempera-
turen über sieben Gradreichen dafür.
Offenbarsind manche Exemplare auch
schon auf Menschen gestossen:Kürzlich
erfolgte bereits eineInfektion mitFrüh-
sommermeningoenzephalitis (FSME)
inBaden-Württemberg,in der Schweiz
wurden seitJahresbeginn sogar zwei
Fälle festgestellt.Das FSME-Virus ge-


langt von befallenen Zecken beim Sau-
gen in die menschliche Blutbahn.

2019 leicht rückläufig


«ImVergleich zu vor zehnJahren tauchen
FSME-Fälle im Schnitt dreiWochen frü-
her auf»,erläutert Mackenstedt. Man
solltedaher also auch jetzt schon nach
einem Spaziergang durchWälder und
Wiesen seineKörperoberfläche genauso
gründlich wie imFrühling und Sommer
absuchen, vor allem da ja an mehrerenTa -
gen Spaziergänge ohne dickeJacken mög-
lich waren.Nach demFSME-Rekordjahr
2018 gingen in beidenLändern dieRaten
2019 wieder zurück, die Gründe sind un-
klar. Laut Experten schwanken dieRa-
ten seitJahren, allerdings gab es in den
letztenJahren insgesamt eine Zunahme.
Die höherenTemperaturen ermög-
lichen den eingewanderten Auwald-
zecken auch eineAusbreitung innerhalb
Deutschlands. «Wirkennen seitJahren

Regionen mitPopulationen inBaden-
Württemberg undBayern», erklärt Ma-
ckenstedt. «Aber dank den über 3500
letztesJahr von der Bevölkerung einge-
schickten Zecken wissen wir nun, dass
es diese Spinnentiere auch nach Nie-
dersachsen und bis in den Norden nach
Schleswig-Holstein geschafft haben.»
Auch dieAuwaldzeckenkönnen das
FSME-Virus in sich tragen. Gemäss den
Analysen in Hohenheim und anderen
Laboren ist das aber jeweils selten.

Tropische Zeckevorgefunden


Für eine weitere «fremde» Zecken-
art, die Riesenzecke Hyalomma, bie-
tet Deutschland immer bessere Über-
lebensbedingungen. SeitJahren trans-
portieren Zugvögel in ihrem Gefieder
Larven und Nymphen der Hyalomma-
Zeckenach Deutschland oder auch in
die Schweiz. Dort fallen diese ab; wenn
es dann warm genug ist, entwickeln sich

daraus dieerwachsenenTiere. Im letzten
Jahr habe man erstmals zu einem sehr
frühen Zeitpunkt und bei sehr schlech-
temWetter eine tropische Hyalomma-
Zecke in Deutschland gefunden, daher
gehe man davon aus, dass zumindest ein-
zelne Exemplarehierüberwinternkönn-
ten, betont Mackenstedt. Noch ist aller-
dings unklar, ob sich einePopulation eta-
bliert hat und sich auch fortpflanzt.
Die gute Nachricht ist, dass inkeinem
bisher untersuchten Hyalomma-Exem-
plarViren für hämorrhagischesFieber ge-
funden wurden. In ihrer Heimat Afrika
übertragen Hyalomma-Zecken zum Bei-
spiel das potenziell tödliche Krim-Kongo-
Fieber. Zumindest manche Riesenzecken
sind jedoch nichtganz ungefährlich. So
gibt es einen Hinweis, dass imAugust
2019 eine Hyalomma-Zeckein Deutsch-
land einen Menschen mit Rickettsien infi-
ziert hatte und der Mann daraufhin Fleck-
fieber bekam. Diese Erregerkönnen mit
gängigen Antibiotika behandelt werden.

Geschworene


beraten


im Fall Weinstein


Dem 67-Jährigen
droh t eine lebenslang e Haftstrafe

gam.· Ab Dienstag werden sich die
zwölf Geschworenen im Prozess gegen
den ehemaligenFilmproduzenten Har-
veyWeinstein zu Beratungen zurück-
ziehen. In diesen werden sie über
Schuld oder UnschuldWeinsteins ent-
scheiden.Wann die Geschworenen ihr
Urteil fällen,ist nicht festgelegt. Mög-
lich wäre dies aber noch in derselben
Woche. Bei einerVerurteilung wegen
schwerer Sexualverbrechenkönnte der
67-Jährige denRest seines Lebens im
Gefängnis verbringen.

Vorwürfe von über 80 Frauen


Mit den Schlussplädoyers der Staats-
anwaltschaft war am vergangeneFreitag
der inhaltlicheTeil des wochenlangen
Prozesses gegenWeinstein zu Ende ge-
gangen.AmTag zuvor hatte dieVertei-
digung ihre Schlussplädoyers gehalten.
Seit dem 6.Januar muss sichWein-
stein vor dem NewYorker Strafgericht
verantworten. Er ist wegenVergewalti-
gung, sexueller Nötigung und «preda-
tory sexual assault» angeklagt – Letzt-
genanntes bedeutet übersetzt ungefähr
«raubtierhafter sexueller Angriff». Die
Staatsanwaltschaft will beweisen, dass
Weinstein sichFrauen gegenüber wie ein
«predator» verhielt, also wie einRaub-
tier. Mehr als 80Frauen, unter ihnen be-
kannte Schauspielerinnen wie Angelina
Jolie, AshleyJudd, UmaThurman oder
Salma Hayek, habenWeinstein in den
vergangenenJahren sexuelle Übergriffe
vorgeworfen.Einige von ihnen waren als
Zuschauerinnen im Gericht anwesend.

Ex-Filmmogul bestreitet Schuld


DavieleFälle verjährt sind oder nicht zur
Anzeige gebracht wurden, dreht sich der
Prozess aber nur um dieVorwürfe von
zweiFrauen. Eine von ihnen, eine ehema-
lige Produktionsassistentin derWeinstein
Company namens Mimi Haleyi, soll von
Weinstein 2006 zum Oralsexgezwungen
worden sein. Die andereFrau, die ehe-
malige SchauspielerinJessica Mann, soll
er 2013 vergewaltigt haben.
Bei einem Schuldspruch könnte
Weinstein in Berufung gehen.In Kali-
fornien ist ein weiterer Strafprozess
gegen ihn angekündigt.Weinstein selbst
gab zwarFehler zu, streitet dieVorwürfe
jedoch ab. Vor Gericht plädierte er auf
nicht schuldig. Der Multimillionär hat
immer wieder betont, sämtliche Hand-
lungen seien einvernehmlich gewesen.
Insgesamt hatten 28 Zeugen ausge-
sagt,von derVerteidigung wurden wei-
tere siebenPersonengehört. Unter den
Zeugen waren auchFrauen, dieWein-
steinVergewaltigung vorwerfen, deren
Fälle mittlerweile aber verjährt sind.
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