Handelsblatt - 17.02.2020

(Ann) #1
Moritz Koch, Torsten Riecke, Donata Riedel
München

I


n der Debatte über den Aufbau des
5G-Mobilfunknetzes haben sich die USA
lange darauf beschränkt, Nein zu sagen:
Nein zu Huawei und anderen „Hochrisiko-
Anbietern“, Nein zur Zusammenarbeit mit
China beim Aufbau der Infrastruktur der digitalen
Zukunft. Aber Nein-Sagen reicht nicht, wenn de-
mokratische Staaten bei der Digitalisierung mit-
halten wollen. Das hat Washington inzwischen er-
kannt.
Auf der Münchner Sicherheitskonferenz kündig-
ten die USA eine industriepolitische Offensive an,
um die Wettbewerbskraft westlicher Netzausrüster
gegen den Marktführer Huawei zu stärken. Die
Amerikaner haben die Entwicklung von 5G ver-
schlafen, wie sie hinter vorgehaltener Hand selbst
einräumen. Diesen Rückstand wollen sie jetzt auf-
holen – in enger Zusammenarbeit mit Europa.
Noch nie stand die Technologiepolitik in München
so stark im Fokus wie in diesem Jahr. Die 5G-Debat-
te ist zum Kristallisationspunkt der geopolitischen
Auseinandersetzung der USA mit dem aufstreben-
den Rivalen China geworden. Was die Amerikaner

in München skizzierten, war nichts anderes als ei-
ne Rollback-Strategie für das Digitalzeitalter. Unter
Rollback firmierte im Kalten Krieg der Versuch der
USA, die Ausdehnung der sowjetischen Einfluss-
sphäre zurückzudrehen.
Die 5G-Initiative der USA wird nicht nur von Prä-
sident Donald Trump und seinen republikanischen
Parteifreunden vorangetrieben, sondern auch von
den Demokraten im Kongress. Lindsey Graham, ei-
ner der führenden Republikaner im Senat, formu-
lierte es so: Die demokratische Oppositionsführe-
rin Nancy Pelosi und Trump hätten „politisch
nichts gemein“. Aber in der Huawei-Frage seien
sich beide völlig einig. Tatsächlich waren Pelosis
Worte zur 5G-Debatte von einer Schärfe, die in
Europa gemeinhin nur der Trump-Regierung zuge-
schrieben wird. Die Entscheidung für oder gegen
Huawei-Technologie bedeute eine Wahl zwischen
„Autoritarismus und Demokratie“, mahnte sie.
Amerika und Europa müssten mit einer gemeinsa-
men industriepolitischen Anstrengung eine „Inter-
nationalisierung der digitalen Infrastruktur voran-
treiben, die die Autokratie nicht stärkt“.

Bei der Verlegung des neuen Fundaments der
Digitalwirtschaft dürfe es keine Kompromisse ge-
ben – das war die zentrale Botschaft der US-Delega-
tion. Sowohl Außenminister Mike Pompeo als auch
Pentagon-Chef Mark Esper stellten klar, was das be-
deutet: keine chinesischen Komponenten im
5G-Netz. „Wenn es uns nicht gelingt, bei 5G Einig-
keit zu erreichen, wird das unsere künftige Zusam-
menarbeit beeinträchtigen – auch die militärische“,
sagte der frühere US-Spitzendiplomat Nicholas
Burns dem Handelsblatt. Für Verteidigungsminis-
ter Esper steht sogar die Zukunft der Nato auf dem
Spiel. „Wenn wir die Bedrohung nicht verstehen
und deshalb nichts dagegen tun“, sagte er in seiner
Rede, „könnte sie letztlich das erfolgreichste Mili-
tärbündnis der Geschichte, die Nato, gefährden.“
Aus der Luft gegriffen sind die amerikanischen
Sorgen nicht: Chinas Präsident Xi Jinping hat das
Ziel ausgegeben, den Cyberraum zu dominieren.
Die Förderung chinesischer Technologiekonzerne
spielt dabei eine wichtige Rolle. Auch Sicherheits-
experten warnten in München vor Risiken. Sandra
Joyce, Managerin bei Fire-Eye, einem Anbieter von

Die Kampfansage


der USA an Huawei


Die amerikanische Regierung kündigt auf der Münchner Sicherheitskonferenz eine


industriepolitische Offensive an, um chinesische Netzwerktechnik aus westlichen


Märkten zu verdrängen. Die Europäer streben unterdessen nach Eigenständigkeit.


dpa

Chinas Präsident
Xi Jinping: Dominanz
im Cyberraum.

imago images/Xinhua

Huawei und


andere vom


chinesischen


Staat


unter stützte


Fir men sind


trojanische


Pferde der


Geheim dienste.


Mike Pompeo
US-Außenminister

Wirtschaft


& Politik


MONTAG, 17. FEBRUAR 2020, NR. 33
6
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