Süddeutsche Zeitung - 19.03.2020

(Nancy Kaufman) #1
Bamberg– Das Bamberger Traditions-
wirtshaus Mahrs Bräu hat am Mittwoch sei-
ne Vorratskammern geleert – und 120 Es-
sen an die Tafel gespendet. „Wir wollten da-
mit erreichen, dass viele Kollegen anderer
Wirtshäuser umdenken,“, sagt Chef Ste-
phan Michel. Er schließt sein Haus der Co-
rona-Krise wegen für mindestens zwei Wo-
chen, aber Schäufala, Rouladen und Hasen-
keulen waren schon eingekauft. Daraus be-
reiteten seine Köche die Gerichte zu. Da die
Tafeln zurzeit wegen der Hamsterkäufe we-
niger Lebensmittel zur Verfügung haben,
wollte er einen Beitrag leisten. lpo

Normalerweise herrscht an so einem Frühlingstag dichter Reiseverkehr auf der Bundesstraße 2 zwischen Mittenwald und
Scharnitz. Am Mittwoch um neun Uhr bot sich ein einzigartiges Panorama – kein einziges Auto fuhr auf der Straße. Die Ski-
gebiete haben ohnehin bereits am Wochenende zugemacht. Am letzten Skitag gab es noch einmal einen enormen Andrang
in der Zugspitzregion. Die Menschen ignorierten alle Warnungen vor einem engen Kontakt. FOTO: ANGELIKA WARMUTH/DPA

von katja auer und anna günther

München– Erleichterung bei Schülern,
Lehrern und Eltern: Das Abitur in Bayern
wird um drei Wochen verschoben. Die Prü-
fungen sollen erst am 20. Mai statt wie ge-
plant am 30. April beginnen. „Trotz der Co-
rona-Krise wollen wir faire Bedingungen
für unsere Abiturientinnen und Abiturien-
ten sicherstellen“, sagte Kultusminister Mi-
chael Piazolo (FW) am Mittwoch.
So sollen die Klausuren, die jetzt wegen
der Corona-bedingten Schulschließungen
nicht stattfinden können, nach den Osterfe-
rien nachgeholt werden. Die Punkte aus
diesen Klausuren sind Voraussetzung für
die Zulassung zum Abitur. Eine entspre-
chende Information hat das Ministerium
am Mittwochmorgen an die Gymnasien ge-
schickt. Dieser Plan geht aber nur auf, falls
die Schulen nach den Ferien wieder geöff-
net sind – so ist es bislang vorgesehen.
Am 20. Mai beginnen demzufolge die
schriftlichen Prüfungen mit Deutsch, Ma-
the folgt am 26. Mai, das dritte schriftliche
Fach am 29. Mai. Die mündlichen Prüfun-
gen finden von 15. bis 26. Juni statt. Auch
die Nachholtermine sollen so angesetzt
werden, dass die Abiturienten 2020 sich
trotz der Schulschließungen noch fristge-
recht fürs Wintersemester an den deut-
schen Unis einschreiben können. Minister-
präsident Markus Söder (CSU) hatte in der
vergangenen Woche versichert, dass es kei-
ne Nachteile für die Abiturienten geben
werde und die Bundesländer Rücksicht
auf die Umstände nehmen würden. Eine
eindeutige Regelung gibt es aber offenbar
noch nicht.
Eine weitere Verschiebung der Abitur-
prüfungen schließt Minister Piazolo nicht
aus. „Die aktuelle Situation ist eine Heraus-
forderung für die ganze Schulgemein-
schaft und erfordert flexibles Handeln.
Wir müssen auf Veränderungen reagie-
ren.“ Die Interessen der Schüler müssten
im Mittelpunkt stehen, aber man müsse

auch „die Belastungen der Schulen im
Blick behalten“.
Die Verschiebung des Abiturs ist mit
den Vertretern von Schülern, Lehrern und
Direktoren abgestimmt worden, entspre-
chend einhellig sind die Reaktionen. Es sei
aber wichtig, dass die Q 12 nach den Ferien
wieder in die Schule gehen könne, sagt Wal-
ter Baier, der Chef der Direktorenvereini-
gung in Bayern. „Die Abituraufgaben sind
ja schon fertig, die liegen ja schon irgend-
wo.“ Mit dem Aufschub sei ein faires Abitur
möglich. Die Zwölftklässler könnten jetzt
üben, nach den Ferien gehe es regulär für
sie weiter. Der Plan sei auch für die Lehrer
machbar und schaffbar, findet Baier.
Im Schreiben des Ministeriums sind
noch keine Hinweise auf einen Plan C ent-
halten, also wie sich eine weitere Verschie-
bung auf die Abiturprüfung, die Einschrei-
bungsfristen an den Unis und in der Folge
auch die Situation an den Schulen im

Herbst auswirken könnte. Die wenigsten
Schulen dürften den Platz und das Perso-
nal haben, im September noch immer die
Abiturienten und zugleich schon die neuen
Fünftklässler zu beherbergen. Warten die
Universitäten nicht, könnten diese Abituri-
enten ein bis zwei Semester verlieren.

Von derlei Spekulationen hält Michael
Schwägerl, der Chef des Philologenver-
bands, nichts. Zwar fordert auch er Pläne
für den Fall der Fälle. Aber erst einmal soll-
ten die Schüler und Lehrer Ruhe bewah-
ren. Die Prüfungen zu verschieben, sei rich-
tig. „Wir hoffen, dass der Zeitplan nicht
durch die Ereignisse überholt wird. Das ist
der Weg, der mit den geringsten Verren-

kungen und Belastungen und potenziellen
Ungerechtigkeiten gegangen werden
kann“, sagt Schwägerl.
Landesschülersprecher Joshua Gras-
müller geht es vor allem um die Fairness,
und die sei mit der Verschiebung nun gege-
ben. „Da wurde ein großes Stück Panik
rausgenommen“, sagt er. Die angehenden
Abiturienten seien stark verunsichert ge-
wesen, solange nicht klar war, wie es wei-
tergehen würde. Nun sei die Sorge weniger
geworden, dass Nachteile entstehen könn-
ten, etwa wegen mangelnder Vergleichbar-
keit. „Wir sind optimistisch“, sagt Grasmül-
ler. Die Schüler vernetzten sich digital zu
Lerngruppen, von den Lehrern würden sie
gut mit Material versorgt. Dass Bars und
Clubs nun geschlossen haben, ist der Abi-
Vorbereitung vielleicht zudem dienlich.
Susanne Arndt, die Vorsitzende der Lan-
deselternvereinigung der Gymnasien,
nennt die Verschiebung eine „sehr gute Lö-
sung“. Für die aktuelle Situation sei es die
beste Überlegung, auch wenn niemand wis-
sen könne, wie es weitergehe. Und auch
wenn nun die eine oder andere Abiturfahrt
verschoben werden müsse. „Da gibt es
Schlimmeres“, sagt sie.
Auch die Landtagsopposition begrüßt
die Entscheidung. „Unumgehbar“ sei sie,
sagt Bildungsexpertin Simone Strohmayr
(SPD), die Grünen-Abgeordnete Gabriele
Triebel nennt die drei Wochen Verschie-
bung aus heutiger Sicht ausreichend. Sie
will nun auch die Frage des Übertritts ge-
klärt wissen, der Anfang Mai ansteht. Nur
Markus Bayerbach (AfD), der Vorsitzende
des Bildungsausschusses, übt Kritik – we-
niger an der Entscheidung als am Verfah-
ren. In seiner Funktion hätte er in die Ent-
scheidung eingebunden werden müssen.
„Das wäre der Stil, den diese Zeit fordert.“
Er spricht sich für eine Verschiebung der
Abschlussprüfungen auch an Realschulen
und Mittelschulen aus. Darüber ist noch
keine Entscheidung gefallen. Sie sollen re-
gulär am 16. Juni beginnen.

Würzburg– Tim Stelzer ist zunehmend
verzweifelt. Er ist Arzt in einer Würzburger
HNO-Gemeinschaftspraxis und zugleich
auch stellvertretender Geschäftsführer ei-
nes ambulanten Intensivpflegedienstes,
der schwerstpflegebedürftige Menschen
versorgt. Stelzers Problem: Er braucht drin-
gend Desinfektionsmittel und Schutzaus-
rüstung für seine Arztpraxis und für den
Pflegedienst. An alle möglichen Lieferan-
ten hat er sich gewandt – vergeblich. Auch
die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns
(KVB) sowie das Gesundheitsministerium
hätten ihm nicht helfen können.
Nun, so warnt Stelzer, ist die weitere Ver-
sorgung der Pflegebedürftigen in Gefahr.
„Wir müssen jetzt mit unseren knappen
Restbeständen Mangelverwaltung betrei-
ben“, kritisiert Stelzer. Er steht mit seinen
Sorgen nicht alleine da. Auch Klaus Kre-
mer, Facharzt für Chirurgie mit eigener
Praxis in Würzburg, sagt: „Wenn mein Des-
infektionsmittel leer ist, muss ich die Pra-
xis schließen.“ In der Intensivpflege kann
man indes nicht einfach den Betrieb ein-
stellen – denn würden die ambulanten Pfle-
gedienste dies tun, so hätte das gravieren-
de Auswirkungen: „Das wäre in dieser Si-
tuation fatal und könnte die Versorgungsla-
ge in den Krankenhäusern zuspitzen“, sagt
Marliese Biederbeck, die für Bayern zu-
ständige Geschäftsführerin des Deutschen
Berufsverbands für Pflegeberufe. „Im
schlimmsten Fall können die oft schwer-

kranken und pflegebedürftigen Menschen
bald nicht mehr zuhause versorgt werden“,
warnt Biederbeck. „Genau das, was eigent-
lich vermieden werden soll, um nicht Bet-
ten zu blockieren“, sagt auch Andrea Öttl,
die in einem überregionalen Intensivpfle-
gedienst als Leiterin des Qualitätsmanage-
ments tätig ist.

An Nachschub zu kommen, dies gestalte
sich nicht erst seit jetzt äußerst schwierig:
„Einige Pflegedienste berichten, dass sie
bereits Mitte Januar bestellt hätten, aber
bis heute keine Lieferung angekommen
sei“, sagt Biederbeck. Bestellungen wür-
den zurückgestellt oder nicht angenom-
men – „mit dem Hinweis darauf, dass die
Versorgung von Krankenhäusern und Ret-
tungsdiensten jetzt Vorrang habe“.
Einer, der an der Quelle sitzt, ist Thomas
Neundörfer, Geschäftsführer von Strätz
Medizintechnik mit Sitz in Estenfeld bei
Würzburg. Er beliefert Mediziner und me-
dizinische Einrichtungen mit den für die
Pflege wichtigen Produkten. „Versorgungs-
lücken sind offensichtlich, gerade beim
Mundschutz und Desinfektionsmitteln ist
der Markt komplett abgefragt“, sagt er. Je-
den Tag tröpfele etwas Nachschub rein, die

gewünschten Mengen seien aber nicht ver-
fügbar. „Die Industrie produziert in Son-
derschichten, doch die Regelungen durch
Bund und Länder greifen leider zu spät.“
Diese Erfahrung machen derzeit auch et-
liche Apotheker, die jetzt selbst gerne Des-
infektionsmittel herstellen würden, wie
Hans Peter Hubmann, der Vorsitzende des
Bayerischen Apothekerverbands betont.
Doch zu lange hätten Vorgaben der Euro-
päischen Union verhindert, dass Apothe-
ken alkoholische Lösungen, konkret Iso-
propanol 70 Prozent, verarbeiten dürfen.
Jetzt erst habe die Bundesregierung dies er-
möglicht. Nun dauere es, bis Isopropanol
wieder für die Apotheker verfügbar sei. Ein
Problem dabei: Die Lieferungen der Raffi-
nerien erfolge mit Kesselwagen. „So viel
braucht keine Apotheke“, sagt Hubmann.
Bayerns Krankenhäuser haben größten-
teils im Augenblick kein Problem mit Des-
infektionsmitteln – Beispiel Universitäts-
klinikum Augsburg: Die Versorgung sei si-
chergestellt, die Vorräte ausreichend.
Ganz anders sehe es dagegen bei Schutz-
kleidung und Schutzmasken aus: Die
Marktsituation sei angespannt, die Unikli-
nik nutze aktuell alle Möglichkeiten der
Nachbestellung im In- und Ausland.
Da würde sich ein Anruf unweit von
Augsburg in Buchloe bei der Firma Franz
Mensch lohnen, das Familienunterneh-
men handelt seit mehr als 45 Jahren mit
Einwegartikeln, Hygienebekleidung und

Arbeitsschutzprodukten. Geschäftsführer
Axel Theile sagt, dass der Bestand im Lager
in den vergangenen Wochen weitgehend
ausverkauft wurde: 20 verschiedene
Mundschutz-Artikel führt das Unterneh-
men eigentlich, inzwischen seien nur noch
zwei bis drei Varianten verfügbar.
Da aber wieder aus China importiert
werden kann, ist eine große Lieferung ab-
sehbar. Alleine der Bund habe 15 Millionen
Stück Mundschutz bei ihm geordert, sagt
Theile: „Wir verkaufen ausschließlich an
medizinisches Personal.“ Offenbar sei das
Hausärzten nicht bekannt. Allerdings sei-
en die Preise für die Ware immens gestie-
gen. „Wir müssen per Luftfracht einfliegen
lassen, und Flugzeuge bekommt man jetzt
auch nicht so einfach“, betont Theile.
Einige Hausärzte, so ist zu hören, gehen
bei der Herstellung von Desinfektionsmit-
teln für ihre Praxis nun sehr ungewöhnli-
che Wege: „Um an hochprozentigen Alko-
hol heranzukommen, kaufen sie in Super-
märkten große Mengen Wodka auf“, sagte
ein Branchenkenner, der unerkannt blei-
ben will. Mittlerweile aber besteht Hoff-
nung: Ein Sprecher der KVB bestätigte am
Mittwoch, dass das Beschaffungsamt der
Bundeswehr im große Stil medizinisches
Material – wie etwa Schutzkleidung – be-
sorgt hat und es Ende März ausliefern will.
Zudem hat der Freistaat inzwischen selbst
Desinfektionsmittel gekauft.
a. blatz, f. fuchs, d. mittler

München– Der mobile Fahrdienst der Kas-
senärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB)
nimmt nach eigenen Angaben täglich bei
etwa 1700 Menschen Abstriche für Tests
auf das Coronavirus. Angesichts der enor-
men Nachfrage bittet die KVB um Geduld.
Fünf bis sieben Tage dauere es aktuell, ehe
ein Ergebnis vorliegt. Der Hausbesuchs-
dienst sei mit mehr als 200 Fahrzeugen täg-
lich im Freistaat unterwegs, um bei Ver-
dachtsfällen Proben zu entnehmen, sagte
ein Sprecher am Mittwoch. Die Abstriche
würden in Labore gebracht, die jedoch
auch völlig überlastet seien. „Die Kapazitä-
ten sind erschöpft.“ Das gilt auch für die
Hotline mit der Nummer 116 117. Hier seien
Mitarbeiter rund um die Uhr im Einsatz.
Wartezeiten von 20 bis 30 Minuten seien
nicht ungewöhnlich, sagte der Sprecher.
Wenn Anrufer dann einen Wutanfall bekä-
men, sei das nicht hilfreich. „Es ist eine ab-
solute Ausnahmesituation.“ Zudem müsse
parallel der reguläre ärztliche Bereit-
schaftsdienst auch gewährleistet bleiben.
Menschen, die Symptome aufweisen, sol-
len sich bei der KVB-Hotline melden. Sym-
ptome können in erster Linie Fieber und
Husten sein – in Kombination mit dem
Kontakt mit einem Infizierten oder nach
der eigenen Rückkehr aus einem Risikoge-
biet. Im Gespräch entscheiden die Bera-
tungsärzte, ob bei der betreffenden Person
ein Abstrich genommen wird oder nicht.
Fällt ein Test positiv aus, meldet dies die
KVB dem zuständigen Gesundheitsamt,
das wiederum den Patienten in Kenntnis
setzt. Die allermeisten Tests fallen bislang
negativ aus. dpa


Tirschenreuth– Wegen der Verbreitung
des Coronavirus hat das Landratsamt Tir-
schenreuth am Mittwochnachmittag eine
Ausgangssperre für die Stadt Mitterteich
in der Oberpfalz verhängt. Sie gilt bis


  1. April. Es ist die erste Stadt in Bayern, die
    von dieser Maßnahme betroffen ist. Der
    Hintergrund: Bis zum frühen Nachmittag
    gab es 47 bestätigte Corona-Fälle im Land-
    kreis – davon alleine 25 in Mitterteich. We-
    gen dieser Konzentration und weil die Zahl
    der Infizierten binnen weniger Tage rasch
    gestiegen sei, habe man nun die Entschei-
    dung für eine Ausgangssperre getroffen,
    sagte Wolfgang Fenzl, der stellvertretende
    Sprecher des Landratsamtes.
    Bereits am Dienstag hatte das Landrats-
    amt den Menschen in Mitterteich empfoh-
    len, ihre sozialen Kontakte auf ein Mini-
    mum zu reduzieren. Weil die Zahl der Er-
    krankungen aber weiter zugenommen
    hat, seien die Maßnahmen nun „verschärft
    worden“, sagte Sprecher Fenzl. Nach In-
    krafttreten der Ausgangssperre wurden
    die Mitterteicher durch die Feuerwehr in-
    formiert, die mit Lautsprecherfahrzeugen
    in der Stadt unterwegs war. Auf der Home-
    page der Stadt bat Bürgermeister Roland
    Grillmeier (CSU) die Bürger darum, „die-
    sem Aufruf folge zu leisten“. Auch Handzet-
    tel wurden verteilt, um die Menschen dar-
    über zu informieren, welche Regeln nun in
    ihrer Stadt gelten, in der rund 6600 Ein-
    wohner leben.
    Laut Allgemeinverfügung des Landrats-
    amtes ist es fortan in vielen Stadtteilen un-
    tersagt, die Häuser „ohne triftigen Grund“
    zu verlassen. Mit einer Bescheinigung des
    Arbeitgebers dürfen die Menschen aber
    weiterhin zur Arbeit und wieder nach Hau-
    se fahren. Auch der Lieferverkehr soll un-
    eingeschränkt aufrecht erhalten bleiben.
    Darüber hinaus dürfen die Mitterteicher
    weiterhin tanken und „Einkäufe für den Be-
    darf des täglichen Lebens“ erledigen. Au-
    ßerdem dürfen sie zum Arzt, in die Bank,
    zur Post und in die Apotheke gehen. „An-
    sonsten sind alle sozialen Kontakte zu un-
    terlassen“, sagte Landratsamtssprecher
    Fenzl. Ausnahmen gibt es nur in begründe-
    ten Fällen und müssen vom Landratsamt
    genehmigt werden. Laut Bayerns Innenmi-
    nister Joachim Herrmann (CSU) werde die
    Polizei ab sofort den Durchgangsverkehr
    in Mitterteich stoppen und den Innenstadt-
    bereich, für den die Ausgangssperre ver-
    fügt ist, kontrollieren.
    Die Entscheidung über die Ausgangs-
    sperre habe die Tirschenreuther Behörde
    allein getroffen, es habe keine Anweisung
    von höherer Stelle gegeben, sagte Fenzl.
    Vor Inkrafttreten sei die Maßnahme mit
    Bayerns Innenminister Herrmann abge-
    sprochen worden. Auch Gesundheitsminis-
    terin Melanie Huml (CSU) sei über die Ent-
    scheidung informiert worden. Ein Regie-
    rungssprecher sagte am Mittwoch auf
    Nachfrage, dass das Landratsamt Tirschen-
    reuth „volle Rückendeckung“ der Staatsre-
    gierung habe. andreas glas


von dietrich mittler

V


iele Krankenhäuser in Bayern ha-
ben angesichts des Vergütungssys-
tems selbst ein gesundheitliches
Problem. Mindestens die Hälfte von ih-
nen ist defizitär und hängt am Tropf der
Träger. Bis vor kurzem lautete die Devise
„Bettenabbau, weg mit den kleinen Häu-
sern“. Doch dieser Ruf ist augenblicklich
verstummt. Angesichts der Corona-Krise
ist jedes Bett, jede Versorgungsmöglich-
keit willkommen. Und wenn der befürch-
tete Ansturm an Patienten tatsächlich ein-
tritt, und die vorhandenen Klinik-Kapazi-
täten nicht mehr ausreichen, will Minis-
terpräsident Markus Söder (CSU) notfalls
sogar Hotels und große Messe-, Sport-
und Konzerthallen zu Krankenstationen
umrüsten lassen.
Vermutlich etliche Bürger in Bayerns
ländlichen Regionen werden sich jetzt
wünschen, sie säßen in einer Zeitmaschi-
ne und könnten zu jenem Tag zurückrei-
sen, an dem die Schließung ihres kleinen
Krankenhauses beschlossen wurde. War-
nend würden sie da mit lauter Stimme for-
dern: „Lasst uns doch wenigstens die hier
vorhandenen Intensivplätze erhalten –
uns droht eine Pandemie, ausgelöst
durch einen hochgefährlichen Erreger!“
Aber vermutlich würden auch solche War-
nungen missachtet. So wie bereits jene,
mit denen die Bürgeraktivisten verhin-
dern wollten, dass ihr Krankenhaus
schließt. Vor allem die Hersbrucker ha-
ben da ihre Erfahrungen gemacht.
Aber zurück in die Gegenwart: Angeli-
ka Pflaum, die in ihrer mittelfränkischen
Heimatstadt den Widerstand gegen die
Klinikschließung mit organisiert hat,
gibt den Kampf noch nicht auf. Minister-
präsident Söder hat nun Post von ihr be-
kommen. „Wäre unser Krankenhausge-
bäude nicht besser geeignet wie eine Mes-
se- oder Sporthalle?“, schreibt sie da. Im-
merhin gebe es ja auch noch die Räum-
lichkeiten der verlassenen Intensivstati-
on – „bis vor zwei Jahren noch mit sechs
Betten“. Und Herr Söder, so Pflaum, mö-
ge sich doch bitte vorstellen, „wir hätten
in der Bundesrepublik nur noch 6oo Kran-
kenhäuser, so wie es von der Bertels-
mann Studie angedacht ist“. Doch der
Blick in die Krankenakte der kleinen
Landkrankenhäuser lässt eher Folgendes
befürchten: Ihr Exitus wird aufgrund der
Corona-Krise vorerst hinausgezögert –
Wiederbelebung geschlossener Häuser
indes unerwünscht!


Nürnberg– Prostituierte stehen wegen
der geschlossenen Bordelle infolge der Co-
rona-Krise vor großen Problemen. „Die
Frauen verdienen kein Geld mehr“, sagte
Hedwig Christ von der Nürnberger Bera-
tungsstelle Kassandra. Sie befürchtet,
dass einige deshalb ihr Dach über dem
Kopf verlieren werden. Viele Prostituierte
wohnen auch in den Bordellen und können
nun keine Miete mehr zahlen. Auch Escort-
Services brechen wegen der Ausbreitung
des Virus die Kunden weg. dpa

München– Die Staatsregierung hat die Lis-
te der Berufstätigen erweitert, die ihre Kin-
der in die Notfallbetreuung schicken dür-
fen. Seit Mittwoch werden auf dem Formu-
lar des Sozialministeriums auch der Perso-
nen- und Güterverkehr genannt – die Ver-
sorgung insbesondere mit Lebensmitteln
sicherzustellen, wurde zuletzt immer wie-
der als vordringliche Aufgabe genannt. Auf
dem am Montag veröffentlichten Formu-
lar war das noch nicht der Fall. Auch die Me-
dien werden nun als Teil der „kritischen In-
frastruktur“ aufgeführt. Journalisten ha-
ben also einen Anspruch auf eine Betreu-
ung ihrer Kinder, wenn kein anderer Erzie-
hungsberechtigter verfügbar und wenn
das Kind gesund ist, keinen Kontakt zu ei-
nem Covid-19-Patienten hatte und nicht in
einem Risikogebiet war. kast

Mit etwas Glück ist es am 20. Mai wieder soweit. Hier sitzen Schüler in einer Strau-
binger Turnhalle bei der Deutschprüfung im Jahr 2019. FOTO: ARMIN WEIGEL/DPA

Keiner da


Das Abi beginnt erst im Mai


Die Staatsregierung verschiebt den Beginn der Prüfungen um drei Wochen – vorausgesetzt, nach Ostern
wird der Unterricht an den Schulen wieder aufgenommen. Andernfalls drohen Komplikationen

Desinfektionsmittel und Schutzkleidung fehlen


Ärzte und Apotheker beklagen mangelnden Nachschub, Krankenhäuser melden unterdessen keine Probleme


Virustest: Bis zu


sieben Tage Wartezeit


Ausgangssperre


in Mitterteich


Behörden reagieren auf starken
Anstieg von Infektionen

Manche Hausärzte greifen auf
ungewöhnliche Methoden zurück:
Sie kaufen Wodka

MITTEN IN BAYERN

Her mit den kleinen


Krankenhäusern!


Mahrs Bräu


kocht für Tafel


Prostituierte vor


Existenz-Problemen


Notfallbetreuung


ausgeweitet


„Wir hoffen, dass der Zeitplan
nicht durch die
Ereignisse überholt wird.“

Bestätigte Infektionen in Bayern

0

400

800

100

1600

000

SZ-Grafik; Quelle: Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit

27.2. 18.3.

1798

15

Stand: 18.3. 12 Uhr

★★★


R10 Donnerstag, 19. März 2020, Nr. 66 DEFGH


BAYERN

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