Frankfurter Allgemeine Zeitung - 20.03.2020

(Nandana) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Medien FREITAG,20. MÄRZ2020·NR.68·SEITE 13


N


ichts illustriertsodeutlich,
dass sich unserVerhältnis zur
Zeit langsamändert, wie der
mediale Blick in dieVergangenheit.
Wersich vorzwanzigJahrenFernseh-
sendungenvon1980 angesehen hat,
konnteden Eindruck kaum abschüt-
teln, in eineverloreneWelt zu linsen.
Wersichdagegen heute auf Youtube
durch die Formatezappt,welchevor
zwei Dekaden liefen, wirdfests tellen,
dass vieles trotzPatina seltsam aktuell
anmutet.Zur Überprüfungsei die „Ha-
rald Schmidt Show“ empfohlen,genau-
er: deren Endspurtder ersten
Sat-1-Phase, welche 2003 zum Ab-
schlussgelangte.Manchesvondem,
wasder Zeremonienmeister und sein
Sidekick ManuelAndrack wegmode-
rierten, erscheinteinigermaßenver-
zopft,und auch die allabendlichausge-
stellteKunstdes uneigentlichen Spre-
chens wirdmittlerweile vorallemals
Einfallstor moralischerIndif ferenz kri-
tisiert. So hebtSchmidtinInterviews
immer wiederhervor, seine Show, die
letztlich Spiegeleiner Haltunggewe-
sen ist, würde heutekeineWoche
mehrvorden Anwältendes hochsensi-
blen Sprachgebrauchs bestehen –und
aus dem Programmfliegen. Allerdings
wargenaudas s chon damalsgagtau gli-
ches Terrain. In einerFolgeaus dem
Jahr2003 äußerteSchmidt, er habe
sichmit verschiedenenRassen beschäf-
tigt,umsofor thinter herz uschicken:
„KeineAufregung,ich spreche von
Hunden.“ GewisseWorteseien nur
noch mitFußnotenzuverwenden.
Wer„Gott“sagt, müssesichbei allen
Atheistenwie Agnostiker nentschuldi-
genund sodann erklären, welchen
Gott er meine:„Wir wollen keiner Reli-
gionzunahe treten.“ Beianderen Gele-
genheitenverkündete Schmidt, Boris
Beckersteckeinargen finanziellen
Schwierigkeiten,der Zustand der Bun-
deswehr seiein Fall fürGalgenhumo-
risten,die SPD leide unter „drasti-
sche mMitgliederschwund“,man solle
sic hein Beispielander Pünktlichkeit
der Bahn nehmen und müsse aufpas-
sen, dass sichkeine antigriechischen
Tendenzen in der Gesellschaftetablier-
ten. Schmidt beherrscht ees, Trends
vorwegzunehmen undKlischeeszu
umkreisen.Sohat er an seinem
SchreibtischEssen zubereitet (Fisch-
stäbchen),über denSinn vonImpfun-
genphilosophiert (Poc ken), sichge-
fragt, ob derchinesische Präsident bei
eine mBesuch wirklich als Staatschef
anreise(oder als Investor), undbe-
klagt,Politiker würden nur nochinvor-
gestanzten Phrasen sprechen (Fernseh-
duell):„Warumladen wirkaum noch
Politiker ein?Weil wir die Antworten
kennen.“All dieskönnteheute noch
exakt so überden Sendergehen. Man
mag bedauern, dassGeschichtsphiloso-
phe n, dieglauben, die Dingeentwickel-
tensichstets zumPositiven, absurd
falsch liegen. Es ließe sichaberdage-
genhalten, Beständigkeit habe einen
beruhigendenEffekt.Die jüngereVer-
gangenheitwirktdank derdigitalen
Medien wie einRaum,der weit in die
Gegenwart hineinragt.Das Damals
und das Heute kommen uns dabei wie
ein wuchtiger Block vor, der nichts
mehr mit demklassischenZeitpfeil zu
tun hat.Eine ganz andereZukunft?
Das wargestern.

Schmidteinander


VonKai Spanke

F


ranzosenriefen bekanntlichdie
Fußball-Weltmeisterschaften
und die europäischenWettbe-
werbe ins Leben. DieRenais-
sance der Olympischen Spielegeht auf
Pierre de Coubertin zurück. Die Sportzei-
tung „L’Equipe“ erfand die „Tour de
France“ und den Skiweltcup, um täglich
über frischen Stoffzuverfügen.Wäh-
rend der Landesrundfahrtsteigt dieAuf-
lage. Am höchstenwar sie bei derFuß-
ball-WM 1989 imeigenenLand, als die
Million überschritten wurde. Mit durch-
schnittlich250 000verkauftenExempla-
rengehört„L’Equipe“ zu den meistgele-
senenZeitungen.
In unbeschwerterenZeitenwarihre
tägliche Lektüre–Sonntaginbegriffen,
am Samstagmit Magazin–ein intellektu-
eller Hochgenuss, für den man sichnie
zu schämenbrauchte. DieUrteilsfähig-
keit ihrer Journalisten istnicht weniger
ausgeprägt als jene derFeuilletonisten,
denen auchdie Edelfederndes Fußballs
in nichtsnachstehen. Vincent Duluc, ihr
unangefochtener Star,ist ein literari-
sches Ausnahmetalent.Die preisgekrön-
te Trilogie über seine Jugend schlosser
nachBüchernüber denTragiker George
Bestund das EposvonSaint-Etienne mit
und ohne Michel Platini mit einemWerk
über die ostdeutscheSchwimmerinKor-
neliaEnderab, in die er sichverliebt hat-
te.OhneVincent DulucsNachbearbei-
tung bleiben die bestenSpiele unvollen-
det. Meistsind die Berichtebesser als die
Nebensache,vonder sie handeln.
Dabeiist der Sportjournalismusvon
„L’Equipe“weder unkritisch noch unpoli-
tisch. DerVereinParisSaint-Germain
hat ihreReporter mehrfach vonPresse-
konferenzen ausgeschlossen. Die Do-
ping-Berichterstattung isttrotz derNähe
zumRadsportunbes techlich. In denver-
gangenenWochen hat dieZeitung einen
wesentlichen Beitrag zurAufklärung der
Missbrauchsaffäre nimfranzösischen Eis-
kunstlauf beigetragen.
Für2020war derWelt einreiches
Sportjahrverheißen.Fürdie Franzosen
hatteesmit der spektakulären Auferste-
hung derRugby-Nationalmannschaftgut
begonnen.Alexis Pinturault warimBe-
griff, als erster Franzose seit 1997 sensa-
tionell den Ski-Gesamtweltcupzugewin-
nen. ImRück-und Geisterspiel gegenBo-
russia Dortmund, das den Ausbruchdes
Corona-Zeitaltersdeutlichmachte, über-
wand Paris Saint-Germaininder Cham-
pionsLeaguegerade nochsein Achtelfi-
nal-Trauma. Jetzt rollt der Ball nicht
mehr.Und wasberichtet eineSporttages-
zeitung ohneFußball und Rugby, ohne
Formel 1und Olympiade?
Es gabdie un vermeidlichen Scharmüt-
zel, die inZeiten derexistentiellenKrise
nochpeinlicher wirken. Der Präsident
vonOlympiqueLyon, Jean-Michel Au-
las, wolltedie Saisonnicht nurbeenden,
sondernfür ungültig erklären: Damit
wäre seinTeam für die nächsteChampi-
ons Leaguequalifiziert,vonder sie nach

Stand der aktuellenRanglistenicht ein-
mal mehrträumenkann. Selbstrund um
die Spielezwischen PSG und Borussia
Dortmundhatteniemandinder Öffent-
lichkeitvonKarl-Joachim WatzkeNotiz
genommen. Die Debatte um denAb-
bruc hder Bundesligahat ihn bekanntge-
macht–Titel in „L’Equipe:„Watzkefait
polémique“–mit einem Bildvonder
Hauptversammlung.Den Streit um die
Verschiebung desTennisturniersRoland
GarrosindenSeptemberhineinbrachte
das Blatt mit einemunübersetzbaren
Wortspiel über die Hoffnung auf einen
Frühling im Herbstauf den Punkt.
Uneinsist mansichüberdie Neuver tei-
lung derTV-Rechte,vondenen die Exis-
tenz der Klubsabhängt.Gerechter soll
sie ausfallen–das heißt: nicht proportio-
nal zur Präsenz auf dem Schirm. Ohne
Nobodyskeine Meisterschaften. Die Qua-
rantänevon Real Madrid und Cristiano
RonaldosRückzugnachMadeirawurden
gelangweilt beobachtet.Inzwischen sind
so vieleStarsinfiziert, dassdies keine
Schlagzeile ist.Ein „Scoop“wardie Ver-
öffentlichung des vertraulichen Briefs
der PSG-Chefsanalle Angestellten. Eine
ethischeDebattedreht sichumdie Fra-
ge:DürfenNeymar und die anderen Süd-
amerikaner nachHause?
Am Mittwoch interviewtedie Zei-
tung perTelefon dieAbfahrtsolympia-
siegerin Sofia Goggia, die nachihrem
SturzAnfang Februar nochinGar-
mischoperiertwurde. Sie schildertihre
Heimreise mit dem Flugzeug über Genf
nachMailand und demAuto nachBer-
gamo, wie ihr schlagartig die dramati-
sche Lagebewusst geworden sei:„Wir
alle kennen hier jemanden, dergestor-
ben ist. Die Krematorien sind 24Stun-
den in Betrieb. IchbetejedenTag.“ Mit
Sofia Goggias Alarmschreiwar„L’Equi-
pe“ denanderenZeitungenvoraus. Ges-
tern griffVincent Duluc wieder zurFe-
der.Mit einemKoautor beschrieb er,
wieder Sportfrüher auf Epidemienrea-
gier that –„oder auchnicht“. Der spani-
schen Grippe,liestman,fieleninFrank-
reich400 000 Menschen zum Opfer,
„fünfmal mehrTote,als der ErsteWelt-
krieg unter den Soldatengeforderthat-
te“. Die spanische Grippe kamaus
Amerika, Baseballwardie am meisten
betroffene Sportart.Der StanleyCup
(Eishockey) wurde abgesagt.Die Tour
de France ging 1919 wieder los.
Die asiatische Grippe (1956–1958)
mit neunMillionen Infizierten undZehn-
tausendenvonToten hat in derglorrei-
chen Legende desFCReimsihreSpuren
hinterlassen. Die WM in Schwedenging
1958 problemlosüber die Bühne,Frank-
reichwurde Dritter.Weniger Spuren
aber habe „imkollektiven Bewusstsein“
wie in den„Archiven des Sportjournalis-
mus“ die Hongkong-Grippevon
hinterlassen.In Englandgabes
Tote.Nur vereinzelt wurden Spiele abge-
sagt.Das Blattveröf fentlichtein Foto
vomEndspiel im Liga-Cup 1969: Prinzes-
sin Margaretschüttelt die Hände der Ar-
senal-Spieler–neun Profisfehlen der
Mannschaftwegen Erkrankung.
„L’Equipe“ist zur Pflichtlektüregewor-
den. Sie hättennochgenügend Stoffim
Köcher,sagt Chefredakteur Jérôme Caza-
dieu.Erverweistauf dasWachstum der
digitalen Abonnements, willaber unbe-
dingtander gedrucktenZeitungfesthal-
ten. Die Kioske bleibengeöffnet, esgeht
auchumdie Solidarität mit ihnen.Für
Online-Analphabetenveröf fentlicht
„L’Equipe“ dasFormular,das man in
FrankreichbeimVerlasse ndes Hauses
ausgefüllt mit sich tragen muss:zum Aus-
schneiden, jedenTag vonneuem.

Frühsommer 1948,Altena im Sauerland,
britischeVerwaltungszone,kurz vorder
„Stundenull“. Noch gibtesdie meisten Le-
bensmittel nurauf dem Schwarzmarkt.Der
DuftechtenKaffees is tsokostbar wie selte-
nes Parfüm. Adenauerverspricht imRadio
die Rückkehr der Kriegsgefangenen und
die Wiedervereinigung Deutschlands. Die
Demontagevon Betrieben derMontan-
industrieist in vollem Gang.Wie sollsoein
Bruttosozialprodukt zustande kommen?
Stabile Einnahmenproduziertalleindas
ältesteGewerbe der Welt;für manche
Kriegswitweist es neben demNähen für
die Nachbarschaftdie einzigeChance,an
Geld zukommen. In Düsseldorf amüsieren
sichMitarbeiter der Landeszentralbank im
Bordell. Hie rherrschtAufbruchsstim-
mung.Walter Böcker (Hans-JochenWag-
ner),ehemaligerNSDAP-Ortsgruppenlei-
teraus Altena, hat Ideen undKontakte,
Skrupelkennt er nicht.Dadie Metallindus-
trieRüstung sproduktefür dieNazis herge-
stellt hat,sind metallverarbeitendeBetrie-
be,deren EigentümerPersilscheinevorwei-
senkönnen, Mangelware. Die Zeit zurVer-
gabe des Großauftrags für die Prägung neu-
er Münzen drängt.Am20. Juni wirdesfür
jedenBürgerder Bundesrepublik vierzig
Deutsche Markgeben.Bald werden dieRe-
gale voll mitWarensein.
Alles auf Anfang;was war, das war, sa-
gendie meisten,die sich als verführt eOp-
fersehenmöchten. Eineder Voraussetzun-
gendes Wirtschaftswunders, so wie es der
„Vater der sozialen Marktwirtscha ft“Lud-

wig Erhardprognostiziert, istdie Verdrän-
gungvonSchuld undVerantwortung, sa-
genSozialwissenschaftlerspäter.InAltena
zaubert derSommer einstweilen bunte
Lichtkringel über den Badeteich, in dem
jungeLeute der Zukunftentgegenplan-
schen. DerTanzboden istgeöffnet, die
Schlagermusiktexte habenmehr kritischen
Pfiff, als den Befreiten bewusst ist.
In dem Dreiteiler „Unserewunderbaren
Jahre“, nacheinemRomanvon PeterPran-
ge,geschriebenvonRobert Krause und Flo-

rian Puchertund inszeniertvon ElmarFi-
scher (KameraFelixNovodeOliveira),
wirdvor der Folie derNachkriegsjahre
1948bis 1954Familiengeschichteals Wirt-
schaftswunderbewegung undFraueneman-
zipationsanstrengungausgebreit et.Die
Senderhoffnungen, die diese Ufa-Produkti-
on für WDR und Degetobegleiten, sind
groß. Der Programmdirektor des Ersten,
Volker Herres, und JörgSchönenborn,un-
teranderem ARD-Koordinator Fernseh-
film, begleitenden Mehrteiler mithymni-
schen Grußworten. Eine Geschichtsaufbe-
reitung imfiktionalenFernsehen,die von
der Wirtschaftsreformbis zurWiederbe-
waffnung,vonder Lokalpolitik inWest
und Ost, vonder Verdrängung wievomZu-
kunftsoptimismuskündet?
Fürdie ARDist das einRef erenzprojekt.
Eines, an dem sichdie Qualität desFiktio-
nalen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen
messen lassen soll. Das Selbstlob istinteres-
sant, aber nicht wirklichnachvollziehbar.
Der Dreiteiler hat einige Meriten, aber
auchvieleSchwächen. Gelungen sind Aus-
stattung (K.D.Gruber) undBesetzung
(Casting Nina Haun). Drehbuchund Regie
dagegengelingt es trotzausgezeichneter
Darstelle rnicht, Herausragendes auf den
Schirmzubringen.
„UnserewunderbarenJahre“ macht es
wie imverg angenenJahr der MDR-Jubilä-
ums-Film „LotteamBauhaus“, auch eine
Ufa-Produktion. Die gesamteHandlung
wirdmit Liebesschmonzetten verzuckert.
DreiTöchter, einezwischenzweiMän-

nern, die anderen beiden mitVerehrern,
die auchkein Liebesglückgarantieren–ist
es das,wasZuschauerbeim ThemaZeitge-
schichtewünschen?Ander sgesagt:Frauen
auf ihremWegzusichselbst, auf dem im-
mer wieder Männer diegrößtenStolper stei-
ne darstellen–ist das alles?
FürUlla (ElisaSchlott) und Gundel (Va-
nessa Loibl)geht es mit derWährungsre-
form um dieVerwirklichungihrer Träume.
Ulla willinTübingen Medizinstudieren,
die schüchterne Gundel dieNachfolgeder
Geschäftsführung übernehmen. Der Be-
trieb der Eltern, die „MetallwerkeAltena“
haben den ZweitenWeltkrieg ebenso unbe-
schadet überstanden wie diegroßbürgerli-
cheFamilienvilla mit Dienstmädchen und
Flügel, an dem die Hausherrin Christel
(Katja Riemann) nicht mehr spielt.Für die
Familie hat sie ihrePianistinnenkarriere
aufgegeben,jetzt tut sie buchstäblich alles
fürFirma undFamilie. Ihr Mann Eduard
Wolf (Thomas Sarbacher) liegt über Kreuz
mit der ältestenTochter Margot(Anna Ma-
riaMühe), die mit Sohn immernoch auf ih-
renvermissten Mannwartet,einen ehema-
ligen SS-Mann imFührerhauptquartier.Fir-
menchef Eduardschimpf tauf dievergange-
ne Zeit, Margottrauertihr hinterher,hängt
an den nationalsozialistischenVorstellun-
gendeutschenÜbermenschentums. Edu-
ard, der im Krieg „nur Draht“ produziert
hat, pflegt ein gutes Verhältnis zumbriti-
schenKommandanten–bis er plötzlichver-
haftetwird. „Nur Draht“warStacheldraht
für das KZ Bergen-Belsen. Hat der Ex-

NSDAP-IndustrielleBöcker ihn angezeigt,
um dasWerk zu kriegen?Der Gerichtspro-
zessführtzum ersten Schuldeingeständnis.
DanebengibtesvieleLiebeswirren: mit
Tommy(David Schütter),der in Ost-Berlin
nocheine Ökonomie-Professorin (Marleen
Lohse) amStarthat;mit Jürgen(Ludwig
Trepte ), derinder Kommunalpolitik und
zum Baulöwenaufsteigt; mitBenno (Franz
Hartwig), der als Schuhverkäufer in Düssel-
dorfanfängtund baldFilialen besitzt.
Wirsehen vier Damen mitUnternehme-
rinnengeist. Undvieles,das kursorischbis
unglaubwürdig bleibt, wie der Auftritt des
einen überlebendenJuden in Altena. Am
schlimmsten aberwirkenindiesemUnter-
haltungskontextdie dokumentarischen Bil-
derausgemergelter Leichen, die bei der Be-
freiung Bergen-Belsens aufgenommen wur-
den und die derPatriar ch einerMetallwer-
kefirmaexklusiv in abgedunkeltemRaum
zu sehen bekommt, als würde es demFilm
ansonsten die erwünschteStimmungver-
derben. „Unserewunderbaren Jahre“
spinntdie Handlung bisMitteder Fünfzi-
gerfort. DieseZeit aufwendigfiktionalin
den Blick zu nehmen istein Verdienst.
Dass bei jungen Menschen, insbesondere
nachüberstandenem Krieg,die Hormone
Achterbahn fahren, magwahr sein.Für
den großenFernsehfilmwurfaber müsste
die Zeitgeschichteund sollten nichtRoman-
zen im Dutzend billiger im erzählerischen
Zentrumstehen. HEIKEHUPERTZ

Unserewunderbaren Jahre,zweiter Teil,
läuftamSamstagum20.15 Uhr im Ersten.

MerkelsRede
DieFernsehansprachevonBundes-
kanzlerin Angela Merkelzur Corona-
Krise haben am Mittwochmehr als 25
MillionenBürgerverfolgt.Das „ARD
Extra“ um 20.15 Uhr hatte8,96 Millio-
nenZuschauer.Beim ZDFwarenes
8,97 Millionen. Das ZDF bedauerte,
dassvor der Ansprache ein langer
Werbeblock lief. Ein Sprecher sagte:
„Daswarein Fehler,der nicht hätte
passieren dürfen. Wirbedauern das
sehr!“Wegen derWerbung istbeim
ZDF eine Programmbeschwerde ein-
gegangen. BeiTwitter hattenZuschau-
er ihrenUnmut bekundet. Die An-
sprachevonAngela Merkellief auch
bei RTL, n-tv undWelt. F.A.Z.

„Playboy“ nur online
Das Männermagazin „Playboy“ er-
scheint in Amerikakünftig nicht
mehrregelmäßig ingedruckterForm.
Für den Rest des Jahres sollen Inhalte
onlineveröffentlichtwerden, schrieb
Geschäftsführer BenKohn. Das letz-
te Heftkommt in Amerikademnach
in dieserWoche heraus.Von2021 an
soll es nur Sonderausgaben und neue
Angebote in gedruckterForm geben.
Der deutsche „Playboy“ bleibt alsge-
drucktes Magazin erhalten. F.A.Z.

Mit Stephen-King-Adaptionen istdas ja
so eineSache. Manchesind herausragend,
wie „The ShawshankRedemption“ oder
„The Shining“, anderemiserabel, wie das
Remakevon „Pet Sematary“oder dieVer-
filmung von„Dreamcatcher“.Das mag
auchdaran liegen, dassKingsStärke in
der Zeichnung seiner Charaktereliegt und
der HorrorseinerRomanesichaus dem
speist,wasman nicht sehenkann.
Aber mit„The Outsider“kommt nun
eine mittelmäßige King-Geschichteins Se-
rienfernsehen, aus der die Krimiautoren Ri-
chardPrice und Dennis Lehane sowie der
Produzent Jason Bateman einenstim-
mungsvollenZehnteiler gemacht haben.
Getragenvoneinem hochkarätigen Ensem-
bleund einer dunklenAtmosphäre,erzählt
„The Outsider“ die Geschicht eeiner Mord-
ermittlungineiner Kleinstadt in Georgia.
DortwirdaneinemsonnigenNachmittag
undvor allerAugender beliebteBaseball-
CoachTerry Maitland(JasonBateman)
verhaftet. Er soll für den Mordaneinem elf-
jährigen Jungenverantwortlich sein. Die
Gemeinde istschockiert,TerrysFrauGlo-
ry (Julianne Nicholson)will dem Detective
Ralph Anderson (Ben Mendelsohn), ei-
nemFamilienfreund, am liebstenandie
Gurgelgehen.Aber Anderson,der mit sei-
ner Frau Jeannie (MareWinningham)kürz-
lichselbs tden Verlustihres Sohnesverkr af-
tenmusste, fühlt sichnicht bloß persönlich
betroffen. Er hat eineerdrückende Beweis-
last gege nMaitland, dessenFingerabdrü-
ckeund DNA-Spuren amTatortzufinden
waren. Zudem gibt eskompromittierende
Videomitschnittevon Überwachungskame-
rasamTag derTat.Maitland behauptet,
bei einerKonferenz außerhalb derStadt ge-
wesen zu sein–Zeugenaussagen wieVideo-
mitschnittevon derVeranstaltungbelegen
dies.MaitlandsAnwalt Howie Gold (Bill
Camp) engagiertdie Privatdetektivin Hol-

ly Gibney(Cynthia Erivo), deren Genie
sichzumindest zumTeil aus ihrer Asper-
ger-Veranlagungspeist, um Beweisefür
MaitlandsUnschuld zu sammeln und den
Dingenauf den Grund zugehen.
Die Handschriftdes Autors RichardPri-
ce is thier nich tzuverkennen, und wie Pri-
ce sagte,wardies für ihn auchder Reiz an
diesemProjekt.„Die Geschicht ebeginnt ja
als Krimi miteiner polizeilichen Ermitt-
lung“, sagteerimGespräch mit dieserZei-
tunginLosAngeles.„Damit habeichziem-
lichviel Erfahrung.“ Priceerhielt 1986für
„The Color of Money“ eine Oscar-Nominie-
rung, er schriebFilme wie „Sea ofLove“,
„Ransom“und „Shaft“und schuf das fünf-
fach Emmy-gekrönte„The Night Of“.
Price,der hierauchals Chefproduzent
fungiert,änderte einigeHandlungsdetails
vonKings Romanvorlageund nahmdavon
Abstand,sichauf KingsWerk „ Mr.Merce-
des“ zu beziehen.Diese Serie,2014von
DavidKelleyadaptiert,führte dieFigur
der HollyGibney ein. „DieeinzigeSchuld,
die eineAdaption derVorlagegegenüber
hat, ist, ihr im Geiste treu zu bleiben“, so
Price.Und so schrieb er nichtnur seineei-
genen Figuren, erverlangsamtedie Dinge
auch. „Hätte ichden Roman eins zu eins
adaptiert,wäreichnachdreiEpisodenfer-
tig gewesen.“ Dasgemächliche Tempo,
das hin und wiedervonsichüberschlagen-
den Ereignissenbeschleunigt wird, dient
der Entfaltung einerHandvoll Figuren, de-
renDarstellerihnenRealitätsnähe undFa-
cettenreichtumverleihen. Ben Mendel-
sohn und MareWinningham spielenglaub-
haftein Paar,das dieKatastrophe ihres
Kindesverlustsdurchsteht. Cynthia Erivo
gibt ihrer HollyGibneyvibrierende Nervo-
sität .Jason Batemanverleihtseinem Base-
ball-Coachsympathische Normalität.
„Scheint meinDing zu sein, der langwei-
lige,weiße Jedermann mittleren Alters“,

sagteerbei derVorstellung derSerie im Ja-
nuar imkalifornischenPasadena.Bateman
bekannte, „keingroßerFanvon Slasher-
Horror“ zu sein. „Mir istGrauenund Ner-
venkitzel lieber.“ Bei derAdaptionvon
KingsRoman sei es ihmwenige rdarumge-
gangen,die Zuschauer zumFürchten zu
brin gen, alseine„gewisseStimmung zu
schaffen“. Auch Pric esagte, er schalteab,
sobald sichfleischessendeZombies odergi-
gantischeTarant eln einstellen. „Unglückli-
cherweise sind die meistenHorrorgeschich-
tennicht besonderserschreck end. Man
muss schon ein leicht zu beeindruckender
Teenager sein,umsichvor demFeuerwerk
zu fürchte n, das da oftabgefackelt wird.“
Dabei,sagt Price, sei wirklich Gruseliges
vielkultivierter. Ihn habeanKings Ge-
schichtedie Prämissegereizt:„Wasbraucht
es, um einenMenschen aus demZeitalter
der Vernunft, einen Empiriker,anden
schwarzen Mannglauben zulassen?“
Der schwarze Mann taucht hier inForm
einer Gestalt auf,die ein offenbar defor-
miertesGesicht unter einemKapuzenpul-
li versteckt.Eine solche Gestalt istfraglos
starksymbolträchtig–und Price räumt
ein, dasseshier nicht zuletzt um zeitgenös-
sische Monster-Metaphern geht.„Jede
Zeit hat ihreMonster. Der japanische God-
zillavon 1954ist eineArt Dinosaurier-
Kreatur,die durchnukleareExplosionen
freigesetzt wird. Draculadreht sichumdie
sexuellen Ängste der viktorianischen Ära.
Frankenstein is tein Symbol des Aufklä-
rungszeitalters, in dem der MenschGott
spielt.“HieristesDetectiveRalphAnder-
son, der barschsagt:„Ichhabe keine Ge-
duld für dasUnerklärliche!“ Dochist er
aufgrund dervertrack tenBeweislagege-
zwungen, sichmit den Dingen zu befas-
sen, die seineGeduldstrapazieren. Und
das istfürwahr furchterregend.

The Outsider,20.15 Uhr,Sky Atlantic HD

In einem scheinbargeklärtenMordfall soll sie das Gegenteil beweisen: Cynthia Erivoals Privatdetektivin HollyGibney FotoHBO/Sky

Frühling gibt es


erst im Herbst


Geht dasnicht auch malohneLiebesschmonzetten?


Die ARD hält den Dreiteiler „Unserewunderbaren Jahre“ für einengroßenFernsehfilm zurZeitgeschichte, daran sind Zweifel angebracht


Aufins Wirtschaftswunder:Elisa Schlott
und David Schütterin„ Unserewunderba-
renJahre“ FotoWDR/UfaFiction

KurzeMeldungen


Das Unerklärliche istihr Job


„The Outsider“ nachStephen King istsehenswert/VonNina Rehfeld, Phoenix


Presseund Corona:


OhneFußball wird das


Sportblatt „L’Equipe“


in Frankreichzur


Pflichtlektüre.


VonJürgAltwegg, Genf

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