Die Welt - 07.04.2020

(John Hannent) #1

N


ach allem, was wir wissen:
Ihren Ausgang nahm die
Corona-Pandemie auf
dem Huanan Seafood
Market in der zentralchi-
nesischen Millionenstadt Wuhan. Von
100 Menschen, bei denen die Lungen-
krankheit Covid-19 Ende Dezember be-
merkt wurde, hatte die Hälfte eine Ver-
bindung zu diesem Markt, die meisten
als Verkäufer oder Marktmanager.

VON MATTHIAS GLAUBRECHT


Wie auf vielen asiatischen Märkten
wurden dort – unter oft abenteuerli-
chen hygienischen Bedingungen – ne-
ben Fisch und Meeresfrüchten auch
Dutzende Arten exotischer Wildtiere
zum Verkauf angeboten. Dicht gedrängt
waren Schlangen und Schildkröten, Na-
getiere und allerlei Katzenverwandte
bis hin zu Vögeln lebend in Käfige ge-
pfercht, während nebenan frisch ge-
schlachtete Tiere zum Verzehr zerlegt
wurden. Von einem dieser Tiere – von
welcher Art, ist nicht sicher – sprang
der Erreger auf den Menschen über.
Zoonosen nennen Wissenschaftler
solche Infektionskrankheiten, deren Er-
reger sich auf natürliche Weise vom
Tier auf den Menschen übertragen. Ein
Erbe eines jüngeren Kapitels der
Menschheitsgeschichte, waren solche
Virusinfektionen lange die größten Tod-
bringer und haben den Lauf unserer Ge-
schichte mehrfach entscheidend beein-
flusst; nun halten sie unsere Gegenwart
in Bann. Als sogenannte Emerging Viru-
ses werden sie uns vor allem aber in Zu-
kunft noch mehr beschäftigen. Denn
weitere aus Tieren überspringende Vi-
ren drohen unsere Welt zu verändern –
weil wir Menschen diese Welt massiv
verändert haben.
Etwa 200 solcher Krankheiten sind
bekannt, denen es gelingt, vom Tier auf
den Menschen überzuspringen. Sie sind
viel häufiger und weiter verbreitet, als
uns bisher bewusst war. Mehrere Milli-
arden Menschen erkranken im Jahr an
Zoonosen, Millionen sterben – die meis-
ten in Asien und Afrika. Ohnehin spie-
len bei 60 Prozent aller Infektions-
krankheiten Tiere als Überträger eine
Rolle, beispielsweise Moskitos bei Mala-
riaoder Zecken bei Borreliose. Und im-
merhin drei Viertel aller neu auftreten-
den Infektionskrankheiten springen
von Tieren über. Meist stammen sie von

Nutztieren wie Schweinen, Hühnern
oder Rindern, mit denen viele Men-
schen gerade in ärmeren Ländern auf
engstem Raum zusammenleben.
Einst kamen die epidemischen Krank-
heiten, unter denen wir alle heute noch
vor allem als Kinder leiden, mit Acker-
bau und Viehzucht vor rund 10.000 Jah-
ren in die Welt. Während sie bei Jägern
und Sammlern noch weitgehend fehl-
ten, lebten fortan immer mehr Men-
schen dicht an dicht mit ihrem Vieh zu-
sammen. Von Rindern und Schweinen
sprangen die durch Viren verursachten
Masern, Pocken, Röteln, aber auch
Mumps und Keuchhusten über und ver-
breiteten sich mit den zunehmenden
Handelsverbindungen in den wachsen-
den Zivilisationen der Alten Welt.
Nachdem sich dort allmählich eine
natürliche Immunisierung aufgebaut
hatte, trugen die ersten Europäer mit
der Globalisierung nach 1492 viele die-
ser von Viren verursachten Seuchen in
die Neue Welt, wo den Menschen jene
Immunisierung fehlte und 90 Prozent
der Urbevölkerung den Infektions-
krankheiten erlagen – der vermutlich
größte Aderlass der Menschheitsge-
schichte.
Jetzt kommen als „neue Seuchen“ be-
zeichnete Infektionskrankheiten aus
den tropischen Regionen vor allem
Asiens und Afrikas zu uns. Als epidemi-
sche Zoonosen haben sie ihren Ur-
sprung in Wildtieren, von denen sie auf
den Menschen übergehen, bevor sie sich
von Mensch zu Mensch verbreiten. So
nahm das Aidsvirus seinen Ausgang bei
Schimpansen, die in Zentralafrika häufig
gegessen werden. Auch die gefürchteten
hämorrhagischen Fieber wie Ebola, Las-
saund Marburghaben ihren Ursprung
in Fledertieren – zu denen neben Fle-
dermäusen auch Flughunde gehören.
Dagegen haben die meisten Influen-
zaviren, die zu weltumspannenden Epi-
demien wurden, ihren Ursprung in
Hühner- und Entenvögeln. Beispiele
sind die Spanische Grippe H1N1 – die
vor 100 Jahren um die 50 Millionen
Menschen tötete, mehr als die beiden
Weltkriege zusammen – und vor zehn
Jahren die glimpflich verlaufene Vogel-
grippe H5N1.
AAAuch die erste große Seuche des 21.uch die erste große Seuche des 21.
Jahrhunderts mit pandemischem Poten-
zial, die in China ausgebrochene Lun-
genkrankheit Sars(für Schweres Akutes
Respiratorisches Syndrom), stammt von

Wildtieren. Von Coronaviren ausgelöst,
erkrankten bis 2003 immerhin mehr als
8 000 Menschen, von denen knapp 800
starben; die Kosten der Eindämmung
fffür die Weltwirtschaft wurden auf fastür die Weltwirtschaft wurden auf fast
4 0 Milliarden Dollar geschätzt.
Nachdem Sars zuerst 2002 bei einem
Wildtierhändler in der südchinesischen
Provinz Guangdong entdeckt worden
war, wurde inzwischen zweifelsfrei eine
kleine asiatische Schleichkatze, der Lar-
venroller (Paguma larvata), als Zwi-
schenwirt identifiziert. Er wird in den
tropischen Regenwäldern von China bis
Borneo oft vom Menschen gejagt und
gegessen. Auch bei Sars waren beinahe
40 Prozent der anfänglich infizierten
Menschen jene, die Wildtiere gefangen,
zerlegt und verkauft hatten. Dagegen
stammte das 2012 in Saudi-Arabien auf-
getretene und sich dann international
ausbreitende Mers(Middle Eastern Re-
spiratory Syndrom) von Dromedaren.
Ende März nun haben chinesische Vi-
rologen um Yi Guan von der Universität
Hongkong sehr ähnliche Erbgutsequen-
zen des jüngsten pandemischen Corana-
virus bei Malaiischen Schuppentieren
(Manis javanica) identifiziert, die nach
Südchina geschmuggelt worden sind. Bei
diesen auch Pangolinegenannten Tie-
ren, die in den Provinzen Guangxi und
Guangdong beschlagnahmt wurden, fan-
den sich gleich zwei unabhängige Linien
mit unterschiedlich starker Überein-
stimmung zu Sars-CoV-2 beim Men-
schen. Diese lag meist zwischen 85 bis 92
Prozent. Pangoline sind damit derzeit
nicht nur der wahrscheinlichste Zwi-
schenwirt; in Südostasien zirkulieren in
tierischen Reservoirs offenbar unter-
schiedliche Varianten von Coronaviren.
Zuvor hatten Forscher Anfang Febru-
ar berichtet,dass Viren bei chinesischen
Hufeisennasen der Gattung Rhinolo-
phus zu 89 Prozent dem Erbgut des Er-
regers von Covid-19 ähneln – was diese
Fledermäuse für viele Virologen zum ur-
sprünglichen Wirt und zur eigentlichen
QQQuelle macht. Bereits beim früherenuelle macht. Bereits beim früheren
Sars-Ausbruch hatte man erkannt, dass
aus der Rötlichen Hufeisennase isolierte
Viren in ihrem Genom zu 97 Prozent
mit dem Erreger übereinstimmen; und
auch das Mers-Coronavirus stammt ur-
sprünglich aus Fledermäusen.
Durch eineStudie bei mehr als 750
untersuchten Säugetierarten wissen
wir, dass gerade in den Tropen verbrei-
tete Fledertiere oft Träger von Hunder-

ten verschiedener und großer Mengen
von Viren sind. Ohne selbst zu erkran-
ken, gelten Fledermäuse buchstäblich
als Virenschleudern. In ihren von Aber-
tausenden Tieren dicht gedrängt be-
wohnten Höhlen und Bäumen fungie-
ren sie zudem als wahre Virentausch-
börsen. Oft sind einzelne Tiere mit
mehreren Virusstämmen infiziert.
Durch das ständige Vermischen ver-
schiedener Viren in den tierischen Re-
servoirs können leicht gefährliche
Krankheitserreger entstehen. So hat
sich bei Sars und Covid-19 das Corona-
virus aus verschiedenen Varianten neu
zusammengesetzt, bevor es auf den
Menschen übersprang.

Noch rätseln Virologen, warum gera-
de Fledertiere – von denen mehr als
1400 Arten vor allem in den Tropen vor-
kommen – regelrechte Virenfabriken
sind. Während einige eine zögerliche
Immunabwehr verantwortlich machen
oder die hohen Bestandsdichten in den
Kolonien, vermuten andere dahinter
physiologische Besonderheiten dieser
einzigen fliegenden Säugetiere.
Durch ihre energiezehrende Lebens-
weise schlägt bei Fledertieren das Herz
besonders schnell, die Stoffwechselrate
ist siebenmal höher als etwa bei Mäu-
sen. Die höhere Körpertemperatur der
Fledermäuse ähnelt der Temperatur, die
andere Säugetiere wie etwa der Mensch
als Fieber herstellen, um eingedrungene
Erreger abzutöten. Das ist übrigens
auch bei Vögeln der Fall. Daher könnte
Viren, die sich an die fieberartigen Zu-
stände ihrer fliegenden Wirte adaptiert
haben, mit einer Fieberabwehrreaktion
nicht mehr beizukommen sein.
Indes sind nicht Fledermäuse das ei-
gentliche Problem; vielmehr tragen sie
als wichtige Bestäuber und Insekten-
fresser zur biologischen Vielfalt und
Stabilität von Ökosystemen bei. Das
wahre Problem ist der Mensch – weil
immer mehr von uns mit Wildtieren in
Kontakt kommen. Zwar ist das Zusam-
menspiel von verschiedenen Tierarten –
etwa den virentragenden Fledermäusen
und Pandolinen – im Detail noch völlig
unverstanden. Doch Emerging Viruses
entstehen nicht aus dem Nichts. Sie zir-
kulieren vermutlich schon lange in den
Tieren, ohne dass diese erkranken.
Ursächlich verantwortlich dürfte
vielmehr sein, dass gerade in den tropi-
schen Regionen in Asien und Afrika im-
mer mehr Menschen leben und diese
zunehmend in abgelegene Regionen
vordringen. Sie roden dort Wälder, be-
rauben Wildtiere ihres Lebensraumes,
jagen und bringen sie auf Wildtiermärk-
te in immer dichter besiedelte Dörfer –
und sogar mitten in Millionenstädte wie
etwa Wuhan.
Gerade im bevölkerungsreichsten
Land der Erde gilt das Fleisch von Wild-
tieren als Delikatesse und Statussymbol
für eine aufwachsende und zunehmend
wohlhabendere Mittelschicht. Zudem
sind China und viele andere Länder
Südostasiens immer besser global ver-
netzt. Inzwischen werden Wild- und
Nutztiere sowie die aus ihnen gewonne-
nen Produkte um den ganzen Globus
befördert. Der weltweite Reiseverkehr
und die globalen Handelsströme sind
das beste Einfallstor für Pandemien.
Für viele Virologen und Evolutions-
biologen war der Ausbruch von Epide-
mien wie Sars und Mers ein Weckruf;
umso mehr sollte es nun der gegenwär-
tige Ausbruch von Covid-19 sein. Zoo-
nosen entstehen dort, wo zunehmend
mehr Menschen die natürlichen Le-
bensräume immer stärker verändern;
wo die Landnutzung durch Waldrodun-
gen und Landwirtschaft, durch Straßen-
und Bergbau zunimmt. Zukünftige Epi-
demien könnten auch mehrere Hundert
Millionen Menschen töten und den Pla-
neten in eine jahrzehntelange Depressi-
on stürzen, wie sie die Geschichte nie
gekannt hat, meinen Experten wie Jared
Diamond und Nathan Wolfe – es gäbe
einfach keinen vernünftigen Grund,
dies auszuschließen.
Wir müssen deshalb ein Interesse da-
ran haben und wirkungsvolle Maßnah-
men entwickeln, um das weitere
Schrumpfen von Lebensraum für Wild-
tiere zu verhindern, und wir müssen die
Abholzung der Wälder in den Tropen
stoppen. Vor allem aber müssen wir
nicht nur die gefährlichen Wildtier-
märkte dauerhaft schließen und verbie-
ten, sondern Verzehr und Handel mit
Wildtieren weltweit rigoros unterbin-
den, um zu verhindern, dass weitere Vi-
ren vom Tier auf den Menschen über-
springen. Neben Impfstoffen und Stra-
tegien zur Infektionskontrolle müssen
wir die Evolution von Viren besser er-
forschen und dringend die Mechanis-
men der Ausbreitung und Übertragung
von Zoonosen verstehen lernen.
Wir sollten die neuerdings vermehrt
auftretenden Coronaviren als ein un-
missverständliches Signal sehen, dass
Umweltzerstörung auch uns Menschen
umbringen könnte. Und dass es billiger
sein wird, unsere Lebensweise zu än-
dern als weltweit die gesundheitlichen
und wirtschaftlichen Folgen weiterer Vi-
renausbrüche zu riskieren. Letztlich ge-
raten die von Wildtieren stammenden
Viren außer Kontrolle, weil wir selbst
außer Kontrolle geraten. Ändern wir da-
ran nichts, dann ist die nächste durch
Zoonosen verursachte Pandemie nur ei-
ne Frage der Zeit. Das lässt sich bereit
vorhersagen, noch bevor die gegenwär-
tige Infektionswelle überwunden ist.

Fledermäuse – wie hier die Große Hufeisennase – sind eine Brutstätte für neue Viren


PICTURE ALLIANCE/ IMAGEBROKER

/ IVAN KUZMIN

Eine KATASTROPHE


mit Ansage


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07.04.20 Dienstag, 7. April 2020DWBE-HP



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DIE WELT DIENSTAG,7.APRIL2020 SEITE 10


WISSEN


WISSENSCHAFTSREDAKTION: TELEFON: 030 – 2591 719 50|E-MAIL: [email protected]|INTERNET: WELT.DE/WISSENSCHAFT


STRASSENVERKEHR


Höheres Risiko durch


männliche Fahrer


Männliche Fahrer sind im Straßen-
verkehr eine deutlich größere Ge-
fahr für andere als Frauen. Davon
gehen Wissenschaftler nach der
Analyse britischer Daten zu tödli-
chen Unfällen aus den Jahren 2005
bis 2015 aus. Besonders groß war
der Geschlechterunterschied bei
Motorradfahrern: Männliche Fahrer
waren an zehnmal so vielen Todes-
fällen durch Unfälle beteiligt wie
weibliche Fahrer – auf die gefahre-
nen Kilometer bezogen. Die For-
scher hatten sich getrennt nach
Geschlecht und Fahrzeugart an-
geschaut, wie viele Tote pro einer
Milliarde Kilometer zu beklagen
waren. Ein Unfalltoter wurde in der
Regel dem Fahrer des anderen be-
teiligten Fahrzeugs zugerechnet –
unabhängig von der Schuldfrage.
Bei Autos und Transportern war das
Risiko durch Männer doppelt so
hoch. Am geringsten waren die
Unterschiede bei Busfahrerinnen
und -fahrern, heißt es im Fachma-
gazin „Injury Prevention“.

RAUMFAHRT


Sonde nimmt Kurs


auf Venus


In den frühen Morgenstunden des
Karfreitags fliegt die Esa-Raumson-
de „BepiColombo“ mit 30,4 Kilo-
metern pro Sekunde von der Tag-
seite kommend auf die Erde zu. Sie
wird um 6.25 Uhr MESZ über dem
Südatlantik in 12.677 Kilometer
Höhe den Punkt der größten Annä-
herung passieren und dadurch auf
der Nachtseite weiter in Richtung
inneres Sonnensystem fliegen –
dann allerdings nur noch mit einer
Geschwindigkeit von rund 25 Kilo-
metern pro Sekunde. Das ist der
Hauptgrund für dieses Fly-by-Ma-
növer: Die Sonde soll ohne Einsatz
von Treibstoff auf den richtigen
Kurs zum Planeten Venus gebracht
werden. Überdies wollen Planeten-
forscher des Deutschen Zentrums
für Luft- und Raumfahrt (DLR) und
der Universität Münster diese ein-
malige Gelegenheit für ein beson-
deres Experiment nutzen. Ohne
Störungen durch die Erdatmosphä-
re wird die von der Sonne ange-
strahlte Vorderseite des Mondes
mit dem am DLR entwickelten und
gebauten Infrarotspektrometer
Mertis beobachtet. Daraus kann auf
die mineralogische Zusammenset-
zung an der Mondoberfläche ge-
schlossen werden. Mit der gleichen
Methode soll dann später die Mi-
neralogie der Venusoberfläche er-
forscht werden. „BepiColombo“
wurde am 20. Oktober 2018 an Bord
einer Ariane-5-Rakete gestartet und
soll am 5. Dezember 2025 in eine
Merkurumlaufbahn einschwenken.

MEERESBIOLOGIE


Alter von Walhaien


bestimmt


Anhand der Überbleibsel von ober-
irdischen Atomtests, die vor rund
60 Jahren durchgeführt wurden,
haben Wissenschaftler eine Alters-
bestimmung bei Walhaien etabliert.
Anhand des Zerfalls von Kohlen-
stoffisotopen berechnete ein in-
ternationales Forscherteam, dass in
den Wirbeln der Tiere jedes Jahr
Wachstumsbänder entstehen –
ähnlich wie bei Baumringen. Damit
konnten sie das Alter zweier in
Pakistan und Taiwan konservierter
Walhaie zuverlässig bestimmen, wie
sie im Fachblatt „Frontiers in Mari-
ne Science“ berichten. Bislang war
umstritten, ob sich die Wachstums-
bänder in den Wirbeln zur Alters-
bestimmung eignen. Das zehn Me-
ter lange und sieben Tonnen schwe-
re Weibchen aus Pakistan war dem-
nach 50 Jahre alt, das fast ebenso
lange Männchen aus Taiwan mit
einem Gewicht von 8,5 Tonnen 35
Jahre alt. Frühere Studien hatten
darauf hingedeutet, dass die größ-
ten Walhaie bis zu 100 Jahre alt
werden können.

KOMPAKT


Matthias Glaubrechtist Evoluti-
onsbiologe und Professor für Bio-
diversität der Tiere an der Univer-
sität in Hamburg, Gründungs-
direktor des dortigen Centrums
für Naturkunde und Autor des
kürzlich erschienenen Buchs „Das
Ende der Evolution. Der Mensch
und die Vernichtung der Arten“.

Zur


SEBASTIAN ENGELS Person


Weltweit schlummern


zahllose Viren in


Tieren, die auch


Menschen infizieren


können. Die Welt der


Moderne macht


es immer


wahrscheinlicher, dass


Krankheitserreger


überspringen


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