Die Welt - 07.04.2020

(John Hannent) #1

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07.04.20 Dienstag, 7. April 2020DWBE-HP



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2 FORUM DIE WELT DIENSTAG,7.APRIL


E


in befreundeter Kollege
schrieb mir neulich: „Was für
eine Zeit, es ist so unreal.“
Unwirklich, ja, so fühlt es sich
gerade an. Aber auch seltsam,
dass gerade der umfassende
Einbruch einer Menschheits-
katastrophe so empfunden wird, wo es doch
eigentlich umgekehrt ist: Denn einer der Effek-
te der gegenwärtigen Lage ist, dass vieles, was
uns als selbstverständlicher Alltag und Norma-
lität erschien, plötzlich als Schein, als Ideo-
logie, als Flucht von existenziellen Wahrheiten
erkannt wird. Das Reale ist die Krankheit, ist
das Leben und der Tod.
Nehmen wir als banales Beispiel die Enter-
tainment-Welt des Sports, die noch bis vor ein
paar Wochen für Abermillionen Menschen
absolut wichtiger Lebensinhalt war und plötz-
lich komplett irrelevant ist: Wer deutscher
Meister wird, wen interessiert das gerade
noch? Die schönste Nebensache der Welt ist
nicht einmal mehr Nebensache: Ultras organi-
sieren jetzt Bringdienste für Senioren.
Eigentlich hat unsere Wahrnehmung doch
einen gewaltigen Realitätsschub erlebt: Das
Leben ist kostbar, die Gesundheit fragil, der
Mensch ein biologisches Wesen, das von
Krankheit, Unglück und Tod nicht nur im un-
glücklichen Einzelfall, sondern massiv und
dauerhaft bedroht ist. Und unsere Ressourcen
sind endlich, nicht nur in den abstrakten Mega-
wattzahlen der Energiewirtschaft, sondern
auch in Krankenhäusern. Wer reich ist, und das
gilt für Individuen wie für Nationen, kann sich
einbilden, es könne niemals Mangel herrschen.
Plötzlich fehlt sogar das Allerbanalste: Atem-
masken in der Rettungsstelle und im Super-
markt Linsen und Klopapier. Es ist wie ein
Tigersprung zurück in die Barock-Epoche,
nicht zufällig ein von der Pest gemartertes
Zeitalter: Plötzlich ist wieder alles eitel, alles
vergeht. „Dies Leben kömmt mir vor als eine
Rennebahn“, hieß es einst bei Gryphius. Ist es
nicht ein Zugewinn an Realitätssinn, an fast
existenzphilosophischem Wissen um die condi-
tio humana, wenn Modefirmen jetzt Schutz-
kleidung herstellen oder Fußballstars ihre Mil-
lionen für Intensivbetten verwenden?
Und doch ist das Gefühl von Unwirklichkeit
ein mentales Symptom vor allen medizinischen
Symptomen. Man kennt das aus der Trauma-
psychologie, unser Bewusstsein schützt sich

vor einer furchtbaren Nachricht durch Selbst-
täuschung, durch Flucht in die Fiktion. Gerade
erfahren wir so etwas Ähnliches, wenn wir
morgens aufwachen von einem Traum, in den
Corona-Gefahr noch keinen Eingang gefunden
hat und wir im ersten schläfrigen Moment die
Kinder zur Schule wecken wollen. Stimmt ja,
Ausnahmezustand. Richtig, Katastrophe. Lo-
gisch, Weltuntergang.
In der Regel folgt dann das tägliche Update
auf den aktuellen Stand des Schreckens. Wir
leben in einem immer aberwitzigeren Zustand
der Akzeleration des Horrors per Live-Ticker.
Im Minutentakt und 24/7 erreichen uns Bad

News, auch Worse und Worst News, aus allen
Teilen der Erde. Selbst gute Nachrichten sind
gerade meist nur Verweise auf schlechte, etwa
die Charity-Aktionen von Prominenten, die die
eklatante Hilflosigkeit der Gesundheitssysteme
erst recht offenlegen. Diese unaufhörlich an-
steigende Nachrichtendichte, die keinen Be-
reich auslässt, von Kultur bis zum Sport bis
zum Promi-Klatsch, wirkt inzwischen wie un-
entrinnbares Schwarzes Loch, dessen Gravita-
tionsfeld immer stärker wird und alles einsaugt
und verschlingt.
Die Zahlen, die vor einer Woche noch apoka-
lyptisch wirkten, gelten heute schon als Hoff-
nungsschimmer. Sorgen, die man sich vor Kur-
zem gemacht hat (Wird die Buchmesse statt-
finden? Wird das Derby zum Geisterspiel?),
wirken inzwischen rührend naiv, ja sogar ego-
zentrisch. Während man entsetzt oder abge-
stumpft die Opferzahlen registriert, kommen
Mikro-Katastrophen aus allen Lebensberei-
chen. Erdbeerernte in Gefahr, Altpapier geht
aus, häusliche Gewalt nimmt zu, und wer wäre
man, sich über die Nichtigkeit von Meldungen
zu mokieren, wenn es selbst beim Umsatz-
einbruch für Bademoden um die wirtschaft-
liche Existenz von Menschen geht? Und noch
finsterer als alle Nachrichten sind die Pro-
gnosen und Hochrechnungen. Die Modellierer
sind die Orakel der Gegenwart, deren Sprüche
einen tiefschwarzen Fluch über die Gegenwart
verhängen.
Egal, wie lange man sich schon mit den De-
tails der Krankheit und ihrer gesellschaftlichen
Folgeschäden beschäftigt hat, ob schon in Wu-
han oder in Heinsberg oder erst in der Lom-
bardei, jeder erreicht irgendwann zumindest
für Augenblicke einen Zustand des totalen
Memory Overflow, einer geistigen und emo-
tionalen Betäubung, in der noch nicht mal
mehr Trauer und Depression Raum hat. Wann
hat es eine derartige Massierung von Hor-
rormeldungen zuletzt gegeben, bei der sich im
Tagesrhythmus die Ereignisse zu einer Schock-
starre verdichten? Nach „9/11“? Nach Tscherno-
byl? Vielleicht muss man bis Kriegszeiten zu-
rückgehen, als die Welt erschüttert Zeuge des
scheinbar unaufhaltsamen Siegeszugs Deutsch-
lands und Japans wurde.
Vermutlich wird sich unser Verhältnis zu
diesem globalen, fast in Echtzeit ablaufenden,
nicht pausierenden Bad-News-Letter selbst
normalisieren. Schlechte Nachrichten haben

natürlich gerade die simple Notwendigkeit,
noch Schlimmeres zu verhüten, so wie alle
Kassandrarufe seit dem Trojanischen Krieg. Sie
wahrzunehmen und sich nicht in Zynismus
oder heile virtuelle Welten zu flüchten ist ein
Gebot der Stunde. Wissen ist erste Bürger- und
Menschenpflicht, es ist Voraussetzung von
Solidarität und Rücksicht.
Wer in diesem täglich dichter und tödlicher
werdenden Stahlgewitter der Schreckensnach-
richten noch Momente der Hoffnung sucht, der
wird durchaus fündig: in Akten der Mitmensch-
lichkeit, der neuentdeckten Hilfsbereitschaft,
der selbstlosen Hingabe, der Aufopferung. Jede
Katastrophe bringt immer auch das Größte im
Menschen hervor, religiös gesprochen: die
Möglichkeit seiner Heiligkeit. Auch das Gute,
im moralischen Sinne, ist ein Stück Wirklich-
keit, das in den eingespielten Routinen der
Normalität oft verborgen bleibt.
Auf einer abstrakteren Ebene ist möglicher-
weise, hoffentlich auch dies eine positive Folge
dieser Krise: die Wahrnehmung einer höheren
Realität, die sich nicht mit den Sachzwängen
des Alltags, der Wirtschaft, des alternativlosen
modernen Lebensstils deckt. Die Wiederent-
deckung einer Menschlichkeit, die aus der
Erfahrung der Verletzlichkeit kommt. Eine
Wertschätzung des gesellschaftlichen Mitein-
anders, das kein Widerspruch zur digitalen
Vernetzung sein muss. Nicht zuletzt ist diese
Krise auch eine Bewährungsprobe für die so-
zialen Netzwerke.
Eine der auffälligsten Konjunktureinbrüche
erfährt gerade die Klimadebatte, die die letzten
beiden Jahre medial extrem dominiert hat.
Dabei ist gerade der Klimawandel der Pande-
mie in vielerlei Hinsicht ähnlich: Eine „Natur-
katastrophe, die in Zeitlupe abläuft“ (Christian
Drosten), ein globales Problem, das womöglich
Millionen Opfer fordern wird und unseren
Lebensstil radikal infrage stellt. Auch hier do-
minieren die Modellierer; auch hier muss man
heute handeln, obwohl die Folgen in der Zu-
kunft liegen.
Nur ist der Zeithorizont noch viel weiter, die
Vorstellungskraft noch weit stärker gefordert,
auch die Bereitschaft zur Empathie, die Fähig-
keit, von sich selbst abzusehen. Ein Gutes
könnte der Horror doch haben. Dass uns seine
Überwindung ein eindrückliches, ein histori-
sches Beispiel gibt: Man kann Undenkbares
tun, um das Unmögliche zu schaffen.

ESSAY


Willkommen in der Realität


RICHARD KÄMMERLINGS


Der Strom schlechter


Nachrichten erzeugt


ein Gefühl der


Unwirklichkeit. Dabei


zeigt uns Corona, dass


unser Leben vor der


Pandemie unwirkliche


Züge hatte. Manche


Sorgen, die wir uns


vor Kurzem gemacht


haben, wirken heute


rührend naiv


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IMPRESSUM


Corona besiegen


wir nur weltweit



  • oder gar nicht


GERD MÜLLER


H


eute ist Weltgesundheitstag, der
dunkelste seit dem Zweiten Welt-
krieg. Covid-19 zeigt uns so klar
wie nie zuvor: Die Welt ist ein globales
Dorf, in dem wir alle verbunden und auch
verwundbar sind. Ob München, Madrid
oder Mombasa – überall sorgen sich die
Menschen um die Gesundheit ihrer Famili-
en. Die Voraussetzungen, um dieser Pan-
demie zu begegnen, könnten aber unter-
schiedlicher nicht sein. In Malawi gibt es
beispielsweise nur hundert Intensivbetten
fffür 18 Millionen Menschen. In überfülltenür 18 Millionen Menschen. In überfüllten
Flüchtlingslagern oder in Slums ohne Was-
serversorgung sind Social Distancing und
3 0 Sekunden Hände waschen für Millionen
Menschen schlicht nicht möglich.
Es liegt in unserem Eigeninteresse, dass
wir das Virus auch in diesen Ländern wirk-
sam bekämpfen. Denn sonst wird es in
WWWellen immer wieder zu uns nach Europaellen immer wieder zu uns nach Europa
zurückkehren. Corona besiegen wir nur
gemeinsam in der Welt – oder gar nicht.
Dazu müssen wir Gesundheitssofortmaß-
nahmen mit sozialen und wirtschaftlichen
Stabilisierungsmaßnahmen verbinden.
Andernfalls brechen nicht nur Kranken-
häuser, sondern ganze Staaten zusammen.
Die Folgen wären katastrophal: Chaos bis
hin zum Bürgerkrieg und Flüchtlings-
wellen. Millionen Menschen wurden be-
reits arbeitslos – ohne jede Grundsiche-
rung. Lieferketten bei Rohstoffen aber
auch Nahrungsmitteln drohen auseinan-
derzubrechen. Wir müssen die Staatlich-
keit dieser Länder erhalten, auch, um auf
kommende Bedrohungen vorbereitet zu
sein. Denn Corona wird nicht die letzte
Pandemie sein. Zwei Drittel aller beim
Menschen neu auftretenden Infektions-
krankheiten stammen ursprünglich von
Tieren, etwa Vogelgrippe oder Ebola. Viro-
logen haben mindestens 40 weitere dieser
zoonotischen Viren mit Pandemiepotenzi-
al identifiziert.
Angesichts der doppelten Bedrohung
von Gesundheits- und Wirtschaftskrise
sind vier Punkte für das Überleben von
Millionen Menschen entscheidend.
Wir brauchen einen UN-Weltkrisenstab,
der alle internationalen Krisen- und Stabi-
lisierungsmaßnahmen der UN, der Welt-
bank und des Internationalen Währungs-
fffonds wirksam koordiniert und zügig um-onds wirksam koordiniert und zügig um-
setzt. Das ist insbesondere für die Flücht-
linge und Menschen in Krisenländern,
etwa im syrischen Krisenbogen, überle-
benswichtig. Auch die EU darf ihren ange-
kündigten Marshallplan nicht nur nach
innen richten, sondern sollte ihn auf Afri-
ka ausweiten.
Hygienestandards und die Gesundheits-
systeme müssen zweitens weltweit ge-
stärkt werden. Hier sind v. a. die Welt-
gesundheitsorganisation und die Weltbank
gefordert. Für die Zeit, wenn ein Impfstoff
gegen Corona vorhanden ist, bauen wir
bereits die globalen Impfstrukturen über
Gavi aus (Globale Allianz für Impfstoffe
und Immunisierung). Denn damit werden
wir die meisten Leben retten. In den ver-
gangenen Jahren konnten so schon 760
Millionen Kinder – auch mit unserer Un-
terstützung – gegen gefährliche Krankhei-
ten geimpft werden.
Wir müssen drittens eine drohende
Hungersnot in Afrika und Indien verhin-
dern. Das heißt: zusätzliche Lebensmittel-
lager und Verteilungsprogramme der UN
fffür Nahrung und Saatgut. Vor allem aberür Nahrung und Saatgut. Vor allem aber
müssen wir Spekulationen mit Nahrungs-
mitteln einen Riegel vorschieben.
Und schließlich müssen die weltweiten
WWWechselwirkungen von Mensch- und Tier-echselwirkungen von Mensch- und Tier-
gesundheit gründlich erforscht werden,
um künftige Pandemien zu vermeiden.
Die Corona-Pandemie erfordert welt-
weite Solidarität und Zusammenarbeit –
und das heißt auch, den Schwächsten mit
allen zur Verfügung stehenden Ressourcen
beizustehen.

TGerd Müller (MdB, CSU) ist seit 2013
Bundesminister für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung.

GASTKOMMENTAR


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