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07.04.20 Dienstag, 7. April 2020DWBE-HP
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07.04.2007.04.2007.04.20/1/1/1/1/Pol3/Pol3 CGAERTNE 5% 25% 50% 75% 95%
6 POLITIK DIE WELT DIENSTAG,7.APRIL
W
olfgang Schäuble
(CDU) ist Bundes-
tagspräsident,
dienstältester Abge-
ordneter in der
deutschen Parlamentsgeschichte, Kabi-
nettsmitglied über eine Spanne von 33
Jahren (mit Unterbrechung) – und
überzeugter Europäer.
VON CLEMENS WERGIN
Derzeit hält sich der 77-Jährige in seiner
Heimatstadt Offenburg in Baden-Würt-
temberg auf, das Interview wurde tele-
fonisch geführt.
WELT: Herr Schäuble,Sie gehören zur
Altersgruppe, die durch Corona be-
sonders gefährdet ist. Wie ernst neh-
men sie persönlich die soziale Isolie-
rung?
WOLFGANG SCHÄUBLE: Ich halte
mich streng an die Regeln. Ich gehe nur
einmal am Tag aus dem Haus. Wir ha-
ben derzeit schönes Wetter, da fahre
ich eine Stunde oder mehr mit meinem
Handbike. Bewegung an der frischen
Luft ist ja gesund und hat mir geholfen
so alt zu werden wie ich bin, obwohl
ich seit 30 Jahren im Rollstuhl sitze,
was auch mit gesundheitlichen Ein-
schränkungen einhergeht. Wenn ich
nach draußen gehe, lasse ich mich nur
von meiner Frau begleiten oder von ei-
nem Freund.
Die Decke fällt ihnen also noch nicht
auf den Kopf?
Ich bin ganz zufrieden. Aber es fällt uns
schwer, dass wir keinen Besuch bekom-
men und die Kinder und Enkelkinder
zu Ostern nicht kommen können. Das
ist traurig, aber damit müssen wir le-
ben. Gott sei Dank gibt es inzwischen
die Möglichkeit, über elektronische
Medien das Aufwachsen der Enkelkin-
der zu begleiten.
Als 2008 die Finanzkrise ausbrach
und danach die Eurokrise sprachen
viele von der ernstesten Belastungs-
probe Europas seit dem Zweiten
WWWeltkrieg. Nun sagen viele eine nocheltkrieg. Nun sagen viele eine noch
schlimmere Krise voraus. Befinden
wir uns im Krieg mit dem Coronavi-
rus, wie US-Präsident Donald Trump
sagt?
Ich mag die martialische Sprache nicht,
ich halte es da eher mit der sachlichen
Art der Bundeskanzlerin. Aber was wir
jetzt mit der Pandemie erleben ist et-
was, das wir vorher nicht gekannt haben
und was wir uns so auch nicht vorstel-
len konnten. Deshalb sind alle Verglei-
che mit früheren Situationen, übrigens
auch mit der Finanzkrise und der Euro-
krise, unangemessen. Dies ist eine völlig
andere und viel, viel größere Herausfor-
derung für Deutschland, für Europa, für
die ganze Menschheit. Aber wir lernen
ja auch mit solchen Herausforderungen
umzugehen.
Wir erleben eine Rückkehr des Natio-
nalstaates. Länder, die eben noch
Partner waren, jagen einander nun
Atemschutzmasken und Beatmungs-
geräte ab. Ist der Nationalstaat also
weiter der zentrale Akteur, der Si-
cherheit und Wohlfahrt der Bürger
bereitstellt?
Wenn solch eine Katastrophe wie eine
Lawine auf einen zurollt, dann sucht
man Schutz und Halt bei den Dingen,
die einem nahe liegen. Die ersten, die in
Deutschland Kontaktbeschränkungen
angeordnet haben, waren die Kommu-
nen. Und die Länder, wir sind ja ein Fö-
deralstaat, haben die vom Grundgesetz
vorgesehene Verantwortung wahrge-
nommen. Es hat einige Tage gebraucht,
bis sie sich zum gemeinsamen Handeln
auch im Rahmen der Bundesrepublik
bereitgefunden haben. Und so war es
auch in Europa: Jeder hat zunächst das
Naheliegendste für sich selbst getan.
Aber nun wächst die Einsicht, dass wir
mit dieser weltweiten Herausforderung
nicht durch weniger, sondern nur durch
mehr Zusammenarbeit fertig werden
können. Die internationale Forschung
tut das mit einer Intensität, wie wir das
selten beobachtet haben. Deswegen
würde ich nicht sagen, der National-
staat wird jetzt wiederbelebt, denn er
war ja nie tot. Die EU bedeutet doch
nicht das Ende des Nationalstaats. Wir
brauchen beides. Wir brauchen die Zu-
sammenarbeit in Europa. In diesen un-
ruhigen Zeiten zeigt sich, wenn auch
nach ein paar Tagen Verzögerung, dass
Europa durchaus handlungs- und annä-
herungsfähig ist.
Andere empfinden das anders. Ich ha-
be vor ein paar Tagen mit dem ehema-
ligen EU-Kommissionspräsidenten
Romano Prodi telefoniert. Der war
extrem besorgt über die antieuropäi-
sche Stimmung in Italien. Die Italie-
ner fühlen sich im Stich gelassen und
viele sagen, wenn Europa in dieser
dramatischen Krise keine Solidarität
zeigt, dann verliert die EU ihre Exis-
tenzberechtigung. Tut Deutschland,
tut die EU zu wenig, um Italien und
Spanien beizustehen?
Wir tun alles, was wir können. Es gibt
aber unterschiedliche Nuancen bei der
Frage, was der richtige Weg ist. Dass wir
in einer solchen Situation mit aller
Kraft denen helfen müssen, die Hilfe
bedürfen, ist ja völlig unstreitig. Auch
Deutschland hilft: Wir übernehmen
schwer kranke Patienten aus Italien,
auch wenn manche fragen, ob wir die
Krankenhausbetten nicht für uns selbst
brauchen. Wir haben einige Tage lang
den Schutzmaskenexport verboten, das
war falsch. Deshalb hat man die Export-
beschränkungen in Europa wieder auf-
gehoben. Der Vorschlag der EU-Kom-
mission, die Kurzarbeit in EU-Ländern
mit 100 Milliarden Euro zu unterstüt-
zen, ist erfreulich schnell vereinbart
worden. Es gibt also viele Gründe zu sa-
gen: Europa ist solidarisch. Aber jeder
muss seinen Teil leisten, Solidarität ist
nie eine Einbahnstraße.
Sie haben die Eurokrise als Finanzmi-
nister erlebt. Löst die neue Debatte
über Eurobonds ein Déjà-vu bei ihnen
aus? Die Fronten zwischen Nord und
Süd sind dieselben, auch die Argu-
mente scheinen sich kaum verändert
zu haben.
Wir sind doch über diese Debatte schon
hinaus. Es zeichnet sich bei der Euro-
gruppe der Finanzminister und auch bei
den Staats- und Regierungschefs eine
Übereinkunft ab. Es geht nicht um die
Frage, wie man die Hilfe benennt, son-
dern darum, dass man jetzt kurzfristig
das Menschenmögliche tut, um die Kri-
se so wirkungsvoll wie möglich zu be-
kämpfen. Und gleichzeitig den Ländern,
die noch stärker betroffen sind, dabei
zu helfen, diese Lasten zu tragen.
Auf welchem Weg soll das passieren?
Wir müssen jetzt mit den Instrumen-
ten arbeiten, die wir haben und die
auch viel rascher wirken, anstatt uns
über neue Instrumente zu streiten, für
die wir die europäischen Verträge an-
passen müssten, was gar nicht schnell
zu leisten ist. Es ist also besser wir nut-
zen den ESM, in dem wir annähernd
5 00 Milliarden haben. Zusammen mit
den Mitteln der Europäischen Zentral-
bank können wir so sicherstellen, dass
alle Länder mit niedrigen Zinsen ihre
Probleme finanziell bewältigen kön-
nen. Dazu kommt die europäische In-
vestitionsbank, deren Garantierahmen
wir notfalls ausweiten und das Kapital
der Mitgliedstaaten aufstocken kön-
nen. Wir werden in den kommenden
Tagen auch über neue Prioritäten im
europäischen Haushalt reden müssen,
einschließlich der mittelfristigen Fi-
nanzplanung. Möglicherweise müssen
wir den Handlungsspielraum im Haus-
halt ausweiten. Das kann man alles im
bewährten System machen.
Was für weitere Hebel hat die EU?
Man kann etwa mit den Instrumenten
der Struktur-, Regional- und Sozial-
fonds schnell ein Aufbauprogramm auf
die Beine stellen. Einen künstlichen
Streit über neue Instrumente anzufan-
gen und daran zu bemessen, ob Europa
handlungsfähig oder solidarisch ist, das
ist jedoch das genaue Gegenteil von
dem, was wir brauchen. Jeder sollte wis-
sen: Es ist im deutschen Interesse, allen
nach besten Kräften zu helfen, die Un-
terstützung brauchen. Gleichzeitig ist
es im Interesse anderer Regierungen, in
ihren Ländern zu erklären, dass die eu-
ropäische Solidarität keine Frage von ir-
gendwelchen Formeln ist.
Ihr Hauptargument gegen Eurobonds
ist also die Zeitschiene, weil es zu lan-
ge dauern würde, das aufzusetzen?
Auch in Krisen sollte man das ord-
nungspolitisch Falsche unterlassen und
das ordnungspolitisch Richtige tun.
Handeln und Haften gehört eben zu-
sammen. Das ist vernünftig und wir
sollten das auch in dieser fürchterlichen
Krise nicht außer Kraft setzen. Genauso
wenig wie wir die Regeln der parlamen-
tarischen Demokratie und des Rechts-
staates außer Kraft setzen dürfen. Wir
haben europäische Verträge, die klare
Grenzen setzen. Und wir Deutschen ha-
ben ein Verfassungsgericht, dass uns
klar gesagt hat, was laut Grundgesetz
und laut den europäischen Verträgen
zulässig ist und was nicht. Alles, was
jetzt notwendig ist, um die Krise zu be-
kämpfen, um Solidarität zu üben, kön-
nen wir mit den vorhandenen Instru-
menten erreichen. Deshalb sollten wir
uns nicht mit einem Streit aus der Ver-
gangenheit verzetteln.
Deutschland setzt auf den ESM, den
Europäischen Stabilitätsmechanis-
mus. Doch Kritiker sagen, dass diese
Finanzspritzen nominell den Schul-
denstand der Nehmerländer erhöhen.
Die Gefahr etwa für Italien, in eine
Schuldenspirale zu geraten, bliebe al-
so bestehen.
Ich finde es zunächst bemerkenswert,
dass Italien sich jetzt um seinen Schul-
denstand Sorgen macht. Ich bin ja im-
mer dafür kritisiert worden, dass ich
nach der Eurokrise den Schuldenstand
Deutschlands kontinuierlich zurückge-
fahren habe, mit dem Ergebnis, dass wir
nun größeren Handlungsspielraum ha-
ben. Aber die Kommission hat jetzt
richtigerweise von den Ausnahmerege-
lungen des Europäischen Vertrags Ge-
brauch gemacht. Wenn man für die Eu-
ropäische Investitionsbank mehr Kapi-
tal braucht, dann müssen die Mitglied-
staaten das beschließen. Genauso kön-
nen die Staaten die Garantiesumme im
ESM ausweiten und die Konditionalität
lockern. Alles, was zielführend ist, sollte
man tun. Aber wenn wir in die Fehler
der Vergangenheit zurückfallen, dann
wird es langfristig nicht besser, sondern
nur schlechter.
Ihr Freund, der französische Finanz-
minister Bruno Le Maire, hat einen
EU-Sonderfonds mit einer Laufzeit
von fünf bis zehn Jahren vorgeschla-
gen. Wäre das ein gangbarer Kom-
promiss?
Einfacher und zielgerichteter wäre eine
AAAusweitung der entsprechenden Fondsusweitung der entsprechenden Fonds
im europäischen Haushalt. Warum sol-
len wir neue Sonderfonds schaffen,
wenn wir die entsprechenden Mittel
unter der Verantwortung der Europäi-
schen Kommission mit Beteiligung der
Mitgliedstaaten einsetzen können? Im
Übrigen ist auch mein Freund Bruno Le
Maire der Meinung, wir sollten die Pro-
bleme mit den vorhandenen Instru-
menten lösen.
Der deutsch-französische Motor hat
in den vergangenen Jahren nicht son-
derlich zuverlässig funktioniert. Bie-
tet die Krise die Chance, das Tandem
wiederzubeleben?
Der deutsch-französische Motor funk-
tioniert ganz gut, aber Berlin und Paris
können und müssen mehr tun. Ich bin
in engem Kontakt mit meinem französi-
schen Amtskollegen Richard Ferrand. In
einer gemeinsamen Erklärung betonen
wir, dass sich die deutsch-französische
Freundschaft angesichts der gegenwär-
tigen Herausforderung bewähren muss.
Wir wollen beide die Möglichkeiten der
Deutsch-französischen Parlamentari-
schen Versammlung nutzen, um stärker
in unsere Parlamente und Bevölkerun-
gen hineinzuwirken und deutlich zu
machen, dass Deutschland und Frank-
reich das Menschenmögliche tun, um
die Zusammenarbeit zwischen unseren
Ländern und in Europa zu verstärken.
Die gemeinsame Kammer erarbeitet da-
zu konkrete Vorschläge. Das gilt übri-
gens auch für die Grenzregion. Mein
Wahlkreis liegt in direkter Nachbar-
schaft zu Straßburg, ich erlebe die Pro-
bleme auf der französischen Seite ganz
unmittelbar. Da gab es am Anfang auch
Irritationen im Umgang miteinander
und im grenznahen Verkehr. Das ist
längst besser geworden. Man sieht da-
ran: Krisen sind immer auch Chancen.
In dieser Lage muss sich die deutsch-
französische Zusammenarbeit beson-
ders bewähren.
Am Dienstag findet die Konferenz
der EU-Finanzminister statt. Sie ha-
ben in der Hochzeit der Eurokrise als
Finanzminister an solchen Treffen
teilgenommen. Wie muss man sich
das vorstellen? Schreien sich die Mi-
nister schon mal an und verlieren die
Nerven?
Ich habe selten Finanzminister erlebt,
die die Nerven verloren haben. Als Bun-
destagspräsident gebe ich meinem
Nachfolger Olaf Scholz keine Ratschlä-
ge, und ich sehe der Konferenz zuver-
sichtlich entgegen. Wenn man hört,
was Bruno Le Maire, was Olaf Scholz,
aber auch der zuständige EU-Kommis-
sar Paolo Gentiloni dazu sagen, dann
geht das alles in die richtige Richtung.
Und wenn man sieht, wie Kommissi-
onspräsidentin Ursula von der Leyen
trotz eingeschränkter Zuständigkeiten
mit großer Energie die Solidarität in
der EU stärkt, dann bin ich ganz opti-
mistisch, dass wir nicht streiten, son-
dern gemeinsam nach besten Kräften
tun, was notwendig ist. Wobei es zu
dieser Krise dazugehört, dass wir uns
jeden Tag vorantasten, denn genau wis-
sen wir ja auch noch nicht, wo das alles
hinführen wird.
In solchen Ausnahmesituationen ste-
hen die handelnden Politiker unter
enormem Druck. Wie sind sie damals
in der Eurokrise damit klargekom-
men? Schließlich lastete damals das
Schicksal Europas auf ihren Schul-
tern und denen der Kanzlerin.
Natürlich ist der Druck in einer solchen,
bisher nie gekannten Situation beson-
ders hoch. Aber Politiker wollen alle
möglichst viel Verantwortung tragen.
Wir werden dazu nicht gezwungen, wir
machen das freiwillig. Da muss man
auch mit solchen Situationen umgehen
können. Krisen sind Herausforderun-
gen, die man annehmen muss. Wenn
man ein ausreichendes Maß an fachli-
cher Orientierung und Beratung hat
und bereit ist, auf Ratschläge und ande-
re Meinungen zu hören, und wenn man
gleichzeitig demütig genug ist sich ein-
zugestehen, dass man auch nicht genau
weiß, wie es morgen sein wird, dann
kann man diese Verantwortung tragen.
Aber es ist eine schwere Last.
Die Eurokrise hatte eine Welle des
Populismus in Europa ausgelöst.
Steht uns nach einer weiteren wirt-
schaftlichen Depression noch mehr
politische Instabilität bevor?
Das kann sein. Aber bevor wir uns darü-
ber nun ständig öffentlich sorgen, sollte
jeder in seiner Verantwortung alles tun,
um dem entgegenzuwirken. Dass uns
Populismus und Demagogie überhaupt
nicht hilft, kann man ja derzeit in vielen
Teilen der Welt beobachten. Natürlich
haben nun auch jene Konjunktur, die
Falschmeldungen verbreiten und die
Menschen verunsichern. Umso mehr
müssen die, die Verantwortung tragen
und verantwortlich handeln wollen,
dem mit seriöser Politik und transpa-
renter Debatte entgegenwirken. Wir al-
le tragen Verantwortung nicht nur für
unser Land, sondern auch für Europa
und die Welt.
Werden wir nach der Pandemie in ei-
ner komplett neuen Welt aufwachen?
Und wie wird die aussehen?
Das weiß keiner. Die Wirtschaft wurde
ja in weiten Teilen der Welt herunterge-
fahren. Niemand kann genau vorausse-
hen, was das bedeutet. Die Situation ist
nicht mit der Zerstörung und den
Trümmern am Ende des Zweiten Welt-
kriegs vergleichbar, die Fabriken stehen
ja alle noch. Aber wie man die herunter-
gefahrene Wirtschaft allmählich wieder
in Gang bringt, bedarf guter, voraus-
schauender Planung. Deshalb ist es so
wichtig, dass wir nicht nur das Überle-
ben der Firmen und den Erhalt mög-
lichst vieler Arbeitsplätze sichern. In
Europa müssen nun auch die Anstren-
gungen noch stärker werden, mit der
wirtschaftlichen Dynamik der Welt mit-
zuhalten. Wir hatten strukturelle Pro-
bleme schon vor der Corona-Pandemie.
Wir brauchen stärkere europäische
Player, die mit der Welt mithalten kön-
nen. Ich hoffe, dass die Krise den An-
stoß gibt, mehr Dynamisierung in die
europäische Entwicklung zu bringen.
Autokraten nutzen die Coronakrise,
um ihre Macht zu konsolidieren. So
wurde in Ungarn die Demokratie sus-
pendiert und Viktor Orbán hat sich
zum Alleinherrscher machen lassen.
Kann so jemand noch Teil der christ-
demokratischen Parteienfamilie in
Europa sein, der EVP?
Der ungarische Botschafter hat gerade
in einem Interview in WELT gesagt,
dass das ungarische Parlament nur das
gemacht hat, was andere Parlamente in
Europa getan haben, nämlich der Regie-
rung in der Krise besondere Handlungs-
vollmachten zu geben.
Wir haben unser Parlament aber
nicht suspendiert.
Ob diese Maßnahmen im Rahmen des
europäischen Regelwerkes geblieben
sind oder nicht, muss die EU-Kommis-
sion prüfen. Und wie die Kommissions-
präsidentin gesagt hat, schaut man bei
Ungarn besonders genau hin. Aber das
Prinzip, dass jetzt in allen Ländern der
Exekutive mehr Handlungsspielraum
gewährt wird, ist ja nicht falsch – wenn
es aufgrund parlamentarischer Er-
mächtigung erfolgt, wenn es auf die
Zeit der Krise beschränkt ist und wenn
die Letztverantwortung beim Parla-
ment verbleibt. Ungarn behauptet,
dass das gewährleistet sei. Ob das so
ist, müssen die europäischen Institu-
tionen überwachen. Und wenn es
Streit gibt über die Interpretation eu-
ropäischen Rechts, dann entscheidet
der Europäische Gerichtshof. Das ist
die rote Linie. Die Entscheidungen des
Europäischen Gerichtshofes müssen
akzeptiert werden.
M
ARTIN U. K. LENGEMANN/ WELT
„Ein künstlicher Streit ist das
GEGENTEIL
von dem, was wir brauchen“
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble wundert sich über die Vorwürfe gegen Deutschland
und die EU. Denn ausreichende Mittel, um die Krise schnell zu bekämpfen, stünden bereit
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