Der Stern - 08.04.2020

(Brent) #1
dern gern auch mal frisch geschlüpfte
Küken. Zur Ehrenrettung der Eichhörn-
chen sei gesagt: Auch sie versorgen jetzt
ihren Nachwuchs und haben daher einen
erhöhten Kalorienbedarf.

D


er Sound des Frühjahrs ist aber nicht
das Vogelzetern, sondern ihr Gesang.
Die Feldlerche, die sich schon früh-
morgens in die Lüfte schwingt, um im Rüt-
telflug hoch oben ihre Melodie zu schmet-
tern, der Zilpzalp, der seinen Namen singt,
oder die Amsel, die im Sonnenuntergang
ihr melancholisches Lied vorträgt – all das
sind streng genommen nur dieselben
Worte: „Hau ab! Hier ist schon besetzt!“
Denn neben Paarungsrufen bedeuten
viele Lieder nur eine Art Reviermarkie-
rung, ähnlich einem Hund, der sein Bein
an einem Zaunpfahl hebt. Aus diesem
Grund verstummt der große Gesang auch
im Spätsommer, wenn das Brutgeschäft
erledigt ist. Dann lösen sich die Reviere auf,
und die Vögel bereiten sich auf Vogelzug
und Winter vor.
Doch momentan ist der Wettstreit der
Sänger in vollem Gange. Bei manchen Ex-
emplaren sitzen die Strophen noch nicht

so richtig: Das sind die Jungen aus dem
letzten Jahr, die erst noch proben müssen,
bevor der Gesang richtig passt. Der ist
nämlich oft nicht angeboren, sondern
von den Eltern erlernt. Manchmal wer-
den im Übereifer sogar Umgebungsgeräu-
sche mit eingebaut. So imitieren vor allem
Stare, Amseln, Eichelhäher und Dohlen
gern das Klingeln von Handys.
Der letzte Sänger in der Reihe fehlt in
manchen Landstrichen allerdings noch:
der Kuckuck. Er kehrt oft erst Anfang Mai
aus seinem Winterquartier im südlichen
Afrika zurück. Der taubengroße Vogel be-
eilt sich nicht; schließlich möchte er seine
Eier ins bereits gemachte Nest anderer
Arten legen. Mit seiner Flugsilhouette und
der Federnzeichnung imitiert er einen
Sperber, einen Raubvogel, der kleinere
Singvögel jagt. Das hat der Kuckuck zwar
nicht vor, aber er verscheucht so wirkungs-
voll brütende Singvögel wie Gartenrot-
schwanz oder Goldammern vom Nest und
legt dann sein eigenes Ei hinzu. Die schlüp-
fenden Küken werfen den Nachwuchs der

Die Vögel heben


zum Gesang an,


um sich zu paaren


und um ihr Revier


zu markieren


Das große
Freiluftkonzert
Viele der heimischen
Vögel melden sich im Frühling
singend zurück. Amseln
dichten kleine Arien mit sich
wiederholenden melodischen
Mustern. Stare spielen gern
den Chef: Hoch oben vom
Baumwipfel oder Dachfirst
herab versuchen sie, mit
Pfeiftönen auf sich aufmerk-
sam zu machen. Zur optischen
Unterstützung spreizen
sie dabei gern auch mal ihre
Flügel. Der Eichelhäher
hingegen ist ein begnadeter
Plagiator. Er singt einfach
Lieder nach, die er anderen
Vögeln im Wald abgelauscht
hat. Nur Kuckuck und Zilpzalp
sind recht schlichte Sanges-
brüder. Ihnen fällt nichts
anderes ein, als ihren eigenen
Namen zu trällern

80 8.4.2020
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